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Biographie

von

Wolf Graf von Baudissin

(Freiherr von Schlicht)

Was ich so erlebte

von

Freiherr v. Schlicht

(Wolf Graf v. Baudissin)

Otto Janke, Berlin

Was ich so erlebte

von

Freiherr v. Schlicht

(Wolf Graf v. Baudissin)

10. – 12. Tausend

Neue, vollständig umgearbeitete Auflage

Otto Uhlmann Verlag, Berlin
(Friedrich Butsch)


Zweites Kapitel


Im bunten Rock

Es war – nein, nicht in Schöneberg und schließlich kann doch auch nicht jeder Satz, der mit „es war” anfängt, in Schöneberg enden. Es war also wo anders, es war in Freiburg im Breisgau und ein süßes Mägdelein war auch nicht dabei, aber es war wenigstens im Mai (4), als ich mich eines Morgens auf dem Kasernenhofe des 5. Badischen Infanterie-Regiments Nr.113 bei dem damaligen Oberst und Regimentskommandeur (5) als Fahnenjunker meldete. Ich sehe den großen, stattlichen Mann mit den scharfen, durchdringenden Augen, dem dichten schwarzen Schnurrbart und überhaupt die ganze Szene noch so deutlich vor mir, als wäre es gestern gewesen und doch sind es schon neunundzwanzig Jahre her. Der Herr Oberst und ich sahen uns lange prüfend an, er gefiel mir sehr, ich ihm aber anscheinend desto weniger. Er musterte meine äußere Erscheinung, Haltung und Wuchs, und an beidem mußte ihm manches mißfallen. Aber er vertraute wohl auf die mir bevorstehende militärische Ausbildung, die meine Schönheitsfehler beseitigen würde, und so hieß er mich denn mit wirklich herzlichen Worten, die ich ihm nie vergessen habe, in seinem Regiment willkommen. Nach dem Herrn Oberst kam der Herr Major, der mir stets ein wohlwollender, gerechter Vorgesetzter gewesen ist. Und dann kam der Herr Hauptmann, der Hauptmann, der Hauptmann! Der war noch jung, er war erst vor kurzem Hauptmann geworden und war so wahnsinnig stolz und glücklich, nun Hauptmann zu sein! Auch der öffnete, natürlich nur bildlich gesprochen, seine Arme, um mich willkommen zu heißen und im Anschluß daran wurde ich dem Kammerunteroffizier zur Einkleidung übergeben. Aber am nächsten Tage bereute man es schon, damit so voreilig gewesen zu sein, denn die am nächsten Tage stattfindende militärische Untersuchung ergab, daß ich wenigstens vorläufig noch nicht felddienstfähig und auch nur bedingt garnisondienstfähig sei. Man steckte die Köpfe zusammen, was mit mir werden solle, aber ich setzte es dann doch durch, daß man mich behielt, daß man wenigstens den Versuch mit mir machte. Was hätte auch sonst aus mir werden sollen? Nochmals zurück auf die Schule oder die Presse, nochmals Gleichungen lösen müssen, die ich nicht verstand, womöglich nochmals Abrahams Stammbaum, den ich längst wieder vergessen hatte, auswendig lernen? Nein, für kein Geld, und was hätte ich mit meiner nicht abgeschlossenen Gymnasialbildung groß werden können? Ich mußte beim Militär bleiben, glücklicherweise setzte ich es ja auch durch und kaum war mir das gelungen, da wurde der Sergeant F. herbeigeholt, dem die ehrenvolle Aufgabe zuteil wurde, aus mir einen Soldaten zu machen. Dieser Sergeant, den ich nach mehreren Jahren in meiner Vaterstadt Schleswig als Angestellten bei der Regierung wiedersah und dessen ich mich voller Dankbarkeit erinnere, war ein ausgezeichneter Soldat und hatte trotzdem in seinem Wesen und in seinen ausgezeichneten Manieren eigentlich gar nichts von einem Sergeanten an sich. Ich habe ihn auch nie schelten oder gar fluchen hören und doch habe ich ihm dazu, ohne es zu wollen, sicher oft Gelegenheit gegeben. Ich war sein einziger Schüler, Rekruten waren nicht da, die Ausbildung der im April eingetretenen Einjährigen war schon zu weit vorgeschritten, als daß ich an dem Kursus hätte teilnehmen können. So trat ich denn stets ganz für mich allein auf dem Kasernenhofe zum Exerzieren an, wie sich das gehört, zehn Minuten vor der befohlenen Zeit, damit ich auch ja nicht zu spät käme. Zehn Minuten wartete ich Flötensolo auf meinen Sergeanten, der pünktlich auf die Minute erschien. Sah ich ihn kommen, stellte ich mich stramm hin und dann ging es los. Erst wurde mein Anzug auf seine Sauberkeit hin geprüft, dann begannen die Freiübungen, das Turnen, später die Wendungen, der Marsch, die Griffe und alles, was man sonst noch können muß. Am Anfang blieben wir unter Ausschluß der Öffentlichkeit auf dem Kasernenhofe. Später marschierten wir, mein Herr Sergeant und ich, er als Führer, ich als die von ihm geführte Abteilung, nach dem großen Exerzierplatz hinaus. Durch die Straßen der Stadt ging es im strammen Schritt, aber kaum waren wir draußen vor dem Tore, kam das Kommando „Ohne Tritt”, dem nach einer kleinen Pause regelmäßig der Zusatz folgte: „Fähnrich, jetzt kann geraucht werden”. Bei jedem anderen, als bei dem Herrn Sergeanten, der mehr Herr als Sergeant war, wäre das ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, aber mein Sergeant winkte tatsächlich nicht. Er sagte das lediglich, weil er wußte, wie gern ich schon damals rauchte und da ich wußte, wie gern auch er eine gute Zigarre rauchte, bot ich ihm stets eine von meinen Zigarren an, sobald geraucht werden durfte, und er tat mir stets den Gefallen, sie anzunehmen. So rauchten wir, bis wir den großen Exerzierplatz erreicht hatten, der so groß war, daß dort bequem gleichzeitig ein Infanterie- und ein Kavallerieregiment exerzieren konnten, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Wir rauchten aber auch noch auf dem Exerzierplatz bis unsere Zigarre zu Ende war, vorausgesetzt natürlich, daß kein vorgesetztes Auge in unserer Nähe weilte, und das war glücklicherweise sehr oft nicht der Fall. Viele, viele Tage habe ich als einziger Untergebener den endlos großen Platz bevölkert und ich wäre mir wie der letzte Mensch auf einer einsamen Insel vorgekommen, wenn mein treuer Sergeant nicht bei mir gewesen wäre. Aber trotz alledem, wenn das Kommando „Stillgestanden” erfolgt war und ich dastand, ohne mich zu rühren, ich ganz allein auf weiter Flur, mußte ich immer an die einsame Pappel auf dem Tempelhofer Exerzierplatz denken und ich bildete mir oft ein, diese Pappel zu sein. Es war manchmal verdammt langweilig und einsam dort draußen, aber trotzdem war mir diese Einsamkeit lieber, als wenn plötzlich einer der hohen Vorgesetzten hoch zu Roß, entweder allein oder in Begleitung seines Adjutanten erschien, um sich von den Fortschritten meiner militärischen Ausbildung zu überzeugen. Gewiß, das mußte sein, aber wenn ich dem hohen Herrn auch nach dem Kommando meines Sergeanten etwas vorexerzierte oder vormarschierte, kam mir mein Sergeant immer wie ein Stallmeister vor und ich mir selbst wie ein Zirkuspferd, das einem verehrlichen Publikum und einem hohen p.t. Adel aus der Stadt und der Umgebung in allen Gangarten der hohen Schule vorgeführt wurde. Und wie das Zirkuspferd seinen Zucker erhält, wenn es seine Sache gut gemacht hat, so bekam auch ich manchmal meinen Zucker in Gestalt von Worten des Lobes und freundlicher Anerkennung, manchmal bekam ich aber auch etwas mit der Peitsche, wenigstens Worte des Tadels, die wie Peitschenhiebe weh taten. Aber trotzdem, ich kann mir nicht helfen und ich vermag das auch nicht zu erklären, die Peitschenhiebe waren mir lieber als der Zucker. Das Gelobt-zu-werden kam mir so kindisch, so kindlich, fast beschämend und erniedrigend vor. Ich mußte auch dabei immer an das Zirkuspferd denken, dem der Stallmeister zur Belohnung den schlanken Hals klopft, aus welchen Bemerkungen der, der es will, den Schluß ziehen kann, daß ich mir schon damals auf dem Exerzierplatz meine eigenen Gedanken machte, die absolut nicht militärisch richtig waren, denn das Lob und die Anerkennung des Vorgesetzten soll das Ziel sein, nach dem der Untergebene strebt, bis er es erreicht hat, oder bis er vorher seinen Abschied bekommt, weil er eben dieses Lob nicht erreicht.

Im bunten Rock

Es war – nein, nicht in Schöneberg und schließlich kann doch auch nicht jeder Satz, der mit „es war” anfängt, in Schöneberg enden. Es war also wo anders, es war in Freiburg im Breisgau und ein süßes Mägdelein war auch nicht dabei, aber es war wenigstens im Mai, als ich mich eines Morgens auf dem Kasernenhofe des 5. Badischen Infanterie-Regiments Nr.113 bei dem damaligen Oberst und Regimentskommandeur als Fahnenjunker meldete. Ich sehe den großen, stattlichen Mann mit den scharfen, durchdringenden Augen, dem dichten schwarzen Schnurrbart und überhaupt die ganze Szene noch so deutlich vor mir, als wäre es gestern gewesen.
Der Herr Oberst und ich sahen uns lange prüfend an, er gefiel mir sehr, ich ihm aber anscheinend desto weniger. Er musterte meine äußere Erscheinung, Haltung und Wuchs, und an beidem mußte ihm manches mißfallen. Aber er vertraute wohl auf die mir bevorstehende militärische Ausbildung, die meine Schönheitsfehler besei- tigen würde, und so hieß er mich denn mit wirklich herzlichen Worten, die ich ihm nie vergessen habe, in seinem Regiment willkommen. Nach dem Herrn Oberst kam der Herr Major, der mir stets ein wohlwollender, gerechter Vorgesetzter gewesen ist. Und dann kam der Herr Hauptmann, der Hauptmann, der Hauptmann! Der war noch jung, er war erst vor kurzem Hauptmann geworden und war so wahnsinnig stolz und glücklich, nun Hauptmann zu sein! Auch der öffnete, natürlich nur bildlich gesprochen, seine Arme, um mich willkommen zu heißen und im Anschluß daran wurde ich dem Kammerunteroffizier zur Einkleidung übergeben. Aber am nächsten Tage bereute man es schon, damit so voreilig gewesen zu sein, denn die am nächsten Tage stattfindende militärische Untersuchung ergab, daß ich wenigstens vorläufig noch nicht felddienstfähig und auch nur bedingt garnisondienstfähig sei. Man steckte die Köpfe zusammen, was mit mir werden solle, aber ich setzte es dann doch durch, daß man mich behielt, daß man wenigstens den Versuch mit mir machte. Was hätte auch sonst aus mir werden sollen? Nochmals zurück auf die Schule oder die Presse, nochmals Gleichungen lösen müssen, die ich nicht verstand, womöglich nochmals Abrahams Stammbaum, den ich längst wieder vergessen hatte, auswendig lernen? Nein, für kein Geld, und was hätte ich mit meiner nicht abgeschlossenen Gymnasialbildung groß werden können? Ich mußte beim Militär bleiben, glücklicherweise setzte ich es ja auch durch und kaum war mir das gelungen, da wurde der Sergeant F. herbeigeholt, dem die ehrenvolle Aufgabe zuteil wurde, aus mir einen Soldaten zu machen. Dieser Sergeant, den ich nach mehreren Jahren in meiner Vaterstadt Schleswig als Angestellten bei der Regierung wiedersah und dessen ich mich voller Dankbarkeit erinnere, war ein ausgezeichneter Soldat und hatte trotzdem in seinem Wesen und in seinen ausgezeichneten Manieren eigentlich gar nichts von einem Sergeanten an sich. Ich habe ihn auch nie schelten oder gar fluchen hören und doch habe ich ihm dazu, ohne es zu wollen, sicher oft Gelegenheit gegeben. Ich war sein einziger Schüler, Rekruten waren nicht da, die Ausbildung der im April eingetretenen Einjährigen war schon zu weit vorgeschritten, als daß ich an dem Kursus hätte teilnehmen können. So trat ich denn stets ganz für mich allein auf dem Kasernenhofe zum Exerzieren an, wie sich das gehört, zehn Minuten vor der befohlenen Zeit, damit ich auch ja nicht zu spät käme. Zehn Minuten wartete ich Flötensolo auf meinen Sergeanten, der pünktlich auf die Minute erschien. Sah ich ihn kommen, stellte ich mich stramm hin und dann ging es los. Erst wurde mein Anzug auf seine Sauberkeit hin geprüft, dann begannen die Freiübungen, das Turnen, später die Wendungen, der Marsch, die Griffe und alles, was man sonst noch können muß. Am Anfang blieben wir unter Ausschluß der Öffentlichkeit auf dem Kasernenhofe. Später marschierten wir, mein Herr Sergeant und ich, er als Führer, ich als die von ihm geführte Abteilung, nach dem großen Exerzierplatz hinaus. Durch die Straßen der Stadt ging es im strammen Schritt, aber kaum waren wir draußen vor dem Tore, kam das Kommando „Ohne Tritt”, dem nach einer kleinen Pause regelmäßig der Zusatz folgte: „Fähnrich, jetzt kann geraucht werden.” Bei jedem anderen, als bei dem Herrn Sergeanten, der mehr Herr als Sergeant war, wäre das ein Wink mit dem Zaunpfahl gewesen, aber mein Sergeant winkte tatsächlich nicht. Er sagte das lediglich, weil er wußte, wie gern ich schon damals rauchte und da ich wußte, wie gern auch er eine gute Zigarre rauchte, bot ich ihm stets eine von meinen Zigarren an, sobald geraucht werden durfte, und er tat mir stets den Gefallen, sie anzunehmen. So rauchten wir, bis wir den großen Exerzierplatz erreicht hatten, der so groß war, daß dort bequem gleichzeitig ein Infanterie- und ein Kavallerieregiment exerzieren konnten, ohne sich gegenseitig in die Quere zu kommen. Wir rauchten aber auch noch auf dem Exerzierplatz, bis unsere Zigarre zu Ende war, vorausgesetzt natürlich, daß kein vorgesetztes Auge in unserer Nähe weilte, und das war glücklicherweise sehr oft nicht der Fall. Viele, viele Tage habe ich als einziger Untergebener den endlos großen Platz bevölkert und ich wäre mir wie der letzte Mensch auf einer einsamen Insel vorgekommen, wenn mein treuer Sergeant nicht bei mir gewesen wäre. Aber trotz alledem, wenn das Kommando „Stillgestanden” erfolgt war und ich dastand, ohne mich zu rühren, ich ganz allein auf weiter Flur, mußte ich immer an die einsame Pappel auf dem Tempelhofer Exerzierplatz denken und ich bildete mir oft ein, diese Pappel zu sein. Es war manchmal verdammt langweilig und einsam dort draußen, aber trotzdem war mir diese Einsamkeit lieber, als wenn plötzlich einer der hohen Vorgesetzten hoch zu Roß, entweder allein oder in Begleitung seines Adjutanten erschien, um sich von den Fortschritten meiner militärischen Ausbildung zu überzeugen. Gewiß, das mußte sein, aber wenn ich dem hohen Herrn auch nach dem Kommando meines Sergeanten etwas vorexerzierte oder vormarschierte, kam mir mein Sergeant immer wie ein Stallmeister vor und ich mir selbst wie ein Zirkuspferd, das einem verehrlichen Publikum und einem hohen p.t. Adel aus der Stadt und der Umgebung in allen Gangarten der hohen Schule vorgeführt wurde. Und wie das Zirkuspferd seinen Zucker erhält, wenn es seine Sache gut gemacht hat, so bekam auch ich manchmal meinen Zucker in Gestalt von Worten des Lobes und freundlicher Anerkennung, manchmal bekam ich aber auch etwas mit der Peitsche, wenigstens Worte des Tadels, die wie Peitschenhiebe weh taten. Aber trotzdem, ich kann mir nicht helfen und ich vermag das auch nicht zu erklären, die Peitschenhiebe waren mir lieber als der Zucker. Das Gelobt-zu-werden kam mir so kindisch, so kindlich, fast beschämend und erniedrigend vor. Ich mußte auch dabei immer an das Zirkuspferd denken, dem der Stallmeister zur Belohnung den schlanken Hals klopft, aus welchen Bemerkungen der, der es will, den Schluß ziehen kann, daß ich mir schon damals auf dem Exerzierplatz meine eigenen Gedanken machte, die absolut nicht militärisch richtig waren, denn das Lob und die Anerkennung des Vorgesetzten soll das Ziel sein, nach dem der Untergebene strebt, bis er es erreicht hat, oder bis er vorher seinen Abschied bekommt, weil er eben dieses Lob nicht erreicht.


Und eines Tages erschien sogar der ganze hohe Vorgesetzte, der Herr Oberst, der Herr Major und der Herr Hauptmann. Dazu zwei Adjutanten, um mich zu besichtigen. Es war mein erster sogenannter militärischer Ehrentag, die erste wirkliche und damit zugleich die Schlußbesichtigung, denn meine Einzelausbildung war beendet und ich sollte in die Kompagnie gesteckt werden, nicht zur Strafe, sondern zur Belohnung, um dort weiter zu lernen. Zur Feier des großen Tages hatten mein Sergeant und ich uns unsere weißgewaschensten Hosen angezogen und uns auch sonst so hübsch wie nur möglich gemacht, damit die Augen der Vorgesetzten wenigstens auf mir gleich mit Wohlgefallen ruhten. Länger als eine halbe Stunde hatte der Sergeant meinen Anzug geprüft und hier etwas gerückt und dort etwas geschoben. Aber er mußte dabei des Guten zu viel getan haben, denn die Besichtigung fing damit an, daß die hohen Vorgesetzten sich entsetzten, weil mein Helm nicht ganz gerade saß. Ob der nachher gerade saß, nachdem er auf Befehl der hohen Herren gerade gerückt war, weiß ich nicht, denn ich hatte keinen Spiegel zur Hand und ohne den konnte ich mir schon damals nicht auf den Kopf sehen. Aber endlich muß er doch wohl richtig gesessen haben, ich merkte das an den höchst zufriedenen Gesichtern der Vorgesetzten und daran, daß ich Kopfschmerzen bekam, denn nach einem alten Soldatenwort sitzt ein Helm nur dann, wenn er drückt. Der Helm drückte und die Anwesenheit der vielen neugierigen Augen bedrückte mich erst recht. Zum Überfluß fiel mir auch wieder der Vergleich mit dem Zirkuspferd ein, aber ich sagte mir: „Lange wird das Vergnügen heute nicht dauern und dann hast du nach uraltem Brauch in der Armee nach der Besichtigung den Rest des Tages dienstfrei.” Die Aussicht lockte. Ich wollte mich des dienstfreien Tages, der meiner harrte, würdig erweisen, vor allen Dingen aber wollte ich, daß mein braver Sergeant Lob erntete und daß ihm von den Vorgesetzten die Anerkennung gezollt wurde, mich gut ausgebildet zu haben. So gab ich denn dem in meinem Schädel herumgaloppierenden Zirkuspferd mit der flachen Hand einen Klaps auf den Hintern, damit es aus meinem Schädel in seinen Stall zurückliefe und konzentrierte meine ganzen Gedanken und meine ganze Willensstärke auf eine möglichst korrekte und gute Ausführung der mir erteilten Befehle.

Und eines Tages erschien sogar der ganze hohe Vorgesetzte, der Herr Oberst, der Herr Major und der Herr Hauptmann, dazu zwei Adjutanten, um mich zu besichtigen. Es war mein erster sogenannter militärischer Ehrentag, die erste wirkliche und damit zugleich die Schlußbesichtigung, denn meine Einzelausbildung war beendet und ich sollte in die Kompagnie gesteckt werden, nicht zur Strafe, sondern zur Belohnung, um dort weiter zu lernen. Zur Feier des großen Tages hatten mein Sergeant und ich uns unsere weißgewaschensten Hosen angezogen und uns auch sonst so hübsch wie nur möglich gemacht, damit die Augen der Vorgesetzten wenigstens auf mir gleich mit Wohlgefallen ruhten. Länger als eine halbe Stunde hatte der Sergeant meinen Anzug geprüft und hier etwas gerückt und dort etwas geschoben. Aber er mußte dabei des Guten zu viel getan haben, denn die Besichtigung fing damit an, daß die hohen Vorgesetzten sich entsetzten, weil mein Helm nicht ganz gerade saß. Ob der nachher gerade saß, nachdem er auf Befehl der hohen Herren gerade gerückt war, weiß ich nicht, denn ich hatte keinen Spiegel zur Hand und ohne den konnte ich mir schon damals nicht auf den Kopf sehen. Aber endlich muß er doch wohl richtig gesessen haben, ich merkte das an den höchst zufriedenen Gesichtern der Vorgesetzten und daran, daß ich Kopfschmerzen bekam, denn nach einem alten Soldatenwort sitzt ein Helm nur dann, wenn er drückt. Der Helm drückte und die Anwesenheit der vielen neugierigen Augen bedrückte mich erst recht. Zum Überfluß fiel mir auch wieder der Vergleich mit dem Zirkuspferd ein, aber ich sagte mir: „Lange wird das Vergnügen heute nicht dauern und dann hast du nach uraltem Brauch in der Armee nach der Besichtigung den Rest des Tages dienstfrei.” Die Aussicht lockte. Ich wollte mich des dienstfreien Tages, der meiner harrte, würdig erweisen, vor allen Dingen aber wollte ich, daß mein braver Sergeant Lob erntete und daß ihm von den Vorgesetzten die Anerkennung gezollt wurde, mich gut ausgebildet zu haben. So gab ich denn dem in meinem Schädel herumgaloppierenden Zirkuspferd mit der flachen Hand einen Klaps auf den Hintern, damit es aus meinem Schädel in seinen Stall zurückliefe und konzentrierte meine ganzen Gedanken und meine ganze Willensstärke auf eine möglichst korrekte und gute Ausführung der mir erteilten Befehle.


Der Erfolg blieb nicht aus. Als die Besichtigung meiner Person und meiner Leistungen endlich vorbei war, hatte ich meine Sache gut gemacht. Selbstverständlich nicht so gut, wie es hätte sein können und wie es hätte sein müssen, wenn es wirklich gut gewesen wäre und natürlich erst recht nicht so gut, daß es nicht noch viel besser hätte sein können, aber immerhin, trotzdem und allemal – ich hörte gar nicht mehr hin auf die lange Rede. Ich sah nur auf meinen Sergeanten, freute mich für den, daß die Sache so abgelaufen war und tauschte mit ihm einen Blick, in dem geschrieben stand: „Und als die schöne Predigt aus, ging jedermann vergnügt nach Haus und alle lobten Gott den Herrn.” Auch ich wollte, wenn die Predigt, ich meine natürlich die Kritik, zu Ende war, vergnügt nach Hause gehen und darauf, den Herrn zu loben, sollte es mir auch nicht ankommen. Aber stattdessen kam es wesentlich anders. Als die höheren Vorgesetzten endlich davonritten und mich mit meinem Hauptmann allein ließen, das heißt, „wir waren unserer drei, der Herr Sergeant, der Herr Sergeant war auch dabei” – da erklärte mir der Häuptling, er habe seine Kompagnie gleich mit herausgebracht, um mich schon heute in die einzustellen. Na, das war eine schöne Freude, und daß ich in dem Augenblick, als ich das zu hören bekam, vor Wut nicht einen Schlaganfall bekam, verstehe ich heute noch nicht.(6) Dann suchten meine Augen den Herrn Sergeanten, um festzustellen, was der wohl dazu sagte. Aber sagen durfte der natürlich nichts und was er im stillen empfand, verriet er mit keiner Miene. Auch das durfte er nicht, denn er war mein Vorgesetzter und konnte als solcher in Gegenwart eines Untergebenen (das war ich) seiner Unlust über einen höheren Vorgesetzten, den Herrn Hauptmann, nicht Ausdruck geben. Was blieb mir anderes übrig, ich fügte mich in mein Schicksal und machte mich dann mit meinen beiden Vorgesetzten auf den Weg, um die Kompagnie zu suchen, die sich auf dem großen Platz in einer Terrainfalte verkrümelt hatte, allwo sie unter dem Befehl des ältesten Leutnants Griffe kloppte. Unterwegs aber war es mir gelungen, mich einigermaßen mit meinem Schicksal abzufinden. Ja, ich freute mich sogar bis zu einem gewissen Grade auf meine feierliche Einstellung in die Kompagnie. Natürlich, ganz so feierlich würde es wohl nicht zugehen, wie bei der Einstellung eines zehnjährigen Prinzen als Leutnant in die Armee, aber immerhin dachte ich an eine kleine Ansprache seitens meines Hauptmanns, an einen Willkommensgruß seitens der Offiziere und Unteroffiziere, oder etwas Ähnliches. Aber es kam anders und viel einfacher. Man hatte in dem ersten Glied für mich schon ein Loch offen gelassen, in das ich nach meiner Körpergröße mit dem Helm auf dem Kopfe, auf einen Viertelzentimeter ausgerechnet, hineinpaßte. In dieses Loch mußte ich auf das Kommando „Treten Sie ein” eintreten, und damit war ich eingetreten. Und da stand ich. Der Raum war eng, selbst im Rühren fühlte ich mit meinen Ellbogen meinen rechten und linken Nachbar und nun erst, als stillgestanden wurde und die Griffe kamen, da merkte ich erst den himmelweiten Unterschied, ob man seine Griffe als freistehender Krieger macht, oder in Reih' und Glied.

Der Erfolg blieb nicht aus. Als die Besichtigung meiner Person und meiner Leistungen endlich vorbei war, hatte ich meine Sache gut gemacht. Selbstverständlich nicht so gut, wie es hätte sein können und wie es hätte sein müssen, wenn es wirklich gut gewesen wäre und natürlich erst recht nicht so gut, daß es nicht noch viel besser hätte sein können, aber immerhin, trotzdem und allemal – ich hörte gar nicht mehr hin auf die lange Rede. Ich sah nur auf meinen Sergeanten, freute mich für den, daß die Sache so abgelaufen war und tauschte mit ihm einen Blick, in dem geschrieben stand: „Und als die schöne Predigt aus, ging jedermann vergnügt nach Haus und alle lobten Gott den Herrn.” Auch ich wollte, wenn die Predigt, ich meine natürlich die Kritik, zu Ende war, vergnügt nach Hause gehen und darauf, den Herrn zu loben, sollte es mir auch nicht ankommen. Aber stattdessen kam es wesentlich anders. Als die höheren Vorgesetzten endlich davonritten und mich mit meinem Hauptmann allein ließen, das heißt, „wir waren unserer drei, der Herr Sergeant, der Herr Sergeant war auch dabei” – da erklärte mir der Häuptling, er habe seine Kompagnie gleich mit herausgebracht, um mich schon heute in die einzustellen. Na, das war eine schöne Freude, und daß ich in dem Augenblick, als ich das zu hören bekam, vor Wut nicht einen Schlaganfall bekam, verstehe ich heute noch nicht. Darum suchten meine Augen den Herrn Sergeanten, um festzustellen, was der wohl dazu sagte. Aber sagen durfte der natürlich nichts und was er im stillen empfand, verriet er mit keiner Miene. Auch das durfte er nicht, denn er war mein Vorgesetzter und konnte als solcher in Gegenwart eines Untergebenen (das war ich) seiner Unlust über einen höheren Vorgesetzten, den Herrn Hauptmann, nicht Ausdruck geben. Was blieb mir anderes übrig, ich fügte mich in mein Schicksal und machte mich dann mit meinen beiden Vorgesetzten auf den Weg, um die Kompagnie zu suchen, die sich auf dem großen Platz in einer Terrainfalte verkrümelt hatte, allwo sie unter dem Befehl des ältesten Leutnants Griffe kloppte. Unterwegs aber war es mir gelungen, mich einigermaßen mit meinem Schicksal abzufinden. Ja, ich freute mich sogar bis zu einem gewissen Grade auf meine feierliche Einstellung in die Kompagnie. Natürlich, ganz so feierlich würde es wohl nicht zugehen, wie bei der Einstellung eines zehnjährigen Prinzen als Leutnant in die Armee, aber immerhin dachte ich an eine kleine Ansprache seitens meines Hauptmanns, an einen Willkommensgruß seitens der Offiziere und Unteroffiziere, oder etwas Ähnliches. Aber es kam anders und viel einfacher. Man hatte in dem ersten Glied für mich schon ein Loch offen gelassen, in das ich nach meiner Körpergröße mit dem Helm auf dem Kopfe, auf einen Viertelzentimeter ausgerechnet, hineinpaßte. In dieses Loch mußte ich auf das Kommando „Treten Sie ein” eintreten, und damit war ich eingetreten. Und da stand ich. Der Raum war eng, selbst im Rühren fühlte ich mit meinen Ellbogen meinen rechten und linken Nachbar und nun erst, als stillgestanden wurde und die Griffe kamen, da merkte ich erst den himmelweiten Unterschied, ob man seine Griffe als freistehender Krieger macht, oder in Reih' und Glied.


