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Biographie

von

Wolf Graf von Baudissin

(Freiherr von Schlicht)

Was ich so erlebte

von

Freiherr v. Schlicht

(Wolf Graf v. Baudissin)

Otto Janke, Berlin

Was ich so erlebte

von

Freiherr v. Schlicht

(Wolf Graf v. Baudissin)

10. – 12. Tausend

Neue, vollständig umgearbeitete Auflage

Otto Uhlmann Verlag, Berlin
(Friedrich Butsch)


Drittes Kapitel


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Als freier Schriftsteller.

Auch als ich meinen Abschied erhalten hatte, blieb ich in Schleswig wohnen. Wie wohl jeder Mensch, liebte auch ich meine Vaterstadt über alles. Sie ist so hübsch und malerisch an dem Schleibusen gelegen und sie hat in nächster Nähe die herrlichsten Waldungen. Dazu kamen mein hübsches Haus, der reizende gesellige Verkehr, und wenn ich mir auch manchmal sagte, daß ich nicht ewig in Schleswig wohnen bleiben könne, da die Stadt für einen jungen Schriftsteller, der doch etwas erleben müsse, auf die Dauer zu klein sei, dachte ich vorläufig nicht allzu ernsthaft daran, fort zu ziehen. Dagegen ging ich, um etwas zu erleben, wieder auf Reisen, und zwar zunächst nach Paris. Mit dem Morgenzug kam ich dort an, auf dem Gare du Nord waren die Arbeiter mit dem Ausbessern der Gleise beschäftigt und bei Ausbruch dieses Krieges mußte ich wieder daran denken, wie schon damals die Arbeiter mit geballten Fäusten den aus Deutschland kommenden Zug begrüßten und ich hörte wieder ganz deutlich ihr verächtliches und haßerfülltes: „Voilà les Prussiennes”. Natürlich sah ich mir in Paris alles an, was man als Fremder gesehen haben muß, und da ich sehr liebenswürdige Führer hatte, die mir Paris zeigten, bekam ich manches zu sehen, was andere nicht zu sehen bekommen. Besonders gern erinnere ich mich auch heute noch eines reizenden Abends, den ich bei zwei deutsch-russischen Damen verlebte, deren Vater früher Gouverneur von Warschau gewesen war. Die eine dieser Damen war damals eine berühmte Künstlerin, die Porträts auf Elfenbein malte. Ich erwähne diese beiden Damen aber hauptsächlich deshalb, weil ich in ihnen die beiden ersten Gesundbeterinnen in meinem Leben kennen lernte. Damals in Paris waren sie allerdings geistig noch ganz normal, aber als ich sie bald darauf in Deutschland wiedersah, waren sie fanatische Anhänger der Gesundbeterei geworden und sie suchten mich hauptsächlich auf, um mich und meine Feder für ihr Gesundbeten zu gewinnen. Als ich sie aber mit der mir angeborenen Deutlichkeit für vollständig verrückt und übergeschnappt erklärte, kündigten sie mir für immer die Freundschaft und schwuren mir, selbst dann nicht für mich beten zu wollen, wenn sie einmal hörten, daß ich mit dem Tode ränge. Na, bis heute habe ich ja noch nicht gerungen. Dafür aber wäre ich beinahe in Paris auf eine andere Art für immer von der Erde verschwunden. Ich hatte mich verleiten lassen, die Katakomben, die sich bekanntlich unter Paris in ungeheurer Ausdehnung erstrecken, nicht unter der staatlichen Führung durch die Polizei zu besichtigen, sondern ich hatte mir einen Privatführer gemietet, der mir versprochen hatte, mir in den Katakomben viel mehr und viel Interessanteres zu zeigen, als diejenigen zu sehen bekämen, die sich der offiziellen Führung anvertrauten. Das war, wie sich nachher sehr bald herausstellte, ein ganz plumper Schwindel, auf den ich aber glatt hineinfiel. Ich zog also mit meinem Führer los, der mit dem Totengräber unter einer Decke steckte. Die beiden führten mich durch das unterirdische Labyrinth, durch die dunklen Gänge, die teilweise so niedrig sind, daß man sich fortwährend bücken muß, um sich den eigenen Schädel nicht einzurennen, während man in diesen Gängen zwischen zahllosen Totenschädeln, die sich zu beiden Seiten aufeinander gestapelt erheben, hindurch schreitet. Totenschädel an Totenschädel, hunderte, tausende und abertausende und es ging immer weiter, immer tiefer hinunter, bis wir plötzlich vor einem grundlosen Brunnen standen und an einem Stein wurde mit gezeigt, was da in diese Tiefe hinunterstürze, komme nie wieder an die Oberfläche des Wassers. Ich bin ganz gewiß nicht das, was man in meiner Heimat eine Bangbüxe nennt, aber trotzdem wurde mir plötzlich etwas sonderbar zumute und ich sagte mir im stillen: was dann, wenn diese beiden Männer, die du doch gar nicht kennst, plötzlich über dich herfallen, dir dein Geld abnehmen und wenn sie dich dann für immer in diesen Brunnen hinabwerfen, in dem du elendiglich ersäufst und in dem du verschwindest, ohne daß dein Leichnam jemals wieder an die Oberfläche kommt? Der Gedanke war mir nicht sehr sympathisch, das schon deshalb nicht, weil ich für den Abend zu einem guten Diner eingeladen war. Ich versuchte meine Gedanken zu verscheuchen und folgte meinen beiden Führern, als diese nun weiterschritten. Aber kaum hatten sich meine Nerven wieder beruhigt, da sah ich, wie die beiden Männer die Köpfe zusammensteckten und leise miteinander tuschelten und flüsterten. Gewiß, ich war keine Bangbüxe, aber ich war mit den beiden Männern allein in den Katakomben, die nur alle vierzehn Tage für die Fremden geöffnet werden. Ich war so tief in die Gänge der Katakomben hinuntergeklettert, daß uns die Stille des Todes umgab, daß von dem Lärm des großen Paris, das über uns flutete, auch nicht das leiseste zu hören war. Unwillkürlich griff ich nach meinem Taschenmesser. Viel hätte es mir gewiß nicht geholfen, aber es war wenigstens eine Waffe. Da sah ich, wie mein Führer mit seinem dünnen Spazierstock durch die Luft fuchtelte und dabei wohl unbeabsichtigt einem Totenschädel eins über den Kopf gab und mit Freuden hörte ich, wie der Totengräber den anderen barbarisch anfuhr und es sich auf das energischste verbat, daß man seine Toten, wie er es nannte, in dieser rohen Weise berühre. Da wußte ich, daß der Totengräber ein guter Mensch sei und sich ganz sicherlich mit keinerlei Mordgedanken trüge. Aber was hatten die beiden, als sie gleich darauf wieder die Köpfe zusammensteckten, nur so geheimnisvoll miteinander zu flüstern? Und plötzlich erzählten sie es mir, der Totengräber hatte den Weg verloren, selbst er, der jahraus, jahrein hier unten arbeitete, fand sich in diesem endlosen Labyrinth nicht mehr zurecht. Ich fühlte, wie mir für eine kurze Sekunde das Herz still zu stehen drohte, denn auch der Gedanke, hier unten tagelang nach dem Wege zu suchen, bis man vor Hunger und Entkräftung tot umfiel, hatte für mich absolut nichts Verlockendes. Einen Augenblick standen wir drei ratlos da. Dann machten wir uns auf gut Glück auf die Suche, während uns vor Nervosität der kalte Schweiß von der Stirn lief. Und wir hatten Glück, wir hatten viel mehr als das. Nach einer Viertelstunde des Herumirrens sah ich plötzlich auf dem Boden eine von mir fortgeworfene Zigarrenspitze mit einem Zigarrenstummel liegen. Da waren wir gerettet. Dem Totengräber gelang es wieder, sich zu orientieren, wir stiegen immer höher und höher hinauf, bis wir endlich über uns das Pariser Straßenleben wieder hörten, das Rollen der schweren Wagen, das Hupen der Autosignale und schließlich auch das Stimmengewirr. Eine Viertelstunde später standen wir wieder auf der Straße und atmeten in vollen Zügen die frische Luft. Als erstes steckte ich mir eine neue Zigarre an und dachte dabei: „Wie gut, daß du nie den Rat deiner Ärzte befolgt und daß du dir das viele Rauchen nicht abgewöhnt hast. Hättest du es getan und hättest du da unten in den Katakomben nicht geraucht, bis du die Spitze fortwerfen mußtest, du ständest jetzt ganz gewiß nicht hier oben, sondern wärest dort unten elendiglich umgekommen.” – Und selten hat mir eine Zigarre so gut geschmeckt wie an jenem Mittag als ich dem Leben und der goldenen Sonne zurückgegeben war.

Als freier Schriftsteller.

Auch als ich meinen Abschied erhalten hatte, blieb ich in Schleswig wohnen. Wie wohl jeder Mensch, liebe auch ich meine Vaterstadt über alles. Sie ist so hübsch und malerisch an dem Schleibusen gelegen und sie hat in nächster Nähe die herrlichsten Waldungen. Dazu kamen mein hübsches Haus, der reizende gesellige Verkehr, und wenn ich mir auch manchmal sagte, daß ich nicht ewig in Schleswig wohnen bleiben könne, da die Stadt für einen jungen Schriftsteller, der doch etwas erleben müsse, auf die Dauer zu klein sei, dachte ich vorläufig nicht allzu ernsthaft daran, fort zu ziehen. Dagegen ging ich, um etwas zu erleben, wieder auf Reisen, und zwar zunächst nach Paris. Mit dem Morgenzug kam ich dort an, auf dem Gare du Nord waren die Arbeiter mit dem Ausbessern der Gleise beschäftigt und bei Ausbruch des Weltkrieges mußte ich wieder daran denken, wie schon damals die Arbeiter mit geballten Fäusten den aus Deutschland kommenden Zug begrüßten, und ich hörte wieder ganz deutlich ihr verächtliches und haßerfülltes: „Voilà les Prussiennes”. Natürlich sah ich mir in Paris alles an, was man als Fremder gesehen haben muß, und da ich sehr liebenswürdige Führer hatte, die mir Paris zeigten, bekam ich manches zu sehen, was andere nicht zu sehen bekommen. Besonders gern erinnere ich mich auch heute noch eines reizenden Abends, den ich bei zwei deutsch-russischen Damen verlebte, deren Vater früher Gouverneur von Warschau gewesen war. Die eine dieser Damen war damals eine berühmte Künstlerin, die Porträts auf Elfenbein malte. Ich erwähne diese beiden Damen aber hauptsächlich deshalb, weil ich in ihnen die beiden ersten Gesundbeterinnen in meinem Leben kennen lernte. Damals in Paris waren sie allerdings geistig noch ganz normal, aber als ich sie bald darauf in Deutschland wiedersah, waren sie fanatische Anhänger der Gesundbeterei geworden und sie suchten mich hauptsächlich auf, um mich und meine Feder für ihr Gesundbeten zu gewinnen. Als ich sie aber mit der mir angeborenen Deutlichkeit für vollständig verrückt und übergeschnappt erklärte, kündigten sie mir für immer die Freundschaft und schwuren mir, selbst dann nicht für mich beten zu wollen, wenn sie einmal hörten, daß ich mit dem Tode ränge. Na, bis heute habe ich ja noch nicht gerungen. Dafür aber wäre ich beinahe in Paris auf eine andere Art für immer von der Erde verschwunden. Ich hatte mich verleiten lassen, die Katakomben, die sich bekanntlich unter Paris in ungeheurer Ausdehnung erstrecken, nicht unter der staatlichen Führung durch die Polizei zu besichtigen, sondern ich hatte mir einen Privatführer gemietet, der mir versprochen hatte, mir in den Katakomben viel mehr und viel Interessanteres zu zeigen, als diejenigen zu sehen bekämen, die sich der offiziellen Führung anvertrauten. Das war, wie sich nachher sehr bald herausstellte, ein ganz plumper Schwindel, auf den ich aber glatt hineinfiel. Ich zog also mit meinem Führer los, der mit dem Totengräber unter einer Decke steckte. Die beiden führten mich durch das unterirdische Labyrinth, durch die dunklen Gänge, die teilweise so niedrig sind, daß man sich fortwährend bücken muß, um sich den eigenen Schädel nicht einzurennen, während man in diesen Gängen zwischen zahllosen Totenschädeln, die sich zu beiden Seiten aufeinander gestapelt erheben, hindurch schreitet. Totenschädel an Totenschädel, hunderte, tausende und abertausende und es ging immer weiter, immer tiefer hinunter, bis wir plötzlich vor einem grundlosen Brunnen standen und an einem Stein wurde mit gezeigt, was da in diese Tiefe hinunterstürze, komme nie wieder an die Oberfläche des Wassers. Ich bin ganz gewiß nicht das, was man in meiner Heimat eine Bangbüxe nennt, aber trotzdem wurde mir plötzlich etwas sonderbar zumute und ich sagte mir im stillen: was dann, wenn diese beiden Männer, die du doch gar nicht kennst, plötzlich über dich herfallen, dir dein Geld abnehmen und wenn sie dich dann für immer in diesen Brunnen hinabwerfen, in dem du elendiglich ersäufst und in dem du verschwindest, ohne daß dein Leichnam jemals wieder an die Oberfläche kommt? Der Gedanke war mir nicht sehr sympathisch, das schon deshalb nicht, weil ich für den Abend zu einem guten Diner eingeladen war. Ich versuchte meine Gedanken zu verscheuchen und folgte meinen beiden Führern, als diese nun weiterschritten. Aber kaum hatten sich meine Nerven wieder beruhigt, da sah ich, wie die beiden Männer die Köpfe zusammensteckten und leise miteinander tuschelten und flüsterten. Gewiß, ich war keine Bangbüxe, aber ich war mit den beiden Männern allein in den Katakomben, die nur alle vierzehn Tage für die Fremden geöffnet werden. Ich war so tief in die Gänge der Katakomben hinuntergeklettert, daß uns die Stille des Todes umgab, daß von dem Lärm des großen Paris, das über uns flutete, auch nicht das leiseste zu hören war. Unwillkürlich griff ich nach meinem Taschenmesser. Viel hätte es mir gewiß nicht geholfen, aber es war wenigstens eine Waffe. Da sah ich, wie mein Führer mit seinem dünnen Spazierstock durch die Luft fuchtelte und dabei wohl unbeabsichtigt einem Totenschädel eins über den Kopf gab und mit Freuden hörte ich, wie der Totengräber den anderen barbarisch anfuhr und es sich auf das energischste verbat, daß man seine Toten, wie er es nannte, in dieser rohen Weise berühre. Da wußte ich, daß der Totengräber ein guter Mensch sei und sich ganz sicherlich mit keinerlei Mordgedanken trüge. Aber was hatten die beiden, als sie gleich darauf wieder die Köpfe zusammensteckten, nur so geheimnisvoll miteinander zu flüstern? Und plötzlich erzählten sie es mir, der Totengräber hatte den Weg verloren, selbst er, der jahraus, jahrein hier unten arbeitete, fand sich in diesem endlosen Labyrinth nicht mehr zurecht. Ich fühlte, wie mir für eine kurze Sekunde das Herz still zu stehen drohte, denn auch der Gedanke, hier unten tagelang nach dem Wege zu suchen, bis man vor Hunger und Entkräftung tot umfiel, hatte für mich absolut nichts Verlockendes. Einen Augenblick standen wir drei ratlos da. Dann machten wir uns auf gut Glück auf die Suche, während uns vor Nervosität der kalte Schweiß von der Stirn lief. Und wir hatten Glück, wir hatten viel mehr als das. Nach einer Viertelstunde des Herumirrens sah ich plötzlich auf dem Boden eine von mir fortgeworfene Zigarrenspitze mit einem Zigarrenstummel liegen. Da waren wir gerettet. Dem Totengräber gelang es wieder, sich zu orientieren, wir stiegen immer höher und höher hinauf, bis wir endlich über uns das Pariser Straßenleben wieder hörten, das Rollen der schweren Wagen, das Hupen der Autosignale und schließlich auch das Stimmengewirr. Eine Viertelstunde später standen wir wieder auf der Straße und atmeten in vollen Zügen die frische Luft. Als erstes steckte ich mir eine neue Zigarre an und dachte dabei: „Wie gut, daß du nie den Rat deiner Ärzte befolgt und daß du dir das viele Rauchen nicht abgewöhnt hast. Hättest du es getan und hättest du da unten in den Katakomben nicht geraucht, bis du die Spitze fortwerfen mußtest, du ständest jetzt ganz gewiß nicht hier oben, sondern wärest dort unten elendiglich umgekommen.” – Und selten hat mir eine Zigarre so gut geschmeckt wie an jenem Mittag als ich dem Leben und der goldenen Sonne zurückgegeben war.


Vier schöne Wochen habe ich in Paris verlebt, dann ging es zurück nach Schleswig an meinen Schreibtisch, auf dem viele Briefe lagen, die auf mich warteten, besonders einer, in dem der leider auch schon verstorbene Feuilletonredakteur der „Frankfurter Zeitung”, Dr. Mammroth, mich aufforderte, doch auch ihm einmal ein Feuilleton für sein Blatt zu schreiben. Ich tat es mit Freuden und ich danke es dem Verstorbenen heute noch, daß er, als er meine erste Arbeit(43) veröffentlichte, seine zahllosen Leser in einer ausführlichen Fußnote auf mich und auf die Eigenart meiner schriftstellerischen Tätigkeit hinwies. Dem ersten Feuilleton folgte sehr bald ein zweites und ich bin jahrelang Mitarbeiter der „Frankfurter Zeitung” gewesen, die mich nicht nur als Schriftsteller, sondern auch dafür bekannt machte, daß ich etwas freie Anschauungen habe, die man von einem früheren, noch dazu adligen Offizier nicht so recht erwarte. Viele begriffen sogar meine Anschauungen nicht, obgleich mein leiser Spott und meine Satire von mir selbst immer viel harmloser genommen wurden, als von den anderen Leuten(44), so daß ich mir eines Tages, ohne an Größenwahn zu leiden, das Wort zurief: „Lieber Freund Schlicht, suche dir ein anderes Reich, Mazedonien, Schleswig ist für dich zu klein, du gehörst mehr in die große Welt, als dauernd in eine kleine Stadt.” Ich packte meine Koffer, um mir verschiedene Städte daraufhin anzusehen, wo ich wohl wohnen möchte, vorher aber folgte ich noch einer Einladung nach Husum, um von dort aus eine Fahrt durch die Halligen zu machen. Nur nebenbei sei bemerkt, daß ich auf einer dieser kleinen Halligen, einer ganz kleinen, einsamen, im Meere liegenden Insel, eine alte Frau sprach, die seit dreißig Jahren, sage und schreibe seit dreißig Jahren von der Gicht gelähmt im Bette lag und die mir beinahe freudestrahlend erzählte, das sei noch gar nichts, es sei letzthin auf der Hallig eine Frau gestorben, die habe sogar fünfundfünfzig Jahre im Bett liegen müssen und sie hoffe, daß der Herr sie auch noch so lange am Leben ließe. Dreißig Jahre lag die Frau schon im Bett und dicht über ihrem Bett an der Wand war ein kleines, schmales Brett angebracht und auf diesem standen Gefäße mit Reis, Gries, Sago, Salz und ähnlichen Dingen. Wer hier auf der Hallig etwas brauchte, kam zu der Gichtkranken, um es bei ihr zu kaufen und der Klöhnschnack, den die Kranke dann mit ihren Kundinnen führte, war die einzige Zerstreuung, die die Kranke seit dreißig Jahren hatte und den sie sich noch weitere fünfundzwanzig Jahre wünschte. Ja ja, die Ansprüche, die der Mensch an das Leben stellt, sind wirklich sehr verschieden.

