Anzeige der Uraufführung
Anzeige im „Berliner Lokal-Anzeiger” am 3.10.1902

Im bunten Rock

Lustspiel in drei Akten

von

Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht

Aufführungen:

am 3., 4., 5., 7., 9., 11., 12., 15., 17., 19., 21., 25., 26. Oktober,
4., 6., 9., 12., 15., 22., 26. November,
2., 6., 10., 15., 27., 31. Dezember 1902,
3., 13. Januar, 1., 5., 11., 19. Februar, 3., 20., 29. März, 22. April, 10., 23. Mai, 9. Juni, 19. August, 1., 4., 14., 24. Oktober, 4., 24. November, 12. Dezember 1903 im „Königlichen Schauspielhaus” in Berlin

am 29. Oktober, 2. und 30. November, 7. und 26. Dezember 1902, 8. März, 19. April, 31. Mai, 27. September, 20. Dezember 1903 im „Neuen Königl. Opern-Theater” (Krollbau)

am 6. Januar 1903: Vorstellung für das Offizier-Korps der Landwehr-Inspektion Berlin im „Neuen Kgl. Opern-Theater” (Krollbau)

am 4., 5., 6., 7., 8., 10., 11., 12., 14., 15., 16., 17., 18., 19., 20., 22., 23., 30. Juni 1904 Gastspiel des „Berliner Theaters” im „Theater des Westens”

am 28. August, 13., 18., 21., 28. September, 9., 14. Oktober, 3., 6., 23. November, 16., 21. Dezember 1904, 9., 23., 27. Januar, 6. Februar, 6. März 1905 im „Berliner Theater”

am 14., 15., 27., 28. Februar, 2., 6., 14., 15., 16., 20., 21. März, 2., 5., 7., 23. April, 26. Mai 1907 im „Schiller-Theater O.”

am 18., 19., 22., 23., 24., 26. Februar,4., 9., 10., 11., 27., 31. März, 4., 8. April 1907 im „Schiller-Theater Charlottenburg”

am 23., 26., 27., 30. Dezember 1909 und am 1., 2., 5., 8. Januar 1910 im „Friedrich-Wilhelmstädtischen Schauspielhaus”.

am 5., 6. und 7. Juni 1927 im „Wallner-Theater”.

Gastspiel-Tournée Oskar Pitschel, Berliner Residenz-Ensemble am 9.Februar 1910.

Außerdem führten die beiden Tournee-Theater „Berliner Residenz-Ensemble” und „Theodor Brock-Ensemble” in der Spielzeit 1902/03 dieses Lustspiel in ihrem Repertoire.

Anzeige im Berliner Lokal-Anzeiger 22.4.1903
Anzeige im „Berliner Lokalanzeiger” am 22.4.1903
 

Aufführung im Königl. Schauspielhaus
(© Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln)


Besetzungsliste

 Königl.Schauspielhaus
1902
Königl.Schauspielhaus
Febr. 1903
Königl.Schauspielhaus
Aug. 1903
Gastspiel d.Berl.Theaters
im Theater des Westens
Juni 1904

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.
Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach, Divisions-Kommandeur.

Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.
Susanne ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )
Frau Bäckers, Wirtschafterin in Wiedebrechts Haus.
Friedrich, Diener

Stubenmädchen
Minna, Köchin
Dienstmädchen
Kutscher

Gärtner
Portier
Gärtnerbursche
Stallbursche

Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Spielleitung:

Ernst Müller
Ludwig Hertzer
Vilma v.Mayburg
Hermann Boettcher
Bertha Hausner
Arthur Vollmer
Oskar Keßler
9.11., 22.11.02: H.Paris
Moritz Zeisler
Carl Eichholz
Ottilie Eberhardt
Ilona Sperr
Adele Wienrich
Hermann Paris
26.10.02: Carl Uhlig
Frl. Pardes
Frau Sophie Pagay
Lucie Niebergall
Georg Link
19., 26.10.02:Herr Bredow
Willy Bage
Hans Hohenstein
Hans Rupprecht
Paul Schwieder
26.10.02: Herr Metzold
Karl Beringer
Max Winter
Carl Uhlig
Hugo Hartmann
Oskar Keßler

Ernst Müller
Ludwig Hertzer
Vilma v.Mayburg
Hermann Boettcher
Bertha Hausner
Hugo Hartmann
Hermann Paris

Moritz Zeisler
Carl Eichholz
Ottilie Eberhard
Ilona Sperr
Adele Wienrich
Carl Uhlig

Frl. Pardes
Frau Sophie Pagay
Lucie Niebergall
Hans Rupprecht

Herr Ettlich
Herr Hochstetter
Hans Rupprecht
Herr Metzold

Karl Beringer
Max Winter
Herr Kintzel
Herr Werrack
Oskar Keßler

Ernst Müller
Ludwig Hertzer
Vilma v.Mayburg
Hermann Boettcher
Bertha Hausner
Arthur Vollmer
Oskar Keßler

Moritz Zeisler
Carl Eichholz
Ottilie Eberhard
Ilona Sperr
Adele Wienrich
Hermann Paris

Frl. Pardes
Frau Sophie Pagay




Hans Hohenstein
Hans Rupprecht
Paul Schwieder

Karl Beringer
Herr Werreck
Carl Uhlig
Hugo Hartmann
?

Willy Rohland
Herr Gebhardt
Frl. Engl
Hans Kuhnert
Ida Rohland
Albert Schindler
Richard Starnburg


Emil Chony
Frl. Gruber
Jenny Höhne
Frau Gabriele Fredi-Lindner
Herr Reicher

Frl. Reichlin
Frau Clara Berger

Herr Schmidt



Herr Hintze


Herr Berger


Gustav Prahl
Gustav Schefranek

Besetzungsliste:

 Berliner Theater
Sept. 1904
Friedr.-Wilh.städt.
Schauspielh. 1909/10
Wallner-Theater
1927
Gastspiel-Tournée
Oskar Pitschel

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.
Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach, Divisions-Kommandeur.
Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.
Susanne ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )
Frau Bäckers, Wirtschafterin bei Wiedebrecht
Friedrich, Diener
Stubenmädchen
Minna, Köchin
Kutscher
Stalljunge
Gärtnerbursche
Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Gärtner
Spielleitung:

Willy Rohland
Herr Weigert
Frl. Dalberg
Hans Kuhnert
Ida Rohland
Herr Schindler
Richard Starnburg

Emil Chony
Frl. Gruber
Jenny Höhne
Frau Carlsen
Herr Reicher

Frau Clara Berger






Gustav Prahl

Gustav Schefranek

Emil Rameau
Heinz Sarnow / Gerhard Boetticher
Marian Knorr
Karl Machold
Elfriede Heisler
Rudolf Lettinger
Heinz Schmidt

Eugen Moebius / Paul Pape
Sabine Impekoven
Else Henschel
Milly Heß
Paul Pape
Else Sudars
Marg. Moriz


Reginald Buse
Paul Körner
Walter Rößner
Karl Villenneuve
Otto de Nolte

Rudolf Lettinger

Paul Ceblin
Gustav Wilfan
Nora Brandt
Erwin Burmester
Elfriede Mädler
Werner Westerhold


Albert Ihle

Eva West












Ferry Werner

Franken
Leo Silpert


Emmy Köncke
Georg Werbing

Dir. Oskar Pitschel
Hans Alberti
Agnes Carlo
Schneider
Elfriede Harald
?





Hans Hoff





Das „Grazer Tagblatt” meldet am 25.Sept. 1902:

Der Lustspiel-Autor Franz v. Schönthan hat sich zu den Proben seines neuen Stückes „Im bunten Rock”, ein Titel, den man in Berlin in „Im bunten Kleid” abändern wird, nach Berlin begeben. Die erste Aufführung des dreiaktigen Lustspieles, das, etwa wie „Krieg im Frieden”, an preußische Militärverhältnisse anknüpft, findet im königl. Schauspielhause am 3.Oktober statt. Mitarbeiter an dem Lustspiele ist Freiherr v. Schlicht, der Verfasser viel gelesener Humoresken und Novellen aus dem Soldatenleben. Freiherr v. Schlicht ist ein Pseudonym für den Grafen von Baudissin, einen gewesenen höheren Offizier des deutschen Heeres und Angehörigen der Schriftstellerfamilie von Baudissin.

Der „Berliner Lokal-Anzeiger” meldet am 30. September 1902 im Abendblatt (20.Jahrgang, Nr. 458):

Im Königl. Schauspielhause werden morgen (Mittwoch) „Die Räuber” von Friedrich v.Schiller in bekannter Besetzung wiederholt. Am Freitag findet die Erstaufführung des Lustspiels „Im bunten Rock” von F. v.Schönthan und Frhr. v.Schlicht, in Scene gesetzt vom Regisseur Keßler statt.