Natürlich bekam ich sofort einen hereingewürgt und nachher bei dem Marschieren fiel ich erst recht auf. Nicht nur, weil meine Beine in den weißgewaschensten Besichtigungsbuxen steckten, während die anderen Leute Drilligbuxen trugen, sondern noch aus einem anderen Grunde, der wenigstens für mich sehr schmerzlich und sehr schmerzhaft war. Bis zu diesem Augenblick war ich stets allein marschiert, nun marschierte hinter mir noch einer und hinter dem wieder einer, denn damals gab es noch die mit Recht so beliebte und verhaßte dreigliedrige Formation. Wie es dem Mann im ersten Gliede ging, hing eigentlich davon ab, wie sich die beiden Leute hinter ihm im zweiten und dritten Gliede miteinander standen. Waren die ein Herz und eine Seele, dann ging es, waren die aber spinnefeind miteinander, dann hatte der im ersten Glied nichts zu lachen, denn da der Mann im zweiten Gliede die erhaltenen Fußtritte nicht nach rückwärts zurückgeben konnte und sie selbstverständlich auch nicht für sich behalten wollte, gab er die voller Ingrimm nach vorn weiter. Und am ersten Tage, als ich in die Kompagnie eingestellt war, mußten meine beiden Hintermänner sich wegen eines schönen Mädels oder sonst aus irgendeinem Grunde barbarisch in die Beine gefahren sein, denn ich bekam niederträchtige Fußtritte gegen meine Knie und gegen meine Waden. Natürlich kam ich zuerst auf den Gedanken, das sei Absicht, um den „Neuen” zu ärgern und zu schikanieren. Aber das war tatsächlich nicht der Fall, wie ich überhaupt mit allen Mannschaften der Kompagnie als Musketier stets in bester Freundschaft lebte. Nur einmal hatte ich es mit ihnen verdorben, da hatte ich zu einem gesagt, er sei ein fauler Kerl. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte die fürchterlichste Keile bekommen, denn mein Herz ahnte nichts davon, daß im Badenser Land das Wort „Kerl” das größte Schimpfwort ist und daß man unter einem „Kerl” einen entlassenen Zuchthäusler oder einen sonst nicht ganz einwandsfreien Ehrenmann verstand. Die Wogen der Empörung glätteten sich erst wieder, als ich meinen Kameraden ehrenwörtlich erklärte, in meiner Heimat Schleswig-Holstein gebrauchte man den Ausdruck „Kerl” sogar in Verbindung mit einem Lobe. Es gäbe bei uns „sehr brave Kerle” und „sehr liebe Kerle”. Der Friede wurde wieder geschlossen und dauerte an. Ja, noch mehr, die Leute hielten treu zu mir und erleichterten mir mein militärisches Dasein, denn gar bald sahen auch sie ein, daß ich es bei meinem Hauptmann sehr schwer hatte. Ich will nicht gerade sagen, daß er mich absichtlich schikanierte, aber er schenkte mir auch nichts. Das taten auf Veranlassung meines Hauptmanns auch die übrigen Vorgesetzten, und den schönen Griff „Faßt das Gewehr an”, den ich als Pressier so oft bewunderte, wenn die Wache in Berlin aufzog und sich dem historischen Eckfenster näherte, diesen schönen Griff hat mir mein Vizefeldwebel eines Abends nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch derartig erklärt, daß meine rechte Schulter blutunterlaufen war und noch lange hinterher in allen Regenbogenfarben schimmerte.

Natürlich bekam ich sofort einen hereingewürgt und nachher bei dem Marschieren fiel ich erst recht auf. Nicht nur, weil meine Beine in den weißgewaschensten Besichtigungsbuxen steckten, während die anderen Leute Drillichbuxen trugen, sondern noch aus einem anderen Grunde, der wenigstens für mich sehr schmerzlich und sehr schmerzhaft war. Bis zu diesem Augenblick war ich stets allein marschiert, nun marschierte hinter mir noch einer und hinter dem wieder einer, denn damals gab es noch die mit Recht so beliebte und verhaßte dreigliedrige Formation. Wie es dem Mann im ersten Gliede ging, hing eigentlich davon ab, wie sich die beiden Leute hinter ihm im zweiten und dritten Gliede miteinander standen. Waren die ein Herz und eine Seele, dann ging es, waren die aber spinnefeind miteinander, dann hatte der im ersten Glied nichts zu lachen, denn da der Mann im zweiten Gliede die erhaltenen Fußtritte nicht nach rückwärts zurückgeben konnte und sie selbstverständlich auch nicht für sich behalten wollte, gab er die voller Ingrimm nach vorn weiter. Und am ersten Tage, als ich in die Kompagnie eingestellt war, mußten meine beiden Hintermänner sich wegen eines schönen Mädels oder sonst aus irgendeinem Grunde barbarisch in die Beine gefahren sein, denn ich bekam niederträchtige Fußtritte gegen meine Knie und gegen meine Waden. Natürlich kam ich zuerst auf den Gedanken, das sei Absicht, um den „Neuen” zu ärgern und zu schikanieren. Aber das war tatsächlich nicht der Fall, wie ich überhaupt mit allen Mannschaften der Kompagnie als Musketier stets in bester Freundschaft lebte. Nur einmal hatte ich es mit ihnen verdorben, da hatte ich zu einem gesagt, er sei ein fauler Kerl. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte die fürchterlichste Keile bekommen, denn mein Herz ahnte nichts davon, daß im Badenser Land das Wort „Kerl” das größte Schimpfwort ist und daß man unter einem „Kerl” einen entlassenen Zuchthäusler oder einen sonst nicht ganz einwandfreien Ehrenmann verstand. Die Wogen der Empörung glätteten sich erst wieder, als ich meinen Kameraden ehrenwörtlich erklärte, in meiner Heimat Schleswig-Holstein gebrauchte man den Ausdruck „Kerl” sogar in Verbindung mit einem Lobe. Es gäbe bei uns „sehr brave Kerle” und „sehr liebe Kerle”. Der Friede wurde wieder geschlossen und dauerte an. Ja, noch mehr, die Leute hielten treu zu mir und erleichterten mir mein militärisches Dasein, denn gar bald sahen auch sie ein, daß ich es bei meinem Hauptmann sehr schwer hatte. Ich will nicht gerade sagen, daß er mich absichtlich schikanierte, aber er schenkte mir auch nichts. Das taten auf Veranlassung meines Hauptmanns auch die übrigen Vorgesetzten, und den schönen Griff „Faßt das Gewehr an”, den ich als Pressier so oft bewunderte, wenn die Wache in Berlin aufzog und sich dem historischen Eckfenster näherte, diesen schönen Griff hat mir mein Vizefeldwebel eines Abends nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch derartig erklärt, daß meine rechte Schulter blutunterlaufen war und noch lange hinterher in allen Regenbogenfarben schimmerte.


Gewiß hätte ich mich beschweren können, aber so etwas tut man als Fähnrich unter gar keinen Umständen, lieber beißt man die Zähne zusammen. Und ich biß – auch als es in das Manöver ging und als selbst die Einjährigen bessere Quartiere erhielten als ich. Ich war lediglich der Musketier, der mit der Aussicht auf Beförderung diente und lag mit den anderen Musketieren in der Scheune auf dem Strohlager. Nur ein einziges Mal erhielt ich ein Quartier für mich, das ich nie vergessen werde. Es war bei einem wohlhabenden Gärtner und ein süßes, auffallend hübsches junges Mädchen, die Tochter des Hauses, die, wie sich später herausstellte, zwei Jahre lang mit Erfolg in Paris gewesen war, öffnete mir die Tür. Das Mädel war so hübsch, so sauber und appetitlich, daß ich mich fast meines Dreckes schämte, der mich selbst und meine Uniform bedeckte. Dann aber zeigte ich ihr mein Quartierbillett, doch sie erklärte, das müsse ein Irrtum sein, ich läge nicht hier, zu ihren Eltern käme ein junger Graf, auf den sie sich alle schon schrecklich freuten, und sie freute sich auf den ganz besonders. Und als ich ihr erklärte, ich sei der junge Graf und ich freue mich auch ganz besonders darauf, ihre nähere Bekanntschaft zu machen, schüttelte sie zuerst ungläubig den Kopf. So wie ich sollte ein junger Graf aussehen? Das konnte und wollte sie nicht glauben, bis ich ihr zurief: „Na, warten Sie es mal ab, liebes Fräulein, wenn ich erst gewaschen, frisiert und umgezogen bin, dann wird sich hoffentlich nach Heinrich Heine alles finden.” Und es fand sich. Der Vater arbeitete den ganzen Tag in der Gärtnerei, die Mutter war krank, oder stellte sich wenigstens ihrer Tochter zuliebe so. Da hatten wir Zeit genug, uns zu küssen und uns ewige Liebe zu schwören. Drei Tage lang dauerte diese köstliche Episode, dann hieß es Abschied nehmen, und während die Herzallerliebste mir behilflich war, den schweren Tornister anzulegen, bat sie mit tränenerstickter Stimme: „Nicht wahr, du wirst mich niemals vergessen?” Natürlich habe ich es ihr geschworen und den Schwur habe ich auch gehalten. Sogar den Namen habe ich behalten, weil er mit dem ersten Buchstaben des Alphabets anfing und auch endete. Nein, Anna, ich habe dich nicht vergessen und ich gedenke auch heute noch deiner.

Gewiß hätte ich mich beschweren können, aber so etwas tat man als Fähnrich unter gar keinen Umständen, lieber biß man die Zähne zusammen. Und ich biß – auch als es in das Manöver ging und als selbst die Einjährigen bessere Quartiere erhielten als ich. Ich war lediglich der Musketier, der mit der Aussicht auf Beförderung diente und lag mit den anderen Musketieren in der Scheune auf dem Strohlager. Nur ein einziges Mal erhielt ich ein Quartier für mich, das ich nie vergessen werde. Es war bei einem wohlhabenden Gärtner und ein süßes, auffallend hübsches junges Mädchen, die Tochter des Hauses, die, wie sich später herausstellte, zwei Jahre lang mit Erfolg in Paris gewesen war, öffnete mir die Tür. Das Mädel war so hübsch, so sauber und appetitlich, daß ich mich fast meines Dreckes schämte, der mich selbst und meine Uniform bedeckte. Dann aber zeigte ich ihr mein Quartierbillett, doch sie erklärte, das müsse ein Irrtum sein, ich läge nicht hier, zu ihren Eltern käme ein junger Graf, auf den sie sich alle schon schrecklich freuten, und sie freute sich auf den ganz besonders. Und als ich ihr erklärte, ich sei der junge Graf und ich freue mich auch ganz besonders darauf, ihre nähere Bekanntschaft zu machen, schüttelte sie zuerst ungläubig den Kopf. So wie ich sollte ein junger Graf aussehen? Das konnte und wollte sie nicht glauben, bis ich ihr zurief: „Na, warten Sie es mal ab, liebes Fräulein, wenn ich erst gewaschen, frisiert und umgezogen bin, dann wird sich hoffentlich nach Heinrich Heine alles finden.” Und es fand sich. Der Vater arbeitete den ganzen Tag in der Gärtnerei, die Mutter war krank, oder stellte sich wenigstens ihrer Tochter zuliebe so. Da hatten wir Zeit genug, uns zu küssen und uns ewige Liebe zu schwören. Drei Tage lang dauerte diese köstliche Episode, dann hieß es Abschied nehmen, und während die Herzallerliebste mir behilflich war, den schweren Tornister anzulegen, bat sie mit tränenerstickter Stimme: „Nicht wahr, du wirst mich niemals vergessen?” Natürlich habe ich es ihr geschworen und den Schwur habe ich auch gehalten. Sogar den Namen habe ich behalten, weil er mit dem ersten Buchstaben des Alphabets anfing und auch endete. Nein, Anna, ich habe dich nicht vergessen und ich gedenke auch heute noch deiner.


Die Anna war aber auch der einzige Lichtblick in diesem Manöver, obgleich ich noch einen anderen schönen Tag erlebte. Selbstverständlich war das ein Ruhetag, den ich benutzte, um einen Ausflug nach dem Hohentwiel zu machen. Ich hatte damals Scheffels Ekkehard schon unzählige Male gelesen, so brauchte ich den nicht mit hinaufzunehmen und in der Erinnerung an alle Gestalten aus dem Roman habe ich zwischen den Trümmern der Ruine einen wundervollen Herbsttag verträumt.

Die Anna war aber auch der einzige Lichtblick in diesem Manöver, obgleich ich noch einen anderen schönen Tag erlebte. Selbstverständlich war das ein Ruhetag, den ich benutzte, um einen Ausflug nach dem Hohentwiel zu machen. Ich hatte damals Scheffels Ekkehard schon unzählige Male gelesen, so brauchte ich den nicht mit hinaufzunehmen und in der Erinnerung an alle Gestalten aus dem Roman habe ich zwischen den Trümmern der Ruine einen wundervollen Herbsttag verträumt.


Wäre es nach mir gegangen, hätte ich die drei letzten Tage des Manövers auf dem Hohentwiel zugebracht, stattdessen ging es nach einem kurzen Abstecher nach Bregenz zurück zum Regiment und mit dem Regiment hinaus in das Gelände, um die letzten drei Tage des Divisionsmanövers mitzumachen. Als ich am Abend des ersten Tages mit meinen Leuten als Unteroffiziersposten aufzog, war es das denkbar schönste Wetter, der herrlichste Sternenhimmel, den man sich nur vorstellen kann. Aber dann mit einemmal: „Stockfinster ward die Nacht, kein Mond, kein Sternlein wacht, in solchem Dunkel man nicht deutlich sehen kann”, wie es in Gasparone heißt. Das letztere hätte uns nur wenig berührt, desto peinlicher empfanden wir es, als es plötzlich, der Himmel allein weiß warum, wolkenbruchartig zu regnen anfing. Als ich in diesem Sommer in Wildbad, in dem herrlichen Klumpps Hotel Quellenhof wohnte, um in dem nach meiner Ansicht unbeschreiblich schönen Wildbad meinen Rheumatismus los zu werden, der mich daran verhindert hat, in diesem furchtbarsten aller Kriege auch mich dem Heere irgendwie zur Verfügung zu stellen, erzählte mir ein Hamburger Herr, er habe sich seinen Rheumatismus vor vielen Jahren in Paris bei einem Rennen geholt. Er sei ohne Paletot und ohne Mantel draußen gewesen, trotzdem aber für alle Fälle mit einem Regenschirm bewaffnet, aber der habe ihm, als es zu regnen anfing, auch nicht viel geholfen, denn als unerwartet der Regen einsetzte, seien solche Wasserfälle von oben herunter gekommen, daß die aufgespannten Regenschirme in sich zusammengeklappt wären. Hätten wir in jener Nacht Regenschirme gehabt, so wären auch die zusammengeklappt. Wir hatten aber überhaupt nichts, keinen Mantel und keine Zeltbahnen, alles hatten wir bei der Kompagnie zurückgelassen, da das Wetter bei unserem Abrücken so schön war. Wir hatten nichts als unsere Uniform und unsere Haut, um unsere Eingeweide zu schützen, aber selbst die wurden naß, denn wenn man nur den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, schluckte man schon einen Eimer Wasser. Es goß Sturzbäche und wenn auch nicht in derselben Stärke, so goß es zwei Tage und zwei Nächte weiter, während welcher Zeit ich nicht aus der nassen Uniform herauskam. Ja, ich hatte die auch noch an, als es endlich in mehr als zwölfstündiger Eisenbahnfahrt in die Garnison zurückging. Ich mit den Mannschaften III. Klasse. Totmüde und vollständig verfroren kam ich in der Kaserne an, wo ich die Fähnrichstube bewohnte und gedachte einen langen Schlaf zu tun. Aber kaum lag ich im Bett, da kam ein Putzer in die Stube gestürzt, um mir mitzuteilen, ich müsse am Mittag auf Wache ziehen. Ich solle Gefreiter werden und da hätte es sich herausgestellt, daß ich erst zweimal Posten gestanden habe, während man die Gefreitenknöpfe nur erhalten könne, wenn man drei Wachen abgerissen hätte. Ich traute meinen Ohren nicht. Nicht weil ich Gefreiter werden sollte, die Beförderung lockte und reizte mich in diesem Augenblick blitzwenig, aber daß ich auf Posten ziehen sollte, widersprach den Bestimmungen, in denen es ausdrücklich heißt, daß jeder, der als Posten aufzieht, vorher wenigstens zwei dienstfreie Nächte in seinem Bett verbracht haben muß, wenigstens in Friedenszeiten. Wir hatten aber damals noch Frieden und davon, daß ich die beiden letzten Nächte schlafend in meinem Bett verbracht haben sollte, ahnten mein Herz und mein Körper nichts. Aber was half alles Schelten und Fluchen? Auch eine Beschwerde hätte nichts genützt, denn beschweren darf man sich erst, wenn man den Befehl, über den man sich beschweren will, ausgeführt hat. So zog ich denn als einziger von allen Mannschaften, die mit mir aus dem Manöver zurückgekehrt waren, mittags mit den Leuten des während des Manövers in der Garnison zurückgebliebenen Wachtkommandos auf Wache, noch dazu auf die mit Recht so unbeliebte Pulverturmwache(6a). Da draußen vor dem Tore da stand kein Lindenbaum, sondern von hohen Bäumen beschattet und von einem Staket umgeben ein alter Pulverturm, der, soviel ich weiß, gar kein Pulver enthielt, sondern nur die scharfe Infanteriemunition, und der Posten hatten die Aufgabe, darauf zu achten, daß kein Mensch sich mit einer brennenden Zigarre oder Pfeife diesem Turm nähere. Namentlich des Nachts nicht, obgleich kein Mensch daran dachte, sich diesem Pulverturm bei Tage geschweige denn bei Nacht zu nähern. Wobei mir einfällt, daß ich in der französischen Riviera auch einmal auf einem Ausflug bei einem Pulverturm vorbei kam, der in großen Buchstaben die Aufschrift trug: „Jegliches Rauchen ist hier in einem Umkreis von 300 Metern auf das strengste verboten.” Aber nicht drei Schritte vor dem Pulverturm saßen die französischen Infanteristen und rauchten eine Zigarette nach der anderen. Aber als auch ich zu rauchen anfing, wollte man mich verhaften, weil das Rauchen hier streng verboten sei. Und ich entging meiner Verhaftung nur dadurch, daß ich in die Tasche griff und den Soldaten Geld gab, damit sie sich neue Zigaretten kaufen könnten.

Wäre es nach mir gegangen, hätte ich die drei letzten Tage des Manövers auf dem Hohentwiel zugebracht, stattdessen ging es nach einem kurzen Abstecher nach Bregenz zurück zum Regiment und mit dem Regiment hinaus in das Gelände, um die letzten drei Tage des Divisionsmanövers mitzumachen. Als ich am Abend des ersten Tages mit meinen Leuten als Unteroffiziersposten aufzog, war es das denkbar schönste Wetter, der herrlichste Sternenhimmel, den man sich nur vorstellen kann. Aber dann mit einemmal: „Stockfinster ward die Nacht, kein Mond, kein Sternlein wacht, in solchem Dunkel man nicht deutlich sehen kann”, wie es in Gasparone heißt. Das letztere hätte uns nur wenig berührt, desto peinlicher empfanden wir es, als es plötzlich, der Himmel allein weiß warum, wolkenbruchartig zu regnen anfing. Als ich einmal in Wildbad, in dem herrlichen Klumpps Hotel Quellenhof wohnte, um in dem nach meiner Ansicht unbeschreiblich schönen Wildbad meinen Rheumatismus los zu werden,

erzählte mir ein Hamburger Herr, er habe sich seinen Rheumatismus vor vielen Jahren in Paris bei einem Rennen geholt. Er sei ohne Paletot und ohne Mantel draußen gewesen, trotzdem aber für alle Fälle mit einem Regenschirm bewaffnet, aber der habe ihm, als es zu regnen anfing, auch nicht viel geholfen, denn als unerwartet der Regen einsetzte, seien solche Wasserfälle von oben herunter gekommen, daß die aufgespannten Regenschirme in sich zusammengeklappt wären. Hätten wir in jener Nacht Regenschirme gehabt, so wären auch die zusammengeklappt. Wir hatten aber überhaupt nichts, keinen Mantel und keine Zeltbahnen, alles hatten wir bei der Kompagnie zurückgelassen, da das Wetter bei unserem Abrücken so schön war. Wir hatten nichts als unsere Uniform und unsere Haut, um unsere Eingeweide zu schützen, aber selbst die wurden naß, denn wenn man nur den Mund aufmachte, um etwas zu sagen, schluckte man schon einen Eimer Wasser. Es goß Sturzbäche und wenn auch nicht in derselben Stärke, so goß es zwei Tage und zwei Nächte weiter, während welcher Zeit ich nicht aus der nassen Uniform herauskam. Ja, ich hatte die auch noch an, als es endlich in mehr als zwölfstündiger Eisenbahnfahrt in die Garnison zurückging. Ich mit den Mannschaften III. Klasse. Totmüde und vollständig verfroren kam ich in der Kaserne an, wo ich die Fähnrichstube bewohnte und gedachte einen langen Schlaf zu tun. Aber kaum lag ich im Bett, da kam mein Putzer in die Stube gestürzt, um mir mitzuteilen, ich müsse am Mittag auf Wache ziehen. Ich solle Gefreiter werden und da hätte es sich herausgestellt, daß ich erst zweimal Posten gestanden habe, während man die Gefreitenknöpfe nur erhalten könne, wenn man drei Wachen abgerissen hätte. Ich traute meinen Ohren nicht. Nicht weil ich Gefreiter werden sollte, die Beförderung lockte und reizte mich in diesem Augenblick blitzwenig, aber daß ich auf Posten ziehen sollte, widersprach den Bestimmungen, in denen es ausdrücklich heißt, daß jeder, der als Posten aufzieht, vorher wenigstens zwei dienstfreie Nächte in seinem Bett verbracht haben muß, wenigstens in Friedenszeiten. Wir hatten aber damals Frieden und davon, daß ich die beiden letzten Nächte schlafend in meinem Bett verbracht haben sollte, ahnten mein Herz und mein Körper nichts. Aber was half alles Schelten und Fluchen? Auch eine Beschwerde hätte nichts genützt, denn beschweren darf man sich erst, wenn man den Befehl, über den man sich beschweren will, ausgeführt hat. So zog ich denn als einziger von allen Mannschaften, die mit mir aus dem Manöver zurückgekehrt waren, mittags mit den Leuten des während des Manövers in der Garnison zurückgebliebenen Wachtkommandos auf Wache, noch dazu auf die mit Recht so unbeliebte Pulverturmwache. Da draußen vor dem Tore da stand kein Lindenbaum, sondern von hohen Bäumen beschattet und von einem Staket umgeben ein alter Pulverturm, der, soviel ich weiß, gar kein Pulver enthielt, sondern nur die scharfe Infanteriemunition, und der Posten hatten die Aufgabe, darauf zu achten, daß kein Mensch sich mit einer brennenden Zigarre oder Pfeife diesem Turm nähere. Namentlich des Nachts nicht, obgleich kein Mensch daran dachte, sich diesem Pulverturm bei Tage geschweige denn bei Nacht zu nähern. Wobei mir einfällt, daß ich in der französischen Riviera auch einmal auf einem Ausflug bei einem Pulverturm vorbei kam, der in großen Buchstaben die Aufschrift trug: „Jegliches Rauchen ist hier in einem Umkreis von 300 Metern auf das strengste verboten.” Aber nicht drei Schritte vor dem Pulverturm saßen die französischen Infanteristen und rauchten eine Zigarette nach der anderen. Aber als auch ich zu rauchen anfing, wollte man mich verhaften, weil das Rauchen hier streng verboten sei. Und ich entging meiner Verhaftung nur dadurch, daß ich in die Tasche griff und den Soldaten Geld gab, damit sie sich neue Zigaretten kaufen könnten.


Auf Pulverturmwache zu ziehen, war kein Vergnügen. Bei Tage war es dort landschaftlich sehr hübsch und auch sehr ruhig, vor allen Dingen aber sah man es schon von weitem, wenn ein Vorgesetzter kam, um die Wache zu revidieren. Da konnte man sich und seinen äußeren Menschen in Ruhe und Ordnung bringen und der Wachthabende hatte Zeit, sich seine weißen Handschuhe wieder anzuziehen, die er nur ablegen durfte, wenn er etwas zu schreiben hatte. Sonst mußte er die zum Zeichen seiner Würde Tag und Nacht an den Händen tragen, aber Gnade Gott ihm, wenn die nicht tadellos sauber waren, sobald der Offizier vom Ortsdienst oder sonst jemand von den Vorgesetzten kam. Bei Tage war es da draußen vor dem Tore sehr hübsch, aber des Nachts, wenn die Ratten in der alten Wachtstube lebendig wurden und in die Tornister hineinkrochen, um nach Lebensmitteln zu suchen! Zahllose Ratten wurden dort in jeder Nacht von den Soldaten mit dem Seitengewehr erschlagen, aber es kamen immer neue und neue. Aber mich haben sie in jener Nacht nicht gestört. Nicht etwa, als wenn keine gekommen wären, die kamen in Scharen, aber wenn ich meine zwei Stunden Posten gestanden hatte, fiel ich auf die Pritsche und schlief wie ein Toter. Ich wurde auch nicht davon wach, daß die Ratten mir mit ihren langen Schwänzen fortwährend über das Gesicht liefen. Ich glaube, ich wäre nicht einmal wach geworden, wenn einer der Kameraden mir mit dem Seitengewehr auf den Kopf geschlagen hätte, um eine dort sitzende Ratte zu töten. Vielleicht wäre ich dann sogar überhaupt nicht wieder aufgewacht.

Auf Pulverturmwache zu ziehen, war kein Vergnügen. Bei Tage war es dort landschaftlich sehr hübsch und auch sehr ruhig, vor allen Dingen aber sah man es schon von weitem, wenn ein Vorgesetzter kam, um die Wache zu revidieren. Da konnte man sich und seinen äußeren Menschen in Ruhe und Ordnung bringen und der Wachthabende hatte Zeit, sich seine weißen Handschuhe wieder anzuziehen, die er nur ablegen durfte, wenn er etwas zu schreiben hatte. Sonst mußte er die zum Zeichen seiner Würde Tag und Nacht an den Händen tragen, aber Gnade Gott ihm, wenn die nicht tadellos sauber waren, sobald der Offizier vom Ortsdienst oder sonst jemand von den Vorgesetzten kam. Bei Tage war es da draußen vor dem Tore sehr hübsch, aber des Nachts, wenn die Ratten in der alten Wachtstube lebendig wurden und in die Tornister hineinkrochen, um nach Lebensmitteln zu suchen! Zahllose Ratten wurden dort in jeder Nacht von den Soldaten mit dem Seitengewehr erschlagen, aber es kamen immer neue und neue. Aber mich haben sie in jener Nacht nicht gestört. Nicht etwa, als wenn keine gekommen wären, die kamen in Scharen, aber wenn ich meine zwei Stunden Posten gestanden hatte, fiel ich auf die Pritsche und schlief wie ein Toter. Ich wurde auch nicht davon wach, daß die Ratten mir mit ihren langen Schwänzen fortwährend über das Gesicht liefen. Ich glaube, ich wäre nicht einmal wach geworden, wenn einer der Kameraden mir mit dem Seitengewehr auf den Kopf geschlagen hätte, um eine dort sitzende Ratte zu töten. Vielleicht wäre ich dann sogar überhaupt nicht wieder aufgewacht.


Achtundvierzig Stunden nach dieser Wache, die ich meistens schlafend verbrachte, wurde ich Gefreiter, bald darauf auch Unteroffizier und langsam, aber sicher kam die Zeit heran, in der ich auf Kriegsschule sollte. Es wurde aber auch wirklich die höchste Zeit. Gewiß, körperlich nicht sehr stark und kräftig entwickelt und nicht sehr gut gewachsen, war ich sicher kein guter Frontsoldat.(6b) Und schon damals fing ich an, darüber nachzudenken, ob es beim Militär wirklich in erster Linie nur auf die äußere Erscheinung ankäme und ob denn der Geist und der Verstand erst in zweiter oder gar in dritter Linie kämen. Ich habe mich nie für ein Genie gehalten und habe mir auch auf das, was ich heute bin und auf das, was ich geschrieben habe, noch nie etwas eingebildet. Als Ernst von Wolzogen mich in der Überbrettlzeit einmal einer seiner Damen vorstellte, tat er das mit den Worten: „Liebe Olga d'Estrée, ich stelle Ihnen hier den Grafen Baudissin vor, dem man es in keiner Weise anmerkt, daß er der Freiherr von Schlicht ist.” Mir als Fähnrich etwas einzubilden, hatte ich natürlich erst recht keine Veranlassung, aber daß ich zum mindesten ebensoviel wußte und gelernt hatte, wie viele der Mannschaften, die kaum lesen und schreiben konnten, gestand ich mir ohne jede Selbstüberhebung doch ein. Und wenn ich dann sah, wie die Leute es bei meinem Hauptmann gut hatten, nur weil sie schnurgerade Beine und kein hohles Kreuz hatten, wie ich es leider besitze, dann stieg der Gedanke immer wieder in mir auf; Wie kann ich es nur machen, daß ich meine Schönheitsfehler ablege und mein hohles Kreuz und meine nicht schnurgeraden Beine los werde?

Achtundvierzig Stunden nach dieser Wache, die ich meistens schlafend verbrachte, wurde ich Gefreiter, bald darauf auch Unteroffizier und langsam, aber sicher kam die Zeit heran, in der ich auf Kriegsschule sollte. Es wurde aber auch wirklich die höchste Zeit. Gewiß, körperlich nicht sehr stark und kräftig entwickelt und nicht sehr gut gewachsen, war ich sicher kein guter Frontsoldat. Und schon damals fing ich an, darüber nachzudenken, ob es beim Militär wirklich in erster Linie nur auf die äußere Erscheinung ankäme und ob denn der Geist und der Verstand erst in zweiter Linie oder gar in dritter Linie kämen. Ich habe mich nie für ein Genie gehalten und habe mir auch auf das, was ich heute bin und auf das, was ich geschrieben habe, noch nie etwas eingebildet.


Mir als Fähnrich etwas einzubilden, hatte ich natürlich erst recht keine Veranlassung, aber daß ich zum mindesten ebensoviel wußte und gelernt hatte, wie viele der Mannschaften, die kaum lesen und schreiben konnten, gestand ich mir ohne jede Selbstüberhebung doch ein. Und wenn ich dann sah, wie die Leute es bei meinem Hauptmann gut hatten, nur weil sie schnurgerade Beine und kein hohles Kreuz hatten, wie ich es leider besitze, dann stieg der Gedanke immer wieder in mir auf; Wie kann ich es nur machen, daß ich meine Schönheitsfehler ablege und mein hohles Kreuz und meine nicht schnurgeraden Beine los werde?


Auf diese Fragen habe ich schon damals keine Antwort gefunden, aber meine Vorgesetzten haben mir vielleicht angemerkt, daß ich mich im stillen mit solchen unmilitärischen Gedanken beschäftigte, denn ich erhielt die Weisung, mich des Abends häufiger, als ich es zu tun pflegte, im Kreise der Offiziere zu zeigen. Das tat ich denn auch und hielt den ganzen Abend den Mund, denn sprechen darf der Fähnrich nur, wenn er gefragt wird, und was wird er gefragt; „Fähnrich, wie alt sind Sie denn eigentlich?” – „Wissen Sie schon, auf welche Kriegsschule Sie kommen?” — „Fähnrich, wie alt sind Sie? Wissen Sie, wann Sie auf Kriegsschule kommen? Möchten Sie gern auf eine besondere Kriegsschule, oder ist es Ihnen einerlei, auf welche Sie kommen?” — So ging das Abend für Abend und zwischendurch hieß es auch manchmal: „Na denn Prosit, Fähnrich!” Da mußte man wie ein geölter Blitz in die Höhe fahren und sein Glas bis auf den letzten Tropfen austrinken. Danach aber, wovon man als Fähnrich all das Bier bezahlte, das man gewissermaßen auf Kommando in sich hineingoß, fragte kein Vorgesetzter. Aber wenn man mit seiner Zulage nicht auskam, oder im Kasino oder sonst wo Schulden machte, war der Teufel los. Na, jetzt hat sich ja auch in der Hinsicht vieles, sehr vieles geändert.