Vier schöne Wochen habe ich in Paris verlebt, dann ging es zurück nach Schleswig an meinen Schreibtisch, auf dem viele Briefe lagen, die auf mich warteten, besonders einer, in dem der leider auch schon verstorbene Feuilletonredakteur der „Frankfurter Zeitung”, Dr. Mammroth, mich aufforderte, doch auch ihm einmal ein Feuilleton für sein Blatt zu schreiben. Ich tat es mit Freuden und ich danke es dem Verstorbenen heute noch, daß er, als er meine erste Arbeit veröffentlichte, seine zahllosen Leser in einer ausführlichen Fußnote auf mich und auf die Eigenart meiner schriftstellerischen Tätigkeit hinwies. Dem ersten Feuilleton folgte sehr bald ein zweites und ich bin jahrelang Mitarbeiter der „Frankfurter Zeitung” gewesen, die mich nicht nur als Schriftsteller, sondern auch dafür bekannt machte, daß ich etwas freie Anschauungen habe, die man von einem früheren, noch dazu adligen Offizier nicht so recht erwarte. Viele begriffen sogar meine Anschauungen nicht, obgleich mein leiser Spott und meine Satire von mir selbst immer viel harmloser genommen wurden, als von den anderen Leuten, so daß ich mir eines Tages, ohne an Größenwahn zu leiden, das Wort zurief: „Lieber Freund Schlicht, suche dir ein anderes Reich, Mazedonien, Schleswig ist für dich zu klein, du gehörst mehr in die große Welt, als dauernd in eine kleine Stadt.” Ich packte meine Koffer, um mir verschiedene Städte daraufhin anzusehen, wo ich wohl wohnen möchte, vorher aber folgte ich noch einer Einladung nach Husum, um von dort aus eine Fahrt durch die Halligen zu machen. Nur nebenbei sei bemerkt, daß ich auf einer dieser kleinen Halligen, einer ganz kleinen, einsamen, im Meere liegenden Insel, eine alte Frau sprach, die seit dreißig Jahren, sage und schreibe seit dreißig Jahren von der Gicht gelähmt im Bette lag und die mir beinahe freudestrahlend erzählte, das sei noch gar nichts, es sei letzthin auf der Hallig eine Frau gestorben, die habe sogar fünfundfünfzig Jahre im Bett liegen müssen und sie hoffe, daß der Herr sie auch noch so lange am Leben ließe. Dreißig Jahre lag die Frau schon im Bett und dicht über ihrem Bett an der Wand war ein kleines, schmales Brett angebracht und auf diesem standen Gefäße mit Reis, Grieß, Sago, Salz und ähnlichen Dingen. Wer hier auf der Hallig etwas brauchte, kam zu der Gichtkranken, um es bei ihr zu kaufen, und der Klöhnschnack, den die Kranke dann mit ihren Kundinnen führte, war die einzige Zerstreuung, die die Kranke seit dreißig Jahren hatte und den sie sich noch weitere fünfundzwanzig Jahre wünschte. Ja ja, die Ansprüche, die der Mensch an das Leben stellt, sind wirklich sehr verschieden.


Ich aber stellte etwas höhere, ich begriff auch nicht, wie man selbst als gesunder Mensch jahraus, jahrein auf einer einsamen Hallig leben könne, etwas mehr Luxus und Zerstreuung mußte mein zukünftiger Wohnort mir schon bieten, und so fiel meine Wahl zunächst auf Schwerin in Mecklenburg, eine Stadt, die ich schon ihrer hübschen Lage wegen sehr liebe. Ich fuhr denn auch nach Schwerin und hätte dort beinahe ein sehr hübsches Haus gemietet, aber ehe ich es fest mietete, wollte ich mir den Fall im Hotel nochmals in Ruhe überlegen. Ich ging auf die Straße und baute mich an der Haltestelle der Elektrischen auf, um mit dieser in das Hotel zu fahren. Aber es kam keine Elektrische, es kam keine, stattdessen kamen zwei Straßenjungen, die mich zuerst ansahen, als sei ich blödsinnig, bis sie sich gegenseitig anstießen und sich zuriefen: „Kiek di den mal an, de täuvwt upp de Elektrische.” Zu den beiden ersten Jungens kamen weitere, zu den Jungens gesellten sich Erwachsene, die sich mehr oder weniger über mich amüsierten, bis mir schließlich die Geduld riß und bis ich um Aufklärung bat. Da erfuhr ich denn, daß die Leute über mich lachten, weil ich auf die elektrische Bahn warte, obgleich die doch wegen schlechten Geschäftsganges bereits vor mehr als einem halben Jahr ihren Betrieb eingestellt habe. Allerdings hoffte man, in einigen Jahren den wieder aufnehmen zu können, deshalb hatte man auch die Schienen liegen lassen und auch die Schilder „Haltestelle der Straßenbahn” nicht erst entfernt.

Ich aber stellte etwas höhere, ich begriff auch nicht, wie man selbst als gesunder Mensch jahraus, jahrein auf einer einsamen Hallig leben könne, etwas mehr Luxus und Zerstreuung mußte mein zukünftiger Wohnort mir schon bieten, und so fiel meine Wahl zunächst auf Schwerin in Mecklenburg, eine Stadt, die ich schon ihrer hübschen Lage wegen sehr liebe. Ich fuhr denn auch nach Schwerin und hätte dort beinahe ein sehr hübsches Haus gemietet, aber ehe ich es fest mietete, wollte ich mir den Fall im Hotel nochmals in Ruhe überlegen. Ich ging auf die Straße und baute mich an der Haltestelle der Elektrischen auf, um mit dieser in das Hotel zu fahren. Aber es kam keine Elektrische, es kam keine, stattdessen kamen zwei Straßenjungen, die mich zuerst ansahen, als sei ich blödsinnig, bis sie sich gegenseitig anstießen und sich zuriefen: „Kiek di den mal an, de täuvwt upp de Elektrische.” Zu den beiden ersten Jungens kamen weitere, zu den Jungens gesellten sich Erwachsene, die sich mehr oder weniger über mich amüsierten, bis mir schließlich die Geduld riß und bis ich um Aufklärung bat. Da erfuhr ich denn, daß die Leute über mich lachten, weil ich auf die elektrische Bahn warte, obgleich die doch wegen schlechten Geschäftsganges bereits vor mehr als einem halben Jahr ihren Betrieb eingestellt habe. Allerdings hoffte man, in einigen Jahren den wieder aufnehmen zu können, deshalb hatte man auch die Schienen liegen lassen und auch die Schilder „Haltestelle der Straßenbahn” nicht erst entfernt.


Ich bin nicht nach Schwerin in Mecklenburg gezogen. Im Vergleich damit kam mir plötzlich selbst Schleswig großstädtisch vor. Wir fuhren dort zwar auch nicht elektrisch, aber wir hatten doch wenigsten eine Straßenpferdebahn, mit der es allerdings auch sehr gemütlich ging. Meine Vaterstadt liegt, sich sehr lang ausdehnend, an dem Schleibusen und besteht in der Hauptsache aus einer einzigen langen Straße, die sich, wenn auch nicht unter demselben Namen, von dem äußersten Punkt im Süden bis zum äußersten Punkt im Westen erstreckt. Die Hauptteile der Straße heißen: Der Friedrichsberg, der Lollfuß und die Altstadt. Wenn nun jemand vom Friedrichsberg in der Altstadt etwas besorgt haben wollte, gab er einfach dem Pferdebahnkutscher einen Zettel mit und sagte: „Nicht wahr, Herr Paulsen,” oder wie der Mann sonst hieß, „Sie sind so freundlich und geben unterwegs diesen Bestellzettel bei dem Kaufmann X ab und holen die Sachen ab, wenn Sie auf dem Rückweg wieder bei dem Kaufmann vorüber fahren.” „Jawohl, Madame, das mache ich”, gab der Kutscher zur Antwort und wenn die Fahrgäste es auch noch so eilig haben mochten, unterwegs hielt der Kutscher plötzlich sein Pferdchen an, kletterte von seinem Platz und ging in den Laden von Kaufmann X, um dort den ihm anvertrauten Bestellzettel abzugeben und um auf der Rückfahrt den Topf mit Sirup, oder was es sonst immer war, abzuholen. Das war damals. Das sind nun auch schon über fünfzehn Jahre her und man fährt auch in meiner Vaterstadt Schleswig schon längst elektrisch, wie ich mir habe erzählen lassen. Ich selbst habe meiner Vaterstadt inzwischen nicht wiedergesehen, obgleich ich manchmal vor Heimweh ganz krank bin. Jedes Jahr nehme ich mir vor: in diesem Jahre aber fährst du ganz bestimmt nach Schleswig, aber ich fahre dann doch nicht, weil ich so viel andere Reisen machen muß und ich glaube auch aus einem anderen Grunde nicht – weil ich die mir so liebe Stadt so in der Erinnerung behalten will, wie ich sie mit mir herumtrage. Auch in Schleswig hat sich vieles verändert. Von den Leuten, die ich dort lieb gewann, sind die meisten gestorben. Das Haus, in dem ich einst wohnte und in dem ich der Schlicht wurde, steht nicht mehr, mein Elternhaus ist ganz umgebaut und in andere Hände übergegangen, nein, ich fahre nicht wieder nach Schleswig. Aber wenn ich im nächsten Jahr noch lebe, will ich trotzdem, oder gerade deshalb wirklich einmal wieder in die Heimat fahren.

Ich bin nicht nach Schwerin in Mecklenburg gezogen. Im Vergleich damit kam mir plötzlich selbst Schleswig großstädtisch vor. Wir fuhren dort zwar auch nicht elektrisch, aber wir hatten doch wenigsten eine Straßenpferdebahn, mit der es allerdings auch sehr gemütlich ging. Meine Vaterstadt liegt, sich sehr lang ausdehnend, an dem Schleibusen und besteht in der Hauptsache aus einer einzigen langen Straße, die sich, wenn auch nicht unter demselben Namen, von dem äußersten Punkt im Süden bis zum äußersten Punkt im Westen erstreckt. Die Hauptteile der Straße heißen: Der Friedrichsberg, der Lollfuß und die Altstadt. Wenn nun jemand vom Friedrichsberg in der Altstadt etwas besorgt haben wollte, gab er einfach dem Pferdebahnkutscher einen Zettel mit und sagte: „Nicht wahr, Herr Paulsen,” oder wie der Mann sonst hieß, „Sie sind so freundlich und geben unterwegs diesen Bestellzettel bei dem Kaufmann X ab und holen die Sachen ab, wenn Sie auf dem Rückweg wieder bei dem Kaufmann vorüber fahren.” „Jawohl, Madame, das mache ich”, gab der Kutscher zur Antwort und wenn die Fahrgäste es auch noch so eilig haben mochten, unterwegs hielt der Kutscher plötzlich sein Pferdchen an, kletterte von seinem Platz und ging in den Laden von Kaufmann X, um dort den ihm anvertrauten Bestellzettel abzugeben und um auf der Rückfahrt den Topf mit Sirup, oder was es sonst immer war, abzuholen. Das war damals. Das ist nun auch schon lange Jahre her und man fährt auch in meiner Vaterstadt Schleswig schon längst elektrisch, wie ich mir habe erzählen lassen. Ich selbst habe meine Vaterstadt inzwischen nicht wiedergesehen, obgleich ich manchmal vor Heimweh ganz krank bin. Jedes Jahr nehme ich mir vor: in diesem Jahre aber fährst du ganz bestimmt nach Schleswig, aber ich fahre dann doch nicht, weil ich so viel andere Reisen machen muß und ich glaube auch aus einem anderen Grunde nicht – weil ich die mir so liebe Stadt so in der Erinnerung behalten will, wie ich sie mit mir herumtrage. Auch in Schleswig hat sich vieles verändert. Von den Leuten, die ich dort lieb gewann, sind die meisten gestorben. Das Haus, in dem ich einst wohnte und in dem ich der Schlicht wurde, steht nicht mehr, mein Elternhaus ist ganz umgebaut und in andere Hände übergegangen, nein, ich fahre nicht wieder nach Schleswig. Aber wenn ich im nächsten Jahr noch lebe, will ich trotzdem, oder gerade deshalb wirklich einmal wieder in die Heimat fahren.


Wie gesagt, ich zog nicht nach Schwerin, sondern nach längerem Überlegen nach Dresden. Als ich im vergangenen Sommer in gegebener Veranlassung dem weit über Dresdens Grenzen hinaus bekannten Buchhändler Tamme(45) in der Prager Straße mit ein paar Zeilen mein Kartenbild schickte, sandte er mir sein Bild mit der Aufschrift: „Zum bleibenden Gedächtnis an die ewig junge Dresdner Sturm- und Drangperiode.” Da ist es mir eigentlich erst recht klar geworden, daß jene Zeit wirklich eine Sturm- und Drangperiode für mich war. Ich war im besten Alter, Mitte der Dreißig. So zart und schwächlich ich als Kind gewesen war, so gesund und stark war ich als Mann. Das Schaffen wurde mir unendlich leicht, meine Arbeiten überstürzten sich und ich konnte trotzdem nicht so viel schreiben, wie die Leser und die Verleger von mir verlangten. Aber über der Arbeit habe ich auch das Genießen nicht vergessen. Im Leben der Leutnants gibt es bekanntlich ein dreifaches W, Wein, Weib und Würfelspiel, aber mein schon so oft erwähnter Vetter Hermann Heiberg sagte mir einmal: „Mein lieber Wauwau, merke dir eins, viel wichtiger als das dreifache W ist für das Leben eines jeden Menschen das dreifache G(45a), Geld, Gesundheit und Genußfähigkeit. Fehlt von diesen drei Dingen auch nur eins, dann kann man mit den beiden anderen auch nichts anfangen.” Das Wort ist natürlich nur bis zu einem gewissen Grade wahr, aber schön ist es, wenn man alle drei G zusammen besitzt, und ich hatte die damals. Ich war gesund, ich verdiente viel Geld und besaß auch die Genußfähigkeit. Ja, ich habe das Leben in vollen Zügen genossen und ich habe wissentlich keine Gelegenheit, die sich mir zum Genuß bot, unbenutzt vorübergehen lassen.

Wie gesagt, ich zog nicht nach Schwerin, sondern nach längerem Überlegen nach Dresden.


Und dort habe ich meine Sturm- und Drangperiode erlebt.


Ich war im besten Alter, Mitte der Dreißig. So zart und schwächlich ich als Kind gewesen war, so gesund und stark war ich als Mann. Das Schaffen wurde mir unendlich leicht, meine Arbeiten überstürzten sich und ich konnte trotzdem nicht so viel schreiben, wie die Leser und die Verleger von mir verlangten. Aber über der Arbeit habe ich auch das Genießen nicht vergessen. Im Leben der Leutnants gibt es bekanntlich ein dreifaches W, Wein, Weib und Würfelspiel, aber mein schon so oft erwähnter Vetter Hermann Heiberg sagte mir einmal: „Mein Lieber, merke dir eins, viel wichtiger als das dreifache W ist für das Leben eines jeden Menschen das dreifache G, Geld, Gesundheit und Genußfähigkeit. Fehlt von diesen drei Dingen auch nur eins, dann kann man mit den beiden anderen auch nichts anfangen.” Das Wort ist natürlich nur bis zu einem gewissen Grade wahr, aber schön ist es, wenn man alle drei G zusammen besitzt, und ich hatte die damals. Ich war gesund, ich verdiente viel Geld und besaß auch die Genußfähigkeit. Ja, ich habe das Leben in vollen Zügen genossen und ich habe wissentlich keine Gelegenheit, die sich mir zum Genuß bot, unbenutzt vorübergehen lassen.


Ungefähr sieben Jahre habe ich in Dresden gelebt und namentlich die ersten Jahre waren sehr schön, schon weil ich einen außerordentlich netten Verkehr fand. Selbstverständlich war ich auch Mitglied des bekannten Schriftstellervereins Symposion, den der verstorbene Ernst Eckstein gegründet hat und der wöchentlich einmal des Abends zusammentrat. Von den damaligen Mitgliedern nenne ich den leider vor kurzem verstorbenen feinsinnigen Baron Königsbrunn-Schaup(46), ein geborener Österreicher, der entschieden einer unserer besten und bekanntesten Schriftsteller geworden wäre, wenn er nur die Energie zur Arbeit gehabt hätte. Aber statt zu arbeiten, ging er Tag für Tag in die Dresdener Galerie und konnte sich stundenlang in den Anblick eines einzigen Bildes versenken. Auch der damalige Direktor der Dresdener Galerie, Professor Woermann(47), gehörte dem Symposion an, ebenso der letzthin verstorbene Jesko von Puttkammer(48), der verstorbene Wilhelm Wolters(49), mein verstorbener Freund und Verleger Carl Reißner(50), ach, es sind inzwischen so viele gestorben, daß ich mich immer aufs neue darüber wundere, daß ich selbst noch lebe. Aber einer, der Älteste von uns allen, lebt glücklicherweise auch heute noch, der ewig junge, weitbekannte Erzähler August Niemann(51), ein selten kluger Mensch voll köstlichen Humors, mit dem ich viele anregende Stunden verplaudert habe, allerdings nicht im Symposion, denn dort war jedes Gespräch über Kunst und Literatur als Fachsimpelei auf das strengste verboten. Man uzte und neckte sich gegenseitig in harmloser Weise und vor allen Dingen erzählte man sich Witze, die nicht immer gerade die anständigsten waren. Es war immer sehr nett und sehr lustig, aber warum diese Symposion als literarischer Verein im Kürschnerschen Literaturkalender verzeichnet steht, ist mir eigentlich nie recht klar geworden. Sehr häufig sahen wir des Abends natürlich auch Gäste bei uns. Wer von bekannten Größen nach Dresden kam, suchte das Symposion auf, oder wurde dort eingeführt. Dort habe ich auch zum erstenmal Monsieur Henry(52), einen der späteren elf Scharfrichter kennen gelernt, der uns durch seine Chansonnes, die er meisterhaft auf der Gitarre begleitete, tief ergriff. Auch Wolfgang Kirchbach(53) war noch wenige Monate vor seinem Tode dort unser Gast.

Ungefähr sieben Jahre habe ich in Dresden gelebt und namentlich die Jahre waren sehr schön, schon weil ich einen außerordentlich netten Verkehr fand.





























Und dann hatte ich dort eine reizende kleine Freundin, die hieß die Lore. Ich liebte die Lore und die Lore liebte mich, wenigstens behauptete sie das und wir küßten uns und wir waren zärtlich miteinander, wir waren glücklich, und da ich ein Mann war und infolgedessen ein dreifacher Esel, glaubte ich, daß das immer so bleiben würde. Bis dann eines Tages der Tag kam, der in solchem Falle immer kommt. Da war ich hingegangen, um die Lore zu einem Spaziergang abzuholen. Das Wetter war trübe und die Lore hatte sich so hübsch angezogen, daß ich ihr sagte: „Lore, du hast dich so hübsch gemacht, es wird regnen.”


 

Sagte die Lore: „Woher weißt du?”


 

„Das Barometer fällt, Lore.”


 

„Das kann auch wieder steigen.”


 

„Es kann aber auch noch weiter fallen.”


 

„Warten wir es ab,” meinte die Lore.


 

„Willst du nicht für alle Fälle einen Regenschirm mitnehmen?” fragte ich.


 

Aber die Lore widersprach: „Der paßt nicht zu meinem Hut.”


 

„Dann setz' dir einen andern Hut auf.”


