Wie ich der Schlicht wurde.

in: „Das Kabarett - Jahrbuch 1922”
Herausgeber: Müller-Müller
Geleitwort von Ernst von Wolzogen


Ich bin, als ich beim Kabarett las, und auch sonst oft gefragt worden, warum ich mich eigentlich Freiherr von Schlicht nenne und wie ich als Graf Baudissin auf den Namen verfallen sei. Das weiß ich eigentlich selber nicht und weiß es doch. Ich hatte eines Tages meine erste militärisch-humoristisch-satirische Plauderei geschrieben und als das geschehen war, sagte ich mir: entweder kommst du mit der Zeit durch derartige Plaudereien auf den richtigen Weg und wirst durch die bekannt, oder aber du gibst das Geschäft auf, verkaufst deinen Federhalter und dein Tintenfaß und bleibst was du bist, königlich preußischer Leutnant. Aber ich sagte mir noch etwas anderes, daß ich mir für diese einfache harmlose schlichte Plauderei auch ein passendes Pseudonym erfinden müsse. Und plötzlich durchzuckte mich der Gedanke: wie wäre es, wenn du dich nur Schlicht nennen würdest? Aber der Gedanke war mir wieder zu schlicht und so erhob ich mich denn selbst zum Freiherrn von Schlicht.

Meine erste militärisch-humoristisch-satirische Plauderei schlug wider alles Erwarten so ein, daß sehr bald die Frage: wer ist der Schlicht? damals viele, selbst die höchsten Kreise beschäftigte. Sie tat es um so mehr, je regelmäßiger fortan des Montags meine Arbeiten in Berliner „Kleinen Journal” erschienen und je satirischer die mit der Zeit wurden. Wer war der Schlicht? Darauf, daß es ein aktiver Offizier sei, kam kein Mensch. Und ich selbst hütete mich natürlich, mein Pseudonym zu lüften. Das tat ich erst, als ich den Abschied genommen hatte, um ganz der Schriftstellerei zu leben und da waren die alten Kameraden meiner Garnison natürlich fürchterlich enttäuscht, daß der Schlicht, unter dem sie sich Gott weiß was und Gott weiß wen gedacht, niemand anders war als ich. Zum Teil waren sie aber auch wütend, weil ich sie so genarrt hatte, denn mein Kopf hatte vor Anstrengung stets am lautesten geknackt, wenn wir im Kasino bei einer Flasche deutschen Sekts, die nur 3 Mark kostete, dafür aber auch den schönen Beinamen „Der Hosenbrummer” führte, uns den Schädel darüber zerbrachen, wer der Schlicht nur sein könnte.


Mit gütiger Erlaubnis des Verfassers und Verlegers aus dem Bande „Was ich so erlebte”, Verlag Otto Janke, Berlin.


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© Karlheinz Everts