Auf diese Fragen habe ich schon damals keine Antwort gefunden, aber meine Vorgesetzten haben mir vielleicht angemerkt, daß ich mich im stillen mit solchen unmilitärischen Gedanken beschäftigte, denn ich erhielt die Weisung, mich des Abends häufiger, als ich es zu tun pflegte, im Kreise der Offiziere zu zeigen. Das tat ich denn auch und hielt den ganzen Abend den Mund, denn sprechen darf der Fähnrich nur, wenn er gefragt wird, und was wird er gefragt; „Fähnrich, wie alt sind Sie denn eigentlich?” — „Wissen Sie schon, auf welche Kriegsschule Sie kommen?” — „Fähnrich, wie alt sind Sie? Wissen Sie, wann Sie auf Kriegsschule kommen? Möchten Sie gern auf eine besondere Kriegsschule, oder ist es Ihnen einerlei, auf welche Sie kommen?” — So ging das Abend für Abend und zwischendurch hieß es auch manchmal: „Na denn Prosit, Fähnrich!” Da mußte man wie ein geölter Blitz in die Höhe fahren und sein Glas bis auf den letzten Tropfen austrinken. Danach aber, wovon man als Fähnrich all das Bier bezahlte, das man gewissermaßen auf Kommando in sich hineingoß, fragte kein Vorgesetzter. Aber wenn man mit seiner Zulage nicht auskam, oder im Kasino oder sonst wo Schulden machte, war der Teufel los.


Auch die Liebesmähler im Kasino, bei denen wir zahlreichen Fähnriche des Regiments uns je nach Temperament und geistiger Veranlagung betranken, boten außer einem mehr oder weniger großen Kater am nächsten Morgen nichts Besonderes. Nur ein Abend verdient Erwähnung. Eine wirklich sehr allerliebste Prinzessin, die so reizend und anmutig war, daß sie selbst dann alle Welt durch ihr Äußeres bezaubert hätte, wenn sie als ganz gewöhnliche Bürgerliche auf die Welt gekommen wäre, hatte sich mit ihrem hohen Gemahl, der heute auf einem deutschen regierenden Fürstenthron sitzt, bei uns auf der Durchreise im Kasino zu Gast angesagt. Das Programm lautete auf ein gemeinsames Abendessen, im Anschluß daran einige Unterhaltungsvorträge. Die Sache ging denn auch vor sich und in einer Szene, betitelt „Rekrutenexerzieren in Kamerun” oder so ähnlich, wirkte auch ich mit einigen anderen Fähnrichen mit. Wir hatten uns die Gesichter und die Hände pechrabenschwarz gefärbt und sahen eher wie schwarze Teufel, denn wie Kameruner deutsche Soldaten aus. Es war das erstemal, daß ich, wenn auch nur als Neger, auf den weltbedeutenden Brettern stand. Ich hatte zwar keinen Ton zu reden, sondern brauchte nur nach dem Kommando eines in komisch-sein-sollender Weise fürchterlich scheltenden und fluchenden Sergeanten, der in Wirklichkeit ein Oberleutnant war, zu exerzieren, aber etwas Lampenfieber hatte ich doch und deshalb trank ich mir mit einer halben Flasche Sekt Mut zu großen Heldentaten. Das half, das Lampenfieber verschwand und als unsere Exerzierszene an die Reihe kam, machte ich einige, wenn auch nur stumme Extempora, die so gut einschlugen, daß die wirklich sehr reizende Prinzessin – ich habe eben im Gothaer Hofkalender nachgeschlagen und festgestellt, daß die Prinzessin damals dreiundzwanzig Jahre alt war – sich über den Unsinn, den ich da oben machte, köstlich amüsierte. Der Erfolg blieb nicht aus, als unsere Nummer zu Ende war, wurde uns befohlen, uns so schnell wie nur möglich umzuziehen, denn wir sollten der Prinzessin vorgestellt werden, die den Wunsch geäußert hatte, uns Fähnriche, besonders aber mir, ein paar freundliche Worte des Dankes und der Anerkennung zu zollen. Im Galopp stürmten wir aus dem Kasino in die Fähnrichstuben, um uns dort wieder in die Uniform zu werfen, vor allen Dingen aber, um uns die schwarze Schminke wieder abzureiben und um uns zu waschen. Das war sehr schwer, da wir in solchen Sachen keine Übung hatten, aber es gelang doch, und nach verhältnismäßig kurzer Zeit marschierten wir frisch gewaschen und frisch frisiert in unserer besten Extrauniform wieder in den Saal. Der Herr Oberst übernahm es selbst, uns der Prinzessin vorzustellen. Und nun war der große Augenblick da, in dem die Prinzessin sich bei uns mit einigen freundlichen Worten bedanken wollte. Aber die Prinzessin war nicht nur sehr jung und sehr reizend, sie war auch dafür bekannt, daß sie sehr schüchtern und verlegen war. Und als wir nun vor ihr standen und sie erwartungsvoll ansahen, da wurde die arme Prinzessin immer verlegener und verlegener. Sie wurde abwechselnd blaß und rot und ich glaube, sie hätte am liebsten geweint. Das aber durfte sie nicht. Dazu kam, daß ihr Gemahl, der in ihrer Nähe stand, sie mit freundlichen Blicken aufforderte, ihre Scheu zu überwinden und auch die Oberhofmeisterin, die unmittelbar neben ihr stand, flüsterte ihr fortwährend Mut zu, und endlich nach vielem Stocken und Zögern kamen denn über die Lippen der Prinzessin die freundlichen Worte des Dankes und der Anerkennung, die da lauteten: „Meine Herren, man sieht es Ihnen gar nicht mehr an, daß Sie vorhin so schwarz waren.” Hätte die arme kleine Prinzessin uns nicht in der Seele leid getan, ich glaube, wir hätten hell aufgelacht, denn auf diese Worte waren wir nicht vorbereitet gewesen. Und wenn ich jetzt in den Zeitungen lese, daß dieser oder jener Fürst sich mit diesem oder jenem seiner Untergebenen leutselig unterhielt, dann fallen mir immer wieder die Worte ein: „Meine Herren, man sieht es Ihnen gar nicht mehr an, daß Sie vorhin so schwarz waren.”

Auch die Liebesmähler im Kasino, bei denen wir zahlreichen Fähnriche des Regiments uns je nach Temperament und geistiger Veranlagung betranken, boten außer einem mehr oder weniger großen Kater am nächsten Morgen nichts Besonderes. Nur ein Abend verdient Erwähnung. Eine wirklich sehr allerliebste Prinzessin, die so reizend und anmutig war, daß sie selbst dann alle Welt durch ihr Äußeres bezaubert hätte, wenn sie als ganz gewöhnliche Bürgerliche auf die Welt gekommen wäre, hatte sich mit ihrem Gemahl

bei uns auf der Durchreise im Kasino zu Gast angesagt. Das Programm lautete auf ein gemeinsames Abendessen, im Anschluß daran einige Unterhaltungsvorträge. Die Sache ging denn auch vor sich und in einer Szene, betitelt „Rekrutenexerzieren in Kamerun” oder so ähnlich, wirkte auch ich mit einigen anderen Fähnrichen mit. Wir hatten uns die Gesichter und die Hände pechrabenschwarz gefärbt und sahen eher wie schwarze Teufel, denn wie Kameruner deutsche Soldaten aus. Es war das erstemal, daß ich, wenn auch nur als Neger, auf den weltbedeutenden Brettern stand. Ich hatte zwar keinen Ton zu reden, sondern brauchte nur nach dem Kommando eines in komisch-sein-sollender Weise fürchterlich scheltenden und fluchenden Sergeanten, der in Wirklichkeit ein Oberleutnant war, zu exerzieren, aber etwas Lampenfieber hatte ich doch und deshalb trank ich mir mit einer halben Flasche Sekt Mut zu großen Heldentaten. Das half, das Lampenfieber verschwand und als unsere Exerzierszene an die Reihe kam, machte ich einige, wenn auch nur stumme Extempora, die so gut einschlugen, daß die wirklich sehr reizende Prinzessin – ich habe eben im Gothaer Hofkalender nachgeschlagen und festgestellt, daß die Prinzessin damals dreiundzwanzig Jahre alt war – sich über den Unsinn, den ich da oben machte, köstlich amüsierte. Der Erfolg blieb nicht aus; als unsere Nummer zu Ende war, wurde uns befohlen, uns so schnell wie möglich umzuziehen, denn wir sollten der Prinzessin vorgestellt werden, die den Wunsch geäußert hatte, uns Fähnriche, besonders aber mir, ein paar freundliche Worte des Dankes und der Anerkennung zu zollen. Im Galopp stürmten wir aus dem Kasino in die Fähnrichstuben, um uns dort wieder in die Uniform zu werfen, vor allen Dingen aber, um uns die schwarze Schminke wieder abzureiben und um uns zu waschen. Das war sehr schwer, da wir in solchen Sachen keine Übung hatten, aber es gelang doch, und nach verhältnismäßig kurzer Zeit marschierten wir frisch gewaschen und frisch frisiert in unserer besten Extrauniform wieder in den Saal. Der Herr Oberst übernahm es selbst, uns der Prinzessin vorzustellen. Und nun war der große Augenblick da, in dem die Prinzessin sich bei uns mit einigen freundlichen Worten bedanken wollte. Aber die Prinzessin war nicht nur sehr jung und sehr reizend, sie war auch dafür bekannt, daß sie sehr schüchtern und verlegen war. Und als wir nun vor ihr standen und sie erwartungsvoll ansahen, da wurde die arme Prinzessin immer verlegener und verlegener. Sie wurde abwechselnd blaß und rot und ich glaube, sie hätte am liebsten geweint. Das aber durfte sie nicht. Dazu kam, daß ihr Gemahl, der in ihrer Nähe stand, sie mit freundlichen Blicken aufforderte, ihre Scheu zu überwinden und auch die Oberhofmeisterin, die unmittelbar neben ihr stand, flüsterte ihr fortwährend Mut zu, und endlich nach vielem Stocken und Zögern kamen denn über die Lippen der Prinzessin die freundlichen Worte des Dankes und der Anerkennung, die da lauteten: „Meine Herren, man sieht es Ihnen gar nicht mehr an, daß Sie vorhin so schwarz waren.” Hätte die arme kleine Prinzessin uns nicht in der Seele leid getan, ich glaube, wir hätten hell aufgelacht, denn auf diese Worte waren wir nicht vorbereitet gewesen. Und wenn ich seitdem in den Zeitungen las, daß dieser oder jener Fürst sich mit diesem oder jenem seiner Untergebenen leutselig unterhielt, dann fielen mir immer wieder die Worte ein: „Meine Herren, man sieht es Ihnen gar nicht mehr an, daß Sie vorhin so schwarz waren.”


Gesellschaftlichen Verkehr außerhalb des Kasinos oder des abendlichen Stammtisches hatten wir Fähnriche gar nicht. Da empfand ich es doppelt dankbar, daß ich in Freiburg einen Onkel wohnen hatte, den Grafen Herman von Baudissin, aus dem Hause Sophienhof, den Vater des Grafen Wolf von Baudissin, der als königlicher preußischer ordentlicher Professor der theologischen Fakultät Berlin weithin bekannt und berühmt ist und der vor einigen Jahren in Berlin das Amt des Rektors der Universität bekleidete. In zweiter Ehe war mein Onkel Hermann (allerdings war diese Onkelei eine sehr weitläufige) mit der außerordentlich klugen und liebenswürdigen Ida Kohl aus Bremen verheiratet und ich habe in dem Hause meiner Verwandten, die inzwischen beide leider längst verstorben sind, schöne und anregende Stunden verleben dürfen, die ich nie vergessen werde.

Gesellschaftlichen Verkehr außerhalb des Kasinos oder des abendlichen Stammtisches hatten wir Fähnriche gar nicht. Da empfand ich es doppelt dankbar, daß ich in Freiburg einen Onkel wohnen hatte, den Grafen Hermann von Baudissin, aus dem Hause Sophienhof, den Vater des Grafen Wolf von Baudissin, der als königlicher preußischer ordentlicher Professor der theologischen Fakultät Berlin weithin bekannt und berühmt ist und der vor einigen Jahren in Berlin das Amt des Rektors der Universität bekleidete. In zweiter Ehe war mein Onkel Hermann (allerdings war diese Onkelei eine sehr weitläufige) mit der außerordentlich klugen und liebenswürdigen Ida Kohl aus Bremen verheiratet und ich habe in dem Hause meiner Verwandten, die inzwischen beide leider längst verstorben sind, schöne und anregende Stunden verleben dürfen, die ich nie vergessen werde.


Bei der Gelegenheit möchte ich endlich mal mit der Legende aufräumen, als wäre der Name Baudissin französisch und als müsse er dementsprechend ausgesprochen werden. Wir sind gute Deutsche, wir sind Meißnerscher Uradel, mit dem Stammhause Klein-Bautzen (Budesin), der nach dem Gothaer Grafenkalender mit Lutherus und Hartungus Budesin zuerst 1245 urkundlich erscheint. Die Aufnahme in die holsteinische Ritterschaft erfolgte 1633, der Reichsgraf datiert Dresden, 28. Februar 1741 für Wulf Heinrich, Kursächsischer Staatsminister und General der Kavallerie, dessen Enkel die beiden Baudissinschen Linien Knoop und Ratzau bildeten. Ich selbst entstamme der Knooper Linie. Leider ist das bei Kiel gelegene große Gut Knoop mit seinen berühmten Eichenwaldungen längst nicht mehr Baudissinscher Familienbesitz, wie überhaupt so vieles, was wir dereinst besaßen, in die Wicken ging. Auch auf uns paßte einmal das alte Wort aus dem Simplizissimus: „Wir waren zwar nicht gerade reich, aber doch immerhin blödsinnig begütert.” Zu dem vielen, das meine Vorfahren einst ihr eigen nannten, gehörte auch die jetzige Hamburger Uhlenhorst und es geht die Sage, die wohl leider nicht nur eine Sage ist, meine Ur-Urgroßmutter hätte die Uhlenhorst in einer einzigen Nacht verjeut. Gewiß, damals mochte das Land noch nicht viel wert gewesen sein, aber jetzt wäre ich heilfroh, wenn mir auf der Hamburger Uhlenhorst nur eine einzige Straße gehörte. Ich kenne sie alle. In der angenehmsten Erinnerung ist mir die Adolfstraße, in der, als ich in Altona noch Schüler war, ein Verwandter meiner Mutter wohnte, ein Herr Senator, in dessen Hause ich zum erstenmal das Hamburger Nationalgericht, die Hamburger Aalsuppe, kennen lernte. Sechs bis acht Teller Aalsuppe essen zu können, erfordert Zeit, Übung und einen guten Magen. Wer aber über diese drei Dinge verfügt, der bringt es, wie mancher gute Hamburger, auch auf zehn Teller.

Bei der Gelegenheit möchte ich endlich mal mit der Legende aufräumen, als wäre der Name Baudissin französisch und als müsse er dementsprechend ausgesprochen werden. Wir sind gute Deutsche, wir sind Meißnerscher Uradel, mit dem Stammhause Klein-Bautzen (Budesin), der nach dem Gothaer Grafenkalender mit Lutherus und Hartungus Budesin zuerst 1245 urkundlich erscheint. Die Aufnahme in die holsteinische Ritterschaft erfolgte 1633, der Reichsgraf datiert Dresden, 28. Februar 1741 für Wulf Heinrich, Kursächsischer Staatsminister und General der Kavallerie, dessen Enkel die beiden Baudissinschen Linien Knoop und Ratzau bildeten. Ich selbst entstamme der Knooper Linie. Leider ist das bei Kiel gelegene große Gut Knoop mit seinen berühmten Eichenwaldungen längst nicht mehr Baudissinscher Familienbesitz, wie überhaupt so vieles, was wir dereinst besaßen, in die Wicken ging. Auch auf uns paßte einmal das alte Wort aus dem Simplizissimus: „Wir waren zwar nicht gerade reich, aber doch immerhin blödsinnig begütert.” Zu dem vielen, das meine Vorfahren einst ihr eigen nannten, gehörte auch die jetzige Hamburger Uhlenhorst und es geht die Sage, die wohl leider nicht nur eine Sage ist, meine Ur-Urgroßmutter hätte die Uhlenhorst in einer einzigen Nacht verjeut. Gewiß, damals mochte das Land noch nicht viel wert gewesen sein, aber jetzt wäre ich heilfroh, wenn mir auf der Hamburger Uhlenhorst nur eine einzige Straße gehörte. Ich kenne sie alle. In der angenehmsten Erinnerung ist mir die Adolfstraße, in der, als ich in Altona noch Schüler war, ein Verwandter meiner Mutter wohnte, ein Herr Senator, in dessen Hause ich zum erstenmal das Hamburger Nationalgericht, die Hamburger Aalsuppe, kennen lernte. Sechs bis acht Teller Aalsuppe essen zu können, erfordert Zeit, Übung und einen guten Magen. Wer aber über diese drei Dinge verfügt, der bringt es, wie mancher gute Hamburger, auch auf zehn Teller.


Doch von der Hamburger Aalsuppe und dem Ausflug in die Baudissinsche Familienchronik mit einem großen Sprung wieder zurück zu meiner Garnison, aus der mir für immer die Abschiedsstunde schlug, als ich mit mehreren anderen Kameraden nach Hannover auf Kriegsschule kam. Wir hatten nach der Ansicht unserer jüngeren Leutnants, die sich früher auch Hannover gewünscht hatten, aber stattdessen in ein kleines Nest gekommen waren, kolossalen Dusel, daß wir gerade dorthin kamen, und das fanden wir auch. So zogen wir denn frohen Mutes von dannen, ich in der stillen Hoffnung, daß es mir während der Kriegsschulzeit gelingen möge, meine Versetzung in ein anderes Regiment durchzusetzen, was mir, resp. meiner Mutter denn auch gelang. So sehr ich die Stadt Freiburg auch als solche liebe, ich habe mich bei dem Regiment nicht wohlgefühlt. Sicher lag das zum großen Teil an meiner unmilitärischen Veranlagung, zum Teil auch wohl daran, daß ich als Protestant in dem katholischen Lande und in dem zum großen Teil katholischen Offizierskorps nicht recht heimisch wurde. Dazu kam, daß ich wirkliches Heimweh nach meinem geliebten Schleswig-Holstein hatte, für dessen Freiheit in der unglücklichen Schlacht von Idstedt gegen die Dänen elf meines Namens, von General Otto von Baudissin angefangen bis herab zum jüngsten Kriegsfreiwilligen gekämpft hatten. Ich sehnte mich zurück nach Schleswig-Holstein, nach seinen Menschen und seinen Wäldern und auch nach dem Schleswig-Holsteinischen Platt. So war ich denn sehr froh, daß meine Mutter es durch eine Eingabe erreicht hatte, daß ich als Fähnrich in das damalige 2. Hanseatische Infanterie-Regiment Nr.76 versetzt wurde, das mit zwei Bataillonen in Hamburg, mit dem dritten in Lübeck stand, wohin inzwischen auch meine Mutter (7) von Schleswig aus übergesiedelt war.

Doch von der Hamburger Aalsuppe und dem Ausflug in die Baudissinsche Familienchronik mit einem großen Sprung wieder zurück zu meiner Garnison, aus der mir für immer die Abschiedsstunde schlug, als ich mit mehreren anderen Kameraden nach Hannover auf Kriegsschule kam. Wir hatten nach der Ansicht unserer jüngeren Leutnants, die sich früher auch Hannover gewünscht hatten, aber stattdessen in ein kleines Nest gekommen waren, kolossalen Dusel, daß wir gerade dorthin kamen, und das fanden wir auch. So zogen wir denn frohen Mutes von dannen, ich in der stillen Hoffnung, daß es mir während der Kriegsschulzeit gelingen möge, meine Versetzung in ein anderes Regiment durchzusetzen, was mir, resp. meiner Mutter denn auch gelang. So sehr ich die Stadt Freiburg auch als solche liebe, ich habe mich bei dem Regiment nicht wohlgefühlt. Sicher lag das zum großen Teil an meiner unmilitärischen Veranlagung, zum Teil auch wohl daran, daß ich als Protestant in dem katholischen Lande und in dem zum großen Teil katholischen Offizierskorps nicht recht heimisch wurde. Dazu kam, daß ich wirkliches Heimweh nach meinem geliebten Schleswig-Holstein hatte, für dessen Freiheit in der unglücklichen Schlacht von Idstedt gegen die Dänen elf meines Namens, von General Otto von Baudissin angefangen bis herab zum jüngsten Kriegsfreiwilligen gekämpft hatten. Ich sehnte mich zurück nach Schleswig-Holstein, nach seinen Menschen und seinen Wäldern und auch nach dem Schleswig-Holsteinischen Platt. So war ich denn sehr froh, daß meine Mutter es durch eine Eingabe erreicht hatte, daß ich als Fähnrich in das damalige 2. Hanseatische Infanterie-Regiment Nr.76 versetzt wurde, das mit zwei Bataillonen in Hamburg, mit dem dritten in Lübeck stand, wohin inzwischen auch meine Mutter von Schleswig aus übergesiedelt war.


Neun schöne Monat habe ich in Hannover verlebt, die noch viel schöner gewesen wären, wenn unser einer Hauptmann es nicht für seine Pflicht gehalten hätte, uns bei dem Exerzieren auf dem Waterlooplatz derartig hoch zu nehmen, daß wir nach dem Dienst manchmal kaum die steilen Treppen zu dem Boden, wo wir unsere Gewehre wieder abgeben mußten, hinaufklettern konnten. So oft ich inzwischen auch in Hannover war, dem Waterlooplatz bin ich stets in einem großen Bogen aus dem Wege gegangen – die Gegend will ich auch nie wiedersehen.

Neun schöne Monat habe ich in Hannover verlebt, die noch viel schöner gewesen wären, wenn unser einer Hauptmann es nicht für seine Pflicht gehalten hätte, uns bei dem Exerzieren auf dem Waterlooplatz derartig hoch zu nehmen, daß wir nach dem Dienst manchmal kaum die steilen Treppen zu dem Boden, wo wir unsere Gewehre wieder abgeben mußten, hinaufklettern konnten. So oft ich inzwischen auch in Hannover war, dem Waterlooplatz bin ich stets in einem großen Bogen aus dem Wege gegangen – die Gegend will ich auch nie wiedersehen.


Auf der Kriegsschule selbst gab es vier Hörsäle, in A saßen die Auserwählten, in B die Begabten, in C die Cadetten und in D die Dummen, wenigstens pflegten wir das so zu nennen. Daß das in Wirklichkeit nicht stimmte, geht schon daraus hervor, daß ich als gänzlicher Nicht-Cadett im Hörsaal C saß und ich saß dort gern, denn ich hatte als Taktiklehrer den mir als Menschen und Lehrer gleich sympathischen Hauptmann Lehnert(8), dessen Handbuch für den Truppenführer in der ganzen deutschen Armee, nicht nur in der preußischen, eingeführt und verbreitet ist. Auch fand ich im Hörsaal C reizende Kameraden, darunter besonders einen, mit dem mich eine langjährige Freundschaft verband, bis der arme und durch seine Heirat doch so reich gewordene Mensch eine unglaubliche Dummheit beging, die ihn veranlaßte, freiwillig aus diesem Leben zu scheiden.

Auf der Kriegsschule selbst gab es vier Hörsäle, in A saßen die Auserwählten, in B die Begabten, in C die Cadetten und in D die Dummen, wenigstens pflegten wir das so zu nennen. Daß das in Wirklichkeit nicht stimmte, geht schon daraus hervor, daß ich als gänzlicher Nicht-Cadett im Hörsaal C saß und ich saß dort gern, denn ich hatte


im Hörsaal C reizende Kameraden, darunter besonders einen, mit dem mich eine langjährige Freundschaft verband, bis der arme und durch seine Heirat doch so reich gewordene Mensch eine unglaubliche Dummheit beging, die ihn veranlaßte, freiwillig aus diesem Leben zu scheiden.


Der kameradschaftliche Verkehr auf der Kriegsschule war überhaupt ein sehr netter, aber trotzdem verkehrten die verschiedenen Waffengattungen hauptsächlich unter sich. Am reserviertesten verhielten sich natürlich die Kavalleristen, wer mit ihnen intimer verkehren wollte, mußte wenigstens Gardeinfanterist sein. Aber die nähere Fühlung mit den Kavalleristen zu erhalten, versuchten auch manche, die nicht bei der Gardeinfanterie standen, und um dieses Ziel zu erreichen (nicht die Gardeinfanterie, sondern den Stammtisch der Husaren), ließ sich eines Abends einer meiner Regimentskameraden verleiten, sein Regiment, das auch das meine war, öffentlich zu beschimpfen und zu erklären, er verstehe es jetzt überhaupt nicht mehr, wie er als früherer Korpsstudent, der doch sonst etwas auf sich hielte, gerade bei dem Regiment nachträglich als Portepee-Unteroffizier hätte eintreten können. So soll der Betreffende wenigstens dem Sinne nach gesprochen haben, ich selbst war nicht zugegen, ich erfuhr von dem ganzen Vorfall erst, als mir mein Inspektionsoffizier die Geschichte erzählte und mir bei der Gelegenheit erklärte, es sei von den Offizieren der Kriegsschule unter dem Vorsitz des bei uns allen außerordentlich beliebten Direktors, Oberst von Sp.(9), beschlossen worden, daß ich den Kameraden als Ältester der anderen Fähnriche meines Regiments fordern solle. Einflechten möchte ich hier, auf welche grausame Weise unser armer Kriegsschuldirektor zum Krüppel geworden war. An der Spitze seiner Truppen ritt er eines Tages von einer großen Übung zurückkehrend, hoch zu Roß seinen Leuten voraus, als böse Lausbuben damit begannen, nach seinem Pferd mit Steinen zu werfen und damit nicht eher ruhten, bis der Gaul stürzte und bis der Kommandeur mit zerbrochenen Gliedmaßen auf dem Straßenpflaster lag. Da hatten die Bengels endlich genug und liefen stolz und siegesgewiß davon. Der arme Oberst aber lag monatelang krank und konnte sich selbst nach seiner Genesung als Direktor der Kriegsschule nur mühselig an seinen Stöcken vorwärts bewegen.

Der kameradschaftliche Verkehr auf der Kriegsschule war überhaupt ein sehr netter, aber trotzdem verkehrten die verschiedenen Waffengattungen hauptsächlich unter sich. Am reserviertesten verhielten sich natürlich die Kavalleristen, wer mit ihnen intimer verkehren wollte, mußte wenigstens Gardeinfanterist sein. Aber die nähere Fühlung mit den Kavalleristen zu erhalten, versuchten auch manche, die nicht bei der Gardeinfanterie standen, und um dieses Ziel zu erreichen (nicht die Gardeinfanterie, sondern den Stammtisch der Husaren), ließ sich eines Abends einer meiner Regimentskameraden verleiten, sein Regiment, das auch das meine war, öffentlich zu beschimpfen und zu erklären, er verstehe es jetzt überhaupt nicht mehr, wie er als früherer Korpsstudent, der doch sonst etwas auf sich hielte, gerade bei dem Regiment nachträglich als Portepee-Unteroffizier hätte eintreten können. So soll der Betreffende wenigstens dem Sinne nach gesprochen haben, ich selbst war nicht zugegen, ich erfuhr von dem ganzen Vorfall erst, als mir mein Inspektionsoffizier die Geschichte erzählte und mir bei der Gelegenheit erklärte, es sei von den Offizieren der Kriegsschule unter dem Vorsitz des bei uns allen außerordentlich beliebten Direktors, Oberst von Sp., beschlossen worden, daß ich den Kameraden als Ältester der anderen Fähnriche meines Regiments fordern solle. Einflechten möchte ich hier, auf welche grausame Weise unser armer Kriegsschuldirektor zum Krüppel geworden war. An der Spitze seiner Truppen ritt er eines Tages, von einer großen Übung zurückkehrend, hoch zu Roß seinen Leuten voraus, als böse Lausbuben damit begannen, nach seinem Pferd mit Steinen zu werfen und damit nicht eher ruhten, bis der Gaul stürzte und bis der Kommandeur mit zerbrochenen Gliedmaßen auf dem Straßenpflaster lag. Da hatten die Bengels endlich genug und liefen stolz und siegesgewiß davon. Der arme Oberst aber lag monatelang krank und konnte sich selbst nach seiner Genesung als Direktor der Kriegsschule nur mühselig an seinen Stöcken vorwärts bewegen.