 

„Der paßt nicht zu meinem Kleid.”


 

„Dann zieh dir ein anderes Kleid an.”


 

„Dazu bin ich zu faul.”


 

„Da zieh dir wenigstens einen Regenmantel an.”


 

Aber die Lore widersprach. „Ich habe mir doch nicht das hübsche Kleid angezogen, damit ich das unter einem Mantel verstecke.”


 

„Was machen wir aber da, Lore,” erkundigte ich mich weiter, „wenn wir nun spazieren gehen und wenn es anfängt zu regnen?”


 

„Das ist sehr einfach,” klärte die Lore mich auf, „da stelle ich mich irgendwo unter, wo es ganz trocken ist, und du holst mir einen Wagen.”


 

„Und wenn ich bei der Geschichte klitschenaß werde, Lore?”


 

„Dann ist es deine eigene Schuld,” schalt die Lore, „warum hast du keinen Regenmantel an?”


 

Auf dieser Basis schlossen wir Frieden, wir machten einen Spaziergang in den Großen Garten. Und kaum waren wir da angelangt, da fing es an zu gießen, was es nur immer gießen konnte. Die Lore flüchtete unter einen großen Baum, unter dem sie wirklich ganz geschützt stand, und ich bekam den ehrenvollen Auftrag, einen Wagen zu holen. Was man sucht, findet man bekanntlich immer erst spät, und so mußte ich bis zum Hauptbahnhof laufen, um einen Wagen zu finden. Klitschenaß kam ich da an, klitschenaß setzte ich mich in den Wagen und fuhr zurück nach dem Großen Garten. Und als ich dort ankam, war alles noch genau so da, wie ich es verlassen hatte: der graue Himmel, der Regen, der Dreck, der große Baum, unter dem die Lore gestanden hatte, alles, alles war noch da, nur eines fehlte, die Lore. Und ich rief: „Lore, Lore, Lore,” als wäre ich ein Papagei. Aber die Lore war weg und blieb weg, und da wußte ich es mit einemmal, es ist aus zwischen dir und der Lore, die siehst du überhaupt nicht wieder. Trotzdem fuhr ich gleich zur Stadt und suchte die Lore in meiner Wohnung und ihrer Wohnung, in meinem Bett und in ihrem Bett, im Bett und unterm Bett, aber die Lore war nicht da, sie kam auch nicht, statt dessen kam ein Brief. Und da schrieb mir die Lore: „Mein lieber Freund! Nun bin ich Dir also doch untreu geworden. Ganz leicht ist es mir offen gestanden nicht gefallen, aber da wirst Du mir recht geben, irgendwie mußte ich mich dem Herrn doch dankbar erweisen, der mit seinem Auto an mir vorüberfuhr, als ich im Großen Garten unter dem Baum im strömenden Regen auf Dich wartete, der mich gleich in seine Wohnung fuhr, der mich zu Bett brachte, der mir Kamillentee kochen ließ, und alles für mich tat, was er nur konnte, damit ich mich nicht erkältete. Nicht wahr, irgendwie mußte ich mich ihm doch dankbar erweisen, und außerdem hat mein neuer Freund, der Bankdirektor, sicher recht, wenn er sagt, es wäre nur gut, daß ich Dich zuerst betrogen hätte, sonst hättest Du das sicher sehr bald bei mir getan, denn anders ginge es nicht, einer müßte mit dem Betrügen immer zuerst anfangen.”


 

Und dann kam ein Nachsatz, denn das weibliche Wesen, das einen Brief ohne einen solchen schreiben kann, muß doch erst geboren werden. Der Nachsatz aber lautete:


 

„Mein lieber Freund! In den langen Jahren, in denen ich Deine Freundin gewesen bin, habe ich so vieles bei Dir gelernt, namentlich die Lüge ebenso zu hassen und zu verabscheuen, wie Du es tust. Deshalb wirdt Du es mir ohne weiteres gleuben, wenn ich es Dir nicht nur sage, sondern Dir mit den heiligsten Eiden schwöre, daß ich Dir bis zu dem heutigen Nachmittag immer und immer unwandelbar treu gewesen bin. Immer! Und deshalb darfst Du es auf der anderen Seite nicht glauben, wenn jetzt, wo ich nicht mehr Deine Freundin bin, Deine vielen, vielen Freunde zu Dir kommen und Dir erzählen wollen, ich hätte mich auch ihnen hingegeben, ich hätte auch ihnen angehört. Das wäre von ihnen eine bodenlose Gemeinheit, wenn sie mich jetzt so bei Dir verleumden würden, und außerdem haben mir damals alle, aber auch alle ohne Ausnahme, ihr heiligstes Ehrenwort darauf gegeben, daß Du niemals etwas davon erfahren würdest.”(53a)


In die Dresdener Zeit fällt auch das Gastspiel Ernst von Wolzogens(53b) mit seinem Überbrettl. Das war was für mich und bald saß ich nicht mehr täglich als Zuhörer im Parkett des schönen Zentraltheaters, bald saß ich auch des Abends als Ehrengast oben auf der Bühne und las meine Sachen vor. Aber einmal wäre ich bei dem Lesen beinahe stecken geblieben. Aus einer Loge klang besonders helles Lachen und als ich hinsah, saß dort quietschvergnügt und puppenlustig der weltbekannte, jetzt auch verstorbene Alexander Kielland(54), dessen Tod ich am Mittag desselben Tages in der Zeitung gelesen hatte. Daß Kielland gestorben sei, hatte ich geglaubt, als ich es las, erstens, weil man so etwas ja immer glaubt, dann aber auch, weil ich wußte, daß er ein kranker Mann sei. Er war ein Riese von Gestalt, dessen Körper auf so winzig kleinen Füßen ruhte, daß er kaum gehen konnte. So saß er denn immer spazieren und kaum saß er, da schlief er ein. In dieser Kunst war er unübertrefflich, und als ich ihn in Karlsbad kennen lernte, erzählte er mir auch in humoristischer Weise, wie er sich diese Kunst angeeignet habe. Er war in seiner Heimat in seinem Hauptberuf Bürgermeister und er pflegte zu sagen: „Wenn ich jemanden auf mein Haus zukommen sehe und ich bin vollständig angezogen, dann bin ich der Bürgermeister und muß den Besucher empfangen. Bin ich aber nicht vollständig angezogen, bin ich sogar ausgezogen und nur noch mit meinem Nachthemd bekleidet, dann bin ich nicht mehr der Bürgermeister, sondern lediglich ein müder Mensch, der schlafen gehen will und der keine Besuche mehr zu empfangen braucht.”(54a) So hatte er es sich angewöhnt, sich fortwährend zu Bett zu legen und kaum lag er, da schlief er auch schon. Ich habe es in Karlsbad einmal erlebt, daß er sich nachmittags um drei Uhr hinlegte, daß er es aber vorher dem Mädchen noch streng einschärfte, ihn am nächsten Morgen auch pünktlich um zehn Uhr zu wecken, und er hat tatsächlich neunzehn Stunden hindurch so fest geschlafen, daß es am nächsten Morgen Mühe und Arbeit kostete, ihn wach zu bekommen. Als ich damals die Nachricht von seinem Tode las, glaubte ich an die, um so größer war daher die Freude, den Totgesagten plötzlich lebendig vor mir zu sehen. Nachdem ich mich von meinem ersten Erstaunen erholt hatte, las ich meine Geschichte zu Ende und Kielland und ich haben hinterher in dem Restaurant Englischer Garten noch manche Flasche Sekt zusammen getrunken.

In die Dresdener Zeit fällt auch das Gastspiel Ernst von Wolzogens mit seinem Überbrettl. Das war was für mich und bald saß ich nicht mehr täglich als Zuhörer im Parkett des schönen Zentraltheaters, bald saß ich auch des Abends als Ehrengast oben auf der Bühne und las meine Sachen vor. Aber einmal wäre ich bei dem Lesen beinahe stecken geblieben. Aus einer Loge klang besonders helles Lachen und als ich hinsah, saß dort quietschvergnügt und puppenlustig der weltbekannte, jetzt auch verstorbene Alexander Kielland, dessen Tod ich am Mittag desselben Tages in der Zeitung gelesen hatte. Daß Kielland gestorben sei, hatte ich geglaubt, als ich es las, erstens, weil man so etwas ja immer glaubt, dann aber auch, weil ich wußte, daß er ein kranker Mann sei. Er war ein Riese von Gestalt, dessen Körper auf so winzig kleinen Füßen ruhte, daß er kaum gehen konnte. So saß er denn immer spazieren und kaum saß er, da schlief er ein. In dieser Kunst war er unübertrefflich, und als ich ihn in Karlsbad kennen lernte, erzählte er mir auch in humoristischer Weise, wie er sich diese Kunst angeeignet habe. Er war in seiner norwegischen Heimat in seinem Hauptberuf Bürgermeister und er pflegte zu sagen: Wenn ich jemanden auf mein Haus zukommen sehe und ich bin vollständig angezogen, dann bin ich der Bürgermeister und muß den Besucher empfangen. Bin ich aber nicht vollständig angezogen, bin ich sogar ausgezogen und nur noch mit meinem Nachthemd bekleidet, dann bin ich nicht mehr der Bürgermeister, sondern lediglich ein müder Mensch, der schlafen gehen will und der keine Besuche mehr zu empfangen braucht.” So hatte er es sich angewöhnt, sich fortwährend zu Bett zu legen und kaum lag er, da schlief er auch schon. Ich habe es in Karlsbad einmal erlebt, daß er sich nachmittags um drei Uhr hinlegte, daß er es aber vorher dem Mädchen noch streng einschärfte, ihn am nächsten Morgen auch pünktlich um zehn Uhr zu wecken, und er hat tatsächlich neunzehn Stunden hindurch so fest geschlafen, daß es am nächsten Morgen Mühe und Arbeit kostete, ihn wach zu bekommen. Als ich damals die Nachricht von seinem Tode las, glaubte ich an die, um so größer war daher die Freude, den Totgesagten plötzlich lebendig vor mir zu sehen. Nachdem ich mich von meinem ersten Erstaunen erholt hatte, las ich meine Geschichte zu Ende und Kielland und ich haben hinterher in dem Restaurant Englischer Garten noch manche Flasche Sekt zusammen getrunken.


Ach ja, der Englische Garten! „Gehst in den Englischen Garten du, so denk' an die Sommernacht, in der zum ersten Male dir dies Gesicht hat entgegengelacht.” So schrieb mir eine der Überbrettl-Damen, für mich die Schönste, auf ihr Bild, das sie mir schenkte, und so viele Jahre seitdem auch verflossen sind, ich habe die mit Wolzogen und seinen Herrschaften damals in Dresden im Englischen Garten verlebten lustigen Stunden nicht vergessen, und als ich vor zwei Jahren einmal dort wieder saß, da glaubte ich plötzlich, wieder unter all den lieben Menschen zu sitzen und wieder klang es an mein Ohr: „Denk' an die Sommernacht, in der zum ersten Male dir dies Gesicht hat entgegengelacht.” Ja, schöne Olga d'Estrée, ich habe deiner gedacht, deiner anders als in allen Ehren zu gedenken, gabst du mir kein Recht und auch heute höre ich dich noch in der Erinnerung das Lied vom Laufmädel singen: „Mädel, lauf' und halt dich brav, übermorgen kommt ein Graf!”

 


Ich glaube, solange Wolzogen mit dem Überbrettl in Dresden war, habe ich keine Zeile geschrieben, das auch schon deshalb nicht, weil ich bereits am frühen Morgen, sobald ich nur aufgewacht war, ein Lampenfieber bekam, das mich zu jeder Arbeit unfähig machte. Die letzte Stunde, bevor ich auf die Bühne mußte, war ich überhaupt mehr tot als lebendig. Ich habe das Lampenfieber erst vor drei Jahren überwunden, obgleich ich in all den Jahren, die dazwischen liegen, zahlreiche Vorlesungen gehalten habe. Von Köln bis Danzig, von Kiel(54b) herunter bis Brünn(54c) gibt es kaum eine größere Stadt, in der ich nicht einmal vorlas. Aber die Angst des Abends! Die Angst! Als ich an einem Weihnachtsfeiertag einmal mit Rudolf Presber zusammen in der Philharmonie(54d) las, wollte ich überhaupt nicht auf das Podium hinauf und ich beschwor den Türschließer, mich unter irgendeinem Vorwande bei dem Publikum zu entschuldigen. Das tat er natürlich nicht, sondern er redete mir gut zu, bis ich schließlich sagte: „Na schön, meinetwegen, mehr als einen Herzschlag kann ich ja vor Aufregung nicht bekommen, aber das schwöre ich Ihnen, lieber Freund, diese Vorlesung ist die letzte meines Lebens.” Ich glaubte, meine Worte würden auf den Mann Eindruck machen, stattdessen sah er mich nur lächelnd an, bis er endlich sagte: „Herr Baron, nehmen Sie es mir nicht übel, aber den Schwur haben schon viel größere Künstler als Sie hier geschworen, aber keiner hat ihn gehalten.” Und er erzählte mir, wer da alles schon in seiner Gegenwart gezittert und geschworen hatte. Es wäre indiskret, Namen zu nennen, aber es waren die aller-allerbesten Namen und er erzählte mir auch von zwei weltbekannten Brüdern, die sich vor jedem Konzert gegenseitig beschimpften, verfluchten und verwünschten, weil jeder nach der Ansicht des anderen daran schuld sei, daß sie sich gemeinsam zu diesem verfluchten Konzert entschlossen hätten. Nach dem Konzert versöhnten sie sich aber sofort wieder bis zum nächsten Konzert.

Ich glaube, solange Wolzogen mit dem Überbrettl in Dresden war, habe ich keine Zeile geschrieben, das auch schon deshalb nicht, weil ich bereits am frühen Morgen, sobald ich nur aufgewacht war, ein Lampenfieber bekam, das mich zu jeder Arbeit unfähig machte. Die letzte Stunde, bevor ich auf die Bühne mußte, war ich überhaupt mehr tot als lebendig. Ich habe das Lampenfieber erst sehr spät überwunden, obgleich ich in all den Jahren, die dazwischen liegen, zahlreiche Vorlesungen gehalten habe. Von Köln bis Danzig, von Kiel herunter bis Brünn gibt es kaum eine größere Stadt, in der ich nicht einmal vorlas. Aber die Angst des Abends! Die Angst! Als ich an einem Weihnachtsfeiertag einmal mit Rudolf Presber zusammen in der Philharmonie las, wollte ich überhaupt nicht auf das Podium hinauf und ich beschwor den Türschließer, mich unter irgendeinem Vorwande bei dem Publikum zu entschuldigen. Das tat er natürlich nicht, sondern er redete mir gut zu, bis ich schließlich sagte: „Na schön, meinetwegen, mehr als einen Herzschlag kann ich ja vor Aufregung nicht bekommen, aber das schwöre ich Ihnen, lieber Freund, diese Vorlesung ist die letzte meines Lebens.” Ich glaubte, meine Worte würden auf den Mann Eindruck machen, stattdessen sah er mich nur lächelnd an, bis er endlich sagte: „Herr Baron, nehmen Sie es mir nicht übel, aber den Schwur haben schon viel größere Künstler als Sie hier geschworen, aber keiner hat ihn gehalten.” Und er erzählte mir, wer da alles schon in seiner Gegenwart gezittert und geschworen hatte. Es wäre indiskret, Namen zu nennen, aber es waren die aller-allerbesten Namen und er erzählte mir auch von zwei weltbekannten Brüdern, die sich vor jedem Konzert gegenseitig beschimpften, verfluchten und verwünschten, weil jeder nach der Ansicht des anderen daran schuld sei, daß sie sich gemeinsam zu diesem verfluchten Konzert entschlossen hätten. Nach dem Konzert versöhnten sie sich aber sofort wieder bis zum nächsten Konzert.


Auch in Dresden(54e) habe ich einmal in der großen literarischen Gesellschaft gelesen, während dieser Zeit auch ein paarmal in anderen Städten, aber die zahlreichen Vortragsabende, zu denen ich stets eingeladen war, gehören einer späteren Zeit an. Ich las damals noch wenig, dafür gab ich meinen Lesern desto mehr von mir zu lesen. Ich schrieb ein Buch nach dem anderen und auch einen kleinen Einakter, „Baron Borken”(55), für den ich den bekannten Schauspieler Adolf Klein, den ersten Grafen Trast in Sudermanns „Ehre”, zu interessieren wußte, als dieser mit Jenni Groß zusammen im Dresdener Residenz-Theater gastierte. Adolf Klein war für den Sommer von Direktor Bock(56) nach Petersburg engagiert und wollte dort in dem Einakter spielen, der eine Bombenrolle für ihn enthielt. Der Tag, an dem die Aufführung stattfinden sollte, wurde mir später mitgeteilt und am Tage nach der Aufführung wartete ich fortwährend auf das mir von Adolf Klein festversprochene Telegramm über die Aufnahme des Stückes, aber das Telegramm kam nicht. Da telegraphierte ich mit bezahlter Rückantwort und erhielt den Bescheid, die Aufführung habe im letzten Augenblick wegen Erkrankung eines Schauspielers auf das nächste Jahr verschoben werden müssen. Ich war mehr als enttäuscht und um mich zu trösten, beschloß ich, in den Englischen Garten zu gehen, um mich dort in die Sektflasche zu stürzen. Dem Entschluß wollte ich die Tat folgen lassen, aber kaum war ich auf die Straße getreten, als mir der Postbote nachgelaufen kam, da er einen eingeschriebenen Brief aus Wien für mich habe. Überrascht sah ich auf. Aus Wien? Ich kannte dort wissentlich keinen Menschen, dann aber las ich den Brief und als ich den gelesen hatte, ging ich erst recht in den Englischen Garten und stürzte mich erst recht in die Sektflasche, aber nun nicht mehr aus Enttäuschung, sondern vor Freude, denn in dem Brief aus Wien fragte der inzwischen leider auch schon verstorbene Franz von Schönthan(57) bei mir an, ob ich bereit sei, nach Wien zu kommen, um mit ihm zusammen ein militärisches Lustspiel zu schreiben. Und ob ich bereit war! Bald darauf fuhr ich nach Wien und in gemeinsamer Arbeit verfaßten wir das Lustspiel „Im bunten Rock” dessen nähere Entstehungsgeschichte unter dem Titel „Wie das Lustspiel 'Im bunten Rock' entstand”, der, der sich dafür interessiert, in dem bei Otto Janke erschienenen kleinen Sammelband „Der rote Pierrot”(58) nachlesen kann.