Am Mittwoch 1. Oktober 1902 liest man im Abendblatt des „Berliner Lokalanzeigers”:

Franz von Schönthan und Frhr. v.Schlicht sind in Berlin eingetroffen und nehmen an den Proben ihres neuen Lustspiels theil, dessen Erstaufführung im Königlichen Schauspielhause für Freitag, 3.d.Mts., angesetzt ist.

Am Freitag 3. Oktober 1902 steht im Abendblatt (Nr. 464) des „Berliner Lokalanzeigers”:

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen das Lustspiel „Der bunte Rock” von Fr. v.Schönthan und Frhr. von Schlicht zum ersten Mal wiederholt. . . .

„Hamburger Fremdenblatt” vom 2.Oktober 1903:

Im Königl. Schauspielhause in Berlin gelangt heute „Der bunte Rock” zum 50. Male zur Aufführung.

„Die Zeit” (Wien) schreibt am 4.Okt. 1902:

Aus Berlin, 3.October, wird uns telegraphirt: „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht, ein wortreiches, aber witzarmes Preußenlustspiel allerältester Mache, hat der ungeheuren Anspruchslosigkeit des Publicums des Schauspielhauses einen Erfolg zu danken, der leider von Dauer sein wird.

Und schließlich schreibt der „Berliner Lokal-Anzeiger” am 4. Oktober 1902 im Morgenblatt (Nr.465) die Kritik der Erstaufführung:

Ph. St. Im Schauspielhause ist gestern (Freitag) ein dreiaktiges Theaterstück: „Im bunten Rock” mit theils verschämtem, theils sehr lautem Beifall vorgeführt worden. Gedichtet ist es von zwei Herren, die nach dem zweiten Akt vor der Gardine erscheinen konnten - es wäre unverdiente Schonung, ihre Namen zu verschweigen: Franz v.Schönthan heißt der eine und Freiherr v.Schlicht der andere. Beide haben mit anerkennenswerthem Fleiß zu diesem bunten Rock die Lappen von überallher zusammengesucht, sie haben sich nicht vor der Lektüre der älteren Witzblattjahrgänge gescheut, haben bei „Krieg im Frieden” einige Anleihen gemacht, haben von einigen anderen bewährten Autoren - unter Kameraden ist das ja ganz egal - sich die amerikanische junge Wittwe herübergeholt und dann das ganze Ragout mit einer breiten Bettelsuppe von Militärbegeisterung angerührt. Mit dem Schluß des zweiten Aktes ist diese Lustspiel genannte Posse zwar eigentlich zu Ende - aber den Abend zu füllen, brauchte man doch einen dritten Akt, und da wird denn, da den beiden Dichtern gar nichts mehr einfiel, Manöver gespielt. Erst marschiren nur zwei Mann an, zum Schluß aber die ganze Manövertruppe mit Musikcorps, einem Officier zu Pferde und zahlreichen Mannschaften. Warum denn auch nicht? Sie waren ja alle im bunten Rock, also im Geiste der Dichtung.

Ich habe soeben eine schreckliche Vision: ich sehe die beiden Dichter an einem Doppelschreibtisch einander gegenübersitzen, wie sie einander ohne Erröthen zu ihren erfolgsicheren, routinirten Trivialitäten gratuliren. Ich verstehe wohl, daß dergleichen Stücke nur von Zweien zugleich verübt werden können: so viel litterarische Selbstentäußerung, eine solche Geschmacksenthaltsamkeit vermag ein Einzelner nicht aufzubringen. Es ist blankes Theaterhandwerk, was die beiden Herren da ausüben, ganz grob zusammengehauene und zusammengeleimte Handwerksarbeit. Ich will versuchen, den Inhalt zu erzählen. Die bekannte amerikanische Wittwe, Anny Clarkson heißt sie hier, hat gehört, es sei die größte Seligkeit, sich in Berlin von einem Leutnant die Cour machen zu lassen. Sie läßt sie sich also machen, und zwar von einem Leutnant Victor v.Hohenegg. Was von ihr als Laune begonnen ward, wird allmählich so ernst, wie es der sieggewohnte Victor von Anfang an gemeint hat. Die übrigen Verehrer werden zurückgedrängt, und die Amerikanerin sinkt selig dem Leutnant in die Arme. Damit ist der zweite Akt und das eigentliche Stück zu Ende - vom Schlußakt weiß ich nichts zu vermelden: ich bin nicht Manöverberichterstatter.

Der Erfolg des Stückes war laut und lärmend, aber nicht eigentlich groß. Man lachte viel, aber man schien sich mitunter darüber alsbald zu schämen. Das Militärleben bietet sicherlich viel Anlaß zu humorvoller Behandlung, und gegen „Krieg im Frieden”, „Veilchenfresser” und „Im Civil” läßt sich vom Theaterstandpunkt nicht viel sagen. An Humor aber fehlt es hier gänzlich. Außer dem Tausendsassa von der Cavallerie sind alle anderen Gestalten eigentlich Dummköpfe: der Fabrikant Wiedebrecht ist ein Dümmling im Sinne des früheren Adolf-Ernst-Theaters, sein Sohn war möglich noch dümmer, die Amerikanerin ist auch ein bißchen dumm, soll freilich im Schönthansinn geistvoll sein, die kleine Betty ist vordringlich und unweiblich, was im Schlichtchen Sinne frisch und soldatenmäßig sein soll. Die Späße, die da aus Kasernen und Manövern erzählt werden, sind ältlich und meist nicht mehr ergötzlich. Wenn aber dann geschildert wird, wie ein unfähiger Einjährig-Freiwilliger zum Gefreiten avancirt, nur weil der Hauptmann und der Major und der General in die schönen Augen und Millionen der Amerikanerin verliebt sind, so geht das doch eigentlich über den Spaß.

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Vilma v. Mayburg im Kostüm der Missis Clarkson

Wenn ich die beiden Dichter nicht unterschätze, so können sie mit ihrer Arbeit sehr zufrieden sein - dieses Possenspiel wird sehr gute Geschäfte machen, auch wo die Darstellung weniger gut ist als gestern im Schauspielhause. Vilma v.Mayburg als Amerikanerin war voll Anmuth und Schalkheit, liebenswürdig und gewinnend - daß sie in der Sprache nicht immer die amerikanische Färbung traf, machte die Grazie und Innigkeit ihres Spiels bald vergessen. Herr Böttcher war schneidig, ritterlich und liebenswürdig als siegreicher Leutnant. Herr Keßler in einer ganz thörichten Rolle sehr sympathisch. Frisch und resolut gab Fräulein Hausner die militärfromme Betty. Herrn Müller, den wir zuerst in einer Shakespeare-Rolle bewundern konnten, mußten wir gestern sich mit einer Emil Thomas-Rolle begnügen sehen. Vollmer schuf sich eine gute Charge, und sehr lebensecht war der rundliche Sergeant des Herrn Eichholz. Gut und flott war Regie und Inscenirung - schade darum.


„Berliner Zeitung” vom 4. Oktober 1902:

Schauspielhaus.

Freitag, zum ersten Mal: „Im bunten Rock.” Lustspiel in drei Aufzügen von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht.

Dieses Soldatenspiel hat der Zeitgeist nicht unwesentlich gestreift. Die Goldfische und begüterten Witwen, die sonst in der Militärposse auftauchten, um den Herrschaften vom Leutnant aufwärts die Köpfe zu verdrehen und die Moral zu verderben, kamen aus der preußischen Provinz oder höchstens aus England. Das mußte anders werden in unserer Epoche der Trusts und Milliardenfürsten. Die pikante Dame ward aus Amerika herbeigeholt und ist die Witwe eines Kupferkönigs. Da aber gleichwohl dem militärischen Standesbewußtsein Rechnung zu tragen ist, so wird der erlesene Herzensleutnant nicht übers große Wasser mitgehen, sondern er wird der Fahne treu bleiben und seinen Engel, der so viel Geld hat, ins liebe deutsche Vaterland hinüberziehen. Das ist das hervorragend Neue an dem Stück. Die Künste unserer Schönthane blühen — es ist eine Lust zu leben.