Als mein Inspektionsoffizier mir erklärte, ich solle den Kameraden fordern, wußte ich schon im voraus, wie die Sache enden würde, glaubte es wenigstens zu wissen.(10) Wir waren erst wenige Wochen auf der Kriegsschule, der Unterricht im Fechten hatte kaum begonnen. Ich war in der Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt, während mein Gegner auf der Universität bereits bei mancher Mensur seinen Gegner abgeführt hatte. Dazu kam, daß der andere mich wenigstens um Kopfeslänge überragte, also von oben herab sehr schön auf mich losschlagen konnte. Ich sah das Ende dieser Mensur ganz deutlich vor mir, aber gerade deshalb müßte ich lügen, wenn ich behaupten wollte, daß mich auch nur für eine Sekunde die leiseste Unruhe erfaßt hätte. Um ein Viertel nach eins, eine Viertelstunde nach Schluß des Unterrichtes im Hörsaal, sollte die Sache eines Tages vor sich gehen. Um halb ein Uhr rief mich mein Hauptmann Lehnert an die Wandtafel, ich mußte die Gefechtsentwicklung eines Bataillons aufzeichnen und das, was ich zeichnete, in einem längeren Vortrage erklären. Man hatte es mir hinterher in meinem Lehreroffizierskorps hoch angerechnet, daß weder meine Hand noch meine Stimme auch nicht die leiseste Aufregung verraten hätten, nach meiner Meinung ohne jegliches Verdienst und ohne jegliche Veranlassung, denn nervös und aufgeregt wird man doch nur dann, wenn man über den Ausgang einer Sache im Zweifel ist. Wer da aber den totsicheren Ausgang, der ja nicht immer gerade der Tod selbst zu sein braucht, ganz deutlich vor Augen sieht, warum und weshalb soll man sich da erst noch aufregen? So trat ich denn meinem Gegner mit der allergrößten Ruhe auf dem Kampfplatz – der großen Turnhalle – entgegen. Wir bekamen die scharfgeschliffenen Waffen in die Hand gedrückt und dann kam das Kommando: „Bindet die Klingen – los!” Ja, es ging los, ich schlug wie wild darauf zu, um mich wenigstens nach Möglichkeit meiner Haut zu wehren und dabei gelang es mir sogar, meinem Gegner eine kleine blutende Wunde zuzufügen. Der Arzt untersuchte die Blutstropfen, die aber zu gering waren, als daß eine Abfuhr hätte erklärt werden können. Aber immerhin entstand eine kurze Kampfpause und während der rief mir mein Turnlehrer, der mir als Sekundant zur Seite stand, halblaut zu: „Schockschwere Not, ja der Baudissin da! Wenn es nachher weitergeht, dann hauen Sie doch dem anderen mal die Parade durch.” Das tat ich allerdings nicht, aber ich versuchte den Hieb, den ich mir in den letzten Tagen vor dem Duell einstudiert hatte, ich zog eine Quart an, und als der Gegner sich gegen die decken wollte, zog ich eine Prim nach und schlug dem Gegner einen verdammten Hieb über den ganzen Schädel. Ich war der Sieger geblieben. Wie schon so oft in meinem Leben, war es auch hier ganz anders gekommen, als ich es erwartete. Ich reichte meinem Gegner, der nach seiner Genesung die Kriegsschule, aber auch das Regiment und die Armee verlassen mußte, zur Versöhnung die Hand, die Offiziere beglückwünschten mich, aber als ich die Turnhalle verließ, wäre es mir draußen beinahe schlecht gegangen. Da standen alle hundert und mehr Fähnriche, um den Ausgang des Duells zu erwarten und um Zeuge zu sein, wenn ich als halbe Leiche herausgetragen würde. Aber als ich so erschien, wie ich kam, machte sich zuerst eine große Enttäuschung bemerkbar, wenigstens bei den meisten, nicht, als ob sie meine Niederlage gewünscht hätten, – im Gegenteil, der andere hatte sich durch die Beschimpfung seines Regiments alle Sympathien verscherzt, aber es waren von den meisten, für unsere Fähnrichverhältnisse ziemlich hohe Wetten darauf abgeschlossen worden, daß ich im Kampfe unterliegen würde, na und seine Wette verliert ja kein Mensch gern. Aber der Wahrheit die Ehre, als die Verlierer sich von der ersten Enttäuschung erholt hatten, gratulierten sie mir desto herzlicher.

Als mein Inspektionsoffizier mir erklärte, ich solle den Kameraden fordern, wußte ich schon im voraus, wie die Sache enden würde, glaubte es wenigstens zu wissen. Wir waren erst wenige Wochen auf der Kriegsschule, der Unterricht im Fechten hatte kaum begonnen. Ich war in der Hinsicht ein unbeschriebenes Blatt, während mein Gegner auf der Universität bereits bei mancher Mensur seinen Gegner abgeführt hatte. Dazu kam, daß der andere mich wenigstens um Kopfeslänge überragte, also von oben herab sehr schön auf mich losschlagen konnte. Ich sah das Ende dieser Mensur ganz deutlich vor mir, aber gerade deshalb müßte ich lügen, wenn ich behaupten wollte, daß mich auch nur für eine Sekunde die leiseste Unruhe erfaßt hätte. Um ein Viertel nach eins, eine Viertelstunde nach Schluß des Unterrichtes im Hörsaal, sollte die Sache eines Tages vor sich gehen. Um halb ein Uhr rief mich mein Hauptmann Lehnert an die Wandtafel, ich mußte die Gefechtsentwicklung eines Bataillons aufzeichnen und das, was ich zeichnete, in einem längeren Vortrage erklären. Man hat es mir hinterher in meinem Lehreroffizierskorps hoch angerechnet, daß weder meine Hand noch meine Stimme auch nicht die leiseste Aufregung verraten hätten, nach meiner Meinung ohne jegliches Verdienst und ohne jegliche Veranlassung, denn nervös und aufgeregt wird man doch nur dann, wenn man über den Ausgang einer Sache im Zweifel ist. Wer da aber den totsicheren Ausgang, der ja nicht immer gerade der Tod selbst zu sein braucht, ganz deutlich vor Augen sieht, warum und weshalb soll man sich da erst noch aufregen? So trat ich denn meinem Gegner mit der allergrößten Ruhe auf dem Kampfplatz – der großen Turnhalle – entgegen. Wir bekamen die scharfgeschliffenen Waffen in die Hand gedrückt und dann kam das Kommando: „Bindet die Klingen – los!” Ja, es ging los, ich schlug wie wild darauf zu, um mich wenigstens nach Möglichkeit meiner Haut zu wehren und dabei gelang es mir sogar, meinem Gegner eine kleine blutende Wunde zuzufügen. Der Arzt untersuchte die Blutstropfen, die aber zu gering waren, als daß eine Abfuhr hätte erklärt werden können. Aber immerhin entstand eine kurze Kampfpause und während der rief mir mein Turnlehrer, der mir als Sekundant zur Seite stand, halblaut zu: „Schockschwere Not, ja der Baudissin da! Wenn es nachher weitergeht, dann hauen Sie doch dem anderen mal die Parade durch.” Das tat ich allerdings nicht, aber ich versuchte den Hieb, den ich mir in den letzten Tagen vor dem Duell einstudiert hatte, ich zog eine Quart an, und als der Gegner sich gegen die decken wollte, zog ich eine Prim nach und schlug dem Gegner einen verdammten Hieb über den ganzen Schädel. Ich war der Sieger geblieben. Wie schon so oft in meinem Leben, war es auch hier ganz anders gekommen, als ich es erwartete. Ich reichte meinem Gegner, der nach seiner Genesung die Kriegsschule, aber auch das Regiment und die Armee verlassen mußte, zur Versöhnung die Hand, die Offiziere beglückwünschten mich, aber als ich die Turnhalle verließ, wäre es mir draußen beinahe schlecht gegangen. Da standen alle hundert und mehr Fähnriche, um den Ausgang des Duells zu erwarten und um Zeuge zu sein, wenn ich als halbe Leiche herausgetragen würde. Aber als ich so erschien, wie ich kam, machte sich zuerst eine große Enttäuschung bemerkbar, wenigstens bei den meisten, nicht, als ob sie meine Niederlage gewünscht hätten, – im Gegenteil, der andere hatte sich durch die Beschimpfung seines Regiments alle Sympathien verscherzt, aber es waren von den meisten, für unsere Fähnrichverhältnisse ziemlich hohe Wetten darauf abgeschlossen worden, daß ich im Kampfe unterliegen würde, na und seine Wette verliert ja kein Mensch gern. Aber der Wahrheit die Ehre, als die Verlierer sich von der ersten Enttäuschung erholt hatten, gratulierten sie mir desto herzlicher.


Bald darauf habe ich mich noch einmal schlagen müssen, da war ich allerdings selbst der Schuldige. Ich hatte in der Sektstimmung einen mir sonst sehr lieben Kameraden, mit dem ich auch nach dem Duell gleich wieder sehr gut Freund geworden bin, angerempelt und zur Erinnerung daran trage ich noch heute auf meiner rechten Wange einen allerdings nur kleinen Schmiß, denn mein zweiter Gegner machte es gerade umgekehrt, wie ich es bei meinem ersten Duell getan hatte, er zog eine Prim, und als ich mich gegen die decken wollte, schlug er mir eine Quart in das Gesicht und die hatte ich auch reichlich verdient.

Bald darauf habe ich mich noch einmal schlagen müssen, da war ich allerdings selbst der Schuldige. Ich hatte in der Sektstimmung einen mir sonst sehr lieben Kameraden, mit dem ich auch nach dem Duell gleich wieder sehr gut Freund geworden bin, angerempelt und zur Erinnerung daran trage ich noch heute auf meiner rechten Wange einen allerdings nur kleinen Schmiß, denn mein zweiter Gegner machte es gerade umgekehrt, wie ich es bei meinem ersten Duell getan hatte, er zog eine Prim, und als ich mich gegen die decken wollte, schlug er mir eine Quart in das Gesicht und die hatte ich auch reichlich verdient.


Sonst nahm das Kriegsschulleben seinen ruhigen Verlauf, es wurde fleißig gearbeitet, aber, so weit die Zeit und die Mittel es erlaubten, auch sehr fleißig gebummelt, denn man wollte doch nicht umsonst später gerade in Hannover auf Kriegsschule gewesen sein. Aber das schönste war es doch, wenn wir beritten gemacht wurden, um draußen im Gelände taktische oder gar strategische Aufgaben zu lösen. Da führten wir, allerdings nur theoretisch, Regimenter, Brigaden und Divisionen. Aber die Kritik durften wir selbstverständlich nicht selbst abhalten, die hielt man über uns ab. Sehr schön war die gerade nicht immer, aber das konnte uns die Freude an dem Vergnügen nicht rauben, an herrlichen Sommertagen(11) durch die Straßen Hannovers hinaus zu reiten nach Herrenhausen, nach der Eilenriede, nach dem großen Exerzierplatz oder sonst wohin. Ja manchmal wurden wir auch von unserem Reitlehrer in die große Hindernisbahn der Reitschule geführt und da hieß es, mit dem alten Friedrich Wilhelm, auf dem wir saßen, über die Hindernisse zu kommen! Na, wir kamen ja auch hinüber, aber in den meisten Fällen getrennt. Erst der Reiter und dann das Pferd. Aber Spaß machte es doch. Es war überhaupt eine schöne, lustige Zeit, trotzdem oder gerade weil wir viel Geld brauchten. Aber trotzdem machten wir auch zuweilen den Versuch, zu sparen, um bei dem Löhnungsappell nicht immer draufzahlen zu müssen, sondern um auch einmal etwas von der Löhnung in bar ausgezahlt zu erhalten. Und einmal ist mir das auch gelungen, aber auch nur ein einziges Mal. Dann gab ich das sparsame Leben im Kasino wieder auf, denn alles, was ich an Löhnung heraus bekam, war unter dem Hohngelächter der Kameraden ein ganzer Pfennig. Da warf ich die Tugend über Bord und ergriff wieder den Lasterstab, denn ich sagte mir, was nützt dir die Tugend, wenn sie sich finanziell so schlecht bezahlt macht? Den Pfennig aber habe ich lange zur Erinnerung aufbewahrt, bis dann auch er eines Tages den Weg alles Geldes ging.

Sonst nahm das Kriegsschulleben seinen ruhigen Verlauf, es wurde fleißig gearbeitet, aber, so weit die Zeit und die Mittel es erlaubten, auch sehr fleißig gebummelt, denn man wollte doch nicht umsonst später gerade in Hannover auf Kriegsschule gewesen sein. Aber das schönste war es doch, wenn wir beritten gemacht wurden, um draußen im Gelände taktische oder gar strategische Aufgaben zu lösen. Da führten wir, allerdings nur theoretisch, Regimenter, Brigaden und Divisionen. Aber die Kritik durften wir selbstverständlich nicht selbst abhalten, die hielt man über uns ab. Sehr schön war die gerade nicht immer, aber das konnte uns die Freude an dem Vergnügen nicht rauben, an herrlichen Sommertagen durch die Straßen Hannovers hinaus zu reiten nach Herrenhausen, nach der Eilenriede, nach dem großen Exerzierplatz oder sonst wohin. Ja manchmal wurden wir auch von unserem Reitlehrer in die große Hindernisbahn der Reitschule geführt und da hieß es, mit dem alten Friedrich Wilhelm, auf dem wir saßen, über die Hindernisse zu kommen! Na, wir kamen ja auch hinüber, aber in den meisten Fällen getrennt. Erst der Reiter und dann das Pferd. Aber Spaß machte es doch. Es war überhaupt eine schöne, lustige Zeit, trotzdem oder gerade weil wir viel Geld brauchten. Aber trotzdem machten wir auch zuweilen den Versuch, zu sparen, um bei dem Löhnungsappell nicht immer draufzahlen zu müssen, sondern um auch einmal etwas von der Löhnung in bar ausgezahlt zu erhalten. Und einmal ist mir das auch gelungen, aber auch nur ein einziges Mal. Dann gab ich das sparsame Leben im Kasino wieder auf, denn alles, was ich an Löhnung heraus bekam, war unter dem Hohngelächter der Kameraden ein ganzer Pfennig. Da warf ich die Tugend über Bord und ergriff wieder den Lasterstab, denn ich sagte mir, was nützt dir die Tugend, wenn sie sich finanziell so schlecht bezahlt macht? Den Pfennig aber habe ich lange zur Erinnerung aufbewahrt, bis dann auch er eines Tages den Weg alles Geldes ging.


Nur zu schnell ging die Zeit in Hannover herum, das Schlußexamen wurde gemacht und sogar dreiviertel gut bestanden. Dann nahm man schweren Herzens Abschied von den Kameraden und fuhr zu seinem Regiment zurück, oder wie ich zu meinem neuen Regiment nach Hamburg. Mein erster Hauptmann dort, der ein auffallend hübscher, eleganter Herr war, war leider Gottes maßlos jähzornig und bei dem Pech, das ich nun einmal bei meinen Vorgesetzten hatte, verdarb ich es schon in den ersten Tagen sehr gründlich mit ihm. Mein Hauptmann erzählte mir eines Nachmittags, er würde am nächsten Morgen nicht zum Dienst kommen, da er ein leidenschaftlicher Jäger sei und morgen auf die Jagd ginge, worauf ich, als gänzlicher Nichtjäger mich beeilte, ihm für seine Jagd „viel Glück” zu wünschen. Ich glaube, er hätte mich am liebsten ermordet, und diesen Glückwunsch hat er mir wohl nie ganz vergessen. Ich hatte es auch, wohl wiederum durch meine Schuld, dienstlich bei meinem Hauptmann nicht ganz leicht, aber ich tröstete mich damit, daß ich ja nun bald Leutnant würde und daß man mich dann doch unmöglich weiter so anblasen könne, wie bisher.

Nur zu schnell ging die Zeit in Hannover herum, das Schlußexamen wurde gemacht und sogar dreiviertel gut bestanden. Dann nahm man schweren Herzens Abschied von den Kameraden und fuhr zu seinem Regiment zurück, oder wie ich zu meinem neuen Regiment nach Hamburg. Mein erster Hauptmann dort, der ein auffallend hübscher, eleganter Herr war, war leider Gottes maßlos jähzornig und bei dem Pech, das ich nun einmal bei meinen Vorgesetzten hatte, verdarb ich es schon in den ersten Tagen sehr gründlich mit ihm. Mein Hauptmann erzählte mir eines Nachmittags, er würde am nächsten Morgen nicht zum Dienst kommen, da er ein leidenschaftlicher Jäger sei und morgen auf die Jagd ginge, worauf ich, als gänzlicher Nichtjäger mich beeilte, ihm für seine Jagd „viel Glück” zu wünschen. Ich glaube, er hätte mich am liebsten ermordet, und diesen Glückwunsch hat er mir wohl nie ganz vergessen. Ich hatte es auch, wohl wiederum durch meine Schuld, dienstlich bei meinem Hauptmann nicht ganz leicht, aber ich tröstete mich damit, daß ich ja nun bald Leutnant würde und daß man mich dann doch unmöglich weiter so anblasen könne, wie bisher.


Und eines Tages(12) war ich wirklich Leutnant, sogar eines Sonntags. Ich lag in der so poesielos wie nur möglich eingerichteten Fähnrichstube in dem eisernen Bett, als eine Ordonnanz zu mir in die Stube trat, um mir drei Rosen und mit diesen Blumen in einem Kuvert die Visitenkarte meines Obersten(13) zu bringen, auf der geschrieben stand: „Guten Morgen, Herr Leutnant!” Ich wäre der Ordonnanz mit einem Freudenschrei, als ich aus dem Bette sprang, beinahe mit beiden Beinen gleichzeitig um den Hals gefallen, stattdessen besann ich mich im letzten Augenblick darauf, daß dem Soldaten ein Trinkgeld sicher lieber sei. Das drückte ich ihm in die Hand, freudestrahlend zog er von dannen, und wie strahlte der brave Posten der Kasernenwache erst, als er eine Stunde später als erster vor mir präsentierte und dafür nach altem Brauch in der Armee einen preußischen Taler erhielt. Ein wie stolzes Gefühl den neugebackenen Offizier erfüllt, wenn er zum erstenmal „Herr Leutnant” genannt wird und wenn der Posten zum erstenmal vor ihm präsentiert, das kann nur der nachempfinden, der es selber durchgemacht hat. Es soll aber ein noch schöneres Gefühl des militärischen Selbstbewußtseins und der militärischen Würde geben, wie Kameraden mir erzählt haben: nämlich, daß ein Soldat vor seinem Kompagnieoffizier, selbst wenn er der jüngste Leutnant des Regiments ist, von dem Bürgersteig auf den Fahrdamm herunter geht, dort vor dem Vorgesetzten Front macht und mit den Händen an der Hosennaht dem Vorgesetzten solange mit den Augen rechts oder links nachsieht, bis dieser sechs Schritte an ihm vorbeigegangen ist. Gewiß, Ehre muß sein und jegliche Ehrerbietung dem, dem sie gebührt, aber ich hatte nicht nur als jüngster Leutnant, sondern auch hinterher, wenn ein Mann vor mir Front machen wollte, immer die Empfindung, diese Ehrerbietung käme mir nicht zu, obgleich ich sie nach der Dienstvorschrift sogar zu verlangen hatte. Es war mir peinlich, daß ein Mann sich derartig vor mir aufbauen sollte und deshalb winkte ich immer rechtzeitig ab. Das haben manche Kameraden, mit denen ich darüber sprach, nicht verstanden und das nahm ich ihnen auch gar nicht übel, denn die waren im Kadettenkorps militärisch erzogen, während ich auch als Soldat nur ein Zivilist im bunten Rock war. Ein Zivilist in bezug auf meine mangelhafte militärische Haltung und erst recht in bezug auf meine Gedanken. Ich glaube, ich hätte es als Leutnant viel, viel leichter gehabt, wenn ich mir das verfluchte Denken hätte abgewöhnen können. Ich habe mir hundert- und tausendmal gesagt, im Interesse der Armee, im Interesse des Dienstes, im Interesse der Subordination und Disziplin muß das so sein. Wäre es anders, dann wäre unsere Armee nicht annähernd das, was sie heute ist. Aber es half alles nichts, vielleicht war ich in der Hinsicht etwas erblich belastet. Schon mein verstorbener Vater hatte sich in seinen Büchern in humoristisch-satirischer Weise über manches beim Militär lustig gemacht, obgleich er selbst als Offizier tapfer gegen die Dänen gekämpft hat. Vielleicht war mein Denken ererbt, auf jeden Fall gelang es mir nicht, es abzulegen, obgleich ich mir beständig eine kleine wahre Geschichte in das Gedächtnis zurückrief. Da fragte einmal eine sehr kluge, geistreiche Dame meiner Verwandtschaft einen alten Schäfer, worüber er denn so den ganzen Tag nachdenke, wenn er seine Schafe hüte? Worauf der Schäfer verwundert zur Antwort gab: „Gott, gnädige Frau, sind Sie denn so dumm, daß Sie den ganzen Tag denken müssen?”

Und eines Tages war ich wirklich Leutnant, sogar eines Sonntags. Ich lag in der so poesielos wie nur möglich eingerichteten Fähnrichstube in dem eisernen Bett, als eine Ordonnanz zu mir in die Stube trat, um mir drei Rosen und mit diesen Blumen in einem Kuvert die Visitenkarte meines Obersten zu bringen, auf der geschrieben stand: „Guten Morgen, Herr Leutnant!” Ich wäre der Ordonnanz mit einem Freudenschrei, als ich aus dem Bette sprang, beinahe mit beiden Beinen gleichzeitig um den Hals gefallen, stattdessen besann ich mich im letzten Augenblick darauf, daß dem Soldaten ein Trinkgeld sicher lieber sei. Das drückte ich ihm in die Hand, freudestrahlend zog er von dannen, und wie strahlte der brave Posten der Kasernenwache erst, als er eine Stunde später als erster vor mir präsentierte und dafür nach altem Brauch in der Armee einen preußischen Taler erhielt. Ein wie stolzes Gefühl den neugebackenen Offizier erfüllt, wenn er zum erstenmal „Herr Leutnant” genannt wird und wenn der Posten zum erstenmal vor ihm präsentiert, das kann nur der nachempfinden, der es selber durchgemacht hat. Es soll aber ein noch schöneres Gefühl des militärischen Selbstbewußtseins und der militärischen Würde geben, wie Kameraden mir erzählt haben: nämlich, daß ein Soldat vor seinem Kompagnieoffizier, selbst wenn er der jüngste Leutnant des Regiments ist, von dem Bürgersteig auf den Fahrdamm herunter geht, dort vor dem Vorgesetzten Front macht und mit den Händen an der Hosennaht dem Vorgesetzten solange mit den Augen rechts oder links nachsieht, bis dieser sechs Schritte an ihm vorbeigegangen ist. Gewiß, Ehre muß sein und jegliche Ehrerbietung dem, dem sie gebührt, aber ich hatte nicht nur als jüngster Leutnant, sondern auch hinterher, wenn ein Mann vor mir Front machen wollte, immer die Empfindung, diese Ehrerbietung käme mir nicht zu, obgleich ich sie nach der Dienstvorschrift sogar zu verlangen hatte. Es war mir peinlich, daß ein Mann sich derartig vor mir aufbauen sollte und deshalb winkte ich immer rechtzeitig ab. Das haben manche Kameraden, mit denen ich darüber sprach, nicht verstanden und das nahm ich ihnen auch gar nicht übel, denn die waren im Kadettenkorps militärisch erzogen, während ich auch als Soldat nur ein Zivilist im bunten Rock war. Ein Zivilist in bezug auf meine mangelhafte militärische Haltung und erst recht in bezug auf meine Gedanken. Ich glaube, ich hätte es als Leutnant viel, viel leichter gehabt, wenn ich mir das verfluchte Denken hätte abgewöhnen können. Ich habe mir hundert- und tausendmal gesagt, im Interesse der Armee, im Interesse des Dienstes, im Interesse der Subordination und Disziplin muß das so sein.

Aber es half alles nichts, vielleicht war ich in der Hinsicht etwas erblich belastet. Schon mein verstorbener Vater hatte sich in seinen Büchern in humoristisch-satirischer Weise über manches beim Militär lustig gemacht, obgleich er selbst als Offizier tapfer gegen die Dänen gekämpft hat. Vielleicht war mein Denken ererbt, auf jeden Fall gelang es mir nicht, es abzulegen, obgleich ich mir beständig eine kleine wahre Geschichte in das Gedächtnis zurückrief. Da fragte einmal eine sehr kluge, geistreiche Dame meiner Verwandtschaft einen alten Schäfer, worüber er denn so den ganzen Tag nachdenke, wenn er seine Schafe hüte? Worauf der Schäfer verwundert zur Antwort gab: „Gott, gnädige Frau, sind Sie denn so dumm, daß Sie den ganzen Tag denken müssen?”


In Hamburg blieb ich ein halbes Jahr. Als im Herbst(14) die Offiziersversetzung innerhalb der Regimenter erfolgte, kam ich zum 3. Bataillon(14a) nach Lübeck, und an die dortige Zeit denke ich stets mit Freuden zurück, das schon deshalb, weil ich dort als junges Mädchen, das aber natürlich nicht ich war, meine Frau(15) kennen lernte, die ich allerdings erst viel, viel später im Jahre 1908(16) habe heiraten können. In Lübeck habe ich eine köstliche Zeit verlebt, dienstlich und außerdienstlich. Wir Offiziere des Bataillons hatten in den Häusern der reichen und angesehenen Lübecker Senatoren und Großkaufleute einen selten netten Verkehr und dienstlich war es geradezu ideal. Wir hatten einen unendlich liebenswürdigen Kommandeur(17) und dienstlich arbeiteten wir uns nicht tot. Ja, manchmal machten wir es uns sogar zu bequem, namentlich wenn es galt, mittags die Wache aufziehen zu lassen. Um das den außerhalb der Kaserne wohnenden Kameraden abzunehmen, hatten wir Leutnants, die wir in der Kaserne(18) wohnten, das freiwillig übernommen, aber auch uns wurde es auf die Dauer zu langweilig, uns jeden Mittag die Schärpe umzubinden, den Helm aufzusetzen und auf den Hof hinunter zu gehen, nur um die paar Männeken als Wache aufziehen zu lassen. So besorgten wir das bald von unseren Fenstern aus, die nach dem Hofe hinaus gingen, dann überließen wir es dem wachthabenden Unteroffizier, bis schließlich ein anderer jeden Mittag für uns die Wache aufziehen ließ, und das war Karo, der außerordentlich kluge Jagdhund einer meiner Kameraden. Sobald die Uhr zehn Minuten vor zwölf war, erschien Karo und lief die Front von vorn aber auch von rückwärts ab, gleichsam, als wolle er den Anzug der Mannschaften nachsehen. Wenn er damit fertig war, setzte er sich mit drei Schritten Entfernung vor die Front und wartete, bis es zwölf geschlagen hatte. Sobald der letzte Schlag verklungen war, bellte er dreimal „wau, wau, wau”, das hieß: „Das Gewehr über”. Sein zweites Bellen hieß: „Achtung, präsentiert das Gewehr – das Gewehr über.” Das dritte Bellen: „Mit Wache links schwenkt, marsch – halt, Wache marsch.” Und wenn die Wache dann mit Trommelschlag zum Tore hinaus marschierte, nahm Karo mit dem ernsthaftesten Hundegesicht von der Welt den Parademarsch ab, um, wenn der letzte Mann verschwunden war, befriedigt von dannen zu trollen. Das hat sich eine ganze Zeit lang jeden Mittag wiederholt, leider aber waren wir so unvorsichtig, von diesem klugen Hund auf den Gesellschaften zu erzählen. Die Geschichte wurde stadtbekannt, unser Kommandeur erfuhr davon, und wenn er auch zuerst darüber lachte, hielt er es doch für seine Pflicht, uns derartig anzublasen, daß uns das Lachen verging. Karo mußte des Mittags eingesperrt werden und stattdessen mußten wir fortan die Wache aufziehen lassen.

In Hamburg blieb ich ein halbes Jahr. Als im Herbst die Offiziersversetzung innerhalb der Regimenter erfolgte, kam ich zum 3. Bataillon nach Lübeck, und an die dortige Zeit denke ich stets mit Freuden zurück.



In Lübeck habe ich eine köstliche Zeit verlebt, dienstlich und außerdienstlich. Wir Offiziere des Bataillons hatten in den Häusern der reichen und angesehenen Lübecker Senatoren und Großkaufleute einen selten netten Verkehr und dienstlich war es geradezu ideal. Wir hatten einen unendlich liebenswürdigen Kommandeur und dienstlich arbeiteten wir uns nicht tot. Ja, manchmal machten wir es uns sogar zu bequem, namentlich wenn es galt, mittags die Wache aufziehen zu lassen. Um das den außerhalb der Kaserne wohnenden Kameraden abzunehmen, hatten wir Leutnants, die wir in der Kaserne wohnten, das freiwillig übernommen, aber auch uns wurde es auf die Dauer zu langweilig, uns jeden Mittag die Schärpe umzubinden, den Helm aufzusetzen und auf den Hof hinunter zu gehen, nur um die paar Männeken als Wache aufziehen zu lassen. So besorgten wir das bald von unseren Fenstern aus, die nach dem Hofe hinaus gingen, dann überließen wir es dem wachthabenden Unteroffizier, bis schließlich ein anderer jeden Mittag für uns die Wache aufziehen ließ, und das war Karo, der außerordentlich kluge Jagdhund eines meiner Kameraden. Sobald die Uhr zehn Minuten vor zwölf war, erschien Karo und lief die Front von vorn aber auch von rückwärts ab, gleichsam, als wolle er den Anzug der Mannschaften nachsehen. Wenn er damit fertig war, setzte er sich mit drei Schritten Entfernung vor die Front und wartete, bis es zwölf geschlagen hatte. Sobald der letzte Schlag verklungen war, bellte er dreimal „wau, wau, wau”, das hieß: „Das Gewehr über”. Sein zweites Bellen hieß: „Achtung, präsentiert das Gewehr – das Gewehr über.” Das dritte Bellen: „Mit Wache links schwenkt, marsch – halt, Wache marsch.” Und wenn die Wache dann mit Trommelschlag zum Tore hinaus marschierte, nahm Karo mit dem ernsthaftesten Hundegesicht von der Welt den Parademarsch ab, um, wenn der letzte Mann verschwunden war, befriedigt von dannen zu trollen. Das hat sich eine ganze Zeit lang jeden Mittag wiederholt, leider aber waren wir so unvorsichtig, von diesem klugen Hund auf den Gesellschaften zu erzählen. Die Geschichte wurde stadtbekannt, unser Kommandeur erfuhr davon, und wenn er auch zuerst darüber lachte, hielt er es doch für seine Pflicht, uns derartig anzublasen, daß uns das Lachen verging. Karo mußte des Mittags eingesperrt werden und statt dessen mußten wir fortan die Wache aufziehen lassen.


In meine Lübecker Dienstzeit fällt der erste Besuch, den Kaiser Wilhelm der alten Hansastadt Lübeck machte. Ich stand mit in der Ehrenkompagnie und war auch am Abend auf dem Bahnhof, als der Kaiser wieder abreiste. In seiner Begleitung befand sich auch der Generalfeldmarschall von Moltke, den ich bei der Gelegenheit nach vielen Jahren einmal wiedersah. Als Schüler hatte ich ihn wiederholt gesehen, er kam oft nach Schleswig, um dort das Grab seiner Mutter zu besuchen und er unterließ es dann nie, in das Gymnasium zukommen und sich seinen Enkel herausrufen zu lassen. Mit diesem Enkel, der schon längst gestorben ist, war ich damals sehr befreundet und so nahm der mich jedesmal mit hinaus, wenn sein berühmter und großer Onkel ihn zu sprechen wünschte. So habe auch ich manchen Händedruck von dem verstorbenen Feldmarschall bekommen und hin und wieder auch ein freundliches Wort aus seinem schweigsamen Munde gehört.

In meine Lübecker Dienstzeit fällt der erste Besuch, den der frühere Kaiser Wilhelm der alten Hansastadt Lübeck machte. Ich stand mit in der Ehrenkompagnie und war auch am Abend auf dem Bahnhof, als der Kaiser wieder abreiste. In seiner Begleitung befand sich auch der Generalfeldmarschall von Moltke, den ich bei der Gelegenheit nach vielen Jahren einmal wiedersah. Als Schüler hatte ich ihn wiederholt gesehen, er kam oft nach Schleswig, um dort das Grab seiner Mutter zu besuchen und er unterließ es dann nie, in das Gymnasium zukommen und sich seinen Enkel herausrufen zu lassen. Mit diesem Enkel, der schon längst gestorben ist, war ich damals sehr befreundet und so nahm der mich jedesmal mit hinaus, wenn sein berühmter und großer Onkel ihn zu sprechen wünschte. So habe auch ich manchen Händedruck von dem verstorbenen Feldmarschall bekommen und hin und wieder auch ein freundliches Wort aus seinem schweigsamen Munde gehört.