Auch in Dresden habe ich einmal in der großen literarischen Gesellschaft gelesen, während dieser Zeit auch ein paarmal in anderen Städten, aber die zahlreichen Vortragsabende, zu denen ich stets eingeladen war, gehören einer späteren Zeit an. Ich las damals noch wenig, dafür gab ich meinen Lesern desto mehr von mir zu lesen. Ich schrieb ein Buch nach dem anderen und auch einen kleinen Einakter, „Baron Borken”, für den ich den bekannten Schauspieler Adolf Klein, den ersten Grafen Trast in Sudermanns „Ehre”, zu interessieren wußte, als dieser mit Jenny Groß zusammen im Dresdener Residenz-Theater gastierte. Adolf Klein war für den Sommer von Direktor Bock nach Petersburg engagiert und wollte dort in dem Einakter spielen, der eine Bombenrolle für ihn enthielt. Der Tag, an dem die Aufführung stattfinden sollte, wurde mir später mitgeteilt und am Tage nach der Aufführung wartete ich fortwährend auf das mir von Adolf Klein festversprochene Telegramm über die Aufnahme des Stückes, aber das Telegramm kam nicht. Da telegraphierte ich mit bezahlter Rückantwort und erhielt den Bescheid, die Aufführung habe im letzten Augenblick wegen Erkrankung eines Schauspielers auf das nächste Jahr verschoben werden müssen. Ich war mehr als enttäuscht und um mich zu trösten, beschloß ich, in den Englischen Garten zu gehen, um mich dort in die Sektflasche zu stürzen. Dem Entschluß wollte ich die Tat folgen lassen, aber kaum war ich auf die Straße getreten, als mir der Postbote nachgelaufen kam, da er einen eingeschriebenen Brief aus Wien für mich habe. Überrascht sah ich auf. Aus Wien? Ich kannte dort wissentlich keinen Menschen, dann aber las ich den Brief und als ich den gelesen hatte, ging ich erst recht in den Englischen Garten und stürzte mich erst recht in die Sektflasche, aber nun nicht mehr aus Enttäuschung, sondern vor Freude, denn in dem Brief aus Wien fragte der inzwischen leider auch schon verstorbene Franz von Schönthan bei mir an, ob ich bereit sei, nach Wien zu kommen, um mit ihm zusammen ein militärisches Lustspiel zu schreiben. Und ob ich bereit war! Bald darauf fuhr ich nach Wien und in gemeinsamer Arbeit verfaßten wir das Lustspiel „Im bunten Rock”.


Viele Jahre, bevor ich mit Schönthan den „bunten Rock” schrieb, hatte ich schon mit einem Autor, mit dem jetzt in Berlin wohnenden Hans von Wentzel(59), ein Soldatenstück geschrieben,aber kein Leutnantsstück, denn wir glaubten damals, neben und nach dem „Veilchenfresser” könne und würde sich kein anderes Leutnantsstück die Bühnen erobern. Wir schrieben ein Volksstück, das „Tante Jette”(60) hieß und daß seine Uraufführung in glänzendster Darstellung mit der verstorbenen berühmten Clara Wenk in der Hauptrolle am Berliner Theater seine erste Aufführung erlebte, leider unter einem ungünstigen Stern, denn kurz vor Beginn des Theaters brachten die Extrablätter die erschütternde Kunde, daß der junge Herzog von Mecklenburg-Schwerin(60a) mit seinem Torpedoboot auf der Fahrt nach Hamburg gekentert und mit fast allen seinen Mannschaften ertrunken sei. Die Trauerkunde wirkte auf den Besuch und auf die Stimmung der Besucher, die das Haus nur teilweise füllten. Ich aber saß hinter den Kulissen und hoffte trotz alledem auf einen Erfolg. Namentlich die Szenen, die in der Kaserne spielten, schlugen ein. Der jetzige Oberregisseur an der Königlichen Oper in Berlin, Georg Droescher, war ein wahrhaft glänzender Hauptmann und Albert Bassermann holte sich in der Episodenrolle eines verbummelten Genies einen großen Sonderapplaus bei offener Szene. Aber trotzdem wollte mein Glaube an einen Erfolg nicht so recht in mir wach werden, da hörte ich plötzlich, wie der neben mir sitzende Theatermeister fortwährend vor sich hin sagte: „Nee, so'n schönes Stück! (60b) Nee, so'n schönes Stück!” Meine Freude war groß, denn der Mann hatte doch Erfahrungen, aber trotzdem wollte ich gern wissen, warum unser Stück ihm denn besonders gut gefalle, und so fragte ich: „Sie sind sicher früher auch Soldat gewesen?” Aber er schüttelte den Kopf, nein, er habe nie gedient, vom Militär verstände er auch sehr wenig, aber trotzdem sei unser Stück das schönste Stück, das jemals am Berliner Theater gespielt worden sei. Und als ich dann weiter in ihn drang und ihn bat, mir das Warum und Weshalb zu erklären, da zog er seine Taschenuhr hervor, zeigte auf das Zifferblatt und sagte mit freudig aufblitzenden Augen: „Dieses Stück ist das schönste, das ich kenne, das ist ja schon vor halber zehne aus!” Schmunzelnd steckte er die Uhr wieder ein, ich aber knickte vollständig in mich zusammen. Als am nächsten Morgen die Kritiken kamen, wagte ich mich nicht unter die Menschen, nicht einmal unter mir ganz fremde, denn ich dachte, selbst die müßten mir ansehen, wie ich und meine Mitarbeiter verrissen worden wären. Trotzdem blieb „Tante Jette” längere Zeit auf dem Spielplan und sie erfreute sich auch einer gewissen Popularität, denn wenn die mitwirkenden Soldaten des Abends nach dem Theater geführt wurden, liefen die Straßenjungens hinterher und riefen nach dem Takt der marschierenden Füße: „Tan-te Jet-te, Tan-te Jet-te, Tan-te Jet-te!”

Viele Jahre, bevor ich mit Schönthan den „bunten Rock” schrieb, hatte ich schon mit einem Autor, mit dem jetzt in Berlin wohnenden Hans von Wentzel, ein Soldatenstück geschrieben, aber kein Leutnantsstück, denn wir glaubten damals, neben und nach dem „Veilchenfresser” könne und würde sich kein anderes Leutnantsstück die Bühnen erobern. Wir schrieben ein Volksstück, das „Tante Jette” hieß und das seine Uraufführung in glänzendster Darstellung mit der verstorbenen berühmten Clara Wenk in der Hauptrolle am Berliner Theater erlebte, leider unter einem ungünstigen Stern, denn kurz vor Beginn des Theaters brachten die Extrablätter die erschütternde Kunde, daß der junge Herzog von Mecklenburg-Schwerin mit seinem Torpedoboot auf der Fahrt nach Hamburg gekentert und mit fast allen seinen Mannschaften ertrunken sei. Die Trauerkunde wirkte auf den Besuch und auf die Stimmung der Besucher, die das Haus nur teilweise füllten. Ich aber saß hinter den Kulissen und hoffte trotz alledem auf einen Erfolg. Namentlich die Szenen, die in der Kaserne spielten, schlugen ein. Der damalige Oberregisseur an der Königlichen Oper in Berlin, Georg Droescher, war ein wahrhaft glänzender Hauptmann und Albert Bassermann holte sich in der Episodenrolle eines verbummelten Genies einen großen Sonderapplaus bei offener Szene. Aber trotzdem wollte mein Glaube an einen Erfolg nicht so recht in mir wach werden, da hörte ich plötzlich, wie der neben mir sitzende Theatermeister fortwährend vor sich hin sagte: „Nee, so'n schönes Stück! Nee, so'n schönes Stück!” Meine Freude war groß, denn der Mann hatte doch Erfahrungen, aber trotzdem wollte ich gern wissen, warum unser Stück ihm denn besonders gut gefalle, und so fragte ich: „Sie sind sicher früher auch Soldat gewesen?” Aber er schüttelte den Kopf, nein, er habe nie gedient, vom Militär verstände er auch sehr wenig, aber trotzdem sei unser Stück das schönste Stück, das jemals am Berliner Theater gespielt worden sei. Und als ich dann weiter in ihn drang und ihn bat, mir das Warum und Weshalb zu erklären, da zog er seine Taschenuhr hervor, zeigte auf das Zifferblatt und sagte mit freudig aufblitzenden Augen: „Dieses Stück ist das schönste, das ich kenne, das ist ja schon vor halber zehne aus!” Schmunzelnd steckte er die Uhr wieder ein, ich aber knickte vollständig in mich zusammen. Als am nächsten Morgen die Kritiken kamen, wagte ich mich nicht unter die Menschen, nicht einmal unter mir ganz fremde, denn ich dachte, selbst die müßten mir ansehen, wie ich und meine Mitarbeiter verrissen worden wären. Trotzdem blieb „Tante Jette” längere Zeit auf dem Spielplan und sie erfreute sich auch einer gewissen Popularität, denn wenn die mitwirkenden Soldaten des Abends nach dem Theater geführt wurden, liefen die Straßenjungens hinterher und riefen nach dem Takt der marschierenden Füße: „Tan-te Jet-te, Tan-te Jet-te, Tan-te Jet-te!”


Aber das vermochte doch nicht, die mir so liebe „Tante Jette” längere Zeit am Leben zu erhalten. Eines Morgens erwachte sie und war tot, sie war für immer von dem Spielplan verschwunden.

Aber das vermochte doch nicht, die mir so liebe „Tante Jette” längere Zeit am Leben zu erhalten. Eines Morgens erwachte sie und war tot, sie war für immer von dem Spielplan verschwunden.


Der „bunte Rock” dagegen hatte ein langes Leben, der ist über sämtliche Bühnen Deutschlands gegangen und in vielen Städten habe ich der 25., der 50. und selbst der 75. Aufführung beigewohnt.

Der „bunte Rock” dagegen hatte ein langes Leben, der ist über sämtliche Bühnen Deutschlands gegangen und in vielen Städten habe ich der 25., der 50. und selbst der 75. Aufführung beigewohnt.


In Dresden wurde der „bunte Rock” im dortigen Residenz-Theater gegeben, das schon damals unter der Leitung des außerordentlich liebenswürdigen Direktors Carl Witt stand. Jenny Groß, die auch schon lange Verstorbene, kam jedes Jahr im Februar auf vier Wochen nach Dresden in das Residenz-Theater als Gast und spielte als Gastrolle die reiche Amerikanerin, die Schönthan und ich auch eigentlich von Anfang an für Jenny Groß geschrieben hatten, die damals noch in Berlin am Lessing-Theater engagiert war. Der Direktor des Lessing-Theaters bewarb sich auch um das Stück, aber als er es gelesen hatte, lehnte er es ab, weil er das Lustspiel, selbst mit Jenny Groß in der Hauptrolle, nach seiner felsenfesten Überzeugung keine zweimal spielen würde, derartig werde das Stück durchfallen. Es ist aber nirgends durchgefallen und in Dresden hat Jenny Groß achtundzwanzigmal nach der Reihe vor ausverkauftem Hause ihre Bombenrolle mit dem größten Erfolg gespielt. Auch sonst war die Besetzung eine sehr gute. Der Herr Direktor bemühte sich selbst um das Stück und war ein sehr fescher und flotter Leutnant. Der Komiker Carl Friese war ein brillanter Fabrikant und in der gänzlich unbedeutenden Rolle eines Soldaten holte sich jeden Abend ein Schauspieler einen Sonderapplaus, von dem damals kein Mensch etwas wußte, den aber heute alle kennen, die den Kientopp besuchen, der Schauspieler Albert Paulig.

In Dresden wurde der „bunte Rock” im dortigen Residenz-Theater gegeben, das schon damals unter der Leitung des außerordentlich liebenswürdigen Direktors Carl Witt stand. Jenny Groß, die auch schon lange Verstorbene, kam jedes Jahr im Februar auf vier Wochen nach Dresden in das Residenz-Theater als Gast und spielte als Gastrolle die reiche Amerikanerin, die Schönthan und ich auch eigentlich von Anfang an für Jenny Groß geschrieben hatten, die damals noch in Berlin am Lessing-Theater engagiert war. Der Direktor des Lessing-Theaters bewarb sich auch um das Stück, aber als er es gelesen hatte, lehnte er es ab, weil er das Lustspiel, selbst mit Jenny Groß in der Hauptrolle, nach seiner felsenfesten Überzeugung keine zweimal spielen würde, derartig werde das Stück durchfallen. Es ist aber nirgends durchgefallen und in Dresden hat Jenny Groß achtundzwanzigmal nach der Reihe vor ausverkauftem Hause ihre Bombenrolle mit dem größten Erfolg gespielt. Auch sonst war die Besetzung eine sehr gute. Der Herr Direktor bemühte sich selbst um das Stück und war ein sehr fescher und flotter Leutnant. Der Komiker Carl Friese war ein brillanter Fabrikant und in der gänzlich unbedeutenden Rolle eines Soldaten holte sich jeden Abend ein Schauspieler einen Sonderapplaus, von dem damals kein Mensch etwas wußte, den aber heute alle kennen, die den Kientopp besuchen, der Schauspieler Albert Paulig.


Zwei kleine wahre Geschichten aus der damaligen Zeit. Wie schon erwähnt, spielte Carl Friese die Rolle des Fabrikanten Wiedebrecht und hat an einer Stelle zu seinem Sohn zu sagen: „Wenn du heiraten willst, schön, meinetwegen. Da wäre zum Beispiel die Tochter meines Kompagnons Martens –”, aber obgleich der Martens hieß, taufte Friese den jeden Abend anders, so daß die bei dieser Szene auf der Bühne beschäftigten Soldaten schon immer im voraus das Lachen bekamen, weil sie sich im stillen sagten: „Wir sind nur neugierig, wie der Kompagnon heute abend heißen wird.” Und der hieß jeden, aber auch jeden Abend anders. So kam der Tag der 25. Vorstellung heran, ein mehr als ausverkauftes Haus, auf der Bühne eine mehr als übermütige Stimmung, so daß ich mich fragte: „Ich bin nur neugierig, wie heute der Kompagnon heißen wird, sicher denkt Friese sich zur Feier des Tages einen ganz besonders verrückten und blödsinnigen Namen aus.” Aber da geschah ein Wunder. Zur Feier des Tages hieß sein Kompagnon tatsächlich Martens und ich glaubte im ersten Augenblick, meinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Dann aber lachte ich hell auf, die Soldaten auf der Bühne lachten mit, das Publikum lachte erst recht, ohne zu wissen, was es eigentlich zu Lachen gäbe und da trat Friese vorn an die Rampe, drohte mir mit der Faust in meine Proszeniumsloge hinein und rief mir mit donnernder Stimme zu: „Was gibt es denn da zu lachen? Mein Kompagnon heißt Martens, das müßten Sie doch eigentlich wissen. Tableau!"

Zwei kleine wahre Geschichten aus der damaligen Zeit. Wie schon erwähnt, spielte Carl Friese die Rolle des Fabrikanten Wiedebrecht und hat an einer Stelle zu seinem Sohn zu sagen: „Wenn du heiraten willst, schön, meinetwegen. Da wäre zum Beispiel die Tochter meines Kompagnons Martens –”, aber obgleich der Martens hieß, taufte Friese den jeden Abend anders, so daß die bei dieser Szene auf der Bühne beschäftigten Soldaten schon immer im voraus das Lachen bekamen, weil sie sich im stillen sagten: „Wir sind nur neugierig, wie der Kompagnon heute abend heißen wird.” Und der hieß jeden, aber auch jeden Abend anders. So kam der Tag der 25. Vorstellung heran, ein mehr als ausverkauftes Haus, auf der Bühne eine mehr als übermütige Stimmung, so daß ich mich fragte: Ich bin nur neugierig, wie heute der Kompagnon heißen wird, sicher denkt Friese sich zur Feier des Tages einen ganz besonders verrückten und blödsinnigen Namen aus.” Aber da geschah ein Wunder. Zur Feier des Tages hieß sein Kompagnon tatsächlich Martens und ich glaubte im ersten Augenblick, meinen Ohren nicht trauen zu dürfen. Dann aber lachte ich hell auf, die Soldaten auf der Bühne lachten mit, das Publikum lachte erst recht, ohne zu wissen, was es eigentlich zu Lachen gäbe und da trat Friese vorn an die Rampe, drohte mir mit der Faust in meine Proszeniumsloge hinein und rief mir mit donnernder Stimme zu: „Was gibt es denn da zu lachen? Mein Kompagnon heißt Martens, das müßten Sie doch eigentlich wissen. Tableau!"


Und an demselben Abend noch eine andere lustige Episode(60c). In einer Szene zwischen dem General von Troßbach und dem Leutnant heißt es:

Und an demselben Abend noch eine andere lustige Episode. In einer Szene zwischen dem General von Troßbach und dem Leutnant heißt es:


General: „Sind Sie zu Pferde hier?”

General: „Sind Sie zu Pferde hier?”


Leutnant: „Nein, Exzellenz.”

Leutnant: „Nein, Exzellenz.”


General: „Da soll die Stabsordonnanz Ihnen meinen Rappen geben. Bitte begleiten Sie mich, ich habe mit Ihnen zu sprechen.” (Beide ab.)

General: „Da soll die Stabsordonnanz Ihnen meinen Rappen geben. Bitte begleiten Sie mich, ich habe mit Ihnen zu sprechen.” (Beide ab.)


Schon bei Beginn dieser Szene hatte Direktor Witt mir mit den Augen zugewinkt: „Paß auf, gleich wirst du was erleben.” Und das tat ich auch, denn kaum hatte Exzellenz gefragt: „Sind Sie zu Pferde hier?” da rief der Leutnant, so laut er nur konnte: „Zu Befehl, Exzellenz!” anstatt wie er sollte: Nein, Exzellenz.

Schon bei Beginn dieser Szene hatte Direktor Witt mir mit den Augen zugewinkt: „Paß auf, gleich wirst du was erleben.” Und das tat ich auch, denn kaum hatte Exzellenz gefragt: „Sind Sie zu Pferde hier?” da rief der Leutnant, so laut er nur konnte: „Zu Befehl, Exzellenz!” anstatt wie er sollte: Nein, Exzellenz.


Ich fiel vor Schrecken beinahe vom Stuhl, der junge Schauspieler, der den General spielte, beinahe in das Orchester. Einen Augenblick stand der ratlos da, dann aber stotterte er schließlich: „So, Sie sind zu Pferde hier? Ich muß Ihnen offen gestehen, darauf war ich nicht vorbereitet.”

Ich fiel vor Schrecken beinahe vom Stuhl, der junge Schauspieler, der den General spielte, beinahe in das Orchester. Einen Augenblick stand der ratlos da, dann aber stotterte er schließlich: „So, Sie sind zu Pferde hier? Ich muß Ihnen offen gestehen, darauf war ich nicht vorbereitet.”


Aus dem Souffleurkasten aber erklang die Stimme: „Dann soll die Stabsordonnanz Ihnen meinen Rappen geben.” Aber das paßte ja nun nicht mehr, denn einen Gaul hatte der Leutnant doch schon, für den zweiten hätte er höchstens Verwendung gehabt, wenn er wie ein Zirkusreiter auf zwei Pferden stehend davongeritten wäre.

Aus dem Souffleurkasten aber erklang die Stimme: „Dann soll die Stabsordonnanz Ihnen meinen Rappen geben.” Aber das paßte ja nun nicht mehr, denn einen Gaul hatte der Leutnant doch schon, für den zweiten hätte er höchstens Verwendung gehabt, wenn er wie ein Zirkusreiter auf zwei Pferden stehend davongeritten wäre.


Und auf der Bühne stotterte die Exzellenz, die sich nicht mehr zu helfen wußte, noch einmal: „Ich muß wirklich sagen, darauf war ich in keiner Weise vorbereitet.”

Und auf der Bühne stotterte die Exzellenz, die sich nicht mehr zu helfen wußte, noch einmal: „Ich muß wirklich sagen, darauf war ich in keiner Weise vorbereitet.”


Ich aber auch nicht. Mir trat der Angstschweiß auf die Stirn und ich dachte: „Wie kommen die beiden da oben nur von der Bühne fort?” Das Publikum merkte natürlich nichts, das merkt in solchen Fällen nie etwas, das denkt, das muß so sein, aber ich merkte, auch das Publikum war auf das höchste gespannt, wie sich die Szene weiter entwickeln würde. Endlich kam die Lösung, die lange auf sich warten ließ, weil der Leutnant-Direktor sich die Lippen blutig biß, um über die Verlegenheit der Exzellenz nicht hell aufzulachen. Bis er schließlich sagte: „Befehlen Exzellenz vielleicht, daß ich Sie begleite?” Ich glaube, am liebsten wäre die Exzellenz dem Leutnant vor Freude um den Hals gefallen, auf jeden Fall klang es wie ein jubelnder Glücksschrei, als er nun seinerseits dem Leutnant zurief: „Ach ja, bitte, kommen Sie!” Dann aber stürzte Exzellenz von der Bühne fort, und zwar in solcher Eile, daß er um ein Haar über seinen Säbel gestolpert wäre und der Länge nach auf der Nase gelegen hätte.