Sonst freilich hat sich in dieser bretternen Possenwelt nichts verändert. Noch immer treibt sich der Civilist als ein halber Trottel umher; die alten Kasernenhoftypen und -scherze wirken ungeschwächt weiter; nach einer Mondscheinnacht im römischen Kolosseum ist die Courmacherei eines preußischen Husarenleutnants, dem keine Feindesmacht und kein Mädchenherz unüberwindlich, noch immer der idealste und erstrebenswerteste aller irdischen Genüsse. Der unvergleichliche Schwankassessor ist auch noch nicht ausgestorben, der den Dienst verläßt, um als furchtbar komischer Gelegenheitsmacher sich dem Wohle seiner Mitmenschen zu widmen, Schulden hat und sie von reichen Erbinnen sich bezahlen läßt; ebenso wenig die forsche Soldatentochter, die den Militärkodex auswendig kann und durch schneidige Vorwitzigkeit ihrem Liebsten aus dem „Wurstkessel” hilft.

Man kann wohl sagen, es ist ein Unglück, daß diese Nichtigkeiten im „Schauspielhause” so ausgezeichnet gespielt werden. Sie haben das Glück eines Erfolges und entgehen dadurch einem verdienten Schicksal. Das Publikum verwechselt die Kunst der Schauspieler mit dem Stück. Es war gute Arbeit, was Regie und Darsteller leisteten. Ihre übrigens dankbaren Aufgaben erfüllten Fräulein Vilma von Mayburg mit schelmischer Grazie, Frl. Hausner mit drastischer Lustigkeit, Herr Böttcher mit Schneid und Gefühl, die Herren Vollmer und Müller mit natürlicher, einfacher Komik.


„Hamburger Fremdenblatt” vom 5. Oktober 1902:

Feuilleton.
Berliner Theater.

(Eigenbericht.)
[Vergl. diese Kritik mit der Besprechung der Hamburger Aufführung in der gleichen Zeitung. D.Hrsgb.]

Berlin, 3.October.          

Königl. Schauspielhaus: „Im bunten Rock”, Lustspiel in drei Aufzügen von F. v. Schönthan und Frhrn. v. Schlicht.

Wäre dieses sogen. Lustspiel der beiden sonst so liebenswürdigen Schriftsteller wesentlich lustiger und witziger und flotter und noch manches Andere, so wäre es zwar noch lange kein Lustspiel, aber es hätte dann, vielleicht, ein erträglicher Schwank sein können. So aber, wie es sich da in den drei Aufzügen, die einander gleichen, wie ein trüber Tropfen Wasser dem andern, vor uns lustigseinsollend und doch gar traurig abspielte, war es etwas, wofür selbst unsere an Titeln, auch an Theaterstück-Titeln, so reiche und erfinderische Zeit noch keine ganz passende Benennung zu Tage gefördert hat.

„Im bunten Rock”! Wie nett das klingt und wie hübsch und echt das sein könnte, zumal an der classischen Stätte der Leutnantsstücke im Königlichen Schauspielhaus! Aber selbst die Leutnants und Divisions-Excellenzen und einjährigen Gefreiten und Sergeanten in diesem „Lustspiel” — sie sagen es ja selbst — sind unwitzig und unerträglich ledern, so prächtig sie aussehen in ihren hübschen Theater-Uniformen mit dem kleinen Fehler, den die polizeiliche Censur fordert, wenn preußische Soldaten auf die Bühne gebracht werden.

Es sind auch Menschen vom lumpigen Civil in dem Stück, unter Anderen ein steinreicher Berliner Fabrikant, in dessen Hause Durchlauchten, Excellenzen, Leutnants und sogar die Blüthe der Nation: Assessoren verkehren und der so genau Bescheid weiß mit der Art, wie man einen Hauptmann freundlich für den Einjährigen stimmt, daß er ihm, nämlich dem Hauptmann, als passendstes Bestechungsmittel einen Hasen für sechs Mark von Borchardt und seine Visitenkarte schickt. Herr v. Schlicht, der Mitdichter des Stückes, hat so reizende Soldatenhumoresken geschrieben, aber in diesem Falle war er entschieden von allem Humor entblößt. Selbst der tollste Schwank und gar Etwas, das sich Lustspiel nennt, darf gewisse Widernatürlichkeiten nicht wagen. Widernatürlich aber wirkt es, wenn man dergleichen von einem Großkaufmann in Berlin und einem Hauptmann erzählt, und selbst für eine Schnurre bescheidenster Art ist Das zu — na sagen wir: derb.

Eine Wiedergabe des vermeintlichen Inhalts ist so unmöglich wie überflüssig. Es genügt, wenn ich die tröstliche Versicherung abgebe: am Schluß heiratet ein sehr kleidsam angezogener bläulicher Husar eine amerikanische Dame, die übrigens von Vilma von Mayburg recht niedlich dargestellt wurde. Ein Labsal war wenigstens das Mitspielen Vollmar's, dieser Perle unseres königlichen Musenhauses. Er spielte eine ganz entbehrliche Rolle, aber, beim heiligen Idealismus, als dessen Stätte jedes königliche Theater angebrachtermaßen, wie Bismarck so gerne sagte, ohne Zweifel zu betrachten ist: ohne Vollmar hätt' ich's nicht bis zum bitteren Ende ausgehalten.

E. E.          


„Neue Hamburger Zeitung”, 5. Oktober:

Berliner Premièren.

Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Akten von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht.

W.T. Bevor die große Sarah am Gendarmenmarkt ihren Einzug hält, entrollt sich in jenen heiligen Hallen noch einmal das an dieser Stätte schon so oft gesehene Schauspiel preußischer Militärkunst. Es wird getrommelt und gepfiffen, in schneidigen Griffen und Parademärschen exerziert; es wird in Kasernen­hofaus­drücken schwadroniert; die ältesten Militärwitze werden lebendig; drei Dutzend Paragraphen der einschlägigen Reglements werden aufs genaueste citiert und behandelt, und am Ende marschiert gar ein ganzes Regiment mit klingendem Spiele, voran der Häuptling hoch zu Roß, über die Bühne. Daß bei der Fülle solcher Reize die Autoren dem weiteren soi-disant-Inhalt ihres Stückes, wie seinen Figuren keine Aufmerksamkeit schenken, ist begreiflich. Sie haben genug der Erfindungsgabe verschwendet, um alles, was beim Militär amüsant und interessant, in drei Akte zu komprimieren. Verständlich also, wenn ihnen bei Ersinnung des verbindenden Textes, der handelnden Personen die Puste ausgegangen ist. Und so tanzen sie denn wieder an, die alten Lustspielstatisten, die in diesen Gefilden des Schreckens in jedem Jahr in irgend einem Machwerke von X. oder Y. ihre fröhliche Urständ feiern. Sie nahen, der behaglich täppische Lustspielvater von anno Moser und sein Sohn, der blonde Dümmling — hier Einjähriger — den noch immer Herr Hertzer spielt; der schneidigste aller Husarenoffiziere, der immer von dem verfluchten Reitergeist und dem entsetzlichen Kavalleristenschneid faselt, und der sich die Backfische, wie zum Schluß die reiche, amerikanische Wittib nur so auf seine Schnurrbartspitzen spießt. Herr Böttcher macht das himmlisch. Erwähne ich noch diese Wittib selbst, deren pikanten Konversationston Fräulein v. Mayburg in ein entzückendes Ungarisch-Englisch überträgt, endlich Fräulein Hausner, die ein adliges Fräulein mit Vorliebe für Unteroffiziersjargon darstellt, so haben wir sie wieder alle beisammen, die alten, bösen Bekannten. Von diesem Unding, dieser Mißgeburt der Dramatik müßte also der ernste Kritiker, die Wohlgemeintheit der enragierten Schauspielhaus-Claqueure übergehend, schwelgen. Doch zeichnet als Autor mitverantwortlich der gewisse Freiherr von Schlicht, der in seinen Prosaskizzen den Kommißgeist mit bitterer Satire zu geißeln, nicht vor ihm so seicht und byzantinisch Front zu machen pflegt. Und das ist der ernste Moment in diesem Lustspiel; ein Moment, der ins Tragische umartet, wenn man den begabten Humoristen sich später an der Seite des Vielschreibers Schönthan vor diesem Banausenpublikum neigen sieht.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 469, 7. Oktober 1902, Morgenblatt:

Jenny Groß wurde vom Director Philipp Bock für dessen nächstes Ensemble-Gastspiel im Alexandra-Theater in Petersburg verpflichtet. Die Künstlerin wird bei dieser Gelegenheit die weibliche Hauptrolle in der jüngsten Novität von Schönthan und Schlicht „Im bunten Rock” creiren. Fräulein Groß hat das Stück für ihr Gastspiel am Residenz-Theater in Dresden, das im nächsten Frühjahr stattfindet, angekauft.