Wenige Tage nach seinem Besuch in Lübeck erfuhren wir die erschütternde Kunde, daß Moltke gestorben(19) sei und wir erfuhren es auf eine so sonderbare Art, daß wir es nicht glaubten und zuerst darüber lachten. Es gab damals in Lübeck ein stadtbekanntes Original, einen reichen, etwas wunderlichen Rentner, dessen größter Kummer darin bestand, daß er die Kirche nicht mehr besuchen durfte, weil er dort ein paarmal von seinen epileptischen Anfällen heimgesucht worden war und den Gottesdienst gestört hatte. Dieser reiche arme Teufel hatte auf der ganzen Welt nichts zu tun, und so lief er denn fortwährend durch die Straßen der Stadt, um nachzusehen, ob dort auch alles in Ordnung sei. Er guckte in alle Schaufenster, und wenn er beispielsweise in einem kleinen Laden sah, daß die Petroleumlampe zu hoch gedreht war, ging er hinein und rief den Besitzer zu: „ Süh mal süh, (sieh mal, sieh), wissen Sie schon die Lampe blakt? Tütülütü.” Und dann ging er wieder hinaus, um weiter nach dem Rechten zu sehen. Daß der Sonderling in der ganzen Stadt nur „Sühmalsüh” genannt wurde, war selbstverständlich, und Sühmalsüh war es auch, der uns zuerst Moltkes Tod mitteilte. Wir marschierten in aller Herrgottsfrühe im Bataillon mit klingendem Spiel nach dem Exerzierplatz hinaus. Die ganze Stadt schlief noch, nur Sühmalsüh war schon auf den Beinen, er begegnete uns am Bahnhof und rief uns mit lauter Stimme zu: „Süh mal süh, wissen Sie schon, Moltke ist tot. Tütülütü,” In seiner Art lustig vor sich hin pfeifend, ging er weiter, wir aber lachten über den Sonderling und über die Botschaft, die er uns da erzählte. Vor ein paar Tagen hatten wir doch alle Moltke hier noch gesehen, da war er noch ganz gesund gewesen, denn als ihm nach dem Kaiserdiner in dem alten Rathaus eine sehr schwere Zigarre angeboten wurde und man im stillen befürchtete, sie möge dem alten Herrn zu schwer sein, meinte er: „Die Zigarre ist ja sehr schön, aber vielleicht haben die Herren eine Zigarre, die wenigstens etwas schwerer ist.” So wurde damals wenigstens erzählt, für die Wahrheit kann ich mich allerdings nicht verbürgen.

Wenige Tage nach seinem Besuch in Lübeck erfuhren wir die erschütternde Kunde, daß Moltke gestorben sei und wir erfuhren es auf eine so sonderbare Art, daß wir es nicht glaubten und zuerst darüber lachten. Es gab damals in Lübeck ein stadtbekanntes Original, einen reichen, etwas wunderlichen Rentner, dessen größter Kummer darin bestand, daß er die Kirche nicht mehr besuchen durfte, weil er dort ein paarmal von seinen epileptischen Anfällen heimgesucht worden war und den Gottesdienst gestört hatte. Dieser reiche arme Teufel hatte auf der ganzen Welt nichts zu tun, und so lief er denn fortwährend durch die Straßen der Stadt, um nachzusehen, ob dort auch alles in Ordnung sei. Er guckte in alle Schaufenster, und wenn er beispielsweise in einem kleinen Laden sah, daß die Petroleumlampe zu hoch gedreht war, ging er hinein und rief den Besitzer zu: „ Süh mal süh, (sieh mal, sieh), wissen Sie schon die Lampe blakt? Tütülütü.” Und dann ging er wieder hinaus, um weiter nach dem Rechten zu sehen. Daß der Sonderling in der ganzen Stadt nur „Sühmalsüh” genannt wurde, war selbstverständlich, und Sühmalsüh war es auch, der uns zuerst Moltkes Tod mitteilte. Wir marschierten in aller Herrgottsfrühe im Bataillon mit klingendem Spiel nach dem Exerzierplatz hinaus. Die ganze Stadt schlief noch, nur Sühmalsüh war schon auf den Beinen, er begegnete uns am Bahnhof und rief uns mit lauter Stimme zu: „Süh mal süh, wissen Sie schon, Moltke ist tot. Tütülütü,” In seiner Art lustig vor sich hin pfeifend, ging er weiter, wir aber lachten über den Sonderling und über die Botschaft, die er uns da erzählte. Vor ein paar Tagen hatten wir doch alle Moltke hier noch gesehen, da war er noch ganz gesund gewesen, denn als ihm nach dem Kaiserdiner in dem alten Rathaus eine sehr schwere Zigarre angeboten wurde und man im stillen befürchtete, sie möge dem alten Herrn zu schwer sein, meinte er: „Die Zigarre ist ja sehr schön, aber vielleicht haben die Herren eine Zigarre, die wenigstens etwas schwerer ist.” So wurde damals wenigstens erzählt, für die Wahrheit kann ich mich allerdings nicht verbürgen.


Nein, wir glaubten nicht an Moltkes Tod. Der Oberstleutnant(20), der das Bataillon führte, ließ die Musik weiterspielen, aber als wir am Mittag durch das Burgtor wieder in die Stadt einrückten, wehten von allen Häusern die Fahnen auf Halbmast, und da wußten wir, Sühmalsüh hatte doch recht gehabt. Natürlich wurde auf dem Marsch durch die Stadt das Spiel nicht gerührt und ich bin damals die Empfindung nicht los geworden, daß es kaum etwas Ergreifenderes gibt, als eine Truppe, die sang- und klanglos durch die Straßen marschiert, während die ihr vorangehende Regimentskapelle und die Trommler und Pfeifer das Spiel nicht rühren.

Nein, wir glaubten nicht an Moltkes Tod. Der Oberstleutnant, der das Bataillon führte, ließ die Musik weiterspielen, aber als wir am Mittag durch das Burgtor wieder in die Stadt einrückten, wehten von allen Häusern die Fahnen auf Halbmast, und da wußten wir, Sühmalsüh hatte doch recht gehabt. Natürlich wurde auf dem Marsch durch die Stadt das Spiel nicht gerührt und ich bin damals die Empfindung nicht los geworden, daß es kaum etwas Ergreifenderes gibt, als eine Truppe, die sang- und klanglos durch die Straßen marschiert, während die ihr vorangehende Regimentskapelle und die Trommler und Pfeifer das Spiel nicht rühren.


Moltkes Tod warf einen trüben Schatten auf unser lustig-fröhliches Leutnantsleben und aufrichtig traurig waren wir auch, als unser sehr beliebter Oberstleutnant als Oberst zu einem anderen Truppenteil(21) versetzt wurde. Es galt, ihm ein würdiges Abschiedsfest zu bereiten. Dem Liebesmahl sollten einige kleine Aufführungen folgen und ich muß wohl damals schon eine etwas satirische Ader gehabt haben, denn ich verfaßte eine kleine Duo-Szene, richtiger gesagt, eine Zwiegesprächsszene, in der sich zwei Musketiere, einer von unserem Bataillon (der Musketier war ich) und ein Musketier des neuen Regiments, das der neue Oberst erhielt, über den neuen Kommandeur unterhielten. In humoristischer, selbstverständlich nie verletzender Weise hatte ich die vielen kleinen menschlichen und dienstlichen Schwächen unseres bisherigen Kommandeurs geschildert und einen solchen Beifall wie an dem Abend habe ich nie wieder mit einer meiner anderen Arbeiten gefunden. Selbst die gestrengen und sonst so kühlen Lübecker Senatoren und Großkaufleute, die bei uns im Kasino zu Gaste waren, bogen sich vor Lachen. Wohl weniger über das, was ich sagte, als darüber, daß ich den Mut hatte, es zu sagen. Und unser alter Kommandeur lachte glücklicherweise am meisten.

Moltkes Tod warf einen trüben Schatten auf unser lustig-fröhliches Leutnantsleben und aufrichtig traurig waren wir auch, als unser sehr beliebter Oberstleutnant als Oberst zu einem anderen Truppenteil versetzt wurde. Es galt, ihm ein würdiges Abschiedsfest zu bereiten. Dem Liebesmahl sollten einige kleine Aufführungen folgen und ich muß wohl damals schon eine etwas satirische Ader gehabt haben, denn ich verfaßte eine kleine Duo-Szene, richtiger gesagt, eine Zwiegesprächsszene, in der sich zwei Musketiere, einer von unserem Bataillon (der Musketier war ich) und ein Musketier des neuen Regiments, das der neue Oberst erhielt, über den neuen Kommandeur unterhielten. In humoristischer, selbstverständlich nie verletzender Weise hatte ich die vielen kleinen menschlichen und dienstlichen Schwächen unseres bisherigen Kommandeurs geschildert und einen solchen Beifall wie an dem Abend habe ich nie wieder mit einer meiner anderen Arbeiten gefunden. Selbst die gestrengen und sonst so kühlen Lübecker Senatoren und Großkaufleute, die bei uns im Kasino zu Gaste waren, bogen sich vor Lachen. Wohl weniger über das, was ich sagte, als darüber, daß ich den Mut hatte, es zu sagen. Und unser alter Kommandeur lachte glücklicherweise am meisten.


Unser neuer Kommandeur war der Major von Linsingen(22), derselbe, der jetzt im Kriege die Heeresabteilung von Linsingen führt und kommandiert. Mit Linsingen kam ein neuer strammer Zug in das Bataillon. Wir Offiziere merkten es gleich am ersten Tage an der Art, wie Linsingen sich das Bataillon in die Hand spielte. Die Mannschaften merkten es auf andere Art. Als während des Exerzierens die erste Pause eintrat, und die Leute sich auf den Boden warfen, rief ein Leutnant den Mannschaften zu: „Aus diesem Wassertümpel hier darf nicht getrunken werden, das Wasser ist schmutzig und ungesund.” Ein Mann schöpfte sich aber trotzdem seinen Becher voll. Linsingen sah es und ritt auf den Mann zu: „Haben Sie es gehört, daß der Herr Leutnant es vorhin verboten hat, von dem Wasser zu trinken?”

[Die Abschnitte über v.Linsingen fehlen in der späteren Auflage. D.Hrsgb.]


Der Mann hoffte wohl, nur die Wahrheit könne ihn retten und so antwortete er denn: „Zu Befehl, Herr Major.”

 


Da aber donnerte Linsingen ihn an: „Und Sie haben trotzdem von dem Wasser geschöpft?” Gleich darauf der laute Ruf aus Linsingens Munde nach dem Unteroffizier vom Dienst und als der zur Stelle war, der Befehl: „Führen Sie den Mann sofort ab, sieben Tage Arrest wegen Nichtbefolgung eines gegebenen Befehls.” Das schlug ein und von der Minute an wußten die Leute, was sie von dem Kommandeur zu erwarten hätten, wenn sie nicht gehorchten, aber sie gehorchten nicht nur, weil sie mußten, sondern weil sie auch sehr bald merkten, daß Linsingen sein Handwerk verstand. Linsingen war ein sehr beliebter Vorgesetzter, der außer dem Dienst im besten Sinne die Kameradschaft pflegte, nicht nur dadurch, daß er in seinem reichen Hause üppige Diners gab, über die man sich in Lübeck tagelang unterhielt, sondern weil auch er manchen seiner Leutnants in wahrhaft vornehmer Weise in schwierigen Lagen geholfen hat. Er war nicht nur ihr Vorgesetzter, sondern auch ihr älterer Freund, aber zuweilen wurden sie doch an ihm irre und daran, ob er es wirklich gut mit ihnen meine. Dafür ein kleines Beispiel, das ich allerdings nicht selbst miterlebt habe. Linsingen liebte es manchmal, von Lübeck nach dem nahen Hamburg zu fahren, um dort bei dem weltbekannten Franz Pfordte(23) zu essen. Er lud sich häufig ein paar seiner Leutnants ein, ihn, selbstverständlich auf seine Kosten, nach Hamburg zu begleiten und dort seine Gäste zu sein. Das ließen sich die Herren natürlich nicht zweimal sagen, aber als sie eines Abends, als sie wieder bei Pfordte geschlemmt hatten, mit dem letzten Zug in Lübeck ankamen, begleitete Linsingen sie zur Kaserne, um sich nach seinen Pferden umzusehen, die im Stall bei der Kaserne untergebracht waren. Man nahm dort mit einem „Auf Wiedersehen” Abschied, ohne zu ahnen, daß das Wiedersehen sehr schnell erfolgen würde, denn kaum lagen die Herren im Bett, da ertönte das Alarmsignal. Linsingen hatte sich im Stall sein Pferd satteln lassen, hielt hoch zu Roß auf dem Kasernenhofe, holte sein Bataillon aus den Betten und marschierte mit seinen Leuten zu einer langen Felddienstübung in das Gelände. Selbstverständlich mußten auch die eben aus Hamburg von Pfordte zurückgekommenen Leutnants mit hinaus, und ich glaube, die Nachtfelddienstübung hat ihnen nicht annähernd so gut geschmeckt wie vorher das Diner.

 


Major von Linsingen hielt sich stets sehr schöne Wagenpferde und noch schönere Reitpferde. Er war ein brillanter Reiter, aber einmal hatte er sich ein Pferd gekauft, das, so schön es auch war, den Satan im Leibe hatte. Ich exerzierte mit meinen Leuten auf dem Kasernenhofe, als Linsingen das Pferd zum erstenmal ritt. Der Gaul bockte und stieg vorn und hinten und tat alles, was er konnte, um seinen Reiter los zu werden. Der aber saß wie angegossen, bis der Gaul sich im stillen sagen mochte, geht das so nicht, mache ich es anders, ich gehe einfach durch. Das tat er denn auch und raste im wahnsinnigsten Karriere gegen das Kasernentor an, um von dort in die goldene Freiheit zu gelangen. Nun waren aber Gott weiß weshalb gerade an diesem Tage die beiden großen Tore geschlossen, nur in dem einen Flügel stand eine kleine dort angebrachte Tür offen, die nicht viel breiter und nicht viel höher war, als eine gewöhnliche Stubentür. Gegen diese schmale Öffnung rannte der Gaul los, für eine kurze Sekunde stockte uns allen der Atem, dann riefen und brülten wir: „Tor auf, Tor auf.” Aber es war schon zu spät, schon hatte der Gaul sich mit seinem Reiter durch diese schmale, niedrige Tür den Weg gebahnt und stürmte davon. Daß Major von Linsingen sich bei der Geschichte nicht den Kopf einrannte und sich nicht beide Kniescheiben zu Brei quetschte, war nicht nur mir, sondern allen, die es mit ansahen, ein Rätsel. Nach einer halben Stunde kam Linsingen wieder auf den Hof geritten. Er hatte das Pferd in die Gewalt bekommen und in seinem Gesicht verriet keine Miene von dem Schrecken, den auch er sicher ausgestanden hatte. Er saß so ruhig auf dem Pferde, als sei nicht das geringste vorgefallen, aber soweit ich mich erinnere, hat er das Pferd dann doch wieder an den Händler zurückgegeben und es nicht wieder geritten.

 


Leider blieb ich nur ein Jahr(24) in Lübeck, dann kam ich wieder nach Hamburg und kaum war ich dort, als ich eines Tages aus Gründen(25), auf die ich nicht näher eingehen möchte, einsah, daß ich mit meinem Gelde nicht auskäme und ich etwas dazu verdienen müsse. Die einzige Möglichkeit, die sich mir dafür bot, war die schriftstellerische Tätigkeit, und so etablierte ich mich denn eines Nachmittags im Jahre 1893 in meinem Nebenberuf als Schriftsteller, auch das vielleicht, weil ich erblich belastet war. Von den Baudissins hatten ja schon viele mit der Tinte gearbeitet, mein verstorbener Vater, mein Onkel Wolf Baudissin, der bekannte Shakespeare- und Molièreübersetzer und auch mein verstorbener Onkel Roderich, der in einer kleinen Stadt Schleswig-Holsteins lebte und so fürchterlich an der Gicht litt, daß er schon dadurch eine stadtbekannte Persönlichkeit war. Namentlich die Jugend kannte ihn, denn wenn er sich nur auf der Straße zeigte, riefen die Bengels ihm nach: „Na, Onkel Roderich, wat makt de Gicht?”

Leider blieb ich nur ein Jahr in Lübeck, dann kam ich wieder nach Hamburg und kaum war ich dort, als ich eines Tages aus Gründen, auf die ich nicht näher eingehen möchte, einsah, daß ich mit meinem Gelde nicht auskäme und ich etwas dazu verdienen müsse. Die einzige Möglichkeit, die sich mir dafür bot, war die schriftstellerische Tätigkeit, und so etablierte ich mich denn eines Nachmittags im Jahre 1893 in meinem Nebenberuf als Schriftsteller, auch das vielleicht, weil ich erblich belastet war. Von den Baudissins hatten ja schon viele mit der Tinte gearbeitet, mein verstorbener Vater, mein Onkel Wolf Baudissin, der bekannte Shakespeare- und Molièreübersetzer und auch mein verstorbener Onkel Roderich, der in einer kleinen Stadt Schleswig-Holsteins lebte und so fürchterlich an der Gicht litt, daß er schon dadurch eine stadtbekannte Persönlichkeit war.


Außerdem hatte ich in der Familie einen sehr bekannten Schriftsteller, meinen lieben Vetter Hermann Heiberg(26), dessen Mutter Asta Baudissin, eine Schwester meines verstorbenen Vaters war und die sich vor vielen Jahren mit dem in Schleswig-Holstein sehr bekannten Buchhändler Hermann Heiberg verheiratet hatte – bekannt auch schon durch die zahllosen Leiden, die er als glühender Patriot von den Dänen hatte erdulden müssen, als Schleswig noch zu Dänemark gehörte. Auch er hatte fliehen müssen, ebenso wie mein Vater, der in Amerika eine neue Heimat suchte, bis er später nach Deutschland zurückkehrte.

Außerdem hatte ich in der Familie einen sehr bekannten Schriftsteller, meinen lieben Vetter Hermann Heiberg, dessen Mutter Asta Baudissin, eine Schwester meines verstorbenen Vaters war und die sich vor vielen Jahren mit dem in Schleswig-Holstein sehr bekannten Buchhändler Hermann Heiberg verheiratet hatte – bekannt auch schon durch die zahllosen Leiden, die er als glühender Patriot von den Dänen hatte erdulden müssen, als Schleswig noch zu Dänemark gehörte. Auch er hatte fliehen müssen, ebenso wie mein Vater, der in Amerika eine neue Heimat suchte, bis er später nach Deutschland zurückkehrte.


An Schriftstellern in der Familie fehlte es also nicht, auf einen mehr oder weniger kam es auch nicht an, so versuchte ich denn mein Glück, und da ich als Offizier selbstverständlich nicht unter meinem Namen schreiben durfte, schrieb ich zuerst unter dem Namen Graf Günther von Rosenhagen. Ich wählte dieses Pseudonym, weil es einmal einen Grafen Günther von Rosenhagen gegeben hat, der durch ganz weitläufige Verwandtschaft ein Rosenhagen, aber zugleich auch ein Baudissin war. Wenn ich mich recht entsinne, war meine erste Arbeit eine kleine Weihnachtsgeschichte(27), die in den Lübecker Nachrichten(28) erschien und mir das Riesenhonorar von drei Mark einbrachte. Meine zweite Arbeit brachte mir sogar nur zwei Mark und ich rechnete mir aus, was ich mit der fünften Geschichte verdienen würde, wenn die Honorare in diesem Tempo weiter zurückgingen. Aber ich verlor trotzdem den Mut nicht und schrieb lustig darauf los, soweit der Dienst es mir erlaubte, obgleich mir manchmal gar nicht lustig zumute war, wenn von den zehn kleinen Erzählungen, die ich in den verschiedensten Redaktionen eingesandt hatte, wenigstens zwölf zurückkamen: „Leider nicht geeignet, doch sehen wir weiteren freundlichen Einsendungen gern entgegen.” Ich glaube, das letztere schrieben die Herren mehr mit Rücksicht auf meinen Namen und auf meinen Leutnantsstand, als um wirklich gelegentlich wieder eine neue Einsendung von mir zu erhalten. Aber ich schickte trotzdem immer und immer wieder ein, und danken möchte ich an dieser Stelle jenen, zum Teil auch schon verstorbenen Herren, die mir mit Rat und Tat behilflich waren und meine ersten Arbeiten annahmen und veröffentlichten, obgleich das sicher keine Meisterwerke waren. Die Herren waren: der jetzige in Graz lebende kaiserliche Rat Erasmus Kleinert, damals Chefredakteur einer Hamburger Zeitung(28b), Direktor Rosatzin und der bekannte Kritiker Sittard (sein Sohn ist der jetzige weltbekannte Orgelvirtuose) vom Hamburger Korrespondenten, der liebenswürdige Reinhold Schlingmann von der Lesehalle, oder wie der jetzige Weltspiegel des „Berliner Tageblatt” damals hieß. Vom „Berliner Tageblatt” war mir auch der verstorbene Chefredakteur Arthur Levison behilflich, der einige meiner ersten Arbeiten im „Zeitgeist”(28c) veröffentlichte. Und schließlich darf ich auch den verstorbenen Ernst Rosenfeld aus Berlin nicht vergessen, für dessen früher sehr verbreitete Feuilletonkorrespondenz ich lange Jahre gearbeitet habe. und mit dem mich persönlich, trotz des Unterschieds der Jahre, eine feste Freundschaft verband. Persönlich lernte ich ihn auf dem großen Schriftstellertag(28a) in Hamburg kennen, der im Zoologischen Garten tagte. Wer mich dort einführte, weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall machte ich dort alles mit, das Diner im Zoologischen Garten, am Abend die Fahrt nach der Uhlenhorst, während auf der Alster ein prachtvolles Feuerwerk abgebrannt wurde und hinterher ein kleines intimes Fest im Hause des Direktors Rosatzin. Ich nahm teils in Uniform, teils in Zivil an den Veranstaltungen teil und bekam selbstverständlich, als das im Regiment bekannt geworden war, eins auf den Hut. Erstens hätte ich überhaupt nicht dorthin gehört, zweitens erst recht nicht in Uniform und drittens unter gar keinen Umständen in Zivil, denn Zivil zu tragen, sei bekanntlich verboten. Ich war fest davon überzeugt, diese Rede würde mit einem Helgoländer Urlaub enden, wie wir es nannten, wenn einer von uns Stubenarrest bekam. Aber sonderbarerweise ging dieser Urlaub an mir vorüber, denn es kommt gerade beim Militär oft anders, als man denkt. Dafür habe ich hinterher noch oft genug Helgoländer Urlaub bekommen. Wie gesagt, ich kam mit einem Rüffel davon und die Bekanntschaften, die ich mit den Herren der Presse, unter anderen auch mit dem früheren langjährigen Chefredakteur der „Braunschweigischen Landeszeitung”, Dr. Eugen Siercke, gemacht hatte, manche freundliche Aufforderung, diesem oder jenem Herrn einmal etwas zur Prüfung einzusenden, spornten mich an, fleißig weiter zu schreiben und dankbarst erkenne ich es an, daß alle mir behilflich waren, in den Sattel zu kommen. Das taten auch die „Hamburger Nachrichten”, in deren Unterhaltungsbeiblatt ich meine erste, durch mehrere Nummern gehende größere Erzählung aus dem Offiziersleben veröffentlichte und ich traute meinen Augen nicht, als ich dafür ein Honorar von beinahe zweihundert Mark erhielt. Und unter keinen Umständen darf ich es unterlassen, an dieser Stelle auch dem langjährigen Feuilletonredakteur des „Hamburger Fremdenblattes”, Herrn Philipp Berges, zu danken, der viele Jahre hindurch meine Arbeiten veröffentlichte und der meinen Büchern und meinen Theaterstücken stets ein außerordentlich wohlwollender Kritiker gewesen ist.

An Schriftstellern in der Familie fehlte es also nicht, auf einen mehr oder weniger kam es auch nicht an, so versuchte ich denn mein Glück, und da ich als Offizier selbstverständlich nicht unter meinem Namen schreiben durfte, schrieb ich zuerst unter dem Namen Graf Günther von Rosenhagen. Ich wählte dieses Pseudonym, weil es einmal einen Grafen Günther von Rosenhagen gegeben hat, der durch ganz weitläufige Verwandtschaft ein Rosenhagen, aber zugleich auch ein Baudissin war. Wenn ich mich recht entsinne, war meine erste Arbeit eine kleine Weihnachtsgeschichte, die in den Lübecker Nachrichten erschien und mir das Riesenhonorar von drei Mark einbrachte. Meine zweite Arbeit brachte mir sogar nur zwei Mark und ich rechnete mir aus, was ich mit der fünften Geschichte verdienen würde, wenn die Honorare in diesem Tempo weiter zurückgingen. Aber ich verlor trotzdem den Mut nicht und schrieb lustig darauf los, soweit der Dienst es mir erlaubte, obgleich mir manchmal gar nicht lustig zumute war, wenn von den zehn kleinen Erzählungen, die ich in den verschiedensten Redaktionen eingesandt hatte, wenigstens zwölf zurückkamen: „Leider nicht geeignet, doch sehen wir weiteren freundlichen Einsendungen gern entgegen.” Ich glaube, das letztere schrieben die Herren mehr mit Rücksicht auf meinen Namen und auf meinen Leutnantsstand, als um wirklich gelegentlich wieder eine neue Einsendung von mir zu erhalten.













Persönlich lernte ich viele von ihnen auf dem großen Schriftstellertag in Hamburg kennen, der im Zoologischen Garten tagte. Wer mich dort einführte, weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall machte ich dort alles mit, das Diner im Zoologischen Garten, am Abend die Fahrt nach der Uhlenhorst, während auf der Alster ein prachtvolles Feuerwerk abgebrannt wurde.
Ich nahm teils in Uniform, teils in Zivil an den Veranstaltungen teil und bekam selbstverständlich, als das im Regiment bekannt geworden war, eins auf den Hut. Erstens hätte ich überhaupt nicht dorthin gehört, zweitens erst recht nicht in Uniform und drittens unter gar keinen Umständen in Zivil, denn Zivil zu tragen, sei bekanntlich verboten. Ich war fest davon überzeugt, diese Rede würde mit einem Helgoländer Urlaub enden, wie wir es nannten, wenn einer von uns Stubenarrest bekam. Aber sonderbarerweise ging dieser Urlaub an mir vorüber, denn es kommt gerade beim Militär oft anders, als man denkt. Dafür habe ich hinterher noch oft genug Helgoländer Urlaub bekommen. Wie gesagt, ich kam mit einem Rüffel davon und die Bekanntschaften, die ich mit den Herren der Presse


gemacht hatte, manche freundliche Aufforderung, diesem oder jenem Herrn einmal etwas zur Prüfung einzusenden, spornten mich an, fleißig weiter zu schreiben und dankbarst erkenne ich es an, daß alle mir behilflich waren, in den Sattel zu kommen. Das taten auch die „Hamburger Nachrichten”, in deren Unterhaltungsbeiblatt ich meine erste, durch mehrere Nummern gehende größere Erzählung aus dem Offiziersleben veröffentlichte und ich traute meinen Augen nicht, als ich dafür ein Honorar von beinahe zweihundert Mark erhielt.


Ich führte schon damals gewissermaßen ein Doppelleben. Ich war Offizier und Schriftsteller zugleich, aber gerade deshalb war ich wohl kein guter Offizier, wenigstens in bezug auf meine körperliche Haltung nicht. Sonst aber habe ich für die Ausbildung meiner Rekruten manches Lob geerntet und ich hatte sogar den Ruf, der beste Instruktionsoffizier im Regiment zu sein. Aber meine unglückliche körperliche Haltung, namentlich mein hohles Kreuz, haben nicht nur mir, sondern auch meinen Vorgesetzten viele bittere Stunden bereitet. Mit einem hohlen Kreuz war ich auf die Welt gekommen und als ich Fähnrich war und den schweren Tornister mit dem Sandsack, oder wie damals viel üblich, mit den schweren Mauersteinen auf dem Rücken tragen mußte, verschlimmerte sich das Übel. Die schwere Last drückte die Schultern herunter und unwillkürlich streckte ich den Leib vor, um mir dadurch das Gewicht zu erleichtern. Hundert-, nein tausendmal habe ich es mir sagen lassen müssen: „Leutnant Graf Baudissin, machen Sie kein hohles Kreuz, nehmen Sie den Leib zurück.” Ich habe es hundert-, nein tausendmal versucht, diesem Befehl nachzukommen, aber es ging nicht. Es war schrecklich für mich, aber auch schrecklich für meinen Hauptmann, dem der Major und der Herr Oberst immer von neuem damit in den Ohren lagen, sie sollen mehr darauf halten, daß ich endlich kein hohles Kreuz mehr mache und daß ich vor und in der Front eine bessere Haltung einnähme. Soweit es bei einem Kreuz möglich ist, hing mir auch mein Kreuz meterlang zum Halse heraus, und um aus der Front heraus zu kommen, versuchte ich das Examen zur Kriegsakademie, obgleich ich damals noch Rekruten auszubilden hatte und um Geld zu verdienen, auch schriftstellerisch tätig sein mußte. Aber mit einem anderen Kameraden des Regiments zusammen versuchte ich mein Glück. Einmal in der Woche fuhren wir nach dem Altonaer Generalkommando, um dort von einem Hauptmann des Generalstabes taktischen Unterricht zu erhalten. Dieser Hauptmann hieß von Falkenhayn und ist der jetzige Besieger der Rumänen. Ich habe wie ein Wilder gearbeitet und mein möglichstes getan, um mein Ziel zu erreichen, aber es gelang mir trotzdem nicht, es konnte auch nicht gelingen, weil ich Rekruten ausbilden mußte, während sonst die Offiziere, die sich zur Akademie vorbereiten, nach Möglichkeit von jedem Dienst auf dem Kasernenhofe freizuhalten sind.

