Von Freiherr von Schlicht
in: „Moderne Kunst”, Jahrgg. 18 (1904), Seite 47, 1.11.1903 [???]
Exzellenz versank in tiefes Nachdenken, es herrschte feierliche Stille im ganzen Haus, selbst der Souffleur hüllte sich in tiefstes Schweigen, mit den vorgeschriebenen Worten konnte er dem armen Schauspieler, dem der Angstschweiß von der Stirn rann, auch nicht helfen.
Und doch war die Sache so einfach wie nur möglich, Troßbach brauchte nur seinen Rappen nicht zu erwähnen, sondern einfach zu sagen: „So begleiten Sie mich ” und der Fall war erledigt, aber auf diese Weisheit kam die hohe Exzellenz nicht.
„Hm, hm,” machte Exzellenz endlich nachdenklich.
„Wir müssen abgehen,” flüsterte der Leutnant seinem Vorgesetzten zu.
Das war wohl leicht gesagt, abe erst mußte doch der Abgang gefunden werden.
„Also Sie sind wirklich zu Pferde hier? Irren Sie sich auch nicht?” Mit flehenden Augen bat Troßbach: „Sag, daß du dich geirrt hast, sag, daß du nicht zu Pferde hier bist,” aber Hohemegg war heute ein bockbeiniger Untergebener, er gab nicht nach: „Zu Befehl, Exzellenz, ich bin zu Pferde hier,” und aus Boshaftigkeit setzte er noch hinzu „auf meinem Rappen.”
Wieder herrschte feierliche Stille, dann sagte Troßbach, dem bei dem Wort „Rappe” wieder seine vorgeschriebene Antwort einfiel, plötzlich ganz ernst und gelassen:
„Schön, dann soll die Stabsordonnanz Ihnen auch noch meinen Rappen geben — bitte, begleiten Sie mich,” und gefolgt von dem Leutnant ging er stolz ab.
„Wenn das Publikum nun nicht lacht, lacht es nie,” dachte ich, aber alles blieb still, der Unsinn war anscheinend gar nicht bemerkt worden, nur ein junges Mädchen neben mir flüsterte ihrer Freundin zu: „Kann man denn eigentlich auf zwei Pferden reiten?”
Und stolz erwiderte die andere: „Da merkt man wieder, daß du eine Ausländerin bist, du kennst unsere Leutnants nicht — die können alles.”
Man vergleiche diese kleine Skizze mit diesem Abschnitt aus der Autobiographie von Schlicht/Baudissin.