"Frankfurter Zeitung", Nr. 278, 7. Oktober 1902, Zweites Morgenblatt:

[Berliner Theater.] Aus Berlin v. 4. Oct. wird uns geschrieben:
„Gefreiter! Führen Sie Ihre Abteilung auf kürzestem Wege so, daß der linke Flügelmann an den Brunnen zu stehen kommt, Front nach der Kaserne!” Der Oberst hat's gesprochen, scheinbar gnädigen Angesichts; und mit möglichst furchtloser, ihm selbst aber erschreckend fremd klingender Stimme hat der Einjährige kommandirt: „Stillgestanden! Das Gewehr - über! Mit Sectionen rechts schwenkt - marsch! (Nur ganz frivole Gemüter lassen links abschwenken, denn das Ende heißt hier „Inversion”) Gerade - aus!” Soweit ging Alles gut, nun aber vollzieht sich das Gräßliche. Denn während er überlegt, was nun beginnen, schreitet das Verhängniß in Gestalt seiner eigenen Abteilung unaufhaltsam vorwärts, gerade aus, immer gerade aus, und fern und ferner verschwindet das ersehnte Brunnenziel und die erhoffte Front nach der Kaserne. Wir haben den bunten Rock längst ausgezogen, aber diese Schreckensscene, ein uniformirtes Albdrücken, verfolgt uns in unsere Träume. Sie erstand auch auf der Bühne des Schauspielhauses wieder, da das dreiactige Lustspiel von Franz v.Schönthan und Freiherr v.Schlicht „Im bunten Rock” seine erste Aufführung erlebte. Und ähnliche Scenen schlossen sich daran. Der Einjährig-Gefreite kommandirt im Manövergelände den Unteroffizierposten No. 2, und die Meldungen vom Feinde treffen ein, und der Gegner naht im Sturmschritt mit aufgepflanztem Seitengewehr, und eh' der Einjährige sich's versieht, sitzt er im „Wurstkessel” drin. Der Leutnant steht vor Sr. Excellenz dem Divisionär, und der Vorwurf der Unwahrheit wird gegen ihn erhoben, und da er den dienstlich-korrect zurückweist, gewinnt er das Herz des hohen Vorgesetzten. Es sind das Auftritte, wie sie „Freiherr v.Schlicht” (Wolf Graf Baudissin) vielfach schildert, und sie zeugten auch auf der Bühne für sein gutes Beobachtungstalent, seine lebendige Schilderung, seinen frischen, soldatischen Humor. Hat Ompteda den Geist des modernen deutschen Offizierstandes tiefer erfaßt, hat er in den Figuren des adligen Silvester v.Geyer und des adligen Generalstäblers v.Eysen ein ausgesprochen bürgerliches Ideal gestaltet, hat er im Offizier den hart arbeitenden Gegenwartsmenschen gekennzeichnet, dessen bescheidenes Sein dem goldflimmernden, epaulettenblitzenden Schein nur selten entspricht - so hat Freiherr v.Schlicht sich „des Dienstes immer gleichgestellte Uhr” auserkoren, sein satirischer Humor gefällt sich in Fixirung von tausend dienstlich bedingten Äußerlichkeiten, die sich freilich für den Betroffenen in oft recht schmerzliche „Innerlichkeiten” wandeln. Diese seine gute Eigenart spiegeln auch hier eine ganze Reihe von Scenen wieder. Aber einzelne geglückte Auftritte machen noch längst kein Lustspiel aus! Das mag er selbst empfunden und sich deshalb mit Schönthan associirt haben. Schönthan hat die arg armselige Liebesgeschichte zwischen einem Offizier und einer das Deutsche radebrechenden, sehr reichen, sehr schönen Amerikanerin hinzugethan, hat eine dürftige Handlung angesponnen, deren Fäden sich schon im zweiten Act „in Wohlgefallen” auflösen, hat eine Reihe abgenutzter Typen auf die Bühne gestellt und mit ältesten Coulissentricks aufgewartet. So ist ein „Lustspiel” nach verbrauchter Schablone, ohne jedweden Einfall, ohne eine Spur von innerer Einheit entstanden, aus dem man sich die einzelnen guten und frischen Schlicht'schen Scenen herauspicken mag. -
Die Aufführung des Schauspielhauses hielt sich auf mittlerem Niveau. Wirklich gelungene Leistungen fehlten ganz, selbst Herr Vollmer in der Rolle eines adligen, verschuldeten Assessors a.D. bot nur Possenwirkungen. In's Possenhafte verlor sich leider auch Herr Müller. Gefällig spielten Herr Boettcher und Frl. v.Mayburg als liebendes Paar, Frl. Hausner, Herr Hertzer, Herr Eichholz als Sergeant. Die ehrlichste Figur des Abends machte Herr Keßler aus.
E.H.


In der Zeitschrift „Deutsche Bühnen-Genossenschaft” vom Freitag, 10. Okt. 1902, Seite 399, findet man folgende Besprechung:

Im bunten Rock. Lustspiel in drei Akten von Franz v.Schönthan und Frhrn. v.Schlicht. Am 3. Oktober in Berlin (Königl. Schauspielhaus). Auf die eigentliche Lustspielhandlung legen die Verfasser wenig Gewicht. Sie hört auf, noch ehe sie angefangen. Gleich beim ersten Aufgehen des Vorhangs hören wir, daß eine amerikanische Nichte des Fabrikanten Wiedebrecht, eine sehr schöne Milliardärin und junge Wittwe aus Amerika angekommen ist. Wiedebrecht bitte sehr seltsamer Weise gerade den feschen Lieutenant v.Hohenegg, die Freier von dieser Penelope fernzuhalten, damit sein etwas ungeschickter Sohn die reiche und schöne Braut heimführe. Wir wissen sofort, daß aus diesem Lieutenant und dieser Amerikanerin nach dem üblichen kleinen Lustspiel-Geplänkel ein Paar werden wird. Der Plan ist in den ersten zwei Scenen klar und in der ersten zwei Akten spielt er sich programmgemäß ab. Nach der selbstverständlichen drolligen Entzweiung und militärisch flotten Versöhnung ist das Paar am Ende des zweiten Aktes verlobt. Der Schlußakt bringt nur noch eine Anzahl lose aneinander gereihter, sehr lustiger Manöver-Bilder und komischer Soldaten-Scenen. Das Publikum folgte der Aufführung mit fröhlicher Antheilnahme.      (B.B.-C.)


„Der Humorist” vom 10.Okt. 1902:

Die Folge dieser Repertoireverschiebungen ist, daß der bemitleidenswerte Referent fast allabendlich dazu verhalten ist, sich in die schwarzen Seelen moderner Dramatiker zu vertiefen. Vertiefen? Pah, das ist wohl nicht der richtige Ausdruck, wenn man Schönthan und Schlicht's Soldatenlustspiel „Im bunten Rock” im Auge hat, das neulich über die Bretter des kgl. Schauspielhauses gegangen ist. Die beiden Verfasser haben da wohl in erster Reihe mit den Freunden militärischen Klimbims gerechnet, mit jenen Staatsstützen, die beim Passiren eines Ulanenfähnleins vor lauter Entzücken an den Steuerbogen vergessen. Die Herren Schönthan und Schlicht sind kluge Leute. Von ersterem wußte man es bereits, den letzteren lernte man nun erst gebührend kennen. Im „bunten Rock” fehlte auch nicht ein militärischer Effect, der nicht bereits einzeln wohlerprobt, hier eine geradezu radaufordernde Sammelstätte gefunden hatte. Es wurde geschossen, Commandorufe erschallten, man marschirte, zwischendurch gab es sentimentale Kusslaute und mailiches Liebesgirren. Probatum est. Das Recept wirkte: es gab einen lauten äußeren Erfolg, an dem nun Schönthan und Schlicht für längere Zeit zu zehren haben werden. Frl. v. Mayburg gab eine Miß, die speciell dazu geboren schien, sich in späteren Jahren in einen preußischen Leutnant zu verlieben. Wenn nur der Herr keinen Anstoß an ihrem geradezu grauenhaften Englisch–Deutsch genommen hat. Doch was schadet das schließlich der Liebe! . . . Sehr tüchtig hielt sich Herr Böttcher, item die Herren Vollmer, Keisler [sic! D.Hrsgb.], Müller und Frl. Hausner.

Leo Heller.


„Rostocker Zeitung” vom 15.Okt 1902:

Aus Berlin.

(Von unserem Berliner Correspondenten.)

Wir sind von Rechts wegen erst in der dramatischen Vorsaison. Der October gehört noch den theatralischen Plänkeleien, und so haben wir denn zunächst in seinem Beginn auch drei leichte Confetti-Schlachten erlebt.