Ich führte schon damals gewissermaßen ein Doppelleben. Ich war Offizier und Schriftsteller zugleich, aber gerade deshalb war ich wohl kein guter Offizier, wenigstens in bezug auf meine körperliche Haltung nicht. Sonst aber habe ich für die Ausbildung meiner Rekruten manches Lob geerntet und ich hatte sogar den Ruf, der beste Instruktionsoffizier im Regiment zu sein. Aber meine unglückliche körperliche Haltung, namentlich mein hohles Kreuz, haben nicht nur mir, sondern auch meinen Vorgesetzten viele bittere Stunden bereitet. Mit einem hohlen Kreuz war ich auf die Welt gekommen und als ich Fähnrich war und den schweren Tornister mit dem Sandsack, oder wie damals viel üblich, mit den schweren Mauersteinen auf dem Rücken tragen mußte, verschlimmerte sich das Übel. Die schwere Last drückte die Schultern herunter und unwillkürlich streckte ich den Leib vor, um mir dadurch das Gewicht zu erleichtern. Hundert-, nein tausendmal habe ich es mir sagen lassen müssen: „Leutnant Graf Baudissin, machen Sie kein hohles Kreuz, nehmen Sie den Leib zurück.” Ich habe es hundert-, nein tausendmal versucht, diesem Befehl nachzukommen, aber es ging nicht. Es war schrecklich für mich, aber auch schrecklich für meinen Hauptmann, dem der Major und der Herr Oberst immer von neuem damit in den Ohren lagen, sie sollen mehr darauf halten, daß ich endlich kein hohles Kreuz mehr mache und daß ich vor und in der Front eine bessere Haltung einnähme. Soweit es bei einem Kreuz möglich ist, hing mir auch mein Kreuz meterlang zum Halse heraus, und um aus der Front heraus zu kommen, versuchte ich das Examen zur Kriegsakademie, obgleich ich damals noch Rekruten auszubilden hatte und um Geld zu verdienen, auch schriftstellerisch tätig sein mußte. Aber mit einem anderen Kameraden des Regiments zusammen versuchte ich mein Glück. Einmal in der Woche fuhren wir nach dem Altonaer Generalkommando, um dort von einem Hauptmann des Generalstabes taktischen Unterricht zu erhalten.
Ich habe wie ein Wilder gearbeitet und mein möglichstes getan, um mein Ziel zu erreichen, aber es gelang mir trotzdem nicht, es konnte auch nicht gelingen, weil ich Rekruten ausbilden mußte, während sonst die Offiziere, die sich zur Akademie vorbereiten, nach Möglichkeit von jedem Dienst auf dem Kasernenhofe freizuhalten sind.


Das alte Lied und das alte Leiden ging weiter. Da war es für mich eine sehr willkommene Abwechselung, als ich für vier Wochen nach Harburg zu den Pionieren abkommandiert wurde. Das war eine sorglose, lustige, schöne Zeit, und die Unterbrechung, die sie erhielt, war auch sehr nett. Es war die Eröffnung des Nordostseekanals(29), in Hamburg trafen fast alle Fürstlichkeiten dieser Welt ein, die natürlich von einer Ehrenkompagnie am Bahnhof in Empfang genommen werden mußten, und da es zu diesem Zwecke an Offizieren fehlte, wurden auch die abkommandierten für ein paar Tage zurückgerufen. Auch ich mußte mitmachen und wir standen fast den ganzen Tag auf dem großen freien Platz vor dem alten Dammtorbahnhof und nahmen Fürsten in Empfang. Ein Abschreiten der Front durch den hohen Herrn, ein Vorbeimarsch, dann stieg der Fürst in seinen Wagen, um in sein Quartier zu fahren, wir aber marschierten mit klingendem Spiel ab, um schon nach wenigen Minuten, wenn der Fürst nicht mehr sichtbar war, umzukehren und um einen neuen Fürsten in Empfang zu nehmen. Bei der Gelegenheit habe ich mir natürlich auch einen Orden(30) verdient, denn jeder Fürst verlieh an die Ehrenkompagnie, an seine Ehrenkompagnie, so und so viele Orden. Die Orden regneten nur so auf uns herab und es ist tatsächlich vorgekommen, daß die auf dem Generalkommando abgegebenen Orden später im Kasino verlost und ausgeknobelt wurden. Es wurde darauf gehalten, daß namentlich von den Hauptleuten der eine nicht zuviel und der andere nicht zuwenig bekam. Und so erinnere ich mich, daß ein Hauptmann einen Orden erhielt, der eigentlich für einen anderen bestimmt war, aber der andere hatte schon zwei und er selbst hatte noch gar keinen.

Das alte Lied und das alte Leiden ging weiter. Da war es für mich eine sehr willkommene Abwechselung, als ich für vier Wochen nach Harburg zu den Pionieren abkommandiert wurde. Das war eine sorglose, lustige, schöne Zeit, und die Unterbrechung, die sie erhielt, war auch sehr nett. Es war die Eröffnung des Nordostseekanals, in Hamburg trafen fast alle Fürstlichkeiten dieser Welt ein, die natürlich von einer Ehrenkompagnie am Bahnhof in Empfang genommen werden mußten, und da es zu diesem Zwecke an Offizieren fehlte, wurden auch die abkommandierten für ein paar Tage zurückgerufen. Auch ich mußte mitmachen und wir standen fast den ganzen Tag auf dem großen freien Platz vor dem alten Dammtorbahnhof und nahmen Fürsten in Empfang. Ein Abschreiten der Front durch den hohen Herrn, ein Vorbeimarsch, dann stieg der Fürst in seinen Wagen, um in sein Quartier zu fahren, wir aber marschierten mit klingendem Spiel ab, um schon nach wenigen Minuten, wenn der Fürst nicht mehr sichtbar war, umzukehren und um einen neuen Fürsten in Empfang zu nehmen. Bei der Gelegenheit habe ich mir natürlich auch einen Orden verdient, denn jeder Fürst verlieh an die Ehrenkompagnie, an seine Ehrenkompagnie, so und so viele Orden. Die Orden regneten nur so auf uns herab und es ist tatsächlich vorgekommen, daß die auf dem Generalkommando abgegebenen Orden später im Kasino verlost und ausgeknobelt wurden. Es wurde darauf gehalten, daß namentlich von den Hauptleuten der eine nicht zuviel und der andere nicht zuwenig bekam. Und so erinnere ich mich, daß ein Hauptmann einen Orden erhielt, der eigentlich für einen anderen bestimmt war, aber der andere hatte schon zwei und er selbst hatte noch gar keinen.


Einen anderen Orden, auf den ich mehr Wert gelegt hätte, hätte ich mir beinahe bei einer anderen Gelegenheit verdient. Mit einem inzwischen leider verstorbenen Hauptmann war ich während der Cholerazeit in Hamburg. Das Regiment war im Manöver, als die Cholera ausbrach(31), und kam auch nach dem Manöver nicht gleich zurück, sondern wurde bis zum Erlöschen der Seuche in Schleswig-Holstein einquartiert. Als das Regiment auf der Fahrt dorthin Hamburg passierte, gingen der Hauptmann und ich auf den Bahnhof, um uns bei den Vorgesetzten zu melden, aber den Weg hätten wir uns sparen können, denn die hohen Herren waren für uns nicht zu sprechen, die standen hinter den dichtverschlossenen Kupeefenstern, ebenso wie die Mannschaften. Zum Schutze gegen die verdammten Cholerabazillen durfte kein Fenster geöffnet werden, man winkte uns nur zu und man tat es mit einem Gesicht, in dem deutlich zu lesen war: „Ihr armen Kerls, ihr werdet nun auch bald die Cholera bekommen und sicher sehen wir euch heute zum letztenmal.” Aber wir blieben gesund und ich habe auch nicht einen Augenblick gefürchtet, krank zu werden, da wir natürlich in allem sehr vorsichtig lebten. Aber schön war die Zeit nicht. In der kleinen Straße der Kaserne gegenüber, in der ich damals wohnte, starb in jedem Hause einer, und als ein Kamerad mich einmal schriftlich bat, ihm etwas aus seiner Wohnung zu holen und nachzuschicken, wurde gerade ein Cholerakranker von den Krankenträgern die Treppe heruntergetragen, als ich die Treppe hinaufstieg. Nein, schön war die Zeit nicht, wenn man den ganzen Tag die Krankenwagen mit den Cholerakranken durch die Straßen der Stadt fahren sah. Und schön waren auch die Nächte nicht, wenn man die Wagen auf den Gummirädern dahinrollen hörte. Das Trab-Trab der Pferde klang beinahe unheimlich. Hamburg war wie ausgestorben, und wie es auch geschäftlich still lag, bewies mir ein Tag, an dem es mir selbst auf der Hamburger Hauptpost nicht möglich war, einen Tausendmarkschein gewechselt zu bekommen. Selbst die große Post hatte kein Geld, weil kein Mensch Geld einzahlte. Nein, es war nicht schön. Zum Beweise dessen eine kleine Episode. Wir waren eines Mittags bei dem ebenfalls in Hamburg zurückgebliebenen Bezirksadjutanten zu Tisch, dessen Frau uns erzählte, sie habe am Morgen den Bäckerjungen ausgescholten, weil er die Semmeln so spät brachte. Der aber habe ihr zur Antwort gegeben, er hätte nicht eher kommen können, er habe in der Nacht mit seinem Brotwagen eine Leiche fortschaffen müssen. Ob das wahr war, oder ob der Junge sich das nur erfand, um sich bei der Dame für die erhaltene Ausschelte zu rächen, weiß ich natürlich nicht, aber damals glaubten wir es und fast glaube ich es auch heute noch, denn die Zahl der Toten war so groß, daß die Leichenwagen natürlich nicht annähernd ausreichten und daß selbst Möbelwagen und andere Fuhrwerke zur Hilfe genommen werden mußten.

Einen anderen Orden, auf den ich mehr Wert gelegt hätte, hätte ich mir beinahe bei einer anderen Gelegenheit verdient. Mit einem inzwischen leider verstorbenen Hauptmann war ich während der Cholerazeit in Hamburg. Das Regiment war im Manöver, als die Cholera ausbrach, und kam nach dem Manöver nicht gleich zurück, sondern wurde bis zum Erlöschen der Seuche in Schleswig-Holstein einquartiert. Als das Regiment auf der Fahrt dorthin Hamburg passierte, gingen der Hauptmann und ich auf den Bahnhof, um uns bei den Vorgesetzten zu melden, aber den Weg hätten wir uns sparen können, denn die hohen Herren waren für uns nicht zu sprechen, die standen hinter den dichtverschlossenen Kupeefenstern, ebenso wie die Mannschaften. Zum Schutze gegen die verdammten Cholerabazillen durfte kein Fenster geöffnet werden, man winkte uns nur zu und man tat es mit einem Gesicht, in dem deutlich zu lesen war: „Ihr armen Kerls, ihr werdet nun auch bald die Cholera bekommen und sicher sehen wir euch heute zum letztenmal.” Aber wir blieben gesund und ich habe auch nicht einen Augenblick gefürchtet, krank zu werden, da wir natürlich in allem sehr vorsichtig lebten. Aber schön war die Zeit nicht. In der kleinen Straße der Kaserne gegenüber, in der ich damals wohnte, starb in jedem Hause einer, und als ein Kamerad mich einmal schriftlich bat, ihm etwas aus seiner Wohnung zu holen und nachzuschicken, wurde gerade ein Cholerakranker von den Krankenträgern die Treppe heruntergetragen, als ich die Treppe hinaufstieg. Nein, schön war die Zeit nicht, wenn man den ganzen Tag die Krankenwagen mit den Cholerakranken durch die Straßen der Stadt fahren sah. Und schön waren auch die Nächte nicht, wenn man die Wagen auf den Gummirädern dahinrollen hörte. Das Trab-Trab der Pferde klang beinahe unheimlich. Hamburg war wie ausgestorben, und wie es auch geschäftlich still lag, bewies mir ein Tag, an dem es mir selbst auf der Hamburger Hauptpost nicht möglich war, einen Tausendmarkschein gewechselt zu bekommen. Selbst die große Post hatte kein Geld, weil kein Mensch Geld einzahlte. Nein, es war nicht schön. Zum Beweise dessen eine kleine Episode. Wir waren eines Mittags bei dem ebenfalls in Hamburg zurückgebliebenen Bezirksadjutanten zu Tisch, dessen Frau uns erzählte, sie habe am Morgen den Bäckerjungen ausgescholten, weil er die Semmeln so spät brachte. Der aber habe ihr zur Antwort gegeben, er hätte nicht eher kommen können, er habe in der Nacht mit seinem Brotwagen eine Leiche fortschaffen müssen. Ob das wahr war, oder ob der Junge sich das nur erfand, um sich bei der Dame für die erhaltene Ausschelte zu rächen, weiß ich natürlich nicht, aber damals glaubten wir es und fast glaube ich es auch heute noch, denn die Zahl der Toten war so groß, daß die Leichenwagen natürlich nicht annähernd ausreichten und daß selbst Möbelwagen und andere Fuhrwerke zur Hilfe genommen werden mußten.


Während der Cholerazeit hatten wir die Kaserne voll. Zunächst das Wachtkommando, dann vielleicht hundert zu einer Übung eingezogene Schiffahrtstreibende und schließlich die meinem speziellen Kommando unterstellten Volksschullehrer, weit über hundert, die eine achtwöchentliche Übung ablegten. Wir hatten zwei schwere Aufgaben, erstens, darauf zu achten, daß die Cholera nicht in die Kaserne kam und zweitens erst recht darauf, daß die Mannschaften weder bei Tage noch bei Nacht mit Zivilisten in Berührung kämen und so vielleicht die Cholera einschleppten. Das erstere war ein Kinderspiel im Vergleich mit dem letzteren, denn draußen vor der Kaserne standen die jungen Mädchen und winkten den Soldaten verführerisch zu. Die Hamburger Schiffahrtstreibenden hatten ihre Frauen und ihre Bräute, die sich nach dem Herzallerliebsten sehnten und auch ohnedem kann man sich ungefähr vorstellen, was es heißt, hunderte von jungen, starken, kräftigen Menschen selbst an den Sonntagen in der Kaserne festzuhalten. Was haben wir uns da nicht alles ausdenken müssen, um die Leute zu unterhalten und zu beschäftigen. Eine willkommene Zugabe war es da, als eine auswärtige Regimentskapelle, die im Zoologischen Garten konzertiert hatte, zu uns in die Kaserne in die Quarantäne kam. Die Leute haben den ganzen Tag auf dem Kasernenhofe ein Konzert nach dem anderen geben müssen, des Abends spielten sie natürlich erst recht und sie taten es sogar voller Liebe und Begeisterung. Wir mußten jede Nacht die Betten revidieren, um uns zu überzeugen, ob die Kerls auch wirklich drinnen lägen. Wir glaubten bei diesen nächtlichen Revisionen so schlau wie nur möglich vorzugehen, aber die Kerls waren noch schlauer, die kniffen trotz alledem doch durch einen Kohlenkeller aus. Glücklicherweise kamen wir sehr schnell dahinter, dem Kohlenkellerausgang wurde ein verfluchter Riegel vorgeschoben, vor diesem Riegel aber stand fortan ein Posten und dieser Posten wurde die ganze Nacht hindurch von uns Offizieren, aber auch von den Unteroffizieren revidiert. Das half, nun blieben die Vöglein wirklich im Bauer, aber wir waren trotzdem froh, als die Cholera endlich offiziell für erloschen erklärt wurde und als das Regiment nach Hamburg zurückkam. Unser damaliger Kommandierender General, der durch den Chinafeldzug weltbekannte Graf Alfred von Waldersee, erkannte an, daß wir in der Kaserne keine leichte Arbeit gehabt hatten. Er gab auch sofort den Ältesten von uns, den Hauptmann, zu einem Orden ein und ließ unsern Oberst wissen, er sei gern bereit, weitere Ordensvorschläge empfehlen weiter zu geben und er sähe solchen Vorschlägen entgegen. Aber unser Oberst(32) schlug nicht vor, sondern ab. Da er wohl selbst nach seiner Ansicht noch nicht genug Orden hatte, brauchten auch wir keine, weder ich, noch die Feldwebel und Unteroffiziere. Wozu auch einen Orden? Wir hatten doch nur unsere Pflicht getan – na, heute lache ich darüber, aber damals, als junger Leutnant, habe ich mich über die Auszeichnung, die ich nicht erhielt, schmählich geärgert.

Während der Cholerazeit hatten wir die Kaserne voll, zunächst das Wachtkommando, dann vielleicht hundert zu einer Übung eingezogene Schiffahrtstreibende und schließlich die meinem speziellen Kommando unterstellten Volksschullehrer, weit über hundert, die eine achtwöchentliche Übung ablegten. Wir hatten zwei schwere Aufgaben, erstens, darauf zu achten, daß die Cholera nicht in die Kaserne kam und zweitens erst recht darauf, daß die Mannschaften weder bei Tage noch bei Nacht mit Zivilisten in Berührung kämen und so vielleicht die Cholera einschleppten. Das erstere war ein Kinderspiel im Vergleich mit dem letzteren, denn draußen vor der Kaserne standen die jungen Mädchen und winkten den Soldaten verführerisch zu. Die Hamburger Schiffahrtstreibenden hatten ihre Frauen und ihre Bräute, die sich nach dem Herzallerliebsten sehnten und auch ohnedem kann man sich ungefähr vorstellen, was es heißt, hunderte von jungen, starken, kräftigen Menschen selbst an den Sonntagen in der Kaserne festzuhalten. Was haben wir uns da nicht alles ausdenken müssen, um die Leute zu unterhalten und zu beschäftigen. Eine willkommene Zugabe war es da, als eine auswärtige Regimentskapelle, die im Zoologischen Garten konzertiert hatte, zu uns in die Kaserne in die Quarantäne kam. Die Leute haben den ganzen Tag auf dem Kasernenhofe ein Konzert nach dem anderen geben müssen, des Abends spielten sie natürlich erst recht und sie taten es sogar voller Liebe und Begeisterung. Wir mußten jede Nacht die Betten revidieren, um uns zu überzeugen, ob die Kerls auch wirklich drinnen lägen. Wir glaubten bei diesen nächtlichen Revisionen so schlau wie nur möglich vorzugehen, aber die Kerls waren noch schlauer, die kniffen trotz alledem doch durch einen Kohlenkeller aus. Glücklicherweise kamen wir sehr schnell dahinter, dem Kohlenkellerausgang wurde ein verfluchter Riegel vorgeschoben, vor diesem Riegel aber stand fortan ein Posten und dieser Posten wurde die ganze Nacht hindurch von uns Offizieren, aber auch von den Unteroffizieren revidiert. Das half, nun blieben die Vöglein wirklich im Bauer, aber wir waren trotzdem froh, als die Cholera endlich offiziell für erloschen erklärt wurde und als das Regiment nach Hamburg zurückkam. Unser damaliger Kommandierender General, der durch den Chinafeldzug weltbekannte Graf Alfred von Waldersee, erkannte an, daß wir in der Kaserne keine leichte Arbeit gehabt hatten. Er gab auch sofort den Ältesten von uns, den Hauptmann, zu einem Orden ein und ließ unsern Oberst wissen, er sei gern bereit, weitere Ordensvorschläge empfehlen weiter zu geben und er sähe solchen Vorschlägen entgegen. Aber unser Oberst schlug nicht vor, sondern ab. Da er wohl selbst nach seiner Ansicht noch nicht genug Orden hatte, brauchten auch wir keine, weder ich, noch die Feldwebel und Unteroffiziere. Wozu auch einen Orden? Wir hatten doch nur unsere Pflicht getan – na, heute lache ich darüber, aber damals, als junger Leutnant, habe ich mich über die Auszeichnung, die ich nicht erhielt, schmählich geärgert.


Und noch ein anderes Mal hätte ich beinahe einen Orden, allerdings wieder nur einen Paradeorden, erhalten. Und das kam so. Um mir endlich, aber auch endlich, eine gute Haltung beizubringen, war ich zu einer Kompagnie versetzt worden, dessen Hauptmann(33) eine glänzende militärische Erscheinung war, groß, schlank, nur aus Haut und Knochen bestehend, tadellose Figur. Obgleich von diesem Hauptmann die Sage ging, er sei poetisch veranlagt, er tränke zu Hause nur Limonade und mache bei diesem berauschenden Getränk lyrische Gedichte, war er von uns Leutnants als Vorgesetzter gefürchtet wie kein anderer. Und ich habe einmal in meiner Wohnung einen lieben Kameraden trösten müssen, der als Offizier weinend und schluchzend bei mir saß, weil er mir immer wieder erklärte, er könne das Leben bei dieser Kompagnie, bei diesem Hauptmann nicht länger ertragen. Dabei war der Leutnant eine glänzende Erscheinung, ich aber sollte die erst werden, und zwar durch diesen Hauptmann, der ein ausgezeichneter Soldat war, der aber das Wort „Rücksicht” weder gegen sich, noch gegen seine Untergebenen nicht einmal dem Namen nach zu kennen schien. Wie ich es bei der Kompagnie ein oder gar zwei Jahre aushalten solle, war mir ein Rätsel. Da wurde ich eines Morgens von dem Hauptmann mit der Frage überrascht, ob ich ein Paar tadellose hohe Lackstiefel habe, wenn nicht, solle ich mir die sofort anfertigen lassen. Das Warum und Weshalb wurde mir nicht mitgeteilt, aber daß große Paradedinge in der Luft lagen, erriet ich sofort und bald erfuhr ich auch das Nähere. Seine Majestät der Kaiser hatte sich mit dem Fürsten Bismarck ausgesöhnt, wollte diesen in Friedrichsruh, das ja bekanntlich dicht bei Hamburg liegt, besuchen(34) und unsere Kompagnie sollte als Ehrenkompagnie nach Friedrichsruh kommen. Natürlich waren wir ob dieser Auszeichnung sehr stolz und freuten uns, diesem historischen Ereignis als Zeugen beiwohnen zu dürfen. Aber da kam für mich ein bitterer Schlag. Es wurde mir erklärt, für mich werde ein anderer Leutnant in die Kompagnie eintreten, da meine Haltung und mein Parademarsch Seiner Majestät dem Kaiser nicht gerade sehr angenehm auffallen würden, und da das unter allen Umständen vermieden werden müsse.(34a)

Und noch ein anderes Mal hätte ich beinahe einen Orden, allerdings wieder nur einen Paradeorden, erhalten. Und das kam so. Um mir endlich, aber auch endlich, eine gute Haltung beizubringen, war ich zu einer Kompagnie versetzt worden, dessen Hauptmann eine glänzende militärische Erscheinung war, groß, schlank, nur aus Haut und Knochen bestehend, tadellose Figur. Obgleich von diesem Hauptmann die Sage ging, er sei poetisch veranlagt, er tränke zu Hause nur Limonade und mache bei diesem berauschenden Getränk lyrische Gedichte, war er von uns Leutnants als Vorgesetzter gefürchtet wie kein anderer. Und ich habe einmal in meiner Wohnung einen lieben Kameraden trösten müssen, der als Offizier weinend und schluchzend bei mir saß, weil er mir immer wieder erklärte, er könne das Leben bei dieser Kompagnie, bei diesem Hauptmann nicht länger ertragen. Dabei war der Leutnant eine glänzende Erscheinung, ich aber sollte die erst werden, und zwar durch diesen Hauptmann, der ein ausgezeichneter Soldat war, der aber das Wort „Rücksicht” weder gegen sich, noch gegen seine Untergebenen nicht einmal dem Namen nach zu kennen schien. Wie ich es bei der Kompagnie ein oder gar zwei Jahre aushalten solle, war mir ein Rätsel. Da wurde ich eines Morgens von dem Hauptmann mit der Frage überrascht, ob ich ein Paar tadellose hohe Lackstiefel habe, wenn nicht, solle ich mir die sofort anfertigen lassen. Das Warum und Weshalb wurde mir nicht mitgeteilt, aber daß große Paradedinge in der Luft lagen, erriet ich sofort und bald erfuhr ich auch das Nähere. Seine Majestät der Kaiser hatte sich mit dem Fürsten Bismarck ausgesöhnt, wollte diesen in Friedrichsruh, das ja bekanntlich dicht bei Hamburg liegt, besuchen und unsere Kompagnie sollte als Ehrenkompagnie nach Friedrichsruh kommen. Natürlich waren wir ob dieser Auszeichnung sehr stolz und freuten uns, diesem historischen Ereignis als Zeugen beiwohnen zu dürfen. Aber da kam für mich ein bitterer Schlag. Es wurde mir erklärt, für mich werde ein anderer Leutnant in die Kompagnie eintreten, da meine Haltung und mein Parademarsch Seiner Majestät dem Kaiser nicht gerade sehr angenehm auffallen würden, und da das unter allen Umständen vermieden werden müsse.


Es dauerte lange, bis ich mich beruhigt hatte und schließlich kam es dahin, daß meine Vorgesetzten mich baten, damit einverstanden zu sein, daß ein anderer Leutnant für mich die paar Tage bei der Kompagnie einträte. Auch das war noch eine Demütigung für mich, aber trotzdem nahm ich sie hin, weil mich plötzlich ein kluger Gedanke durchzuckte. So erklärte ich denn: „Schön, ich träte zurück, aber nur unter der Bedingung, daß nicht nur für ein paar Tage, sondern für immer ein anderer Leutnant bei der Kompagnie eintritt, denn ich müßte mich ja vor den Mannschaften und den Unteroffizieren der Kompagnie schämen, wenn ich später wieder in der Kompagnie Dienst täte und zum Ansehen meiner Person, zur Hebung meines Ansehens als Vorgesetzter trüge das ganz gewiß nicht bei.” Was ich nicht zu hoffen gewagt hatte, erfüllte sich dennoch, meine Worte leuchteten den Vorgesetzten ein und ich wurde noch an demselben Tage zu einer anderen Kompagnie(35) versetzt. Die Freude darüber, den Hauptmann nun los zu sein, war so riesengroß, daß ich darüber die Enttäuschung, nicht mit nach Friedrichsruh zu kommen, ganz vergaß und ich habe mir später erzählen lassen, so groß, so feierlich und erhaben auch der Besuch Seiner Majestät des Kaisers in Friedrichsruh gewesen sei, die Kompagnie habe in den Tagen nichts zu lachen gehabt, denn die mußte den weiten Weg dorthin zu Fuß zurücklegen, und wenn sich während des Marsches dorthin eine Gelegenheit bot, bog der Hauptmann mit seinen Leuten vom Wege ab, um auf einem Sturzacker oder auf einem Stoppelfeld Parademarsch zu üben. Und als die Kompagnie trotzdem endlich an Ort und Stelle ankam, wurde natürlich wieder Parademarsch geübt.

Es dauerte lange, bis ich mich beruhigt hatte und schließlich kam es dahin, daß meine Vorgesetzten mich baten, damit einverstanden zu sein, daß ein anderer Leutnant für mich die paar Tage bei der Kompagnie einträte. Auch das war noch eine Demütigung für mich, aber trotzdem nahm ich sie hin, weil mich plötzlich ein kluger Gedanke durchzuckte. So erklärte ich denn: „Schön, ich träte zurück, aber nur unter der Bedingung, daß nicht nur für ein paar Tage, sondern für immer ein anderer Leutnant bei der Kompagnie eintritt, denn ich müßte mich ja vor den Mannschaften und den Unteroffizieren der Kompagnie schämen, wenn ich später wieder in der Kompagnie Dienst täte und zum Ansehen meiner Person, zur Hebung meines Ansehens als Vorgesetzter trüge das ganz gewiß nicht bei.” Was ich nicht zu hoffen gewagt hatte, erfüllte sich dennoch, meine Worte leuchteten den Vorgesetzten ein und ich wurde noch an demselben Tage zu einer anderen Kompagnie versetzt. Die Freude darüber, den Hauptmann nun los zu sein, war so riesengroß, daß ich darüber die Enttäuschung, nicht mit nach Friedrichsruh zu kommen, ganz vergaß und ich habe mir später erzählen lassen, so groß, so feierlich und erhaben auch der Besuch Seiner Majestät des Kaisers in Friedrichsruh gewesen sei, die Kompagnie habe in den Tagen nichts zu lachen gehabt, denn die mußte den weiten Weg dorthin zu Fuß zurücklegen, und wenn sich während des Marsches dorthin eine Gelegenheit bot, bog der Hauptmann mit seinen Leuten vom Wege ab, um auf einem Sturzacker oder auf einem Stoppelfeld Parademarsch zu üben. Und als die Kompagnie trotzdem endlich an Ort und Stelle ankam, wurde natürlich wieder Parademarsch geübt.


Damals bin ich nicht nach Friedrichsruh gekommen und habe den Paradeorden(36) nicht erhalten, dafür aber war ich bei zwei anderen Gelegenheiten draußen, bei denen ich den Fürsten Bismarck aus nächster Nähe sah und sprechen hörte, einmal bei der Huldigungsfahrt der Schleswig-Holsteiner und dann bei Bismarcks 80. Geburtstage(37). Aus dieser Veranlassung waren damals zahllose Journalisten und Zeichner in Friedrichsruh anwesend und wenn der Dienst es irgendwie erlaubte, fuhr auch ich jeden Nachmittag hinaus, und ich habe dort mit dem verstorbenen Ludwig Pietsch, mit Paul Lindenberg, Reinhold Cronheim, mit dem ebenfalls verstorbenen feinsinnigen Erzähler Hans Hoffmann und mit vielen anderen feucht-fröhliche Stunden verlebt. Auch Emil Limmer, der frühere langjährige Zeichner der „Berliner Illustrirten Zeitung”, der später auch den Prinzen Heinrich auf seiner Amerikafahrt begleitete, war da, das größte und lustigste Original, das ich jemals kennen gelernt habe und der derartig sächselte, daß sogar sein Papagei Jacko im schönsten sächsischen Dialekt sprach, wie ich später mit eigenen Ohren hörte, als ich nach Dresden gezogen war und dort durch einen Zufall Emil Limmer gegenüber wohnte.

Damals bin ich nicht nach Friedrichsruh gekommen und habe den Paradeorden nicht erhalten, dafür aber war ich bei zwei anderen Gelegenheiten draußen, bei denen ich den Fürsten Bismarck aus nächster Nähe sah und sprechen hörte, einmal bei der Huldigungsfahrt der Schleswig-Holsteiner und dann bei Bismarcks 80. Geburtstage. Aus dieser Veranlassung waren damals zahllose Journalisten und Zeichner in Friedrichsruh anwesend und wenn der Dienst es irgendwie erlaubte, fuhr auch ich jeden Nachmittag hinaus, und ich habe dort mit dem verstorbenen Ludwig Pietsch,
mit dem ebenfalls verstorbenen feinsinnigen Erzähler Hans Hoffmann und mit vielen anderen feucht-fröhliche, lustige Stunden verlebt. Auch Emil Limmer, der frühere langjährige Zeichner der „Berliner Illustrierten Zeitung”, der später auch den Prinzen Heinrich auf seiner Amerikafahrt begleitete, war da, das größte und lustigste Original, das ich jemals kennen gelernt habe und der derartig sächselte, daß sogar sein Papagei Jacko im schönsten sächsischen Dialekt sprach, wie ich später mit eigenen Ohren hörte, als ich nach Dresden gezogen war und dort durch einen Zufall Emil Limmer gegenüber wohnte.