Ich aber auch nicht. Mir trat der Angstschweiß auf die Stirn und ich dachte: „Wie kommen die beiden da oben nur von der Bühne fort?” Das Publikum merkte natürlich nichts, das merkt in solchen Fällen nie etwas, das denkt, das muß so sein, aber ich merkte, auch das Publikum war auf das höchste gespannt, wie sich die Szene weiter entwickeln würde. Endlich kam die Lösung, die lange auf sich warten ließ, weil der Leutnant-Direktor sich die Lippen blutig biß, um über die Verlegenheit der Exzellenz nicht hell aufzulachen. Bis er schließlich sagte: „Befehlen Exzellenz vielleicht, daß ich Sie begleite?” Ich glaube, am liebsten wäre die Exzellenz dem Leutnant vor Freude um den Hals gefallen, auf jeden Fall klang es wie ein jubelnder Glücksschrei, als er nun seinerseits dem Leutnant zurief: „Ach ja, bitte, kommen Sie!” Dann aber stürzte Exzellenz von der Bühne fort, und zwar in solcher Eile, daß er um ein Haar über seinen Säbel gestolpert wäre und der Länge nach auf der Nase gelegen hätte.


Ich habe im Laufe der Zeit den „bunten Rock” an vielen großen, aber auch an vielen kleinen Bühnen gesehen und einmal sogar an einer ganz kleinen. Das war in einem Städtchen(61) Sachsens, in dem ein Infanterieregiment in Garnison lag, dessen äußerst reizender Kommandeur mich gebeten hatte, der ersten Vorstellung dort beizuwohnen. Ich fuhr von Dresden aus hinüber und wurde zuerst von dem Kommandeur in seinem gastlichen Hause festlich bewirtet. Es waren mir zu Ehren viele Gäste geladen und nach aufgehobener Tafel zogen wir in Corpore nach dem überfüllten Theatersaal, in dem man mit dem Beginn der Vorstellung bereits auf uns gewartet hatte. Kaum aber saßen wir, da ging der Vorhang hoch, das Spiel begann und es war nicht einmal schlecht. Natürlich wurde ich nach jedem Akt auf die Bühne gerufen, und als ich nach dem zweiten Aktschluß den Bühnenarbeitern das übliche Trinkgeld in die Hand drücken wollte, mußte ich sehen, daß es an dieser Bühne keine Arbeiter gab. Den Umbau besorgten die Darsteller. Die Exzellenz und der schneidige Husarenleutnant in voller Uniform schleppten selbst die Kulissen herbei, der Herr Direktor klopfte und hämmerte in eigener Person, ja, sogar die Damen, an ihrer Spitze die schwerreiche Amerikanerin, machten sich nicht nur beliebt, sondern auch nützlich. Das rührt mich, und da ich die zwanzig Mark, die ich den Arbeitern geben wollte, diesen Bühnenarbeitern doch nicht gut geben konnte, wenigstens nicht in bar, bat ich sie, nach der Vorstellung, soweit sie Zeit und Lust hätten, in mein Hotel zu kommen, um dort noch mit mir ein Glas Bier zu trinken. Eigentlich galt meine Einladung nur dem Direktor und den Hauptdarstellern, stattdessen kamen alle, alle, alle und wenn wirklich Bühnenarbeiter dagewesen wären, ich glaube sicher, auch die wären erschienen. Ich hieß meine Gäste herzlich willkommen, aber ich befand mich doch in einer gewissen Verlegenheit, da auch die Offiziere mit ihren Damen im Hotel mit mir zusammen waren, und da ich nicht wußte, ob den Offizieren diese armen Teufel und Teufelinnen angenehm wären. Aber der Wahrheit die Ehre, meine Gäste wurden mit der denkbar größten Herzlichkeit aufgenommen, es wurde an einer langen Tafel bunte Reihe gemacht und als später getanzt wurde, da walzte die Kommandeuse mit einem kleinen Schauspieler und der Herr Oberst eröffnete den Reigen mit einer Schauspielerin. An dem Abend gab es keinen Unterschied der Stände und keine Rangordnung und gerade das machte den so lustig und fröhlich. Aber vorläufig dachten meine Gäste nicht an das Tanzen, erst wollten sie sich satt essen, ach ja, wirklich satt, sie hatten Hunger, denn die Gagen, die sie erhielten, waren so klein, daß beispielsweise der erste Liebhaber, wie er mir erzählte, in seinem Nebenberuf als Zigarrenarbeiter tätig war, um wenigsten einigermaßen durchzukommen. Ja, es waren arme Teufel, aber sie waren alle anständig. Zufällig war ich im weiteren Verlauf des Abends Ohrenzeuge, wie ein Schauspieler seiner Braut die heftigsten Vorwürfe machte, weil sie sich am Mittag zehn Mark Vorschuß habe geben lassen und immer wieder stellte er sie vor die Frage, wie sie später in der Ehe zusammen mit ihrem Gelde auskommen sollten, wenn sie jetzt schon derartig über ihre Verhältnisse lebe. Die Braut schwur die heiligsten Eide, sie habe die zehn Mark haben müssen, sie weinte die bittersten Tränen, aber trotzdem schien die Verlobung wegen der zehn Mark auseinandergehen zu sollen. Da erbarmte ich mich der Braut und drückte ihr zehn Mark in die Hand, damit sie den Vorschuß an die Direktion zurückzahlen könne, aber ich habe wohl eine halbe Stunde bitten müssen, ehe sie das Geld annahm. Es waren wirklich anständige Menschen, denn so arm sie auch waren, keiner von ihnen allen hat hinterher auch nur den leisesten Versuch gemacht, mich auch nur um eine einzige Mark anzuborgen, obgleich sie wußten, daß ich ihnen gern, wenn auch auf Nimmerwiedersehen, geholfen hätte, denn wenn ich es in meinem Leben nicht zum Millionär gebracht habe, liegt es in der Hauptsache daran, daß ich kein größeres Vergnügen kenne, als zu geben und zu schenken. Und auch an jenem Abend gab ich und ließ meine Gäste essen, was sie nur wollten, Dutzende von Koteletts und Beafsteaks, Wurst und Käse en gros, hinterher Hunderte von Zigarren und Zigaretten, teils gleich zum Rauchen, teils um sie mit nach Hause zu nehmen. Und dazu Bier und deutschen Schaumwein in größeren Gebinden. Die Leute sollten wenigstens einmal einen sorglosen Abend haben. Den hatten sie und zum Schluß der Tafel stieg die Rede des Direktors auf mich und ich hätte heulen können, als der arme Mensch, dem man die Sorgen und die Armut ansah, feierlichst erklärte, er könne gewiß auf ein an Ehren und künstlerischen Erfolgen reiches langes Leben zurückblicken, aber der heutige Abend, an dem es ihm und seinen Künstlern vergönnt sei, mit einem „honorigen” Grafen, der zugleich der Freiherr von Schlicht sei, an einem Tisch zu sitzen, bilde den Höhepunkt seines Lebens und ich hörte und merkte es ihm an, was er da sagte, war seine ehrlichste Überzeugung.

Ich habe im Laufe der Zeit den „bunten Rock” an vielen großen, aber auch an vielen kleinen Bühnen gesehen und einmal sogar an einer ganz kleinen. Das war in einem Städtchen Sachsens, in dem ein Infanterieregiment in Garnison lag, dessen äußerst reizender Kommandeur mich gebeten hatte, der ersten Vorstellung dort beizuwohnen. Ich fuhr von Dresden aus hinüber und wurde zuerst von dem Kommandeur in seinem gastlichen Hause festlich bewirtet. Es waren mir zu Ehren viele Gäste geladen und nach aufgehobener Tafel zogen wir in Corpore nach dem überfüllten Theatersaal, in dem man mit dem Beginn der Vorstellung bereits auf uns gewartet hatte. Kaum aber saßen wir, da ging der Vorhang hoch, das Spiel begann und es war nicht einmal schlecht. Natürlich wurde ich nach jedem Akt auf die Bühne gerufen, und als ich nach dem zweiten Aktschluß den Bühnenarbeitern das übliche Trinkgeld in die Hand drücken wollte, mußte ich sehen, daß es an dieser Bühne keine Arbeiter gab. Den Umbau besorgten die Darsteller. Die Exzellenz und der schneidige Husarenleutnant in voller Uniform schleppten selbst die Kulissen herbei, der Herr Direktor klopfte und hämmerte in eigener Person, ja, sogar die Damen, an ihrer Spitze die schwerreiche Amerikanerin, machten sich nicht nur beliebt, sondern auch nützlich. Das rührte mich, und da ich die zwanzig Mark, die ich den Arbeitern geben wollte, diesen Bühnenarbeitern doch nicht gut geben konnte, wenigstens nicht in bar, bat ich sie, nach der Vorstellung, soweit sie Zeit und Lust hätten, in mein Hotel zu kommen, um dort noch mit mir ein Glas Bier zu trinken. Eigentlich galt meine Einladung nur dem Direktor und den Hauptdarstellern, stattdessen kamen alle, alle, alle und wenn wirklich Bühnenarbeiter dagewesen wären, ich glaube sicher, auch die wären erschienen. Ich hieß meine Gäste herzlich willkommen, aber ich befand mich doch in einer gewissen Verlegenheit, da auch die Offiziere mit ihren Damen im Hotel mit mir zusammen waren, und da ich nicht wußte, ob den Offizieren diese armen Teufel und Teufelinnen angenehm wären. Aber der Wahrheit die Ehre, meine Gäste wurden mit der denkbar größten Herzlichkeit aufgenommen, es wurde an einer langen Tafel bunte Reihe gemacht und als später getanzt wurde, da walzte die Kommandeuse mit einem kleinen Schauspieler und der Herr Oberst eröffnete den Reigen mit einer Schauspielerin. An dem Abend gab es keinen Unterschied der Stände und keine Rangordnung und gerade das machte den so lustig und fröhlich. Aber vorläufig dachten meine Gäste nicht an das Tanzen, erst wollten sie sich satt essen, ach ja, wirklich satt, sie hatten Hunger, denn die Gagen, die sie erhielten, waren so klein, daß beispielsweise der erste Liebhaber, wie er mir erzählte, in seinem Nebenberuf als Zigarrenarbeiter tätig war, um wenigsten einigermaßen durchzukommen. Ja, es waren arme Teufel, aber sie waren alle anständig. Zufällig war ich im weiteren Verlauf des Abends Ohrenzeuge, wie ein Schauspieler seiner Braut die heftigsten Vorwürfe machte, weil sie sich am Mittag zehn Mark Vorschuß habe geben lassen und immer wieder stellte er sie vor die Frage, wie sie später in der Ehe zusammen mit ihrem Gelde auskommen sollten, wenn sie jetzt schon derartig über ihre Verhältnisse lebe. Die Braut schwur die heiligsten Eide, sie habe die zehn Mark haben müssen, sie weinte die bittersten Tränen, aber trotzdem schien die Verlobung wegen der zehn Mark auseinandergehen zu sollen. Da erbarmte ich mich der Braut und drückte ihr zehn Mark in die Hand, damit sie den Vorschuß an die Direktion zurückzahlen könne, aber ich habe wohl eine halbe Stunde bitten müssen, ehe sie das Geld annahm. Es waren wirklich anständige Menschen, denn so arm sie auch waren, keiner von ihnen allen hat hinterher auch nur den leisesten Versuch gemacht, mich auch nur um eine einzige Mark anzuborgen, obgleich sie wußten, daß ich ihnen gern, wenn auch auf Nimmerwiedersehen, geholfen hätte, denn wenn ich es in meinem Leben nicht zum Millionär gebracht habe, liegt es in der Hauptsache daran, daß ich kein größeres Vergnügen kenne, als zu geben und zu schenken. Und auch an jenem Abend gab ich und ließ meine Gäste essen, was sie nur wollten, Dutzende von Koteletts und Beafsteaks, Wurst und Käse en gros, hinterher Hunderte von Zigarren und Zigaretten, teils gleich zum Rauchen, teils um sie mit nach Hause zu nehmen. Und dazu Bier und deutschen Schaumwein in größeren Gebinden. Die Leute sollten wenigstens einmal einen sorglosen Abend haben. Den hatten sie und zum Schluß der Tafel stieg die Rede des Direktors auf mich und ich hätte heulen können, als der arme Mensch, dem man die Sorgen und die Armut ansah, feierlichst erklärte, er könne gewiß auf ein an Ehren und künstlerischen Erfolgen reiches langes Leben zurückblicken, aber der heutige Abend, an dem es ihm und seinen Künstlern vergönnt sei, mit einem „honorigen” Grafen, der zugleich der Freiherr von Schlicht sei, an einem Tisch zu sitzen, bilde den Höhepunkt seines Lebens und ich hörte und merkte es ihm an, was er da sagte, war seine ehrlichste Überzeugung.


Am nächsten Morgen kam die Abreise und vor dieser die Rechnung. Die war so lang, daß ich mich tatsächlich auf einen Stuhl setzen mußte. Dann aber habe ich sie trotzdem gern und freudig bezahlt und habe es auch hinterher nicht einen Augenblick bereut, so freigebig gewesen zu sein. Das liegt mir auch nicht, ich habe in meinem Leben Abende gefeiert, die mich große Summen kosteten, aber ich habe auch stets etwas für mein Geld gehabt. Aber so leicht wie mir das Geld früher auch saß, ich habe nie gespielt, selbst nicht in Monte Carlo. Doch, einmal habe ich dort zwanzig Franken riskiert und als ich die selbstverständlich verlor, habe ich mich hinterher tagelang schmählich darüber geärgert, weil ich von diesen zwanzig Franken auch nicht den leisesten Schimmer eines Vergnügens gehabt hatte. Wie man ein Spieler sein und überhaupt spielen kann, geht über meinen beschränkten geistigen Horizont.

Am nächsten Morgen kam die Abreise und vor dieser die Rechnung. Die war so lang, daß ich mich tatsächlich auf einen Stuhl setzen mußte. Dann aber habe ich sie trotzdem gern und freudig bezahlt und habe es auch hinterher nicht einen Augenblick bereut, so freigebig gewesen zu sein. Das liegt mir auch nicht, ich habe in meinem Leben Abende gefeiert, die mich große Summen kosteten, aber ich habe auch stets etwas für mein Geld gehabt. Aber so leicht wie mir das Geld früher auch saß, ich habe nie gespielt, selbst nicht in Monte Carlo. Doch, einmal habe ich dort zwanzig Franken riskiert und als ich die selbstverständlich verlor, habe ich mich hinterher tagelang schmählich darüber geärgert, weil ich von diesen zwanzig Franken auch nicht den leisesten Schimmer eines Vergnügens gehabt hatte. Wie man ein Spieler sein und überhaupt spielen kann, geht über meinen beschränkten geistigen Horizont.


Als ich wieder in Dresden ankam, fand ich dort einen Brief des Schleswiger Theater-Direktors vor. Der „bunte Rock” war in meiner Vaterstadt aufgeführt(62) worden und das Haus war derartig ausverkauft gewesen, daß Hunderte an der Kasse hatten umkehren müssen. Auch die zweite Vorstellung würde bis auf den letzten Platz ausverkauft werden und der Direktor beschwor mich, nach Schleswig zu kommen, um mir dort das Stück anzusehen. Selbstverständlich sollten mir dadurch keinerlei Unkosten entstehen und er stellte mir mit Freuden den Betrag von fünfhundert Mark zur Verfügung. Ein Schleswiger Theaterdirektor und fünfhundert Mark! Daß er mir die geben würde, stand für mich außer jedem Zweifel, aber ebenso fest stand bei mir, daß ich die unter gar keinen Umständen annehmen würde. Nur als ich acht Tage lang in Prag(63) war und dort am Deutschen Landestheater die ganzen Proben leitete, habe ich mir den Aufenthalt und meine Arbeit bezahlen lassen. Der damalige Direktor war auch reich und konnte bezahlen, aber ein armer Theaterdirektor in Schleswig und fünfhundert Mark? Das ging über meine Kraft, es ging aber auch über meine Mittel, auf eigene Kosten dorthin zu fahren, nachdem ich am Abend vorher schon so viele Gäste bewirtet hatte. Ich kannte mich, wen würde ich in Schleswig nicht alles zu Gaste bitten? Nicht nur den Herrn Direktor und seine Künstler, sondern auch alle anderen, die da kommen würden, um mich zu begrüßen. Das würde wieder viel, viel Geld kosten, und schließlich hatte ich das Stück doch nicht mit Schönthan zusammen geschrieben, um meine ganzen Einnahmen auf den Reisen zu den Aufführungen wieder auszugeben, denn solche Reisen sind auch dann nicht billig, wenn man nach Schluß der Vorstellung keine Einladungen ergehen läßt. Man muß als Autor Kränze und Blumen spenden und alles, was von technischem Personal auf der Bühne beschäftigt ist, erwartet ein Trinkgeld, vom Inspizienten angefangen bis herunter zu der Frau im Souffleurkasten. Wenigstens habe ich in der Hinsicht bei allen Theater einen guten finanziellen Eindruck hinterlassen. Daß viele andere Autoren anders denken und handeln, weiß ich natürlich und weiß selbstverständlich auch, daß die klüger sind, aber was kann man dafür, wenn man in Geldsachen dumm auf die Welt gekommen ist und nichts oder nur wenig hinzugelernt hat. Und wenn ich wirklich einmal sparte, tat ich es sicher am falschen Platz, so auch damals, als ich der brieflichen und der später folgenden telegraphischen Bitte des Schleswiger Theaterdirektors gegenüber taub blieb und nicht zu ihm fuhr. Hinterher habe ich es oft bitter bereut, es tut mir auch heute noch leid, denn ich habe in meinem Leben so viel Geld ausgegeben, daß es auf die paar hundert Mark schließlich auch nicht angekommen wäre. Aber der Reue geht es wie jeder schönen Frau, die zu einem heimlichen Rendezvous geht – sie kommt immer zu spät. Nein, das stimmt nicht ganz, denn die Reue stellt sich wenigstens manchmal pünktlich ein, eine schöne Frau aber nie, denn wenn eine schöne Frau pünktlich wäre, hörte sie nicht nur auf, schön, sondern überhaupt eine Frau zu sein.