Das Schauspielhaus brachte ein Lustspiel „Im bunten Rock” von Schönthan und Schlicht. Es ist harmlos und lustig. Der amüsante Schwank giebt sich ohne Prätensionen als Neuauflage der vielen militärischen Komödien, wie sie Schönthan, wenn auch mit anderen Waffenbrüdern, der deutschen Bühne schon geschenkt hat. Wer machte denn der Mitwelt Spaß ? Der Scherz, die leichte Unterhaltung haben auch ihre verbrieften Rechte. Man lacht und freut sich, daß es in der Armee so viele unwiderstehliche Officiere giebt. Wenn der kritische Beobachter einer Pariser Revue neuerdings in einem Artikel über Berlin erklärt hat, es gehe nichts über den deutschen Officier, seine Haltung und seine Eleganz seien unübertrefflich, warum sollte sich die junge Amerikanerin in dem Schlicht-Schönthan'schen Stücke nicht in den flotten Husarenleutnant verlieben, den die Autoren mit allen Reizen des Lustspielhelden ausgestattet haben ? Die Tragikomödie des Einjährig-Freiwilligen, die vielleicht noch einmal eine ergiebige Behandlung lohnen würde, ist von den Autoren, allerdings in ganz amüsanten Scenen, nur gestreift. Die ausgezeichnete Darstellung, an welcher eine Reihe junger Original-Krieger eines Berliner Garde-Regiments in strammem Schritt und Tritt keinen unerheblichen Antheil hatte, half dem Lustspiel zu heiterster Wirkung. Der bunte Rock wird während dieser Saison das Lieblingsgewand des Schauspielhauses werden.


In der Zeitschrift „Bühne und Brettl”, Herausgeber Josef Jellinek, Berlin, II.Jahrgg., Heft Nr. 19, vom 15.Okt. 1902 liest man folgende Besprechung des Lustspiels „Im bunten Rock”:

Premieren-Glossen

Das „Grosse Licht”, welches die Königliche General-Intendantur in voriger Saison im Schauspielhaus angezündet hat, erwies sich als eine mächtige Fackel, die weit hinaus in die deutschen Lande ihre Strahlen warf. Doch auch das größte Licht nützt sich mit der Zeit ab, und deshalb wurde es später sorgsam verwahrt und nur manchmal angebrannt, auf daß es sich als ewiges Licht im Repertoire des Königlichen Schauspielhauses erhalte. Und es wird noch lange brennen.

Nun hat die Hochsaison kaum begonnen und schon hat das Königliche Schauspielhaus wieder einen Erfolg. Das Stück übt zwar keine tiefgehende Wirkung, doch zaubert es ein unwiderstehliches, herzliches Lachen hervor, das ebenso hoch anzuschlagen ist. Diesmal hat sich der originelle Humorist Franz von Schönthan mit dem bewährten Strategen Freiherrn von Schlicht zusammengethan, und was bei dieser glücklichen Compagnieschaft herauskam, das ist das ergötzlichste Militärlustspiel, das seit Gustav von Moser's glücklichster Zeit auf die Bühne kam. Es heißt: „Im bunten Rock” und hat leider nur drei Akte.

Gespielt wurde bis in das kleinste Detail, wie es der vornehmsten Bühne des Reiches würdig ist, und wie es wohl auch nicht anders zu erwarten war. Herr Müller, der bereits in klassischen Rollen sein reifes Talent gezeigt hat, erwies sich als Wiedebrecht als ein humoristischer Vater von ganz besonderen Qualifikationen. Ein drolliger Einjähriger war Herr Hertzer, in seiner Dummdreistigkeit geradezu köstlich. Der Missis Anny Clarkson verlieh Fräulein Vilma von Mayburg bestrickende Anmuth und gewinnende Herzlichkeit. Daß sie nicht gut radebrechte, überhörte man gern. Einer der gewandtesten und elegantesten Schauspieler ist Herr Boettcher. Sein Leutnant von Hohenegg war der Typus eines vollendeten Kavaliers in Uniform. Von überaus frischer Natürlichkeit war die Betty des Fräulein Hausner; ihr sprudelndes Temperament, die graziöse Figur, ihr resolutes Spiel und ihr herzhaftes Zugreifen kamen der Rolle – eine der glücklichsten in der Bühnenliteratur – sehr zu Statten. Herr Vollmer war ein vorzüglicher Gollwitz, eine allerliebste Jeanette Fräulein Sperr.

Nicht blos, weil es ein Militärstück ist, fand das Lustspiel „Der bunte Rock” Einlass ins Königliche Schauspielhaus, sondern es ist vielmehr darnach angethan, von hier aus auch den Weg über sämmtliche deutschen Bühnen zu nehmen; weil es deutsch ist und trotzdem nicht schlecht. . . . .


Unbekannte Zeitung aus dem Archiv der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Uni Köln in Schloß Wahn:

Über „Im bunten Rock”

Das ungemein liebenswürdige lustige Stück wurde von dem strengen Publicum des Königlichen Schauspielhauses mit sehr großem Beifall unter wahren Lachstürmen aufgenommen und scheint Cassenstück ersten Ranges zu werden. Das genügt. Von Schönthan und Schlicht erwartet Niemand tiefe literarische oder symbolische Thaten, sie wollen amüsieren und Geld verdienen. Diesen Zweck haben sie sicher erreicht. Die Aufführung war eine durchweg vortreffliche, von Herrn Keßler mit großem Geschmack und Lebendigkeit inscenirt. Ganz ausgezeichnet gab Fräulein von Mayburg die radebrechende Amerikanerin, eben so schneidig Herr Böttcher den Husarenlieutenant. Vollmer war höchst ergötzlich wie immer, und Herr Hertzer ganz prächtig als Einjähriger. Auch Fräulein Hausner wußte viel Humor aus ihrer Rolle herauszuholen, wie Herr Müller viel zur Heiterkeit des Abends beitrug. Alle waren mit Liebe und Lust bei der Sache. Das Stück wird seinen Weg über alle deutschen Bühnen machen und noch viel Menschen unterhalten; wie gerne lacht heutzutage das Publicum.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 487, 17. Oktober 1902, Morgenblatt:

„Im bunten Rock”, das Kassenstück des Kgl. Schauspielhauses, wird seine ersten Premièren nach der Berliner Aufführung Sonnabend, 18.d.Mts., am Deutschen Volkstheater in Wien, im Deutschen Theater in Hannover und im Stadttheater in Posen erleben.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 513, 1. November 1902, Morgenblatt:

Schönthan und Schlichts Lustspiel „Im bunten Rock” hat gestern, wie uns ein Privattelegramm meldet, am deutschen Schauspielhaus in Hamburg einen durchschlagenden Erfolg errungen.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 517, 22. November 1902, Morgenblatt:

Das deutsche Ensemble in Petersburg, das unter Leitung William Büllers im Schabelska-Theater ein vierwöchiges Gastspiel absolviert, beginnt seine Vorstellungen am 22. d.Mts. Es werden nur Stücke modernen Geistes gegeben, und unter diesen herrschen die Lustspiele vor. Dem Dreyerschen „Probecandidat”, mit dem das Gastspiel eröffnet wird, reihen sich „Im bunten Rock” und „Der Raub der Sabinerinnen” an. Dann sollen das Blumenthal-Kadelburgsche Lustspiel „Das Theaterdorf” und Meyer-Försters „Alt-Heidelberg” folgen. Sudermann, Hauptmann, Schnitzler und Ibsen kommen auch zu ihrem Rechte. Von Berliner Schauspielkräften sind in dem Ensemble vertreten die Herren: Albert Hübener, Fritz Grunwald und Georg Kröning, sowie die Damen: Josephine Sorger, Ida Becker und M.Leuchtmann.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 41, 25. Januar 1903:

Jenny Groß wurde von Direktor Philipp Bock auf zwölf Abende für die Frühjahrsspielzeit am Kaiserlichen Alexandra-Theater in Petersburg engagiert. Am 1.Februar beginnt die Künstlerin ein längeres Gastspiel am Residenz-Theater in Dresden in der Rolle der Annie im Lustspiel „Im bunten Rock”.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 54, 2. Februar 1903, Abendblatt:

Am gestrigen Sonntag besuchte das Kaiserpaar mit den in Berlin weilenden fürstlichen Gästen den Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. . . .
Später besuchte das Kaiserpaar die Vorstellung im Königl. Schauspielhaus, wo das Lustspiel „Im bunten Rock” gegeben wurde.

Der Kaiser sprach gestern nach der Vorstellung von „Im bunten Rock” Herrn Böttcher, welcher die Rolle des Leutnants Hohenegg gespielt hatte, freundliche Anerkennung aus.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 136, 21. März 1903, Abendblatt:

Das Kaiserpaar besuchte gestern Abend mit dem in Berlin eingetroffenen Prinzen Adalbert das Königliche Schauspielhaus.