Noch aber war ich in Hamburg Offizierssoldat und ich blieb es, bis ich später nach meiner Vaterstadt Schleswig zu dem Infanterie-Regiment von Manstein Nr. 84 versetzt wurde. Wenn ich singen könnte, würde ich meine Stimme zu dem schönen Liede erheben: „Das war eine köstliche Zeit!” Ja, das war sie wirklich. Äußerst angenehme Vorgesetzte(38), sehr angenehme dienstliche Verhältnisse, reizende Kameraden, ein außerordentlich lustiger und netter gesellschaftlicher Verkehr.

Noch aber war ich in Hamburg Offizierssoldat und ich blieb es, bis ich später nach meiner Vaterstadt Schleswig zu dem Infanterie-Regiment von Manstein Nr. 84 versetzt wurde. Wenn ich singen könnte, würde ich meine Stimme zu dem schönen Liede erheben: „Das war eine köstliche Zeit!” Ja, das war sie wirklich. Äußerst angenehme Vorgesetzte, sehr angenehme dienstliche Verhältnisse, reizende Kameraden, ein außerordentlich lustiger und netter gesellschaftlicher Verkehr.


Am meisten aber verkehrte ich mit meinem schon früher erwähnten Vetter Hermann Heiberg, der inzwischen von Berlin nach Schleswig übergesiedelt war, wo sein Bruder, Julius, Bürgermeister war und wo seine alte Mutter, meine Tante Asta Heiberg lebte, die jedesmal, wenn sie gefragt wurde, welcher ihrer beiden Söhne ihr der Liebste sei, die Antwort gab: „Der eine ist mein Glück und der andere ist mein Sonnenschein.” Aber sie sagte nie, welcher für die das Glück und welcher für sie die Sonnen bedeute. Mit Hermann Heiberg habe ich schon deshalb am meisten verkehrt, weil wir durch unsere Schreiberei gemeinsame Interessen hatten. Hermann Heiberg übte große Gastfreundschaft aus und es kam mancher, der auf irgendeinem Gebiet seinen Weg machen wollte, nach Schleswig gewandert, um Hermann Heiberg um Rat zu fragen, sein Urteil zu erbitte, oder um sich von ihm eine Empfehlung zu holen. Unter den letzteren kam auch einmal einer nach Schleswig gefahren, einer, den jetzt die ganze Welt kennt, einer, mit dem mich seit der Schleswiger Zeit treue Freundschaft verbindet und der stets und mit vollem Recht behauptet, er sei mein Prophete. Jetzt kennt alle Welt meinen lieben Freund, den Professor Marcell Salzer(39). Damals aber kam er als gänzlich Unbekannter, um uns im kleinsten Kreise etwas vorzulesen. Damals im kleinsten Kreise, jetzt reichen oft die größten Säle nicht aus, um die Zahl seiner Zuhörer zu fassen, und es ist mir stets eine große Freude, wenn auf dem reichhaltigen Programm auch der Name Schlicht verzeichnet steht.

Am meisten aber verkehrte ich mit meinem schon früher erwähnten Vetter Hermann Heiberg, der inzwischen von Berlin nach Schleswig übergesiedelt war,





das auch schon deshalb, weil wir durch unsere Schreiberei gemeinsame Interessen hatten. Hermann Heiberg übte große Gastfreundschaft aus und es kam mancher, der auf irgendeinem Gebiet seinen Weg machen wollte, nach Schleswig gewandert, um Hermann Heiberg um Rat zu fragen, sein Urteil zu erbitte, oder um sich von ihm eine Empfehlung zu holen. Unter den letzteren kam auch einmal einer nach Schleswig gefahren, einer, den jetzt die ganze Welt kennt, einer, mit dem mich seit der Schleswiger Zeit treue Freundschaft verbindet und der stets und mit vollem Recht behauptet, er sei mein Prophete. Jetzt kennt alle Welt meinen lieben Freund, den Professor Marcell Salzer. Damals aber kam er als gänzlich Unbekannter, um uns im kleinsten Kreise etwas vorzulesen. Damals im kleinsten Kreise, jetzt reichen oft die größten Säle nicht aus, um die Zahl seiner Zuhörer zu fassen, und es ist mir stets eine große Freude, wenn auf dem reichhaltigen Programm auch der Name Schlicht verzeichnet steht.


Ich(39b) bin so oft gefragt worden, warum ich mich eigentlich Freiherr von Schlicht nenne, wie ich auf den Namen verfallen sei. Das weiß ich eigentlich selber nicht und weiß es doch. Ich war eines Tages zu der Erkenntnis gekommen, daß ich mit den Honoraren, die ich mir als Graf Günther Rosenhagen verdiente, wohl schlank und mager bleiben, nie aber dick und fett werden könne. Ich sagte mir, so geht das nicht weiter, du mußt etwas anderes schreiben, in anderer Art. Da setzte ich mich hin und schrieb meine erste militärisch-­humoristisch-­satirische Plauderei und als das geschehen war, sagte ich mir: „Entweder kommst du mit der Zeit durch derartige Plaudereien auf den richtigen Weg, ober aber du gibst das Geschäft auf, verkaufst deinen Federhalter und dein Tintenfaß und wirst nun wieder Leutnant.” Aber ich sagte mir noch etwas anderes, daß ich mir für diese Plauderei ein neues Pseudonym erfinden müsse, denn daß ich eine so einfache, harmlose, schlichte Plauderei als Graf Günther von Rosenhagen in die Welt hinaus schicken sollte, widersprach meinem Empfinden. Ich hörte im Geiste die etwaigen Leser sagen: „Na, wenn das alles ist, was der edle Graf kann, dann braucht er sich darauf nicht viel einzubilden und deswegen braucht er nicht mit seinem Grafentitel zu renommieren.” Die Sache war, wie gesagt, zu einfach und schlicht, und plötzlich durchfuhr mich der Gedanke: Wie wäre es, wenn du dich nur Schlicht nennen würdest? Aber der Name war mir doch wieder zu schlicht und so erhob ich mich denn zum Freiherrn von Schlicht. Als ich damals den Freiherrntitel vor das Wort setzte, hatte ich keine Ahnung, daß es tatsächlich eine Familie von Schlicht gäbe, das erfuhr ich erst später. Das erstemal, als ich in Berlin bei einem Diner einen Maler von Schlicht kennen lernte, der absolut wissen wollte, wie wir denn eigentlich miteinander verwandt wären. Das zweitemal erfuhr ich es in Wien, als ich dort mit Franz von Schönthan zusammen mein Lustspiel „Im bunten Rock” schrieb. Ich war damals mutterseelenallein zu einem Militärkonzert gegangen. Die Musik war sehr schön, aber ich langweilte mich trotzdem fürchterlich. Da ließ ich mir ein paar Zeitungen geben und las dort zu meiner höchsten Überraschung im Kladderadatsch(39a) ein kleines Gedicht, das hier Platz finden soll, soweit ich es noch in der Erinnerung habe:

Ein Familienrat derer von Schlicht fand statt,
So meldet das Militärwochenblatt.
Entrüstet grollten die Edlen im Chor:
Einem Schlicht kommt nichts humoristisch vor,
Die öden Geschichten, verpönt und verhaßt,
Ein gewisser Graf Baudissin hat sie verfaßt;
Ein entarteter Graf, ein a.D. Leutenant,
Der Gott weiß wo, bei der Linie mal stand.

Ich bin so oft gefragt worden, warum ich mich eigentlich Freiherr von Schlicht nenne, wie ich auf den Namen verfallen sei. Das weiß ich eigentlich selber nicht und weiß es doch. Ich war eines Tages zu der Erkenntnis gekommen, daß ich mit den Honoraren, die ich mir als Graf Günther Rosenhagen verdiente, wohl schlank und mager bleiben, nie aber dick und fett werden könne. Ich sagte mir, so geht das nicht weiter, du mußt etwas anderes schreiben, in anderer Art. Da setzte ich mich hin und schrieb meine erste militärisch-­humoristisch-­satirische Plauderei und als das geschehen war, sagte ich mir: „Entweder kommst du mit der Zeit durch derartige Plaudereien auf den richtigen Weg, ober aber du gibst das Geschäft auf, verkaufst deinen Federhalter und dein Tintenfaß und wirst nun wieder Leutnant.” Aber ich sagte mir noch etwas anderes, daß ich mir für diese Plauderei ein neues Pseudonym erfinden müsse, denn daß ich eine so einfache, harmlose, schlichte Plauderei als Graf Günther von Rosenhagen in die Welt hinaus schicken sollte, widersprach meinem Empfinden. Ich hörte im Geiste die etwaigen Leser sagen: „Na, wenn das alles ist, was der edle Graf kann, dann braucht er sich darauf nicht viel einzubilden und deswegen braucht er nicht mit seinem Grafentitel zu renommieren.” Die Sache war, wie gesagt, zu einfach und schlicht, und plötzlich durchfuhr mich der Gedanke: Wie wäre es, wenn du dich nur Schlicht nennen würdest? Aber der Name war mir doch wieder zu schlicht und so erhob ich mich denn zum Freiherrn von Schlicht. Als ich damals den Freiherrntitel vor das Wort setzte, hatte ich keine Ahnung, daß es tatsächlich eine Familie von Schlicht gäbe, das erfuhr ich erst später. Das erstemal, als ich in Berlin bei einem Diner einen Maler von Schlicht kennen lernte, der absolut wissen wollte, wie wir denn eigentlich miteinander verwandt wären. Das zweitemal erfuhr ich es in Wien, als ich dort mit Franz von Schönthan zusammen mein Lustspiel „Im bunten Rock” schrieb. Ich war damals mutterseelenallein zu einem Militärkonzert gegangen. Die Musik war sehr schön, aber ich langweilte mich trotzdem fürchterlich. Da ließ ich mir ein paar Zeitungen geben und las dort zu meiner höchsten Überraschung im Kladderadatsch ein kleines Gedicht, das hier Platz finden soll, soweit ich es noch in der Erinnerung habe:

Ein Familienrat derer von Schlicht fand statt,
So meldet das Militärwochenblatt.
Entrüstet grollten die Edlen im Chor:
Einem Schlicht kommt nichts humoristisch vor,
Die öden Geschichten, verpönt und verhaßt,
Ein gewisser Graf Baudissin hat sie verfaßt;
Ein entarteter Graf, ein a.D. Leutenant,
Der Gott weiß wo, bei der Linie mal stand.


Meine erste militärisch-humoristisch-satirische Plauderei war in die Welt gegangen, sie wurde in dem damals in der Montagsnummer sehr verbreiteten und auch bei Hofe viel gelesenem Berliner „Kleinen Journal” veröffentlicht, ohne daß ich in dem stillen, ruhigen Schleswig etwas davon ahnte, welches Aufsehen die Plauderei erregte, hauptsächlich wohl deshalb, weil die Leute sich fragten: „Wer ist nur dieser Freiherr von Schlicht?” Daß es ein früherer Offizier sein müsse, schien allen klar zu sein, aber niemand begriff, daß ein Leutnant a.D. so satirisch zu schreiben wage. Die Frage. Wer ist der Schlicht? hat damals viele, selbst die höchsten Kreise beschäftigt. Sie tat es um so mehr, je regelmäßiger fortan des Montags meine Arbeiten im „Kleinen Journal” erschienen und je satirischer die mit der Zeit wurden. Wer war der Schlicht? Darauf, daß es ein aktiver Offizier sei, kam kein Mensch. Dr. Leo Leipziger, der damalige Besitzer des „Kleinen Journal” und seine Redakteure Max Schönau, Viktor Hahn, jetzt an der „National-Zeitung”, wenn ich nicht irre, und Reinhold Cronheim hielten den Mund. Und das tat auch ein anderer, der durch einen Zufall dahinter kam, wer der Schlicht war, das war ein früherer, sehr lieber Regimentskamerad, der in diesem Kriege als einer der ersten Offiziere auf dem Felde der Ehre gefallen ist. Daß der aber etwas erfuhr, das kam so: Ich ging eines Sonntags mittags in das Kasino und dort erzählt mir ein Hauptmann, er habe am Morgen von einem Freunde aus Berlin eine Zeitung zugestellt bekommen, in der eine famose Plauderei stände, betitelt „Die Kompagniebesichtigung”(40) und sein Kompagnieschreiber sei augenblicklich damit beschäftigt, die für ihn abzuschreiben. Wie unpraktisch, dachte ich im stillen, warum ersparst du dem Mann nicht die Arbeit und läßt dir nicht für zehn Pfennige eine Nummer kommen? Ich dachte aber noch manches andere, denn die Plauderei war von mir. Wie das so kam, weiß ich nicht mehr, genug, der Hauptmann ließ die Zeitung herunter holen und ich, ausgerechnet ich, bekam den ehrenvollen Auftrag, sie vorzulesen, was ich denn auch unter dem schallenden Gelächter der Kameraden tat. Aber als ich damit fertig war, rief mich der Kamerad, der viel bei mir im Hause verkehrte und der wohl ahnen mochte, daß ich schriftstellerte, aber der nichts von meinem Pseudonym ahnte, beiseite und flüsterte mir zu: „Du, Baudissin, ich will dir mal was sagen, die Geschichte ist von dir. Ich kenn dich doch und deine Redensarten und so, wie du es tatest, kann ein Mensch eine Sache nur vorlesen, wenn er ihren Inhalt genau kennt. Ich gelobe dir feierlichst, den Mund zu halten, nicht für heute, sondern für immer, aber unter einer Bedingung: Ich will heute den ganzen Sonntag Nachmittag hindurch auf deine Kosten soviel Sekt in mich hineingießen, wie nur irgend hineingeht.” Und um sein Schweigen zu erkaufen, erklärte ich mich damit einverstanden und billig wurde die Sache nicht, denn es ging unendlich viel Sekt in ihn hinein.

Meine erste militärisch-humoristisch-satirische Plauderei war in die Welt gegangen, sie wurde in dem damals in der Montagsnummer sehr verbreiteten und auch bei Hofe viel gelesenem Berliner „Kleinen Journal” veröffentlicht, ohne daß ich in dem stillen, ruhigen Schleswig etwas davon ahnte, welches Aufsehen die Plauderei erregte, hauptsächlich wohl deshalb, weil die Leute sich fragten: „Wer ist nur dieser Freiherr von Schlicht?” Daß es ein früherer Offizier sein müsse, schien allen klar zu sein, aber niemand begriff, daß ein Leutnant a.D. so satirisch zu schreiben wage. Die Frage. Wer ist der Schlicht? hat damals viele, selbst die höchsten Kreise beschäftigt. Sie tat es um so mehr, je regelmäßiger fortan des Montags meine Arbeiten im „Kleinen Journal” erschienen und je satirischer die mit der Zeit wurden. Wer war der Schlicht? Darauf, daß es ein aktiver Offizier sei, kam kein Mensch.
Der damalige Besitzer des „Kleinen Journal” und seine Redakteure

hielten den Mund. Und das tat auch ein anderer, der durch einen Zufall dahinter kam, wer der Schlicht war, das war ein früherer, sehr lieber Regimentskamerad, der in diesem Kriege als einer der ersten Offiziere auf dem Felde der Ehre gefallen ist. Daß der aber etwas erfuhr, das kam so: Ich ging eines Sonntags mittags in das Kasino und dort erzählt mir ein Hauptmann, er habe am Morgen von einem Freunde aus Berlin eine Zeitung zugestellt bekommen, in der eine famose Plauderei stände, betitelt „Die Kompagniebesichtigung” und sein Kompagnieschreiber sei augenblicklich damit beschäftigt, die für ihn abzuschreiben. Wie unpraktisch, dachte ich im stillen, warum ersparst du dem Mann nicht die Arbeit und läßt dir nicht für zehn Pfennige eine Nummer kommen? Ich dachte aber noch manches andere, denn die Plauderei war von mir. Wie das so kam, weiß ich nicht mehr, genug, der Hauptmann ließ die Zeitung herunter holen und ich, ausgerechnet ich, bekam den ehrenvollen Auftrag, sie vorzulesen, was ich denn auch unter dem schallenden Gelächter der Kameraden tat. Aber als ich damit fertig war, rief mich der Kamerad, der viel bei mir im Hause verkehrte und der wohl ahnen mochte, daß ich schriftstellerte, aber der nichts von meinem Pseudonym ahnte, beiseite und flüsterte mir zu: „Du, Baudissin, ich will dir mal was sagen, die Geschichte ist von dir. Ich kenn dich doch und deine Redensarten und so, wie du es tatest, kann ein Mensch eine Sache nur vorlesen, wenn er ihren Inhalt genau kennt. Ich gelobe dir feierlich, den Mund zu halten, nicht für heute, sondern für immer, aber unter einer Bedingung: Ich will heute den ganzen Sonntag Nachmittag hindurch auf deine Kosten soviel Sekt in mich hineingießen, wie nur irgend hineingeht.” Und um sein Schweigen zu erkaufen, erklärte ich mich damit einverstanden und billig wurde die Sache nicht, denn es ging unendlich viel Sekt in ihn hinein.


In Schleswig habe ich auch angefangen, Romane zu schreiben, richtiger gesagt, humoristisch-militärische Erzählungen in Romanform. Die Veranlassung dazu verdanke ich meinem väterlichen Freunde Dr. Gustav Janke, dem damaligen Inhaber des Verlages Otto Janke und dem Herausgeber der „Deutschen Romanzeitung”, der mich, Gott und er allein wußten warum, stets den Gefreiten Lederstrumpf nannte. Dr. Janke hatte schon kleine Arbeiten von mir veröffentlicht, als er mich eines Tages fragte, ob ich nicht den Versuch machen wolle, ein neuer Winterfeldt zu werden, das Talent dazu hätte ich nach seiner Überzeugung. Gleichzeitig erklärte er mir, wenn der Versuch gelänge, wolle er den ersten Roman gern in seiner Zeitschrift veröffentlichen und die Arbeit später auch als Buch heraus bringen. Für beides bot er mir ein für meine damaligen Verhältnisse sehr hohes Honorar. Die Aussicht lockte, ich fuhr von Berlin nach Schleswig zurück und setzte mich in meinen dienstfreien Stunden an den Schreibtisch, um meinen ersten Roman zu schreiben, ohne allerdings zu wissen, wie man das macht. Ich habe mehrere Tage ausschließlich von Federhaltern gelebt, die ich aufkaute, während ich nachdachte. Dann kam mir ein rettender Gedanke. Ich wollte zu schildern versuchen, wie es einem Leutnant gelänge, sich die Liebe eines jungen hübschen Mädchens zu erringen. Neu war das Thema ja gerade nicht, viele viele Jahre vor mir hat das schon ein gewisser Shakespeare in der „Bezähmten Widerspenstigen” bearbeitet, wenn sein Held auch nicht gerade ein Leutnant war. Als ich endlich wußte, was ich wollte, ging die Sache los. Als ich die ersten Sätze geschrieben hatte, erzählte ich meinem Vetter Hermann Heiberg voller Stolz: „Du, Hermann, ich habe heute damit angefangen, meinen ersten Roman zu schreiben”, aber etwas kleinlaut setzte ich hinzu: „ich bin verdammt neugierig, ob und wann ich damit zu Ende komme.” Und mein Vetter setzte ermutigend hinzu: „Ich auch”, denn er hielt nicht viel von meiner Schreiberei und hat mir oft erklärt, daß er meine Sachen scheußlich fände, soweit er die überhaupt las. Aber seine Zweifel ließen mich nicht mutlos werden, ich schrieb darauf los, ich schrieb wie ein wahnsinnig gewordener Wahnsinniger, und schon nach vierzehn Tagen konnte ich Hermann Heiberg auf einem Spaziergang erzählen: „Du, Hermann, der Roman ist fertig.” Ich werde nie das blödsinnige, verdutzte Gesicht vergessen, mit dem er mich ansah, bis er mir endlich zurief: „Wauwau, (er nannte mich stets so, statt Wolf) du bist verrückt. So schnell kann doch kein Mensch einen Roman fertig bringen, schicke die Arbeit nicht ab, du blamierst dich damit unsterblich und verdirbst es mit dem Verlag für immer. Hör auf mich.” Ich aber hörte nicht auf ihn, sondern schickte das Manuskript des Romanes ab (damals konnte man meine Manuskripte, wenn man sich Mühe gab, und sich das meiste hinzudachte, noch lesen) und schon nach acht Tagen hatte ich die Antwort: „Der Gefreite Lederstrumpf habe seine Sache über alles Erwarten gut gemacht, der Roman sei für den Journalabdruck und die Buchausgabe angenommen, das vereinbarte Honorar folge anbei.” Als ich Hermann Heiberg diesen Brief zeigte, hielt er nicht nur mich, sondern wohl auch den Verleger für verrückt, auf jeden Fall aber kam er tagelang nicht aus dem Kopfschütteln heraus.

In Schleswig habe ich auch angefangen, Romane zu schreiben, richtiger gesagt, humoristisch-militärische Erzählungen in Romanform. Die Veranlassung dazu verdanke ich meinem väterlichen Freunde Dr. Gustav Janke, dem damaligen Inhaber des Verlages Otto Janke und dem Herausgeber der „Deutschen Romanzeitung”, der mich, Gott und er allein wußten warum, stets den Gefreiten Lederstrumpf nannte. Dr. Janke hatte schon kleine Arbeiten von mir veröffentlicht, als er mich eines Tages fragte, ob ich nicht den Versuch machen wolle, ein neuer Winterfeldt zu werden, das Talent dazu hätte ich nach seiner Überzeugung. Gleichzeitig erklärte er mir, wenn der Versuch gelänge, wolle er den ersten Roman gern in seiner Zeitschrift veröffentlichen und die Arbeit später auch als Buch heraus bringen. Für beides bot er mir ein für meine damaligen Verhältnisse sehr hohes Honorar. Die Aussicht lockte, ich fuhr von Berlin nach Schleswig zurück und setzte mich in meinen dienstfreien Stunden an den Schreibtisch, um meinen ersten Roman zu schreiben, ohne allerdings zu wissen, wie man das macht. Ich habe einige Tage ausschließlich von Federhaltern gelebt, die ich aufkaute, während ich nachdachte. Dann kam mir ein rettender Gedanke. Ich wollte zu schildern versuchen, wie es einem Leutnant gelänge, sich die Liebe eines jungen hübschen Mädchens zu erringen. Neu war das Thema ja gerade nicht, viele viele Jahre vor mir hat das schon ein gewisser Shakespeare in der „Bezähmten Widerspenstigen” bearbeitet, wenn sein Held auch nicht gerade ein Leutnant war. Als ich endlich wußte, was ich wollte, ging die Sache los. Als ich die ersten Sätze geschrieben hatte, erzählte ich meinem Vetter Hermann Heiberg voller Stolz: „Du, Hermann, ich habe heute damit angefangen, meinen ersten Roman zu schreiben”, aber etwas kleinlaut setzte ich hinzu: „ich bin verdammt neugierig, ob und wann ich damit zu Ende komme.” Und mein Vetter setzte ermutigend hinzu: „Ich auch”, denn er hielt nicht viel von meiner Schreiberei und hat mir oft erklärt, daß er meine Sachen scheußlich fände, soweit er die überhaupt las. Aber seine Zweifel ließen mich nicht mutlos werden, ich schrieb darauf los, ich schrieb wie ein wahnsinnig gewordener Wahnsinniger, und schon nach vierzehn Tagen konnte ich Hermann Heiberg auf einem Spaziergang erzählen: „Du, Hermann, der Roman ist fertig.” Ich werde nie das blödsinnige, verdutzte Gesicht vergessen, mit dem er mich ansah, bis er mir endlich zurief: „Wauwau, (er nannte mich stets so, statt Wolf) du bist verrückt. So schnell kann doch kein Mensch einen Roman fertig bringen, schicke die Arbeit nicht ab, du blamierst dich damit unsterblich und verdirbst es mit dem Verlag für immer. Hör auf mich.” Ich aber hörte nicht auf ihn, sondern schickte das Manuskript des Romanes ab (damals konnte man meine Manuskripte, wenn man sich Mühe gab, und sich das meiste hinzudachte, noch entziffern) und schon nach acht Tagen hatte ich die Antwort: „Der Gefreite Lederstrumpf habe seine Sache über alles Erwarten gut gemacht, der Roman sei für den Journalabdruck und die Buchausgabe angenommen, das vereinbarte Honorar folge anbei.” Als ich Hermann Heiberg diesen Brief zeigte, hielt er nicht nur mich, sondern wohl auch den Verleger für verrückt, auf jeden Fall aber kam er tagelang nicht aus dem Kopfschütteln heraus.


Meinem ersten Roman „Ein Kampf”, folgten sehr bald weitere. Allerdings, so schnell wie den ersten habe ich nie wieder einen vollendet und jetzt, wo ich meine Manuskripte unleserlich mit der Hand niederschreibe und dann zur Übertragung durch die Maschine in das Stenogramm diktieren muß, dauert es Monate, bis eine Arbeit fertig ist. Damals aber schrieb ich wie ein geölter Blitz, wenn auch nur in den freien Stunden, denn ich war immer noch Offizier und hatte meinen Dienst zu tun. Das tat ich allerdings gern, denn ich bin in Schleswig mit Lust und Liebe Offizier und Soldat gewesen, schon weil meine Vorgesetzten dort nicht annähernd soviel an meiner Haltung und an meiner Figur auszusetzen hatten, wie in Hamburg. Es waren schöne, lustige, sorglose Jahre in Schleswig und vielleicht wäre ich dort dauernd beim Regiment geblieben, wenn nicht auch ich inzwischen zu der Erkenntnis hätte kommen müssen, daß niemand gleichzeitig zweien Herren dienen kann, als Offizier dem Kaiser und als Schriftsteller den Herren Redakteuren und Verlegern. Meine schriftstellerische Tätigkeit nahm mehr und mehr zu, und nach berühmten Beispiel stand auch ich vor der Frage: Was nun? Willst du auf die Dauer Offizier bleiben, dann mußt du deine Schriftstellerei sehr einschränken, oder wenn du ganz Schriftsteller werden willst, mußt du den bunten Rock ausziehen. Der Entschluß war nicht leicht, ich war nicht reich und dachte an den Kummergroschen, an die Militärpension, die ich mir für das Alter verdienen würde, wenn ich wenigstens bis zum Hauptmann I. Klasse beim Militär blieb. Aber auf der anderen Seite war ich noch nicht einmal Hauptmann, ich hätte also noch viel Jahre warten müssen. Was tun? Endlich entschied ich mich für die goldene Mittelstraße, ich blieb vorläufig noch Offizier, ließ mich aber auf ein Jahr beurlauben(40a), um zu sehen, wie es mir finanziell gehen würde, wenn ich fortan auf das Militärgehalt verzichten müßte. Ich nahm mir vor, rasend fleißig zu sein, aber mein Fleiß fing damit an, daß ich des Morgens bis zum Mittag im Bett lag. Es war mir so ungewohnt, nicht zu einer bestimmten Stunde aufstehen zu müssen, daß ich überhaupt nicht aufstand und daß ich es beinahe wie der verstorbene Mark Twain gemacht und im Bett gearbeitet hätte. Ich kann aber nicht arbeiten, ohne zu rauchen, und ewig im Bett zu rauchen, war mir denn doch zu gefährlich. Der Zigarre zuliebe kroch ich aus dem Bett und als ich mir dann endlich das Aufstehen wieder angewöhnt hatte, fing ich an zu arbeiten, und ich darf mir selbst das Zeugnis ausstellen, daß ich in meinem bisherigen Leben sehr, sehr viel gearbeitet habe. Man hat oft meinen Fleiß gerühmt und bewundert. Aber dem kann ich nicht beistimmen. Fleißig ist man nach meiner Ansicht nur dann, wenn man seine Arbeitsscheu überwindet und mehr als seine Pflicht tut. Ich habe später in Dresden einen Schriftsteller kennen gelernt, dem die Schriftstellerei in der Seele verhaßt war. Er hat mir oft geklagt, jedes Wort, das er schreiben müsse, koste ihm geistige und körperliche Überwindung, aber trotzdem schrieb der Mann, um sich und seine Familie ernähren zu können, ein Buch und Theaterstück nach dem anderen, und zwar mit Erfolg. Der Mann war fleißig, ich bin es nie gewesen, schon weil meine Arbeit mir immer viel Vergnügen bereitete und weil ich bei dem besten Willen nicht wüßte, was ich den ganzen Tag anfangen sollte, wenn ich nicht arbeitete. Daran liegt es, daß ich soviel geschrieben habe und dazu kommt, daß ich auch heute noch unberufen so leicht arbeite, wenn auch natürlich nicht mehr so leicht wie am Anfang. Man pflegt zu sagen, wenn man sich die erste Million gespart hat, käme die zweite von allein. Darüber kann ich leider nicht mitreden, denn meine erste Million ist noch lange nicht voll – ach nein! Aber soviel weiß ich, wenn man seine ersten hundert Bücher geschrieben hat und damit sicher eine Million Buchstaben, wenn nicht noch mehr, dann kommt die zweite Million Buchstaben nicht von allein, und die Bücher bestehen doch nur aus Buchstaben. Die ganze Kunst des Erzählens besteht doch lediglich darin, diese Buchstaben immer und immer wieder zu neuen Worten zusammen zu setzen und diese Worte so aneinander zu reihen, daß sie sich im Zusammenhang spannend und lustig lesen. Und die Hauptsache ist und bleibt, daß sie sich „kriegen”, natürlich nicht die Buchstaben, sondern die Liebespaare.

Meinem ersten Roman „Ein Kampf”, folgten sehr bald weitere. Allerdings, so schnell wie den ersten habe ich nie wieder einen vollendet und jetzt, wo ich meine Manuskripte unleserlich mit der Hand niederschreibe und dann zur Übertragung durch die Maschine in das Stenogramm diktieren muß, dauert es Monate, bis eine Arbeit fertig ist. Damals aber schrieb ich wie ein geölter Blitz, wenn auch nur in den freien Stunden, denn ich war immer noch Offizier und hatte meinen Dienst zu tun. Das tat ich allerdings gern, denn ich bin in Schleswig mit Lust und Liebe Offizier und Soldat gewesen, schon weil meine Vorgesetzten dort nicht annähernd soviel an meiner Haltung und an meiner Figur auszusetzen hatten, wie in Hamburg. Es waren schöne, lustige, sorglose Jahre in Schleswig und vielleicht wäre ich dort dauernd beim Regiment geblieben, wenn nicht auch ich inzwischen zu der Erkenntnis hätte kommen müssen, daß niemand gleichzeitig zweien Herren dienen kann.