Als ich wieder in Dresden ankam, fand ich dort einen Brief des Schleswiger Theater-Direktors vor. Der „bunte Rock” war in meiner Vaterstadt aufgeführt worden und das Haus war derartig ausverkauft gewesen, daß Hunderte an der Kasse hatten umkehren müssen. Auch die zweite Vorstellung würde bis auf den letzten Platz ausverkauft werden und der Direktor beschwor mich, nach Schleswig zu kommen, um mir dort das Stück anzusehen. Selbstverständlich sollten mir dadurch keinerlei Unkosten entstehen und er stellte mir mit Freuden den Betrag von fünfhundert Mark zur Verfügung. Ein Schleswiger Theaterdirektor und fünfhundert Mark! Daß er mir die geben würde, stand für mich außer jedem Zweifel, aber ebenso fest stand bei mir, daß ich die unter gar keinen Umständen annehmen würde. Nur als ich acht Tage lang in Prag war und dort am Deutschen Landestheater die ganzen Proben leitete, habe ich mir den Aufenthalt und meine Arbeit bezahlen lassen. Der damalige Direktor war auch reich und konnte bezahlen, aber ein armer Theaterdirektor in Schleswig und fünfhundert Mark? Das ging über meine Kraft, es ging aber auch über meine Mittel, auf eigene Kosten dorthin zu fahren, nachdem ich am Abend vorher schon so viele Gäste bewirtet hatte. Ich kannte mich, wen würde ich in Schleswig nicht alles zu Gaste bitten? Nicht nur den Herrn Direktor und seine Künstler, sondern auch alle anderen, die da kommen würden, um mich zu begrüßen. Das würde wieder viel, viel Geld kosten, und schließlich hatte ich das Stück doch nicht mit Schönthan zusammen geschrieben, um meine ganzen Einnahmen auf den Reisen zu den Aufführungen wieder auszugeben, denn solche Reisen sind auch dann nicht billig, wenn man nach Schluß der Vorstellung keine Einladungen ergehen läßt. Man muß als Autor Kränze und Blumen spenden und alles, was von technischem Personal auf der Bühne beschäftigt ist, erwartet ein Trinkgeld, vom Inspizienten angefangen bis herunter zu der Frau im Souffleurkasten. Wenigstens habe ich in der Hinsicht bei allen Theater einen guten finanziellen Eindruck hinterlassen. Daß viele andere Autoren anders denken und handeln, weiß ich natürlich und weiß selbstverständlich auch, daß die klüger sind, aber was kann man dafür, wenn man in Geldsachen dumm auf die Welt gekommen ist und nichts oder nur wenig hinzugelernt hat. Und wenn ich wirklich einmal sparte, tat ich es sicher am falschen Platz, so auch damals, als ich der brieflichen und der später folgenden telegraphischen Bitte des Schleswiger Theaterdirektors gegenüber taub blieb und nicht zu ihm fuhr. Hinterher habe ich es oft bitter bereut, es tut mir auch heute noch leid, denn ich habe in meinem Leben so viel Geld ausgegeben, daß es auf die paar hundert Mark schließlich auch nicht angekommen wäre. Aber der Reue geht es wie jeder schönen Frau, die zu einem heimlichen Rendezvous geht – sie kommt immer zu spät. Nein, das stimmt nicht ganz, denn die Reue stellt sich wenigstens manchmal pünktlich ein, eine schöne Frau aber nie, denn wenn eine schöne Frau pünktlich wäre, hörte sie nicht nur auf, schön, sondern überhaupt eine Frau zu sein.


Die überhaupt erste Aufführung(64) des „bunten Rockes” war im Königlichen Schauspielhaus in Berlin. Vilma von Mayburg war im Spiel und in der Erscheinung eine glänzende Amerikanerin, Arthur Vollmer bot als Assessor von Gollwitz wie in jeder seiner Rollen ein glänzendes Kabinettstück, Hermann Böttcher war ein Leutnant, wie wir ihn uns nicht besser hätten denken können und Oskar Keßler spielte in nicht zu übertreffender Weise den General von Troßbach. Im Königlichen Schauspielhaus ist der „bunte Rock” allein mehr als achtzigmal gegeben worden und machte dort wie überall volle Häuser und brachte mir viel Geld ein, das ich meiner ganzen finanziellen Veranlagung nach baldmöglichst wieder mit Anstand auszugeben versuchte. Eine willkommene Veranlassung dazu bot eine Drucksache, die mir eines Tages von der Hamburg-Amerika-Linie aus zugeschickt wurde und die die Aufforderung enthielt, mich auch meinerseits an der bevorstehenden alljährlichen Orientreise zu beteiligen. Den Orient kennen zu lernen, war schon lange mein stiller Wunsch gewesen, und so reiste ich denn eines schönen Tages(65) nach Genua, um dort an Bord der alten „Augusta Viktoria” zu gehen, die später im russisch-japanischen Kriege als Transportschiff an Rußland verkauft wurde. Ich hatte vor meiner Abreise mit mehreren großen Zeitungen das Abkommen getroffen, ihnen von unterwegs militärische Orientbriefe zu liefern. Das war einmal etwas anderes, als die gewöhnlichen Reiseschilderungen und mir machte die Arbeit viel Spaß. Ich hatte gute Empfehlungen, und vor allen Dingen hatte ich einen ausgezeichneten Dragoman, der es verstand, mir selbst die verschlossensten Türen zu öffnen und mir überall Zutritt zu verschaffen. Ich habe überall dem Exerzieren zusehen können(65a) und bin durch viele Kasernen gegangen, und zwar nicht nur in Italien. In Kairo war ich oben auf der Zitadelle bei unseren jetzigen guten Freunden, den Engländern, und dort oben sah ich zwei Dinge, deren Einführung in unserer Armee ich damals für unmöglich hielt: in den außerordentlich hellen, großen schönen Lazarettsälen Krankenschwestern, anstatt unserer Lazarettgehilfen und auf dem Kasernenhofe ein großes Fußballwettspiel, zu dem sich aus der Stadt zahllose Zuschauer eingefunden hatten.

Die überhaupt erste Aufführung des „bunten Rockes” war im Königlichen Schauspielhaus in Berlin,




                              dort ist der „bunte Rock” allein mehr als achtzigmal gegeben worden, machte wie überall volle Häuser und brachte mir viel Geld ein, das ich meiner ganzen finanziellen Veranlagung nach baldmöglichst wieder mit Anstand auszugeben versuchte. Eine willkommene Veranlassung dazu bot eine Drucksache, die mir eines Tages von der Hamburg-Amerika-Linie aus zugeschickt wurde und die die Aufforderung enthielt, mich auch meinerseits an der bevorstehenden alljährlichen Orientreise zu beteiligen. Den Orient kennen zu lernen, war schon lange mein stiller Wunsch gewesen, und so reiste ich denn eines schönen Tages nach Genua, um dort an Bord der alten „Augusta Viktoria” zu gehen, die später im russisch-japanischen Kriege als Transportschiff an Rußland verkauft wurde. Ich hatte vor meiner Abreise mit mehreren großen Zeitungen das Abkommen getroffen, ihnen von unterwegs militärische Orientbriefe zu liefern. Das war einmal etwas anderes, als die gewöhnlichen Reiseschilderungen und mir machte die Arbeit viel Spaß. Ich hatte gute Empfehlungen, und vor allen Dingen hatte ich einen ausgezeichneten Dragoman, der es verstand, mir selbst die verschlossensten Türen zu öffnen und mir überall Zutritt zu verschaffen. Ich habe überall dem Exerzieren zusehen können und bin durch viele Kasernen gegangen, und zwar nicht nur in Italien. In Kairo war ich oben auf der Zitadelle bei unseren jetzigen guten Freunden, den Engländern, und dort oben sah ich zwei Dinge, deren Einführung in unserer Armee ich damals für unmöglich hielt: in den außerordentlich hellen, großen schönen Lazarettsälen Krankenschwestern, anstatt unserer Lazarettgehilfen und auf dem Kasernenhofe ein großes Fußballwettspiel, zu dem sich aus der Stadt zahllose Zuschauer eingefunden hatten.


Auch unsere jetzigen Verbündeten, die Türken, habe ich in ihren Kasernen und bei ihren militärischen Übungen gesehen. In Konstantinopel hatte ich bei dem Selamlik, dem feierlichen Freitagsgebet des Sultans, Gelegenheit, die wundervollen türkischen Garde- und Paradetruppen aus allernächster Nähe zu bewundern, nachdem es mir glücklicherweise durch die Empfehlung, die die deutsche Botschaft(66) in Dresden mir mit auf die Reise gegeben hatte, gelungen war, in diese allernächste Nähe zu gelangen. Das war damals unter der Regierung Seiner Majestät des Sultans Abdul Hamid(67) mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden, und wenn man endlich zum Selamlik vorgelassen war, wurde man noch auf das eingehendste instruiert und in Sonderheit wurde jeder und erst recht jede daraufhin untersucht, ob er oder sie nicht vielleicht doch heimlich eine Waffe? Ach nein, — einen wenn auch noch so kleinen photographischen Apparat bei sich trüge, denn vor dem Photographiertwerden hatte der Sultan Abdul Hamid dieselbe Angst, wie kleine Kinder vor dem Haarschneiden. Auf jeden Fall war jegliches Photographieren beinahe mit Todesstrafe bedroht und auch sonst erhielten wir allerhand Verhaltungsmaßregeln, wie wir uns zu benehmen hätten, wenn Seine Majestät an uns vorüberfahren würde. Wenn ich mich richtig entsinne, war es aus irgendwelchen Gründen auch verboten, mit den Taschentüchern zu winken.

Auch
die Türken habe ich in ihren Kasernen und bei ihren militärischen Übungen gesehen. In Konstantinopel hatte ich bei dem Selamlik, dem feierlichen Freitagsgebet des Sultans, Gelegenheit, die wundervollen türkischen Garde- und Paradetruppen aus allernächster Nähe zu bewundern, nachdem es mir glücklicherweise durch die Empfehlung, die die deutsche Botschaft in Dresden mir mit auf die Reise gegeben hatte, gelungen war, in diese allernächste Nähe zu gelangen. Das war damals unter der Regierung Seiner Majestät des Sultans Abdul Hamid mit den allergrößten Schwierigkeiten verbunden, und wenn man endlich zum Selamlik vorgelassen war, wurde man noch auf das eingehendste instruiert und in Sonderheit wurde jeder und erst recht jede daraufhin untersucht, ob er oder sie nicht vielleicht doch heimlich eine Waffe? Ach nein, – einen wenn auch noch so kleinen photographischen Apparat bei sich trüge, denn vor dem Photographiertwerden hatte der Sultan Abdul Hamid dieselbe Angst, wie kleine Kinder vor dem Haarschneiden. Auf jeden Fall war jegliches Photographieren beinahe mit Todesstrafe bedroht und auch sonst erhielten wir allerhand Verhaltungsmaßregeln, wie wir uns zu benehmen hätten, wenn Seine Majestät an uns vorüberfahren würde. Wenn ich mich richtig entsinne, war es aus irgendwelchen Gründen auch verboten, mit den Taschentüchern zu winken.


Wir zugelassenen Zuschauer hatten einen ausgezeichneten Platz, wir standen auf einer Gartenterrasse unmittelbar der Moschee gegenüber, von derem hohen weißen Turm herab der Priester mit weithin schallender Stimme die Gläubigen zum Gebet rief, während gleichzeitig die Truppen in ihren bunten, prächtigen Uniformen mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen anmarschiert kamen, um die ihnen für jeden Freitag angewiesenen Stellungen einzunehmen, so daß die Spalierbildung in unglaublich kurzer Zeit und in bewunderungswürdiger Ruhe und Ordnung vor sich ging. Dann sahen wir alle erwartungsvoll auf die Uhr und blickten nach der Gegend, aus der der Sultan kommen sollte. Aber statt seiner erschienen zunächst ein paar Arbeiter mit vollen Schubkarren, aus denen sie frischen Kies auf den Weg streuten und dann kamen, von dicken und fetten Eunuchen begleitet, vier von herrlichen Pferden gezogene Wagen und in jedem dieser vier Wagen saßen vier Haremsdamen, außerordentlich hübsche, schlanke, ganz modern gekleidete junge Gestalten, der Vorschrift gemäß selbstverständlich tief verschleiert, aber die Schleier waren so dünn wie Spinnengewebe, ach nein, noch viel dünner und durch diese dünnen Schleier hindurch blickten die Haremsdamen mit sinnberückend schönen, ganz tiefdunklen Augen voller Neugier lachend und scherzend auf uns Europäer und machten auch absolut kein böses Gesicht, wenn einer von uns es wagte, ihnen heimlich zuzunicken. Die Wagen fuhren ganz dicht an uns vorbei, dann bogen sie nach einem freien Platz unmittelbar neben der Straße ab. Die Haremsdamen durften den Wagen nicht verlassen, aber das nicht allein, von den Wagen wurden nicht nur die Pferde abgespannt, sondern sogar die Deichsel herausgenommen. Ob zur Vorsicht, damit nicht etwa jemand auf den Gedanken käme, einen oder gar mehrere Wagen mit ihrem schönen und kostbaren Inhalt zu rauben, das weiß ich nicht. Den Grund für diese Maßnahme habe ich nicht erfahren, ich habe mir nur von einem, der es wissen mußte, erzählen lassen, daß an jedem Selamlik sechzehn Haremsdamen teilnehmen dürften und daß diese Ausfahrt die einzige sei, bei der die Damen die Gärten des Harems unter strengster Bewachung verlassen dürften. Der türkische Offizier, der mir das mitteilte, erzählte mir, der Sultan habe, wie das Gesetz es verlange, zweitausend Haremsdamen. Wie oft da auf jede einzelne eine Teilnahme am Selamlik kam, wenn wöchentlich nur sechzehn an dieser Vergünstigung teilnehmen durften, mag sich jeder, der Lust dazu hat, selber ausrechnen. Während ich noch neugierig zu den Haremsdamen hinüberschielte, erklang plötzlich bei allen Truppen der Präsentiermarsch und das laute Hurra. Seine Majestät der Sultan nahte. Er kam in ganz langsamer Fahrt den steilen Weg herab in einem offenen Wagen, der von zwei wundervollen Pferden, die, wie man sagte, ein Geschenk unseres Kaisers waren, gezogen wurde, dessen Lenker in einer goldstrotzenden Uniform unbeweglich auf seinem hohen Bocke saß. Der Sultan, im einfachen schwarzen Rock, dankte außerordentlich liebenswürdig für unsere Grüße und als wir am Nachmittag wieder an Bord waren, erfreute uns der Herrscher durch die Zusendung vieler Tausend der allerfeinsten Zigaretten, während er für die Damen unheimliche Quantitäten der allerleckersten Süßigkeiten an Bord senden ließ.

Wir zugelassenen Zuschauer hatten einen ausgezeichneten Platz, wir standen auf einer Gartenterrasse unmittelbar der Moschee gegenüber, von derem hohen weißen Turm herab der Priester mit weithin schallender Stimme die Gläubigen zum Gebet rief, während gleichzeitig die Truppen in ihren bunten, prächtigen Uniformen mit klingendem Spiel und wehenden Fahnen anmarschiert kamen, um die ihnen für jeden Freitag angewiesenen Stellungen einzunehmen, so daß die Spalierbildung in unglaublich kurzer Zeit und in bewunderungswürdiger Ruhe und Ordnung vor sich ging. Dann sahen wir alle erwartungsvoll auf die Uhr und blickten nach der Gegend, aus der der Sultan kommen sollte. Aber statt seiner erschienen zunächst ein paar Arbeiter mit vollen Schubkarren, aus denen sie frischen Kies auf den Weg streuten und dann kamen, von dicken und fetten Eunuchen begleitet, vier von herrlichen Pferden gezogene Wagen und in jedem dieser vier Wagen saßen vier Haremsdamen, außerordentlich hübsche, schlanke, ganz modern gekleidete junge Gestalten, der Vorschrift gemäß selbstverständlich tief verschleiert, aber die Schleier waren so dünn wie Spinnengewebe, ach nein, noch viel dünner und durch diese dünnen Schleier hindurch blickten die Haremsdamen mit sinnberückend schönen, ganz tiefdunklen Augen voller Neugier lachend und scherzend auf uns Europäer und machten auch absolut kein böses Gesicht, wenn einer von uns es wagte, ihnen heimlich zuzunicken. Die Wagen fuhren ganz dicht an uns vorbei, dann bogen sie nach einem freien Platz unmittelbar neben der Straße ab. Die Haremsdamen durften den Wagen nicht verlassen, aber das nicht allein, von den Wagen wurden nicht nur die Pferde abgespannt, sondern sogar die Deichsel herausgenommen. Ob zur Vorsicht, damit nicht etwa jemand auf den Gedanken käme, einen oder gar mehrere Wagen mit ihrem schönen und kostbaren Inhalt zu rauben, das weiß ich nicht. Den Grund für diese Maßnahme habe ich nicht erfahren, ich habe mir nur von einem, der es wissen mußte, erzählen lassen, daß an jedem Selamlik sechzehn Haremsdamen teilnehmen dürften und daß diese Ausfahrt die einzige sei, bei der die Damen die Gärten des Harems unter strengster Bewachung verlassen dürften. Der türkische Offizier, der mir das mitteilte, erzählte mir, der Sultan habe, wie das Gesetz es verlange, zweitausend Haremsdamen. Wie oft da auf jede einzelne eine Teilnahme am Selamlik kam, wenn wöchentlich nur sechzehn an dieser Vergünstigung teilnehmen durften, mag sich jeder, der Lust dazu hat, selber ausrechnen. Während ich noch neugierig zu den Haremsdamen hinüberschielte, erklang plötzlich bei allen Truppen der Präsentiermarsch und das laute Hurra. Seine Majestät der Sultan nahte. Er kam in ganz langsamer Fahrt den steilen Weg herab in einem offenen Wagen, der von zwei wundervollen Pferden
gezogen wurde, dessen Lenker in einer goldstrotzenden Uniform unbeweglich auf seinem hohen Bocke saß. Der Sultan, im einfachen schwarzen Rock, dankte außerordentlich liebenswürdig für unsere Grüße und als wir am Nachmittag wieder an Bord waren, erfreute uns der Herrscher durch die Zusendung vieler Tausend der allerfeinsten Zigaretten, während er für die Damen unheimliche Quantitäten der allerleckersten Süßigkeiten an Bord senden ließ.


Ich persönlich aber bekam in Konstantinopel noch etwas anderes geschenkt, wenn auch nicht gerade von Seiner Majestät dem Sultan, so doch von der Kaiserlich-Ottomanischen Bank, obgleich es ganz sicher kein Geschenk sein sollte. Vor dem Selamlik war ich mit meinem Dragoman auf die Bank gefahren, um dort unter Vorzeigung meines Kreditbriefes dreitausend Franken abzuholen, denn ich war derartig abgebrannt, daß ich vor Verlassen des Schiffes mir von dem Obersteward zwanzig Mark leihen mußte, um wenigstens den Wagen bezahlen zu können. Wenn man sich bei uns früher, als es noch Gold gab, eine größere Summe in dieser Münze auszahlen ließ, erhielt man die in Rollen von je fünfhundert oder tausend Mark. In Konstantinopel aber erfolgte die Auszahlung des Goldes auf andere Weise. Das Gold wurde auf einer kleinen Wage abgewogen. Wieviel das Gewicht für die dreitausend Franken, die ich brauchte, betrug, weiß ich natürlich nicht, aber der Beamte wußte das sofort. Er legte auf die eine Seite der Wage die entsprechenden Gewichte und schaufelte auf die andere Seite der Wage solange Goldstücke, bis die Wage spielte. Gleich darauf nahm er den Teller der Wage ab und schüttelte die Goldstücke vor mich hin, nicht nur Zwanzigfrankstücke, wie ich gedacht hatte, sondern alle möglichen Münzen, goldene russische Vierzigrubelstücke, die beliebten Hundertfrankstücke, die man in Monte Carlo gewinnen, aber erst recht verlieren kann, französische Goldmünzen, italienische und Gott weiß, was sonst noch. Ich steckte das Geld in einen kleinen seidenen Beutel, und als ich es am Abend zählte, da hatte ich nicht dreitausend Franken, sondern dreitausendachthundert, wenn vielleicht auch nicht dem Gewicht des Goldes nach, so doch nach seinem Kurswert. Das war mir natürlich außerordentlich angenehm, ich dachte an den Beamten, der sicher für den Schaden würde aufkommen müssen und fuhr am nächsten Morgen gleich wieder zur Bank, um den Überschuß abzuliefern. Aber man nahm ihn mir nicht wieder ab. Die Wage hätte genau gestimmt, ein Versehen läge nicht vor und selbst, wenn das der Fall gewesen wäre, dürfe die Bank etwa zuviel gezahltes Geld nicht zurücknehmen, ebenso wie sie etwa zuwenig gezahltes Geld am nächsten Tage nicht nachzahle. Was blieb mir anderes übrig, als das zuviel erhaltene Geld zu behalten, aber ich hatte an dem keine reine Freude und ich benutzte die erste beste Gelegenheit, um es in den Basaren wieder loszuwerden, und das gelang mir sehr schnell, denn soviel Geld, wie man dort ausgeben kann, gibt es überhaupt nicht.