Der Kaiser und die Kaiserin wohnten der gestrigen Aufführung des Schwankes „Im bunten Rock” im Königlichen Schauspielhause bei. Nach dem zweiten Akt des Stückes wurde Herr Vollmer und nach dem dritten Fräulein von Mayburg von den Majestäten empfangen, die sich längere Zeit mit den Künstlern in huldvollster Weise unterhielten.


„Berliner Lokal-Anzeiger”, Nr. 262, 8. Juni 1903, Abend-Ausgabe:

„Im Königlichen Schauspielhause” gelangt morgen (Dienstag) zum letzten Male in dieser Saison „Der bunte Rock” zur Aufführung.”


Im „Berliner Tageblatt”, Nr. 502 XXXI. Jahrgang, vom 3. Oktober 1902 findet man:

In dem Lustspiel „ Im bunten Rock”, das heute im königlichen Schauspielhaus seine Première erlebt, ist die Besetzung der Hauptrollen folgende:
Fabrikant Wiedebrecht - Hr. Müller; Hans, sein Sohn - Hr. Hertzer; Annie Clarkson - Frl. v.Mayburg; Leutnant Victor v.Hohenegg - Hr. Böttcher; Betty, seine Schwester - Frl. Hausner; Paul v.Gollwitz, Assessor - Hr. Vollmer; Exzellenz v.Troßbach, Divisionskommandeur - Hr. Keßler; Justizrath Rösler - Hr. Zeisler a.G.

Und am Morgen des 4. Oktober liest man in der Nummer 504 der gleichen Zeitung:

Königliches Schauspielhaus

Im bunten Rock”, Lustspiel in drei Aufzügen von Franz v.Schönthan und Frhrn. v.Schlicht.

F.E. Ich komme eben vom Tempelhofer Felde . . . Schmetternde Regimentsmusik der von einer Felddienstübung heimkehrenden Truppen. Erscheinen des Divisionskommandeurs v.Troßbach. Meldung des Husarenleutnants v. Hohenegg als dessen Adjutant. Zugleich Vorstellung seiner Braut, der Missis Clarkson. Entzückend heitere Genrebilder: ein Schlachtenbummler, der auf dem Protzkasten hin und her geschüttelt wird, daß ihm alle Rippen krachen. Ein Einjährig-Gefreiter, der seinem Mädchen Zärtlichkeiten sagt, während er doch den herannahenden Feind beobachten soll . . .

Ich komme eben vom Tempelhofer Felde, das gestern im königlichen Schauspielhause lag, allwo man sonst auch Schiller, Walter Bloem und Shakespeare spielt. O daß ich ein Rekrut oder gar ein Kadett, o daß ich ein Backfisch wäre, um dem strammen Tritt, der edlen Liebe, dem himmlischen Humor dieses Lustspiels ganz gerecht werden zu können. Aber so! Ein Civilist, der zwar einen weihevollen Schauer fühlt, wenn der Kriegsgott im verschnürten Attila über die Hofbühne klirrt, aber der nicht vermag, diese seelische Erschütterung fachmännisch anzudeuten! Ich kann nur zu Schönthan und Schlicht sagen: Ihr habt es gut gemacht. Besser zwar nicht als Moser, aber besser als Lessing, in dessen Soldatenlustspiel man sich mit einigem Denken abquälen muß, und besser als Kleist, der seinen Obersten, den Prinzen von Homburg, mit einer ganz unstatthaften Hülle von Poesie umgab. - Ihr, die ihr gelegentlich ja auch als Journalisten thätig seid, verdient in Wahrheit kommandirende Generäle genannt zu werden! Ihr seid werth, in Krefeld, wo man nach Husaren lechzt, ein Denkmal zu erhalten! Noch zwei, drei Dutzend deutsche Autoren wie ihr, und dem Vaterlande erstarkt von der Bühne her ein Schutz, der mehr als ein Armeekorps werth ist und jeden äußeren und inneren Feind in blassen Schrecken setzt. Ihr könnt Eisenbahnminister und Landwirthschaftsminister werden, denn ihr versteht vom Militärischen gar viel.

Soll ich Denen, die nach mir genießen werden, zu viel von dem Inhalt des Lustspiels verrathen? Ich will nur gerade neugierig machen. Sie ist eine Wittwe aus Amerika, ein Fabelwesen an Anmuth und Moneten; es giebt nichts Reicheres und Schöneres. Er ist ein Leutnant von den Husaren, ein Gott an Schneidigkeit und edler Gesinnung; es giebt nichts Edleres und Forscheres. Sie wollen zu einander. Aber dazwischen steht der Onkel der Amerikanerin, ein Fabrikant mit der Tölpelhaftigkeit des komischen Vaters aus der Adolph Ernst-Posse. Onkel will die reiche Erbin für seinen Sohn haben, den Einjährigen, der - ein feiner Zug im Stile Ibsens - die Dummheit von seinem Vater geerbt hat. Wie der Leutnant es nun macht, alle Schwierigkeiten zu überwinden, bis er schließlich mit Missis Anny den Trust fürs Leben schließt, wie er das macht, das darf man nicht in wenigen Zeilen sagen, denn Schlicht und Schönthan brauchen drei ganze Akte dazu, indem sie männliches Auftreten, Hornsignale, weibliche Empfindsamkeit, Kasinowitze, Verwechslungen, und eine Masse aus den Kasernen ausgeborgter Statisten in die große Retorte thun, aus der dann ihr Lustspiel strahlend schön mit blankgeputzten Knöpfen aufsteigt. Nur von dem jungen Mädchen sei noch gesprochen, die der Einjährige schließlich freit, da ihm die Milliardärin entgeht. Dieses Mädchen kennt alle Kommandos und sämmtliche Vorschriften der Felddienstordnung. So ist sie das Symbol des ganzen Lustspiels, diese Schlicht-Schönthansche Jeanne d'Arc, das Inkarnat des innersten Selbst ihrer Dichter, das Abbild ihrer Ruhe, die fluchen kann wie ein Unteroffizier, patent sein wie ein Fähnrich, klug wie ein Generalstäbler, unterhaltsam wie ein Kriegervereinskalender.

Das Publikum begriff das auch. Erst mit dem Auftreten dieser Kommißjungfrau, die von Fräulein Hausner sehr zweckentsprechend gespielt wurde, begann der Sieg der Autoren sich zu entscheiden. Der Feind - das sind wir civilistischen Kritiker - war denn auch schnell seiner Auflösung nahe und hätte gern die Flucht ergriffen.

Die Amerikanerin wurde übrigens von Fräulein v.Mayburg in Spiel, Sprache und Toiletten sehr charmant gegeben. Nicht minder der Leutnant von Herrn Böttcher, der General von Herrn Keßler, der Sergeant von Herrn Eichholz, der Einjährige von Herrn Hertzer. Aber ich kann nicht die ganze Stammrolle aufzählen. Nur der Vater-Fabrikant fand bei Herrn Müller wenig Humor. Schadet nichts. Der Mann trägt keinen bunten Rock und braucht nicht gut gespielt zu werden.

„Berliner Tageblatt” vom 13.12.1903:

Der Kaiser im Schauspielhause. Der Kaiser hat seine Absicht, gestern Abend der Vorstellung „Im bunten Rock” beizuwohnen, ausgeführt und damit bewiesen, daß er sich völlig gesund fühlt. Ein sehr stattliches Publikum hatte sich am Schauspielhause eingefunden, um den Kaiser zu sehen. Wenige Minuten nach halb acht fuhr das prächtige Schimmelgespann vor. Zuerst stieg die Kaiserin, die helle Toilette trug, aus, dann der Kaiser, in der Uniform seines Kürassierregiments, den Adlerhelm auf dem Haupte. Der Kaiser sah sehr frisch aus. Vor dem Kaiserpaar waren die Prinzessin Leopold, Hausminister v. Wedell und Korvettenkapitän v. Grume eingetroffen. In der Pause nahmen die Herrschaften den Thee im Foyer ein.


In der „Neuen Preußischen Zeitung (Kreuz-Zeitung)”, Nr. 466, von Sonnabend 4. Oktober 1902 (Abend-Ausgabe), steht zu lesen:

„Im bunten Rock”. Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz v.Schönthan und Frhr. v.Schlicht. 1.Aufführung am 3.Oktober. Regie: Hr. Keßler.