Meine schriftstellerische Tätigkeit nahm mehr und mehr zu, und nach berühmten Beispiel stand auch ich vor der Frage: Was nun? Willst du auf die Dauer Offizier bleiben, dann mußt du deine Schriftstellerei sehr einschränken, oder wenn du ganz Schriftsteller werden willst, mußt du den bunten Rock ausziehen. Der Entschluß war nicht leicht, ich war nicht reich und dachte an den Kummergroschen, an die Militärpension, die ich mir für das Alter verdienen würde, wenn ich wenigstens bis zum Hauptmann I. Klasse beim Militär blieb. Aber auf der anderen Seite war ich noch nicht einmal Hauptmann, ich hätte also noch viel Jahre warten müssen. Was tun? Endlich entschied ich mich für die goldene Mittelstraße, ich blieb vorläufig noch Offizier, ließ mich aber auf ein Jahr beurlauben, um zu sehen, wie es mir finanziell gehen würde, wenn ich fortan auf das Militärgehalt verzichten müßte. Ich nahm mir vor, rasend fleißig zu sein, aber mein Fleiß fing damit an, daß ich des Morgens bis zum Mittag im Bett lag. Es war mir so ungewohnt, nicht zu einer bestimmten Stunde aufstehen zu müssen, daß ich überhaupt nicht aufstand und daß ich es beinahe wie der verstorbene Mark Twain gemacht und im Bett gearbeitet hätte. Ich kann aber nicht arbeiten, ohne zu rauchen, und ewig im Bett zu rauchen, war mir denn doch zu gefährlich. Der Zigarre zuliebe kroch ich aus dem Bett und als ich mir dann endlich das Aufstehen wieder angewöhnt hatte, fing ich an zu arbeiten, und ich darf mir selbst das Zeugnis ausstellen, daß ich in meinem bisherigen Leben sehr, sehr viel gearbeitet habe. Man hat oft meinen Fleiß gerühmt und bewundert. Aber dem kann ich nicht beistimmen. Fleißig ist man nach meiner Ansicht nur dann, wenn man seine Arbeitsscheu überwindet und mehr als seine Pflicht tut. Ich habe später in Dresden einen Schriftsteller kennen gelernt, dem die Schriftstellerei in der Seele verhaßt war. Er hat mir oft geklagt, jedes Wort, das er schreiben müsse, koste ihm geistige und körperliche Überwindung, aber trotzdem schrieb der Mann, um sich und seine Familie ernähren zu können, ein Buch und Theaterstück nach dem anderen, und zwar mit Erfolg. Der Mann war fleißig, ich bin es nie gewesen, schon weil meine Arbeit mir immer viel Vergnügen bereitete und weil ich bei dem besten Willen nicht wüßte, was ich den ganzen Tag anfangen sollte, wenn ich nicht arbeitete. Daran liegt es, daß ich soviel geschrieben habe und dazu kommt, daß ich auch heute noch unberufen so leicht arbeite, wenn auch natürlich nicht mehr so leicht wie am Anfang. Man pflegt zu sagen, wenn man sich die erste wirkliche Million gespart hat, käme die zweite von allein. Darüber kann ich leider nicht mitreden, denn meine erste Million ist noch lange nicht voll – ach nein! Aber soviel weiß ich, wenn man seine ersten hundert Bücher geschrieben hat und damit sicher eine Million Buchstaben, wenn nicht noch mehr, dann kommt die zweite Million Buchstaben nicht von allein, und die Bücher bestehen doch nur aus Buchstaben. Die ganze Kunst des Erzählens besteht eben lediglich darin, diese Buchstaben immer und immer wieder zu neuen Worten zusammen zu setzen und diese Worte so aneinander zu reihen, daß sie sich im Zusammenhang spannend und lustig lesen. Und die Hauptsache ist und bleibt, daß sie sich „kriegen”, natürlich nicht die Buchstaben, sondern die Liebespaare.


Ich habe in Schleswig sehr viele Buchstaben und Bücher geschrieben, aber die freie Zeit, die ich als „à la Suiter” hatte, wie man sagt, wenn man ein Jahr Beurlaubter à la Suite seines Regiments geführt wird, habe ich auch dazu benutzt, um zu reisen. Mit dem verstorbenen Kapitän Bade(41) aus Mecklenburg machte ich von Hamburg aus eine seiner Nordlandreisen mit, nach Norwegen, nach Spitzbergen und über Spitzbergen hinaus in das ewige Eis. Wir haben dieses Eis nicht nur von weitem mit dem Fernrohr gesehen, wie so viele andere Nordlandsreisende, sondern wir sind mit dem Ruderboot zwischen den riesigen Eisschollen hindurch gefahren und haben auf einer besonders großen Scholle sogar einen Walzer riskiert. Wir waren auch in Wirgohafen bei der Ballonhütte des verschollenen Andree, der bekanntlich das Wagnis unternahm, mit einem Ballon den Nordpol entdecken zu wollen und von dem man nie wieder etwas gehört hat. Damals allerdings hoffte man immer noch auf seine etwaige Rückkehr, und als wir in Wirgohafen das Land betraten, geschah es, daß der vor kurzem leider verstorbene berühmte Professor Klaatsch mir einen Witz erzählte, über den ich laut auflachen mußte. Da aber fuhr mich ganz ernsthaft ein anderer Reisegenosse mit den Worten(41a) an: „Lachen Sie nicht so laut, sonst kann ich unmöglich Andrees Hilferufe hören.” Da aber lachte ich erst recht, denn der mir das zurief, war so stocktaub, daß man mit Kanonen brüllen mußte, um sich wenigstens halbwegs mit ihm zu verständigen.

Ich habe in Schleswig sehr viele Buchstaben und Bücher geschrieben, aber die freie Zeit, die ich als „à la Suiter” hatte, wie man sagt, wenn man ein Jahr Beurlaubter à la Suite seines Regiments geführt wird, habe ich auch dazu benutzt, um zu reisen. Mit dem verstorbenen Kapitän Bade aus Mecklenburg machte ich von Hamburg aus eine seiner Nordlandreisen mit, nach Norwegen, nach Spitzbergen und über Spitzbergen hinaus in das ewige Eis. Wir haben dieses Eis nicht nur von weitem mit dem Fernrohr gesehen, wie so viele andere Nordlandsreisende, sondern wir sind mit dem Ruderboot zwischen den riesigen Eisschollen hindurch gefahren und haben auf einer besonders großen Scholle sogar einen Walzer riskiert. Wir waren auch in Wirgohafen bei der Ballonhütte des verschollenen Andree, der bekanntlich das Wagnis unternahm, mit einem Ballon den Nordpol entdecken zu wollen und von dem man nie wieder etwas gehört hat. Damals allerdings hoffte man immer noch auf seine etwaige Rückkehr, und als wir in Wirgohafen das Land betraten, geschah es, daß der vor kurzem leider verstorbene berühmte Professor Klaatsch mir einen Witz erzählte, über den ich laut auflachen mußte. Da aber fuhr mich ganz ernsthaft ein anderer Reisegenosse mit den Worten an: „Lachen Sie nicht so laut, sonst kann ich unmöglich Andrees Hilferufe hören.” Da aber lachte ich erst recht, denn der mir das zurief, war so stocktaub, daß man wie Kanonen brüllen mußte, um sich wenigstens halbwegs mit ihm zu verständigen.


Ich hatte es damals übernommen, über diese Nordlandsreise für viele Zeitungen Reisebriefe zu schreiben. Es war gerade die Zeit der Imperative: Bade zu Hause, Koche mit Gas, Wasche mit Luft, Zieh an Kali (Ziankali) usw. usw., und da ich auch aktuell sein wollte, nannte ich meine Artikel nach unserem Kapitän: „Bade in Spitzbergen”. Ich habe die Artikel auch geschrieben, aber die Sache war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, denn als ich von Schleswig nach Hamburg fuhr, um dort an Bord zu gehen, fiel mir durch einen unglücklichen Zufall mein schwergepackter Kupeekoffer, den ich oben im Netz liegen hatte, auf den Schädel und die Folge war, daß ich mir eine bildschöne Gehirnerschütterung zuzog, die ihrerseits wieder zur Folge hatte, daß ich während der ganzen Reise, selbst bei dem schönsten Wetter, an dem denkbar schönsten Erbrechen litt. Aber zwischen dem Brechen und Erbrechen schrieb ich meine Aufsätze. Die ersten Tage während der Fahrt von Hamburg durch die Nordsee lag ich wie ein dreifach Toter in meinem Bett. Allerdings tobte auch ein wahnsinniger Sturm, der uns bei der Ausfahrt zwang, auf der Elbe vor Anker zu gehen. Am nächsten Morgen aber ging die Reise los. Ich ging auf Deck, und als ich dann die Nordsee vor mir sah, deren Wellen haushoch gingen, fragte ich den Kapitän Bade: „Da sollen wir durch?” Und als ich zur Antwort erhielt: „Aber selbstverständlich”, sagte ich weiter nichts wie: „Na, denn gute Nacht!” Damit kroch ich wieder in mein Bett und kroch erst wieder heraus, als das Schiff plötzlich jedes Schaukeln aufgab, weil wir in die erste norwegische Schäre eingelaufen waren. Aber das allein bewog mich nicht zum Aufstehen. Ich hörte oben auf Deck ein lautes Hin und Her, ich erriet, es mußte etwas Besonderes vorgefallen sein, das ich vielleicht für meine Reisebriefe benutzen könnte. Und es gab auch tatsächlich zwei große Neuigkeiten. Die erste: „S. M. S. Hohenzollern” war eben mit Volldampf vorbei gefahren und hatte herübersignalisiert: Fürst Bismarck liegt im Sterben(42) und der Kaiser habe seine Nordlandsreise sofort unterbrochen. Die zweite große Neuigkeit war entsetzlich prosaischer Art: Es war das erste Faß Münchener Bier angestochen worden und man bot mir auch ein Glas an, aber ich wandte mich schaudernd ab.

Ich hatte es damals übernommen, über diese Nordlandsreise für viele Zeitungen Reisebriefe zu schreiben. Es war gerade die Zeit der Imperative: Bade zu Hause, Koche mit Gas, Wasche mit Luft, Zieh an Kali (Ziankali) usw. usw., und da ich auch aktuell sein wollte, nannte ich meine Artikel nach unserem Kapitän: „Bade in Spitzbergen”. Ich habe die Artikel auch geschrieben, aber die Sache war mit einigen Schwierigkeiten verbunden, denn als ich von Schleswig nach Hamburg fuhr, um dort an Bord zu gehen, fiel mir durch einen unglücklichen Zufall mein schwergepackter Kupeekoffer, den ich oben im Netz liegen hatte, auf den Schädel und die Folge war, daß ich mir eine bildschöne Gehirnerschütterung zuzog, die ihrerseits wieder zur Folge hatte, daß ich während der ganzen Reise, selbst bei dem schönsten Wetter, an dem denkbar schönsten Erbrechen litt. Aber zwischen dem Brechen und Erbrechen schrieb ich meine Aufsätze. Die ersten Tage während der Fahrt von Hamburg durch die Nordsee lag ich wie ein dreifach Toter in meinem Bett. Allerdings tobte auch ein wahnsinniger Sturm, der uns bei der Ausfahrt zwang, auf der Elbe vor Anker zu gehen. Am nächsten Morgen aber ging die Reise los. Ich ging auf Deck, und als ich dann die Nordsee vor mir sah, deren Wellen haushoch gingen, fragte ich den Kapitän Bade: „Da sollen wir durch?” Und als ich zur Antwort erhielt: „Aber selbstverständlich”, sagte ich weiter nichts wie: „Na, denn gute Nacht!” Damit kroch ich wieder in mein Bett und kroch erst wieder heraus, als das Schiff plötzlich jedes Schaukeln aufgab, weil wir in die erste norwegische Schäre eingelaufen waren. Aber das allein bewog mich nicht zum Aufstehen. Ich hörte oben auf Deck ein lautes Hin und Her, ich erriet, es mußte etwas Besonderes vorgefallen sein, das ich vielleicht für meine Reisebriefe benutzen könnte. Und es gab auch tatsächlich zwei große Neuigkeiten. Die erste: „S. M. S. Hohenzollern” war eben mit Volldampf vorbei gefahren und hatte herübersignalisiert: Fürst Bismarck liegt im Sterben und der Kaiser habe seine Nordlandsreise sofort unterbrochen. Die zweite große Neuigkeit war entsetzlich prosaischer Art: Es war das erste Faß Münchener Bier angestochen worden und man bot mir auch ein Glas an, aber ich wandte mich schaudernd ab.


Die ganze schöne Nordlandsreise zu schildern, wäre natürlich nicht angebracht, nur ein kleines Erlebnis möchte ich erwähnen. Wir kamen eines Abends bei wundervollem Mondenschein in Merok an. Lieber Leser, wenn du Merok noch nicht kennst, setze dich gleich nach dem Friedensschluß auf einen Dampfer und fahre dorthin. Ich habe auf meinen vielen Reisen nur zwei Flecke Erde kennen gelernt, in denen wenigstens ich glaubte, außerhalb der Welt zu sein. Der eine ist in Deutschland, Rothenburg ob der Tauber, der andere ist Merok in Norwegen. Eines Abends etwa um 10 Uhr warfen wir dort Anker und ließen uns gleich darauf an Land rudern. Wir wollten dort in dem ersten Hotel noch einen feucht-fröhlichen Abend verleben. Aber als wir vor dem Hotel ankamen, fanden wir verschlossene Türen, nur ein Fenster öffnete sich und aus diesem heraus rief uns eine Stimme zu: „Die Engländer, die im Hotel wohnten, hätten verboten, uns Deutsche herein zu lassen, sie wollten unter sich bleiben.” Da standen wir nun mit unseren Kenntnissen und mit unseren guten deutschen Fäusten – und es waren sehr gute Fäuste darunter – aber was halfen uns die? Die Engländer saßen hinter verschlossenen Türen bei ihrem Whisky und Soda und lachten uns Deutsche sicherlich aus. Na, verprügelt haben wir die Engländer leider nicht, aber auf gut deutsch und auch auf gut englisch haben wir sie verwünscht und verflucht. Hoffentlich hat es etwas geholfen.

Die ganze schöne Nordlandsreise zu schildern, wäre natürlich nicht angebracht, nur ein kleines Erlebnis möchte ich erwähnen. Wir kamen eines Abends bei wundervollem Mondenschein in Merok an. Lieber Leser, wenn du Merok noch nicht kennst, setze dich gleich auf einen Dampfer und fahre
dorthin. Ich habe auf meinen vielen Reisen nur zwei Flecke Erde kennen gelernt, in denen wenigstens ich glaubte, außerhalb der Welt zu sein. Der eine ist in Deutschland, Rothenburg ob der Tauber, der andere ist Merok in Norwegen. Eines Abends etwa um 10 Uhr warfen wir dort Anker und ließen uns gleich darauf an Land rudern. Wir wollten dort in dem ersten Hotel noch einen feucht-fröhlichen Abend verleben. Aber als wir vor dem Hotel ankamen, fanden wir verschlossene Türen, nur ein Fenster öffnete sich und aus diesem heraus rief uns eine Stimme zu: „Die Engländer, die im Hotel wohnten, hätten verboten, uns Deutsche herein zu lassen, sie wollten unter sich bleiben.” Da standen wir nun mit unseren Kenntnissen und mit unseren guten deutschen Fäusten – und es waren sehr gute Fäuste darunter – aber was halfen uns die? Die Engländer saßen hinter verschlossenen Türen bei ihrem Whisky und Soda und lachten uns Deutsche sicherlich aus. Na, verprügelt haben wir die Engländer leider nicht, aber auf gut deutsch und auch auf gut englisch haben wir sie verwünscht und verflucht. Hoffentlich hat es etwas geholfen.


Als ich von meiner Nordlandreise nach Schleswig zurückkehrte, harrte dort meiner eine mir nicht gerade sehr angenehme Überraschung. Die Kameraden meines Regiments hatten es in meiner Abwesenheit in Erfahrung gebracht, daß ich der Schlicht sei. Irgendeiner, der auf Urlaub gewesen war, hatte diese große Neuigkeit aus Berlin mit nach Hause gebracht. Nun war sie in der ganzen Stadt bekannt und das bedeutete für mich eine sehr schnelle Lösung der Frage, ob ich nach Ablauf meines Urlaubsjahres wieder in die Armee eintreten oder ob ich ganz den Abschied nehmen solle. Ich entschloß mich für das letztere, weil ich mir sagen mußte: nun, da deine Vorgesetzten wissen, unter welchem Namen und in welcher Art du schreibst, werden sie von dir den Bestimmungen gemäß verlangen, daß du ihnen jede kleinere oder größere Arbeit, bevor du sie veröffentlichst, zur Begutachtung vorlegst. Darauf konnte ich mich natürlich nicht einlassen, was wäre wohl von meinen militärischen Satiren übrig geblieben, wenn mein Oberst die unter seinen Blaustift bekommen hätte? Über diesen Punkt sprach ich mich auch sehr offen und frei mit meinem Kommandeur aus. Er konnte sich der Wahrheit meiner Ausführungen nicht verschließen, und bald darauf erhielt ich die dienstliche Mitteilung, daß mir durch Allerhöchste Kabinettsordre(42a) vom Juli des Jahres 1899 der Abschied bewilligt sei, und zwar als Ganzinvalide mit der gesetzlichen Pension.

Als ich von meiner Nordlandreise nach Schleswig zurückkehrte, harrte dort meiner eine mir nicht gerade sehr angenehme Überraschung. Die Kameraden meines Regiments hatten es in meiner Abwesenheit in Erfahrung gebracht, daß ich der Schlicht sei. Irgendeiner, der auf Urlaub gewesen war, hatte diese große Neuigkeit aus Berlin mit nach Hause gebracht. Nun war sie in der ganzen Stadt bekannt und das bedeutete für mich eine sehr schnelle Lösung der Frage, ob ich nach Ablauf meines Urlaubsjahres wieder in die Armee eintreten oder ob ich ganz den Abschied nehmen solle. Ich entschloß mich für das letztere, weil ich mir sagen mußte: nun, da deine Vorgesetzten wissen, unter welchem Namen und in welcher Art du schreibst, werden sie von dir den Bestimmungen gemäß verlangen, daß du ihnen jede kleinere oder größere Arbeit, bevor du sie veröffentlichst, zur Begutachtung vorlegst. Darauf konnte ich mich natürlich nicht einlassen, was wäre wohl von meinen militärischen Satiren übrig geblieben, wenn mein Oberst die unter seinen Blaustift bekommen hätte? Über diesen Punkt sprach ich mich auch sehr offen und frei mit meinem Kommandeur aus. Er konnte sich der Wahrheit meiner Ausführungen nicht verschließen, und bald darauf erhielt ich die dienstliche Mitteilung, daß mir durch Allerhöchste Kabinettsordre vom Juli des Jahres 1899 der Abschied bewilligt sei, und zwar als Ganzinvalide mit der gesetzlichen Pension.


Fußnoten:

(4) 16. Mai 1887 Avantageur in Freiburg (zurück)

(5) Oberst v.Obernitz, 1886-1889 Regimentskommandeur (Sec.Lt. 13.10.1859, Pr.Ltn. 30.10.1866, Hptm. 27.8.1870, Maj. 4.4.1876, Otl. 6.12.1883, Oberst 8.3.1886) (zurück)

(6) Diese Szene beschreibt Baudissin/Schlicht genau in seinem Roman „Leutnantsleben” auf Seite 19 ff. Die Abweichung von der Tradition muß ihn schwer getroffen haben. (zurück)

(6a) Das Thema „Pulverturmwache” wird ausführlich dargestellt in dem Werk „Ein Jahr in Waffen”, Seite 158 ff.
Dieses Erlebnis wird auch in „Die Wartefrau” behandelt.
Vergleiche dazu auch die Erzählung „Auf Pulverturmwache”. (zurück)

(6b) Vergleiche hierzu die Erzählung „Der Schimmelreiter”. (zurück)

(7) Luise Gräfin von Baudissin wohnte seit 1880 in Lübeck, zuerst am Pferdemarkt, später bis 1887 Fischergrube 53, dann ab 1888 bis zu ihrem Tode am 11.Mai 1910 in der Cronsforder Allee 23. (Adressbuch Lübeck) (zurück)

(8) Hauptmann Lehnert à.l.s. Schles.Füs.Rgt. Nr.38, Lehrer an der Kriegsschule Hannover (Sec.Lt. 6.9.1870, Pr.Ltn. 15.8.1878, Hptm. 12.12.1885) (zurück)

(9) Oberst Spitz, à.l.s. Hannov.Füs.Rgt. Nr.73, Direktor der Kriegsschule Hannover von 1185 bis 1889 (Sec.Ltn. 10.8.1858, Pr.Ltn. 11.10.1865, Hptm. 15.9.1868, Maj. 15.8.1878, Otl. 11.3.1886, Oberst 19.9.1888, 1889 Kom.d.Lw.Bez. Berlin II). (zurück)

(10) Eine Beschreibung eines Duells auf der Kriegsschule gibt Baudissin/Schlicht in seinem Roman „Leutnantsleben” auf Seite 85 ff. und eine weitere kurze Beschreibung in der Erzählung „Abschied”. (zurück)

(11) Sommer 1888 (zurück)

(12) Am 16. Febr. 1889 (Sonnabend) wurde Port.Fähnr. Graf Baudissin zum Sekonde-Lieutenant im 2. Hanseat.Inf.Rgt.76 befördert. (Militär-Wochenblatt) (zurück)

(13) Oberst v.Klitzing, 1888-1890 Regimentskommandeur (Sec.Ltn. 12.7.1860, Pr.Ltn. 30.10.1866, Hptm. 9.12.1870, Maj. 30.4.1877, Otl. 26.3.1885, Oberst 21.7.1888) (zurück)

(14) Herbst 1889 (zurück)

(14a) 10.Kompagnie, Hptm. Keitel (zurück)

(15) Baudissin/Schlichts zweite Frau, Maria-Elisabeth Flössel (* 08.09.1864; + ?) (zurück)

(16) Heirat 08.09.1908, Scheidung 15.04.1921 (zurück)

(17) Major v.Kehler (Sec.Lt. 11.11.1862, Pr.Ltn. 2.9.1870, Hptm. 12.5.1873, Maj. 14.3.1885) (zurück)

(18) Die Kaserne lag in Lübeck, Fackenburger Allee 31 (zurück)

(19) Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke starb am 24.April 1891 (zurück)

(20) Oberstleutnant Werckmeister, beim Regiments-Stab (Sec.Lt. 23.7.1861, Pr.Ltn. 8.3.1870, Hptm. 15.4.1872, Maj. 16.8.1883) (zurück)

(21) Oberst und Regimentskommandeur des Inf.Rgts.22 (zurück)

(22) Alexander von Linsingen, vorher Adjutant der 31. Division (Sec.Ltn. 1868, Gen.Ltn. 1905) (zurück)

(23) Franz Pfordte, 1840 im sächsischen Delitzsch geboren, 1909 Restaurantdirektor im Hotel Atlantic (Küchenchef: Alfred Walterspiel), bescherte dem Atlantic Weltruhm. Er gab dafür seine 1878 eröffnete "vornehmste Gaststätte Norddeutschlands" in Hamburg am Plan auf. Vor der Eröffnung des Hotels 1909 galt Pfordte bereits als Grand Old Man seiner Zunft. Auf der Weltausstellung in Paris leitete er das Deutsche Restaurant. Mit 38 hatte er die "vornehmste Gaststätte Norddeutschlands", urteilten Zeitgenossen. Fürst Bismarck speiste bei ihm, Detlev von Liliencron widmete ihm literarisches Lob: "Am besten wird gegessen in der Welt / In Hamburg, diesem edlen Beefsteakorte. / Und hier, doch selten ohne vieles Geld, / Ganz ausgezeichnet in der Tat, bei Pfordte." (zurück)

(24) Von Herbst 1889 bis (wahrscheinlich) Herbst 1891 war Baudissin/Schlicht in Lübeck stationiert. Erst die Rangliste 1892 zeigt ihn in der 2.Kompagnie IR76 in Hamburg. (zurück)

(25) Am 05.Januar 1891 hatte Baudissin/Schlicht in Lübeck Eva Türk geheiratet. (zurück)

(26) Hermann Heiberg, geb. 17.Nov. 1840 in Schleswig, Vater: Dr. C.F.Heiberg, Mutter: Asta Gräfin v.Baudissin, verheiratet 1865 mit Ines Vollmer y Rivas (Caracas, Venezuela), Kinder: Ernst, Asta, Felix, Ines, Panchita, Walter. (zurück)

(27) „Die Weihnachtskiste” in „Kleine Geschichten” von Graf Günther Rosenhagen, Christians, Hamburg, 1893, 112 S. (zurück)

(28) recte: Lübecker Eisenbahn-Zeitung (zurück)

(28a) Der 3.Allgemeine Deutsche Journalisten- und Schriftstellertag wurde im Juni 1894 in Hamburg abgehalten. Am 30.6.1894 fand dabei ein großes Nachtfest auf der Alster statt. (zurück)

(28b) Erasmus Kleinert war Chefredakteur des Hamburger Tageblatts. (zurück)

(28c) Die Zeitschrift „Der Zeitgeist” wurde von 1885 bis 1917 bei Mosse in Berlin herausgegeben als Montagsbeilage des „Berliner Tageblatts”. Die Durchsicht der Jahrgänge 1896 - 1898 erbrachte keinen Fund. Hingegen ist eine ganze Reihe von Erzählungen von Schlicht (und von Rosenhagen) in der Sonntagsbeilage „Deutsche Lesehalle” der gleichen Zeitung erschienen. Schlicht irrt sich wahrscheinlich hier. (zurück)

(29) Der Nordostseekanal wurde am 1.Juli 1895 eröffnet. (zurück)

(30) Baudissin bekam das Ritterkreuz 2.Klasse des Königlich Bayerischen Militär-Verdienst-Ordens. (zurück)

(31) Die Cholera herrschte im August/September 1892 in Hamburg. (zurück)

(32) Oberst v. Prittwitz und Gaffron (Sec.Ltn. 14.1.1860, Pr.Ltn. 30.10.1866, Hptm. 24.8.1871, Maj. 5.2.1881, Otln. 13.12.1887) besaß 1892:

(zurück)

(33) 14.Komp., Hauptmann Frhr. v. Gayl (Sec.Ltn. 15.4.1876, Pr.Ltn. 11.3 1886, Hptm. Ende 1890/Anf. 1891), offensichtlich Vorbild für die Figur des Hptm. v. Böhme in „Der Gardestern” und für den — namentlich nicht genannten — „Hauptmann der ersten Kompagnie” in der Skizze „Zurück — marsch, marsch!”, für den ebenso anonymen „Hauptmann der ersten Kompagnie” in der Humoreske „Vorschuß”, für den Hauptmann in Euterpe und Melpomene und in Der schwarze Teufel. (zurück)

(34) Der Besuch von Kaiser Wilhelm II. bei Fürst Bismarck in Friedrichsruh fand am 19.Februar 1894 statt. (zurück)

(34a) Vergleiche dazu den Roman „Leutnantsleben”, Seite 179. (zurück)

(35) 1. Kompagnie, Hptm. v. Gloeden (Sec.Ltn. 17.10.1876, Pr.Ltn. 22.3.1887) (zurück)

(36) Hptm. Gayl bekam im Frühjahr 1894 den Roten Adlerorden 4.Klasse. (zurück)

(37) 1. April 1895. (zurück)

(38) 1896 Oberst Pachur (Sec.Ltn. 11.2.1862, Pr.Ltn. 16.3.1869, Hptm. 11.6.1872, Maj. 26.3.1885), Major Schwill (III. Btl.), Hptm. v. Beringe (11. Komp.)
     1897 Oberst Rasmus (Sec.Ltn. 1.7.1867, Pr.Ltn. 12.12.1872, Hptm. 18.9.1880, Maj. 22.3.1887), Major Kunau (I. Btl.) (Sec.Ltn. 12.2.1874, Pr.Ltn. 13.11.1881, Hptm. 17.4.1888), Hptm. Paris (1. Komp.) (zurück)

(39) Salzer, Marcell, Prof., Vortragskünstler. Geboren 27.3.1873 St. Johann a.d.March (bei Graz, Steierm.) (s.a. die Anzeige vom 31.1.1907) (zurück)

(39a) Im 55. Jahrgang der Zeitschrift „Kladderadatsch”, Nr. 18 vom 4. Mai 1902, Seite 71, erschien das Gedicht:

Ein echter von Schlicht.

„Ein Familientag der Schlichte fand statt” –
So meldet das „Militär-Wochenblatt”.

Sie zeterten gegen den schnöden Verdacht,
Als hätt' ein von Schlicht Humoresken gemacht.

Entrüstungsvoll grollten die Edlen im Chor:
„Einem Schlicht kommt nichts humoristisch vor.

Ganz standesgemäß ist ein echter von Schlicht
Auf den Dienst im Garderrement nur erpicht.

Die faden Geschichten, verpönt und verhaßt,
Ein gewisser Herr Baudissin hat sie verfaßt.

Ein entarteter Graf, ein a. D.-Leutnant,
Der irgendwo mal bei der Linie stand.”

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(39b) Eine verkürzte Fassung des nachfolgenden Abschnitts erschien 1922 in „Das Kabarett-Jahrbuch 1922”.

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(40) recte: „Die Kompagnie-Vorstellung” in: „Aus der Schule geplaudert”, Berlin, 1897,
vorher erschienen in:
„Das kleine Journal” vom 23.3.1896. (zurück)

(40a) Am 14.Dezmber 1897: „Graf v. Baudissin, Pr. Lt. vom Inf. Regt. von Manstein (Schleswig.) Nr. 84, à la suite seines Regts. gestellt.”
Im Militär-Wochenblatt vom 18.Dezember 1897. (zurück)

(41) Kapitän Wilhelm Bades Touristikfahrten nach Norwegen, Spitzbergen und ins europäische Nordmeer –   Abfahrt 30.Juli 1898
  siehe die Beschreibung dieser Reise in der Zeitung „Das kleine Journal”, in der Lübecker Eisenbahn-Zeitung und in der Zeitschrift „Über Land und Meer”. (zurück)

(41a) Siehe hierzu auch „Der Gardestern” Seite 99, wo Leutnant v. Stern genau diese Episode als selbsterlebt schildert. (zurück)

(42) Fürst Bismarck starb am 30. Juli 1898. (zurück)

(42a) Mit AKO vom 16.Juli 1899 „Oblt. Graf von Baudissin der Inf. 1.Aufgebots des Landw.Bezirks Schleswig, Abschied bewilligt”. (zurück)


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