Ich persönlich aber bekam in Konstantinopel noch etwas anderes geschenkt, wenn auch nicht gerade von Seiner Majestät dem Sultan, so doch von der Kaiserlich-Ottomanischen Bank, obgleich es ganz sicher kein Geschenk sein sollte. Vor dem Selamlik war ich mit meinem Dragoman auf die Bank gefahren, um dort unter Vorzeigung meines Kreditbriefes dreitausend Franken abzuholen, denn ich war derartig abgebrannt, daß ich vor Verlassen des Schiffes mir von dem Obersteward zwanzig Mark leihen mußte, um wenigstens den Wagen bezahlen zu können. Wenn man sich bei uns früher, als es noch Gold gab, eine größere Summe in dieser Münze auszahlen ließ, erhielt man die in Rollen von je fünfhundert oder tausend Mark. In Konstantinopel aber erfolgte die Auszahlung des Goldes auf andere Weise. Das Gold wurde auf einer kleinen Wage abgewogen. Wieviel das Gewicht für die dreitausend Franken, die ich brauchte, betrug, weiß ich natürlich nicht, aber der Beamte wußte das sofort. Er legte auf die eine Seite der Wage die entsprechenden Gewichte und schaufelte auf die andere Seite der Wage solange Goldstücke, bis die Wage spielte. Gleich darauf nahm er den Teller der Wage ab und schüttelte die Goldstücke vor mich hin, nicht nur Zwanzigfrankstücke, wie ich gedacht hatte, sondern alle möglichen Münzen, goldene russische Vierzigrubelstücke, die beliebten Hundertfrankstücke, die man in Monte Carlo gewinnen, aber erst recht verlieren kann, französische Goldmünzen, italienische und Gott weiß, was sonst noch. Ich steckte das Geld in einen kleinen seidenen Beutel, und als ich es am Abend zählte, da hatte ich nicht dreitausend Franken, sondern dreitausendachthundert, wenn vielleicht auch nicht dem Gewicht des Goldes nach, so doch nach seinem Kurswert. Das war mir natürlich außerordentlich unangenehm, ich dachte an den Beamten, der sicher für den Schaden würde aufkommen müssen und fuhr am nächsten Morgen gleich wieder zur Bank, um den Überschuß abzuliefern. Aber man nahm ihn mir nicht wieder ab. Die Wage hätte genau gestimmt, ein Versehen läge nicht vor und selbst, wenn das der Fall gewesen wäre, dürfe die Bank etwa zuviel gezahltes Geld nicht zurücknehmen, ebenso wie sie etwa zuwenig gezahltes Geld am nächsten Tage nicht nachzahle. Was blieb mir anderes übrig, als das zuviel erhaltene Geld zu behalten, aber ich hatte an dem keine reine Freude und ich benutzte die erste beste Gelegenheit, um es in den Basaren wieder loszuwerden, und das gelang mir sehr schnell, denn soviel Geld, wie man dort ausgeben kann, gibt es überhaupt nicht.


Zu den Städten, die ich in meinem Leben noch einmal wiedersehen möchte, gehört auch Konstantinopel,obgleich ich es bei schlechtem Wetter kennen lernte. Wie wohl jede Stadt, so ist auch Konstantinopel im Frühling am schönsten. Auch ich war im Frühling dort, nur merkte man nichts davon. Es war bitterkalt, und als wir die im Reiseprogramm als besonderes Lockmittel angepriesene Dampferfahrt durch die jetzt so heiß umstrittene Straße der Dardanellen in den Bosporus machten, da regnete und goß es derartig, daß man von den Schönheiten der Natur weiter nichts sah, als die zum Schutz der Dardanellen erbauten Befestigungsanlagen.

Zu den Städten, die ich in meinem Leben noch einmal wiedersehen möchte, gehört auch Konstantinopel,obgleich ich es bei schlechtem Wetter kennen lernte. Wie wohl jede Stadt, so ist auch Konstantinopel im Frühling am schönsten. Auch ich war im Frühling dort, nur merkte man nichts davon. Es war bitterkalt, und als wir die im Reiseprogramm als besonderes Lockmittel angepriesene Dampferfahrt durch die Straße der Dardanellen in den Bosporus machten, da regnete und goß es derartig, daß man von den Schönheiten der Natur weiter nichts sah, als die zum Schutz der Dardanellen erbauten Befestigungsanlagen.


In Konstantinopel hätte ich übrigens beinahe wieder einen Orden bekommen, aber auch nur beinahe. Auf Grund meiner Empfehlung durch die deutsche Botschaft in Dresden stand ich mit auf der Liste derjenigen Gäste, die für eine Audienz bei Seiner Majestät dem Sultan in Frage kamen, aber im letzten Augenblick wurden dann am Nachmittag des Selamlik nur die Kaisergäste von dem Sultan empfangen und mit dem Medjidjieorden ausgezeichnet, denn unter dem tat der Sultan Abdul Hamid es nicht. Auf den Orden hab ich leichten Herzen verzichtet, wohl aber hätte es mir Spaß gemacht, in meinen Reisebriefen eine Audienz bei dem Sultan aus eigener Erfahrung schildern zu können, schon weil sich durch diese Audienz Gelegenheit geboten hätte, einen, wenn auch nur flüchtigen Einblick in das Sultanpalais und in das orientalische Zeremoniell zu gewinnen.

In Konstantinopel hätte ich übrigens beinahe wieder einen Orden bekommen, aber auch nur beinahe. Auf Grund meiner Empfehlung durch die deutsche Botschaft in Dresden stand ich mit auf der Liste derjenigen Gäste, die für eine Audienz bei Seiner Majestät dem Sultan in Frage kamen, aber im letzten Augenblick wurden dann am Nachmittag des Selamlik nur die damaligen sogenannten Kaisergäste von dem Sultan empfangen und mit dem Medjidjieorden ausgezeichnet, denn unter dem tat der Sultan Abdul Hamid es nicht. Auf den Orden hab ich leichten Herzens verzichtet, wohl aber hätte es mir Spaß gemacht, in meinen Reisebriefen eine Audienz bei dem Sultan aus eigener Erfahrung schildern zu können, schon weil sich durch diese Audienz Gelegenheit geboten hätte, einen, wenn auch nur flüchtigen Einblick in das Sultanpalais und in das orientalische Zeremoniell zu gewinnen.


Mit der Audienz beim Sultan war es nichts gewesen, dafür war ich ein paar Wochen vorher mit den Kaisergästen zusammen von dem Gouverneur in Damaskus feierlichst empfangen worden. Wir saßen auf demselben roten Atlassofa, auf dem unser Kaiser bei seinem Besuch in Damaskus gesessen hatte, als er ebenfalls bei dem Gouverneur zu Gast war, und das Gespräch drehte sich natürlich hauptsächlich um diesen hohen Besuch. Wir plauderten und plauderten und tranken dazu fortwährend den starken türkischen Kaffee, den keine Diener, sondern Ordonnanzoffiziere und Adjutanten servierten, und rauchten zu dem Kaffee eine türkische Zigarette nach der anderen. Mir wurde dabei ganz schwindlig, und als wir endlich wieder an der frischen Luft waren, schwur ich mir, in den nächsten vierundzwanzig Stunden, nein, in den nächsten vierundzwanzig Wochen keinen türkischen Kaffee und keine türkischen Zigaretten mehr anzurühren. Aber was schwört man sich nicht alles auf der Welt zusammen, in der Hoffnung, seinen Schwur auch halten zu können. Ich aber konnte es nicht, denn kaum waren wir in unserem Hotel, da machte uns der Gouverneur seinen Gegenbesuch. Natürlich mußten auch wir ihm türkischen Kaffee und türkische Zigaretten anbieten und ihm nach orientalischem Brauch bei dem Trinken und dem Rauchen mit gutem Beispiel vorangehen.

Mit der Audienz beim Sultan war es nichts gewesen, dafür war ich ein paar Wochen vorher mit den Kaisergästen zusammen von dem Gouverneur in Damaskus feierlichst empfangen worden. Wir saßen auf demselben roten Atlassofa, auf dem Kaiser Wilhelm II. bei seinem Besuch in Damaskus gesessen hatte, als er ebenfalls bei dem Gouverneur zu Gast war, und das Gespräch drehte sich natürlich hauptsächlich um diesen Besuch. Wir plauderten und plauderten und tranken dazu fortwährend den starken türkischen Kaffee, den keine Diener, sondern Ordonnanzoffiziere und Adjutanten servierten, und rauchten zu dem Kaffee eine türkische Zigarette nach der anderen. Mir wurde dabei ganz schwindlig, und als wir endlich wieder an der frischen Luft waren, schwur ich mir, in den nächsten vierundzwanzig Stunden, nein, in den nächsten vierundzwanzig Wochen keinen türkischen Kaffee und keine türkischen Zigaretten mehr anzurühren. Aber was schwört man sich nicht alles auf der Welt zusammen, in der Hoffnung, seinen Schwur auch halten zu können. Ich aber konnte es nicht, denn kaum waren wir in unserem Hotel, da machte uns der Gouverneur seinen Gegenbesuch. Natürlich mußten auch wir ihm türkischen Kaffee und türkische Zigaretten anbieten und ihm nach orientalischem Brauch bei dem Trinken und dem Rauchen mit gutem Beispiel vorangehen.


Auch in Damaskus habe ich mir das Militär und die militärischen Einrichtungen sehr genau angesehen. Ganz lustig war mein Besuch in einer türkischen Militärbäckerei, die unter Leitung eines Deutschen, sogar eines Landsmannes von mir, stand, und dessen Freude kannte keine Grenzen, als er sich mit mir, fern von der Heimat, in seinem geliebten schleswig-holsteinischen Platt unterhalten konnte.

Auch in Damaskus habe ich mir das Militär und die militärischen Einrichtungen sehr genau angesehen. Ganz lustig war mein Besuch in einer türkischen Militärbäckerei, die unter Leitung eines Deutschen, sogar eines Landsmannes von mir, stand, und dessen Freude kannte keine Grenzen, als er sich mit mir, fern von der Heimat, in seinem geliebten schleswig-holsteinischen Platt unterhalten konnte.


Auch in Kairo freute sich einmal einer, mit mir plattdeutsch reden zu können, obgleich er kein geborener Niederdeutscher war. Der Mann war in seinem Zivilberuf Fuß- und Händepfleger, und ich hatte mir den in das Hotel Continental kommen lassen, damit er mir meine Füße einmal nachsähe, lediglich der Vorsicht wegen, und meine Vermutung fand sich auch bestätigt. Der Mann hatte gar nichts zu tun, aber um wenigstens so zu tun, als ob er etwas täte, und feilte und polierte etwas herum, bis er schließlich erklärte, jetzt sei es geschehen. Ich erkundigte mich, was ich zu bezahlen habe, aber da kam ich schön an. Er würde einem Landsmann für solche Kleinigkeiten doch nichts abverlangen, das wäre ja noch besser. Allerdings, ganz umsonst könne er den Weg nach dem Hotel natürlich auch nicht gemacht haben, denn er wohne ziemlich weit entfernt. Für den Weg müsse ich ihm schon etwas geben, eine Kleinigkeit, die er ganz mir überlasse. Aber ich widersprach: „Nein, lieber Freund, darauf lasse ich mich nicht ein. Gebe ich Ihnen zu wenig, dann schimpfen Sie mich im stillen „krummer Hund” und gebe ich Ihnen in meiner Anständigkeit zuviel, dann nennen Sie mich im stillen „ein dummes Luder”. Sie müssen also schon selbst sagen, was Sie haben wollen.” Und endlich war er sich darüber einig und verlangte, nur weil das Kind doch einen Namen haben müsse und weil er wirklich weit vom Hotel entfernt wohne, lediglich aus diesen und ähnlichen Gründen erbat er sich schließlich die Kleinigkeit von vierzig Franken, auf Deutsch zweiunddreißig Mark! Ohne mit ihm zu handeln, habe ich ihm diese Kleinigkeit bezahlt, dann aber habe ich ihn mit einem kräftigen plattdeutschen Fluch zur Tür hinausbefördert. Leider weiß ich seinen Namen nicht mehr, sonst würde ich den hierhersetzen, zur Warnung für die, die später vielleicht nach Kairo reisen wollen. Aber damit wird es wohl für lange, lange Jahre vorbei sein, und das ist ein Jammer. Noch einmal möchte ich vor meinem Tode nach Kairo fahren und im Anschluß daran meintwegen gleich sterben. Überhaupt habe ich den Orient sehr lieb gewonnen, nur zweierlei hat mir den Aufenthalt dort verleidet. In erster Linie die Aussätzigen. Keine Macht der Erde brächte mich noch einmal wieder nach Jerusalem, so unbeschreiblich schön gerade diese Stadt mit ihrer Umgebung ist. Aber der Anblick der Aussätzigen, die zu Dutzenden auf den Straßen und Wegen herumlungern, trotzdem alles mögliche für sie getan wird, machte mich derartig seekrank, daß ich kaum noch aus dem Hotel ging. Und das zweite, was mich störte, war die Odolreklame. Wohin man kam, überall Odol. Und ich habe es zuerst gar nicht glauben wollen, als man mir erzählte, auf den Riesenpyramiden von Giseh und auf der Sphinx sei diese Reklame nicht angebracht. Ich habe mich später einmal bei dem verstorbenen Geheimrat Lingner über diese Verschandelung der Natur beschwert, als ich eines Morgens in seinem herrlich gelegenen Albrechtschloß bei Dresden zu Gast war, und ich fragte ihn, ob diese Unsummen, die er für die Reklame ausgäbe, denn auch wieder einkämen. Da lachte er hell auf und meinte, die Verschandelung der Natur, wie ich das nenne, gehöre mit zu seinem Geschäft und im übrigen brauche ich mir seinetwegen keine Sorgen zu machen, der Absatz seines Odols sei ein so gewaltiger, daß die enorme Reklame, die er mache, auf die einzelne Flasche berechnet, noch nicht einen halben Pfennig ausmache. Damals habe ich das nicht recht geglaubt, das tat ich erst, als kürzlich in den Zeitungen zu lesen war, daß Lingner nach seinem Tode fast dreißig Millionen hinterlassen hat.

























Einmal möchte ich vor meinem Tode noch nach Kairo fahren und im Anschluß daran meintwegen gleich sterben. Überhaupt habe ich den Orient sehr lieb gewonnen, nur zweierlei hat mir den Aufenthalt dort verleidet. In erster Linie die Aussätzigen. Keine Macht der Erde brächte mich noch einmal wieder nach Jerusalem, so unbeschreiblich schön gerade diese Stadt mit ihrer Umgebung ist. Aber der Anblick der Aussätzigen, die zu Dutzenden auf den Straßen und Wegen herumlungern, trotzdem alles mögliche für sie getan wird, machte mich derartig seekrank, daß ich kaum noch aus dem Hotel ging. Und das zweite, was mich störte, war die Odolreklame. Wohin man kam, überall Odol. Und ich habe es zuerst gar nicht glauben wollen, als man mir erzählte, auf den Riesenpyramiden von Giseh und auf der Sphinx sei diese Reklame nicht angebracht. Ich habe mich später einmal bei dem verstorbenen Geheimrat Lingner über diese Verschandelung der Natur beschwert, als ich eines Morgens in seinem herrlich gelegenen Albrechtschloß bei Dresden zu Gast war, und ich fragte ihn, ob diese Unsummen, die er für die Reklame ausgäbe, denn auch wieder einkämen. Da lachte er hell auf und meinte, die Verschandelung der Natur, wie ich das nenne, gehöre mit zu seinem Geschäft und im übrigen brauche ich mir seinetwegen keine Sorgen zu machen, der Absatz seines Odols sei ein so gewaltiger, daß die enorme Reklame, die er mache, auf die einzelne Flasche berechnet, noch nicht einen halben Pfennig ausmache. Damals habe ich das nicht recht geglaubt, das tat ich erst, als in den Zeitungen zu lesen war, daß Lingner nach seinem Tode fast dreißig Millionen Goldmark hinterlassen hat.


Schweren Herzens nahm ich vom Orient Abschied. Viel Schönes hatte ich schon gesehen, viel Schönes aber stand noch auf dem Reiseprogramm, das auf Umwegen wieder nach Europa zurückführte. Leider aber zwangen mich private Nachrichten(68), die ich in Athen erhielt, die Reise zu unterbrechen und früher nach Deutschland zurückzukehren, als es ursprünglich meine Absicht gewesen war. Immerhin brauchte ich mich damit aber auch nicht allzu sehr zu beeilen. So blieb ich denn zunächst noch ein paar Tage in Athen, kletterte auf den historischen Stätten vergangener Jahrhunderte herum und versuchte natürlich, auch dort einen Einblick in die militärischen Verhältnisse zu gewinnen. Aber auch das Leben der Zivilisten interessierte mich sehr, und wenigstens damals erhielt ich den Eindruck, daß man auch in Athen sehr gut zu leben verstände und daß es seinen Beinamen „ein kleines Paris” mit vollem Recht verdiene. Ungefähr acht Tage habe ich mich in Athen aufgehalten, dann machte ich auf der Weiterreise einen Abstecher nach Korfu. Ich erinnere mich des Tages noch ganz deutlich, es war an einem wunderschönen Sonntag und vor Korfu lag die ganze englische Mittelmeerflotte, viele viele große Schlachtschiffe und zahllose, kaum übersehbar viele Torpedoboote und Zerstörer. Ich war in früheren Jahren viel in Kiel gewesen, ich habe dort fast regelmäßig die Kieler Woche mitgemacht und habe auf manchem unserer großen Kriegsschiffe als Gast geweilt. Schon weil ich ein guter Deutscher bin, hatte ich zu unserer Flotte stets ein grenzenloses Vertrauen, aber trotzdem, als ich damals mit meinen Laienaugen diese enorme englische Mittelmeerflotte vor mir liegen sah, deren Mannschaften auf Deck zum Gottesdienst versammelt standen, dachte ich im stillen: ein gnädiges Geschick möge es verhüten, daß unsere Flotte es jemals nötig habe, sich mit der englischen in einen Kampf einlassen zu müssen. Na, nun ist es inzwischen ja doch dahin gekommen und wie stolz und siegreich sind unsere Schiffe aus den verschiedenen Schlachten zurückgekehrt.