Die Militärhumoresken des Frhrn. v.Schlicht (Graf Baudissin) erscheinen meist zuerst in der „Frankfurter Zeitung”, wo sie offenbar wegen ihrer scharfen Satire auf allerlei menschliche Schwächen im Offiziersstande ein besonders dankbares Publikum finden. Es ließ sich annehmen, daß der militärfromme Franz v.Schönthan ein Stück, das er patronisirte, nicht eine gleiche Tendenz hervorkehren lassen würde. „Im bunten Rock” ist den auch ein ziemlich harmloses Lustspielchen. Nur an zwei Stellen klingt das Leitmotiv aller Schlichtchen Humoresken an: der Spott auf das Nachäffen der Vorgesetzten. Im übrigen handelt es sich um Liebesgetändel und den altehrwürdigen Konflikt, daß die umworbene Dame an der Liebe des Bewerbers zweifelt, weil er anderen Frauen vor ihr den Hof gemacht hat. Sie ist zur Abwechslung - ach, auch das ist schon so oft dagewesen! - eine reiche Amerikanerin, eine junge, schöne Wittwe, die in Europa Kunstschätze, Antiquitäten und einen neuen Ehemann in ihren amerikanischen Palast sucht. Für die Bewerbungen des Husarenleutnants ist sie präparirt worden durch eine Freundin, die ihr gesagt hat: „Alles habt Ihr in Amerika schöner und besser als wir; aber einzig in Europa ist das Colosseum bei Mondschein und das Kurschneiden eines preußischen Leutnants.” Dem Zauber des Leutnants kann sie denn auch wirklich nicht widerstehen. Als Folie dient diesem Schwerenöther der übliche dumme Einjährige. Neu ist in dem Stücke nur die Figur der Tochter aus einer Offiziersfamilie. Frl. Betty v.Hohenegg ist die Enkelin, Tochter, Schwester, Nichte und Cousine von lauter Offizieren. Der einzige Zivilist in der Familie ist ihre Mutter. Sie selbst kennt den Dienst aus dem ff. und könnte, wie sie geht und steht, Königlich preußischer Sergeant sein. Merkwürdigerweise ist sie gerade in den dummen Einjährigen verliebt, woraus wieder ersichtlich ist, daß die Liebe blind macht. Sie soufflirt dem Einjährigen, wie er eine Feldwache zu kommandiren hat. Beinahe wäre er mit dieser Mogelei zum Qualifikations-Attest gelangt. Aber der Divisions-General durchschaut die List zum Schlusse doch, und über den Gefreiten wird der dumme Hans nicht hinauskommen. Der zweite und der dritte Akt spielen im Manöver. Viel Kasernenwitze, sSchießen, Kommandiren, Marschmusik. Das macht sich auf der Bühne auch ganz hübsch und findet viel Anklang. Manche bessere Witze laufen mit unter. Das Ganze aber ist eine gewaltsam zusammen erfundene, episodisch verlaufende Geschichte, für die niemand sich interessiren könnte, wenn nicht das bunte Beiwerk die Sache annehmbar machte.

Gespielt wurde sehr flott und forsch. Frl. v.Mayburg als Mrs. Anny Clarkson, die reiche Amerikanerin, war sehr pikant und zeigte in den Liebesscenen ein hübsches Temperament. Ihr Deutsch-Amerikanisch war ganz echt. Herr Boettcher spielte den Husarenleutnant ebenfalls mit großer Verve und vereinigte aufs glücklichste jugendlichen Leichtsinn, leidenschaftliches Empfinden und chevalereskes Auftreten. Es ist eine sehr gefährliche Rolle, in der unsere meisten Bonvivants zu schneidig sein dürften. Frl. Hausner gab die Soldatentochter nicht gerade originell, aber sehr wirksam. Den faden Allerwelts-Manager, eine recht abgebrauchte Rolle, hatte Herr Vollmer übernommen. Er war zu gut dafür. Herr Keßler als General, Herr Hertzer als Einjähriger, Herr Müller als Lustspielvater, Herr Eichholz als Witzblatt-Sergeant machten sich um das Gelingen der Aufführung sehr verdient. Die Verfasser wurden oft gerufen.
M.-F.


„Vossische Zeitung” Nr. 460 vom 1. Oktober 1902, Abend-Ausgabe:

Franz v.Schönthan und Frhr. v.Schlicht sind in Berlin eingetroffen und nehmen an den Proben ihres neuen Lustspiels theil, dessen Erstaufführung im königlichen Schauspielhause für Freitag, 3.Oktober, angesetzt ist.


„Vossische Zeitung” Nr. 463 vom 3. Oktober 1902, Morgen-Ausgabe:

Das königliche Schauspielhaus bringt heute zum ersten Male: „Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Akten von Franz v.Schönthan und Frhr. v.Schlicht, in Szene gesetzt vom Regisseur Keßler. Die Besetzung der Hauptrollen ist folgende: Fabrikant Wiedebrecht Hr. Müller, Hans, sein Sohn Hr. Hertzer, Annie Clarkson Frl. v.Mayburg, Leutnant Viktor von Hohenegg Hr. Böttcher, Betty, seine Schwester Frl. Hausner, Paul von Gollwitz, Assessor Herr Vollmer, Exzellenz von Troßbach, Divisionskommandeur Herr Keßler, Justizrath Rösler Hr. Zeisler a.G., Sergeant Krause Hr. Eichholz, Susanne, Jeanette, Zofen, die Damen Sperr und Eberhardt, Frau Bäckers Frl. Wienrich.


„Vossische Zeitung” Nr. 465 vom 4. Oktober 1902, Morgen-Ausgabe:

Zum ersten Male: „Im bunten Rock”. Von Franz v.Schönthan und Freiherrn v.Schlicht.

Der Titel dieses „neuen” Lustspiels von gestern weist auf Uniformenliteratur; die Sache selbst ist uniformirte Literatur. Der alte feine Satz „Si duo faciunt idem, non est idem” ist auf diese nichts weniger als feine Neuheit nicht anzuwenden; denn das Gleichartige, das da zwei gemacht haben, ist merklich dasselbe, dasselbe in mehr als einem Sinne, nämlich das Stück, das schon so und so oft gemacht worden ist. Die kleinen Variationen von dem bunten Rock - das Amerikanisch-Deutsch der umworbenen Schönen, deren Reize durch die Mundart aufgefrischt werden müssen, die Verwandlung des bekannten Scherzapparats in eine Klingel, die gestohlene Küsse denunzirt, die Steigerung der Militärfreundin zu einer für die Offiziersprüfung gerüsteten Jungfrau, die Verlegung des Exerzierplatzes in einen Garten, aus dem ein stellvertretender Unteroffizier seine Leute nicht heraus kommandiren kann u.s.w. - all dies ändert nichts an dem Identitätsbefund, an der Gleichheit alles Wesentlichen (soweit von solchem überhaupt die Rede sein kann) mit einem ganzen Bataillon von Lustspielpossen. Die Kritik kann unter solchen Umständen darauf verzichten, nach den Motiven der Wiederholung zu fragen oder von der einzigen Spannung des Abends zu erzählen, nämlich von der Spannung im zweiten Zwischenakte, in dem alle Welt sich fragte, was denn auf die erledigte Scheinhandlung im dritten Akte noch folgen soll; es genügt zu konstatiren, daß es sich um keine Neuheit im literarischen oder theatralischen Sinne, sondern nur um die Unsterblichkeit des Banalen handelt. Und damit soll wahrhaftig denjenigen, die vertraute Allerweltsscherze nicht oft genug hören können, der Spaß weder mißgönnt noch verdorben werden. Frl. v.Mayburg als amerikanische Kupferkönigswittwe mit dem entzückenden fremden Accent und Hr. Böttcher als unwiderstehlicher Leutnant waren sehr siegesgewiß, Herr Vollmer als verbummelter Assessor und Nothhelfer, Herr Hertzer als ungeschickter Gefreiter und Hr. Eichholz als barscher und doch lenksamer Sergeant von der bekannten Drolligkeit, wie sie in so und so viel Theaterbüchern steht. Die eigentlichen Sprecher dieser Generalversammlung erprobter und anhänglicher Lustspielmitglieder, die beiden Autoren, konnten sich wiederholt, für den Applaus dankend, verneigen; der gesittet leise Widerspruch der minder Vergnügten störte nicht die Verständnißinnigkeit.     A. K.


„Vossische Zeitung” Nr. 466 vom 4. Oktober 1902, Abend-Ausgabe:

Satzfehlerberichtigung : Im heute früh erschienenen Bericht über die Neuheit des Schauspielhauses: „Im bunten Rock” sind zwei Satzfehler stehen geblieben: es heißt nicht „merklich dasselbe” sondern: „wirklich dasselbe” und nicht: „Variationen von dem bunten Rock” sondern „Variationen am bunten Rock”.