Schweren Herzens nahm ich vom Orient Abschied. Viel Schönes hatte ich schon gesehen, viel Schönes aber stand noch auf dem Reiseprogramm, das auf Umwegen wieder nach Europa zurückführte. Leider aber zwangen mich private Nachrichten, die ich in Athen erhielt, die Reise zu unterbrechen und früher nach Deutschland zurückzukehren, als es ursprünglich meine Absicht gewesen war. Immerhin brauchte ich mich damit aber auch nicht allzu sehr zu beeilen. So blieb ich denn zunächst noch ein paar Tage in Athen, kletterte auf den historischen Stätten vergangener Jahrhunderte herum und versuchte natürlich, auch dort einen Einblick in die militärischen Verhältnisse zu gewinnen. Aber auch das Leben der Zivilisten interessierte mich sehr, und wenigstens damals erhielt ich den Eindruck, daß man auch in Athen sehr gut zu leben verstände und daß es seinen Beinamen „ein kleines Paris” mit vollem Recht verdiene. Ungefähr acht Tage habe ich mich in Athen aufgehalten, dann machte ich auf der Weiterreise einen Abstecher nach Korfu. Ich erinnere mich des Tages noch ganz deutlich, es war an einem wunderschönen Sonntag und vor Korfu lag die ganze englische Mittelmeerflotte, viele viele große Schlachtschiffe und zahllose, kaum übersehbar viele Torpedoboote und Zerstörer. Ich war in früheren Jahren viel in Kiel gewesen, ich habe dort fast regelmäßig die Kieler Woche mitgemacht und habe auf manchem unserer großen Kriegsschiffe als Gast geweilt. Schon weil ich ein guter Deutscher bin, hatte ich zu unserer Flotte stets ein grenzenloses Vertrauen, aber trotzdem, als ich damals mit meinen Laienaugen diese enorme englische Mittelmeerflotte vor mir liegen sah, deren Mannschaften auf Deck zum Gottesdienst versammelt standen, dachte ich im stillen: ein gnädiges Geschick möge es verhüten, daß unsere Flotte es jemals nötig habe, sich mit der englischen in einen Kampf einlassen zu müssen. Na, nun ist es inzwischen ja doch dahin gekommen und wie stolz und siegreich sind unsere Schiffe aus den verschiedenen Schlachten zurückgekehrt.


Wer da Korfu besucht, fährt natürlich auch hinaus zum Achilleion, dem wunderbar schönen Besitz des Kaisers. Jetzt haben ja auch dort die Franzosen wie Vandalen gehaust und das Schloß und den herrlichen Park besudelt und beschmutzt. Damals aber herrschte dort tiefster Friede, und der schönste blaue Himmel leuchtete über der herrlichen Landschaft, an der man sich nicht satt sehen kann, wenigstens ich vermochte es nicht. Ich ging stundenlang durch den Park, stieg den steilen und beschwerlichen Weg zu der kleinen Kapelle hinauf, zu der die verstorbene Kaiserin Elisabeth alltäglich, wie der Pförtner mir erzählte, ihre Schritte lenkte. Ich weilte bei der Statue des Achilles, bei dem Denkmal Heinrich Heines, ich konnte mich nicht satt sehen, so daß ich vor Hunger und Erschöpfung halbtot in Korfu in dem Hotel wieder anlangte und mir dort etwas zum Essen bestellte, ganz einerlei was, die Hauptsache war, daß es schnell ging. Ich gab dem Oberkellner den Auftrag, mir irgendetwas zu bringen, die Hauptsache sei, daß es schnell ginge, worauf ich zur Antwort erhielt: „Es soll keinesfalls länger als zehn Minuten dauern, Herr Graf.” Überrascht blickte ich auf. Ich war doch noch nie in Korfu, noch nie in diesem Hotel gewesen, woher kannte der Kellner mich? Bis der mich dann darüber aufklärte, daß er im Winter stets in Korfu, im Sommer aber als Zahlkellner in dem allen Marienbader Kurgästen bekannten Kaffe Egerländer sei, wo auch ich, so oft ich in Marienbad war, täglich des Nachmittags meinen Kaffee trank. Ja, ja, die Welt ist klein, aber daß sie auch groß ist, erfuhr ich ein paar Tage später, als ich auf der weiteren Rückreise in Venedig Halt machte, um auf dem Markusplatz die Tauben zu füttern, um mir die Stadt anzusehen und vor allen Dingen, um mich, ebenso wie jeder andere Deutsche vor und nach mir, von den Kaufleuten Venedigs in einer Art und Weise begaunern zu lassen, die einer besseren Sache würdig war. Na, die Zeiten, in denen wir uns in Venedig und in anderen Städten Italiens die wertlosesten Sachen als kostbare Antiquitäten für teures Geld aufschwatzen ließen, sind hoffentlich für immer vorbei, schon weil ich mir nicht vorzustellen vermag, daß in den nächsten hundert Jahren ein Deutscher jemals freiwillig wieder nach Italien fährt. Ich wäre damals am liebsten auch sehr schnell wieder abgefahren, aber es ging nicht, denn meine Koffer irrten in der Welt umher, die waren für sich auf eigene Faust wo anders hingereist, und es dauerte lange, bis wir uns wiederfanden und ein frohes Wiedersehen feierten. Dann aber ging es nach Deutschland zurück. Am Ostersonntag bei dem denkbar schönsten Sonnenschein gondelte ich in des Wortes wahrster Bedeutung zum Bahnhof. In Verona bestieg ich den Südexpreß, der nur vierundzwanzig Stunden bis Berlin brauchte, und als ich dort am Ostermontag auf dem Anhalter Bahnhof ankam, herrschte ein Schneetreiben, wie es ein aus dem warmen Süden kommender Reisender nicht ertragen kann, ohne sich gleich drei Erkältungen auf einmal zuzuziehen. Das tat ich denn auch, ich holte mir eine wundervolle Influenza, und es dauerte endlos lange, bis ich die wieder los war. Die ganze, für teures Geld im Orient gekaufte Erholung war zum Teufel, aber das haben die Erholungen ja nun ein so an sich, daß sie nicht anhalten. Und das ist auch sehr gut, denn wovon sollten alle Bäder und alle Erholungs- und Kurorte wohl leben, wenn man in ihnen wirklich gesund würde und sich in ihnen immer erholte?

Wer da Korfu besucht, fährt natürlich auch hinaus zum Achilleion.


Es herrscht dort tiefster Friede, und der schönste blaue Himmel leuchtet über der herrlichen Landschaft, an der man sich nicht satt sehen kann, wenigstens ich vermochte es nicht. Ich ging stundenlang durch den Park, stieg den steilen und beschwerlichen Weg zu der kleinen Kapelle hinauf, zu der die verstorbene Kaiserin Elisabeth alltäglich, wie der Pförtner mir erzählte, ihre Schritte lenkte. Ich weilte bei der Statue des Achilles, bei dem Denkmal Heinrich Heines, ich konnte mich nicht satt sehen, so daß ich vor Hunger und Erschöpfung halbtot in Korfu wieder anlangte und mir dort in einem Hotel etwas zum Essen bestellte, ganz einerlei was, die Hauptsache war, daß es schnell ging. Ich gab dem Oberkellner den Auftrag, mir irgend etwas zu bringen, die Hauptsache sei, daß es schnell ginge, worauf ich zur Antwort erhielt: „Es soll keinesfalls länger als zehn Minuten dauern, Herr Graf.” Überrascht blickte ich auf. Ich war doch noch nie in Korfu, noch nie in diesem Hotel gewesen, woher kannte der Kellner mich? Bis der mich dann darüber aufklärte, daß er im Winter stets in Korfu, im Sommer aber als Zahlkellner in dem allen Marienbader Kurgästen bekannten Café Egerländer sei, wo auch ich, so oft ich in Marienbad war, täglich des Nachmittags meinen Kaffee trank. Ja, ja, die Welt ist klein, aber daß sie auch groß ist, erfuhr ich ein paar Tage später, als ich auf der weiteren Rückreise in Venedig Halt machte, um auf dem Markusplatz die Tauben zu füttern, um mir die Stadt anzusehen und vor allen Dingen, um mich, ebenso wie jeder andere Deutsche vor und nach mir, von den Kaufleuten Venedigs in einer Art und Weise begaunern zu lassen, die einer besseren Sache würdig war.





Ich wäre damals am liebsten auch sehr schnell wieder abgefahren, aber es ging nicht, denn meine Koffer irrten in der Welt umher, die waren für sich auf eigene Faust wo anders hingereist, und es dauerte lange, bis wir uns wiederfanden und ein frohes Wiedersehen feierten. Dann aber ging es nach Deutschland zurück. Am Ostersonntag bei dem denkbar schönsten Sonnenschein gondelte ich in des Wortes wahrster Bedeutung zum Bahnhof. In Verona bestieg ich den Südexpreß, der nur vierundzwanzig Stunden bis Berlin brauchte, und als ich dort am Ostermontag auf dem Anhalter Bahnhof ankam, herrschte ein Schneetreiben, wie es ein aus dem warmen Süden kommender Reisender nicht ertragen kann, ohne sich gleich drei Erkältungen auf einmal zuzuziehen. Das tat ich denn auch, ich holte mir eine wundervolle Influenza, und es dauerte endlos lange, bis ich die wieder los war. Die ganze, für teures Geld im Orient gekaufte Erholung war zum Teufel, aber das haben die Erholungen ja nun einmal so an sich, daß sie nicht anhalten. Und das ist auch sehr gut, denn wovon sollten alle Bäder und alle Erholungs- und Kurorte wohl leben, wenn man in ihnen wirklich gesund würde und sich in ihnen immer erholte?


Fußnoten:

(43) Gemeint ist die humoristische Plauderei „Der Kriegsakademiker”, erschienen in: „Frankfurter Zeitung und Handelsblatt”, Nr. 43 vom 13.2.1898. Dort ist auch die oben erwähnte Fußnote zu finden. (zurück)

(44) Dies ist wahrscheinlich eine Anspielung auf die Reaktion seiner Offizierskameraden, als er seinerzeit das Feuilleton „Der Leutnantshund” veröffentlichte. Damals hat ihm wohl das Schleswigsche Offizierkorps deutlich gezeigt, daß es sich beleidigt fühlt, und er und seine Familie sind damals boykottiert worden. (siehe den Bericht über den Prozeß wegen des Romans „Erstklassige Menschen”.) (zurück)

(45) Georg Tamme, Buchhändler, Europäischer Hof, Pragerstr. 39. Versteht alles – im Gegensatz zu vielen anderen sogar „Dresden und die Dresdener”. (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(45a) Vergleiche dazu auch die „Zirkus-Erinnerungen” und das Autogramm aus der „Hölle”, Wien. (zurück)

(46) Franz Königsbrunn-Schaup, Strehlenerstr. 31. Wird nur „der Herr Baron” genannt. Ein wirklicher Dichter, Stammgast aller Museen. (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(47) Dr. Carl Wörmann, Geh. Hofrat, Hübnerstraße 5. Geb. 4.7.1844 Hamburg. Direktor der Kgl. Gemälde-Galerie, Verfasser der „Geschichte der Kunst aller Zeiten und Völker”. Verschmäht als geborener Hamburger außer der geistigen Nahrung auch nicht eine gute leibliche. (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(48) Jesko L.C.von Puttkammer, Blasewitz, Villa Lotus. Geb. 12.3.1858 Charlottenburg. „Im Panzerautomobil durch die Welt.” (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(49) Wilhelm Wolters, Bismarckplatz 12. Geb. 8.11.1852 Dresden. Trägt stets einen Zylinder, trinkt mit Vorliebe Bouillon und schreibt außerdem gute Lustspiele. (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(50) Carl Reißner, Verlagsbuchhändler, Pohlandstraße 1. Ausgeprägter, feiner Geschmack. (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(51) August Niemann, Hauptmann a.D., Waisenhausstraße 29. Geb. 27.6.1839 Hannover. Erster Vorsitzender des Schriftsteller-Klubs „Symposion”. Kleiner Plato. Vortreffliches Gedächtnis. Noch vortrefflicherer Humor. Wer las als Jüngling nicht „Pieter Maritz”? Begründer der Weltkriegsliteratur. (aus: „Dresden und die Dresdener” von Frhrn.v.Schlicht) (zurück)

(52) Henry, Marc – Kabarettist. Lebensgefährte von Marya Delvard. Er gehörte in München den „Elf Scharfrichtern” an, in Wien dem „Cabaret Nachtlicht”, später dem „Cabaret Fledermaus”.
Delvard, Marya – (1874-1965). Chansonnière. Lebensgefährtin von Marc Henry. Sie war Diseuse der „Elf Scharfrichter” in München und gehörte zu den Gründern des „Cabarets Nachtlicht” in Wien. (zurück)

(53) Wolfgang Kirchbach, geb. London 18.09.1857, gest. 08.09.1906, Beruf: Journalist, Schriftsteller, Philosoph. (zurück)

(53a) Dieser Abschnitt von „der Lore” ist eine etwas verkürzte Fassung des Kapitels „Wie ein Regenschauer uns trennte” aus dem Band „Die Lore — Lustige und galante Geschichten”, Otto Uhlman Verlag, Berlin, 1926 (zurück)

(53b)Das Gastspiel Ernst von Wolzogens im Dresdner Zentraltheater begann am 4.Juni 1901 und endete am 13.Juni 1901. (zurück)

(54)

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Kielland, Alexander Lange, norwegischer Schriftsteller, geb. Stavanger 18.2.1849, gest. Bergen 6.4. 1906; witziger Satiriker. (zurück)


(54a) Vergleiche hierzu „Der falsche Adjutant”, Seite 103-104. Dort wird fast wörtlich die gleiche Anekdote erzählt. (zurück)

(54b) Am 21.3.1900 hat Schlicht/Baudissin in Kiel eine Lesung eigener Werke gehalten. (zurück)

(54c) Am 20.1.1907 hat Schlicht/Baudissin in Brünn eine Lesung eigener Werke gehalten. (zurück)

(54d) Am 26.12.1906 hat Schlicht/Baudissin in der Singakademie zu Berlin eine Lesung eigener Werke gehalten. (zurück)

(54e) Am 12.3.1900 hat Schlicht/Baudissin in der Literarischen Gesellschaft zu Dresden eine Lesung eigener Werke gehalten. (zurück)

(55) Das Offiziersdrama "Baron Borken" von Frhr. v.Schlicht wurde 1901 als Manuskript gedruckt, geschrieben - die veraltete Orthographie zeigt es - offensichtlich einige Jahre früher. Im Verzeichnis des "Deutschen Bühnenvereins" sind in den Jahren 1901-1914 keine Aufführungsorte vorzufinden. Aber in der "St.Petersburger Zeitung" sind Anzeigen für Aufführungen dieses Dramas am 19.2./3.3. und 20.2./4.3.1904 und eine Besprechung dieser Aufführung zu finden. (zurück)

(56) Direktor Philipp Bock hatte im März 1904 die Leitung des „Deutschen Gesamt-Gastspiels” im Alexandra-Theater in St.Petersburg; dabei spielte Adolf Klein die Titelrolle in „Baron Borken”. (zurück)

(57) Franz von Schönthan, geb. 20.6.1849 Wien. (zurück)

(58) Die Entstehungsgeschichte des Lustspiels „Im bunten Rock” ist nicht in dem Sammelband „Der rote Pierrot” erschienen, sondern in dem Band „Sie will nicht heiraten” (zurück)

(59) Hans von Wentzel, dramatischer Schriftsteller, Hauptmann d. 3. G.Landw.-Rgt., geb. 1.4.1855 Brandenburg a.H. (zurück)

(60) "Tante Jette", Militärschwank in vier Akten von Hans v.Wentzel und Freiherr von Schlicht. Uraufführung am 17. September 1897 im „Berliner Theater”. (zurück)

(60a) Das Torpedoboot S26 kenterte am 22.Sept. 1897 vormittags beim ersten Elbe-Feuerschiff und sank nach einer Stunde. 8 Mann der Besatzung ertranken, darunter der Kommandant, Herzog Friedrich Wilhelm von Mecklenburg(*5.4.1871, +22.9.1897), der Sohn von Großherzog Friedrich Franz II. (zurück)

(60b) Eine weitere Beschreibung dieser Szene ist zu finden in der Erzählung „Das schöne Stück” in: „Striese” ein lustiges Theaterbuch, eine humoristische Theater-Zeitschrift, erster Jahrgang, Heft 4, Charlottenburg, Max Simson, 1899. (zurück)

(60c) Man vergleiche diese Episode mit der kleinen Skizze „Sind Sie zu Perde hier?” (zurück)

(61) Es handelt sich offenbar um Zwickau, denn die sächsischen Infanterieregimenter lagen – außer in Dresden (IR 100, IR 101, IR 108, IR 177) – in Zittau (IR 102), Bautzen (IR 103), Chemnitz (IR 104, IR 181), Straßburg i.E. (IR 105), Leipzig (IR 106, IR 107), Zwickau (IR 133), Plauen i.V. (IR 134), Döbeln (IR139), Kamenz (IR 178), Wurzen/Leisnig (IR179). Nach dem Verzeichnis des Deutschen Bühnenvereins haben von diesen Städten folgende Orte Aufführungen des Lustspiels „Im bunten Rock” gesehen: Zittau, Bautzen, Zwickau, Plauen, natürlich auch Dresden, Leipzig und Chemnitz. Nur die Erstaufführung des „bunten Rocks” in Zwickau liegt zeitlich einige Tage später (26.12.1902) als die Aufführung in Schleswig (19.12.1902). (siehe Fußnote (62) (zurück)

(62) Das Lustspiel „Im bunten Rock” wurde am Stadt-Theater in Schleswig am 19. Dezember 1902 unter der Direktion von Leopold Friedrich Weiß aufgeführt. (zurück)

(63) Die Erstaufführung in Prag fand am 26. Oktober 1902 im Neuen Deutschen Theater in Anwesenheit von Freiherrn von Schlicht statt. Im Deutschen Kgl. Landestheater wurde „Im bunten Rock” erst am 29. November 1902 gespielt. (zurück)

(64) Die Uraufführung des Lustspiels „Im bunten Rock” fand am 3. Oktober 1902 in Anwesenheit von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht im Königlichen Schauspielhaus in Berlin statt. (zurück)

(65) Die Orientreise der Hamburg-Amerika-Linie mit dem Doppelschrauben-Schnelldampfer „Auguste Viktoria” begann am 20. Februar 1904 in Genua. Angelaufen wurden die Häfen: Villafranca (Nizza, Monte Carlo), Syrakus, Malta, Alexandria (Kairo, Nil, Pyramiden von Gizeh und Sakkarah, Memphis, Luxor, Assuan), Beirut (Damaskus, Baalbek), Jaffa (Jerusalem, Bethlehem, Jericho, Jordan, Totes Meer), Konstantinopel (Fahrt im Bosporus), Athen (Piräus), Kalamaki (Korinth, Akrokorinth, Tyrinth, Argos, Mykenä), Nauplia, Messina, Palermo (Monreale), Neapel (Vesuv, Pompeji, Capri, Sorrento, Rom etc.). Wiederankunft in Genua am 3. April 1904. Reisedauer 43 Tage. Fahrpreise von 1000 Mark an aufwärts. (Quelle: Anzeige in der Frankfurter Zeitung vom 23. Januar 1904) (zurück)

(65a) Eine Spiegelung seiner Erlebnisse beim Besuch des Exerzierens in den Kairoer Kasernen bringt Schlicht in seinem Werk „Ein Jahr in Waffen” auf den Seiten 103/104. (zurück)

(66) Gemeint ist wohl die Kgl. Preußische Gesandtschaft in Dresden. (zurück)

(67) Sultan Abdul Hamid II. regierte von 1876 bis 1909. (zurück)

(68) Diese „privaten Nachrichten” waren wohl die Zeitungsberichte über die Reichstagsverhandlungen vom 4. März 1904, in denen der Roman „Erstklassige Menschen” von Freiherrn von Schlicht behandelt und Schlicht von einem Zwischenrufer als „Lump” bezeichnet worden war. Nach seiner vorgezogenen Rückkehr nach Dresden sendete er am 11. April 1904 eine Zuschrift an die Presse, die auch im „Vorwärts” erschien. (zurück)


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© Karlheinz Everts