Und in derselben Ausgabe:

Im königlichen Schauspielhause geht Sonntag das F. v.Schönthan und Frhr. v.Schlichtsche Lustspiel „Im bunten Rock” zum dritten Male in Szene. Die Damen v.Mayburg (Anny Clarkson), Hausner (Betty), Pagay (Minna), Sperr (Susanne), die Herren Müller (Wiedebrecht), Hertzer (Hans), Böttcher (Viktor), Vollmer (Paul v.Gollwitz), Keßler (Trostbach), Zeisler (Rösler), Eichholz (Krause) sind in diesem Stück beschäftigt.


Das „Prager Tagblatt” Nr. 154 vom 5.Juni 1904 (Seite 11) bringt folgende Nachricht:

Schönthan-Schlichts Lustspiel „Im bunten Rock”, das bisher an der Berliner Hofbühne zur Aufführung gelangte, übersiedelt von dort in das „Berliner Theater”. Die königliche Schauspielbühne setzte das Lustspiel infolge Schlichts den Offiziersstand beleidigenden Romans „Erstklassige Menschen” vom Spielplane ab.


In der Zeitschrift „Bühne und Brettl” liest man im Juni 1904:

Das Theater des Westens haben sich für einen Monat die Herren des Berliner Theaters, Graul und Halm, gesichert, um den anderen Teil ihres grossen Personals beschäftigen zu können. Sie haben dazu den v.Schlicht-Schönthan'schen „Bunten Rock” des Königl. Schauspielhauses alt gekauft, ihn aber so „auf neu” herausgebracht, daß er beim Publikum, das nun einmal für zweierlei Tuch schwärmt, unter freudigstem Beifall und herzlichsten Lachtränen angestaunt wurde. Hans Kuhnert, Ida Rohland und Olga Engl-Reusche seien als besonders liebenswürdige Anpreiser „des bunten Rockes” rühmlichst hervorgehoben.


„Hamburger Fremdenblatt” vom 26.Mai 1904:

Aus dem Besitz des Berliner Königl. Schauspielhauses geht das Schönthan-Schlichtsche Lustspiel „Der bunte Rock” in das Berliner Theater über. Anfang Juni soll das Stück, beim Gastspiel im Theater des Westens in Szene gehen. —

„Hamburger Fremdenblatt” vom 5.Juni 1904:

Frhr. v. Schlicht ist in Berlin eingetroffen, um den letzten Proben und der Aufführung seines Lustspiels „Im bunten Rock”, mit dem heute, Sonnabend, das „Berliner Theater” sein Gastspiel im „Theater des Westens” eröffnet, beizuwohnen. —

„Hamburger Fremdenblatt” vom 7.Juni 1904:

Im Theater des Westens in Berlin ist am Sonnabend von dem dort gastierenden Personal des Berliner Theaters das frühere Repertoirestück des Schauspielhauses aufgeführt worden: „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht. Das Stück hat wieder sehr gefallen, so daß Freiherr v. Schlicht sich dem Publikum auf der Bühne zeigen konnte. —


Nach der Wiederaufführung des Lustspiels „Im bunten Rock” im Schiller-Theater O. am 14. Februar 1907 schreibt die „Vossische Zeitung” am folgenden Tage:

„Im bunten Rock”, das Lustspiel der Herren Franz von Schönthan und Freiherr v.Schlicht, hat nach einer langen und erfolgreichen Laufbahn am königlichen Schauspielhause und nach einer vorzeitigen Verabschiedung von dessen Brettern einen neuen Schauplatz gefunden, wo es seine Wirksamkeit auf das Berliner Publikum erproben kann, nämlich die Bühne des Schiller-Theaters O. Dort ist das Lustspiel am Donnerstag Abend zum ersten Male aufgeführt worden, und zwar mit durchschlagendem Erfolg. Über das Stück selbst, das gelegentlich seines ersten Erscheinens im Schauspielhause eingehend besprochen wurde, jetzt noch etwas zu sagen, erübrigt sich. Ohne auf inneren Wert oder besondere Originalität Anspruch zu machen, entschädigt es für diese Mängel durch zahlreiche heitere Szenen und gibt den Darstellern Gelegenheit zur Entfaltung eines frisch-fröhlichen Humors. Daran fehlte es auch nicht, und es müssen in erster Linie die Herren Paeschke und Ziegel genannt werden. Herr Paeschke vereinte in der Rolle des Leutnants Viktor v.Hohenegg ein lustiges Draufgängertum mit einem Anhauch von Herzenswärme, die der Rolle sehr zu gute kam, während Erich Ziegel den Assessor Paul v.Gollwitz, den Mann, der in allen Sätteln gerecht ist, nur in seinem eigenen nicht, mit trockener, äußerst wirksamer Komik gab. Nicht ganz auf der Höhe stand der Einjährig-Freiwillige des Herrn Wiene, ihm fehlt die Leichtigkeit des Tons für diesen hilflosesten aller Marssöhne. Die weibliche Hauptrolle der „Missis” Anna Clarkson befand sich in den Händen von Hedwig Pauly. Es schien, als ob der sonst so schätzbaren Darstellerin die Wiedergabe der lustigen, stets lachenden Amerikanerin nicht so leicht würde als manche andere Rolle, in der sich Frau Pauly bewährt hat. Ihre Heiterkeitsausbrüche hatten allerdings mitunter etwas Künstliches, wodurch die Wirkung der Rolle beeinträchtigt wurde. Sehr nett, heiter, natürlich, mit dem kecken Humor des echten Soldatenkindes spielte Gustl Becker den kleinen weiblichen Generalstäbler. Auch die weniger bedeutenden Rollen des alten Wiedebrecht, des Generals v.Troßbach und des Sergeanten Krause wurden von den Herren Rameau, Wirth und Reimer entsprechend gegeben.


Und der „Berliner Lokal-Anzeiger” schreibt am gleichen Tage:

P.  Im Schiller-Theater O. wurde gestern (Donnerstag) abend das Schönthan-Schlichtsche Lustspiel „Im bunten Rock” gegeben. Das Stück ist bereits seinerzeit im Königlichen Schauspielhaus auf seine Wirkung hin mit Erfolg ausprobiert worden. Dieser war ihm - bei Militärstücken, wenn sie einigermaßen geraten, ist das bei uns selbstverständlich - auch gestern beschieden, obwohl die Aufführung manches zu wünschen ließ. Die Regie hätte vor allen Dingen im ersten Akt für ein flotteres Tempo sorgen und auf die Militärszenen des letzten Aktes mehr Sorgfalt verwenden müssen. Dies betrifft besonders die Adjustierung der Soldaten, die bei Aufführungen in Berlin unbedingt der Wirklichkeit entsprechen muß. Helme der Linien-Infanterie passen aber mit dem besten Willen nicht zur Garde-Uniform. Und dann die Griffe - das preußische Exerzier-Reglement müßte ob dieser Parodie erröten.
Auch die Darstellung konnte nur teilweise befriedigen. Unzulänglich war Fräulein Pauly als Missis Clarkson. Abgesehen davon, daß ihre Darstellung der Natürlichkeit entbehrte und höchst manieriert war, so sprach sie auch den für die Rolle unerläßlichen amerikanisch-deutschen Jargon nicht nur sehr mangelhaft, sondern sie vergaß ihn oft ganz. Dagegen bot Frau Becker als Betty von Hohenegg eine hübsche Leistung. Liebenswürdig und voll Schneid spielte Herr Päschke den Leutnant von Hohenegg, und auch Herr Wiene als Hans wäre recht gut gewesen, wenn er sich nur endlich den sächsischen Dialekt abgewöhnen wollte. Herr Rameau gab den Fabrikanten Wiedebrecht mit viel Humor, nur schien keine Veranlassung vorzuliegen, gerade in dieser Rolle den seligen Emil Thomas zu kopieren. Recht gute Vertreter hatte die Menge der kleineren Rollen gefunden.


Die Zeitschrift „Das literarische Echo” 1902/1903 bringt auf Seite 199:

Jener ganz anspruchlosen Komik, die vor litterarischer Beurteilung sicher ist, weil das litterarische Urteil kein Kriterium für sie besitzt, gehört die jüngste Neuheit des Königlichen Schauspielhauses an. Der Titel reicht für die ganze Gattung militärfrommer Schwänke aus: „ Im bunten Rock ”. Als Urheber zeichnen diesmal Franz v. Schönthan und Frhr.v. Schlicht. Die Unsterblichkeit, die den einzelnen Erzeugnissen dieser Art immerhin noch versagt ist, scheint wenigstens dem Genre beschieden zu sein.


In der Zeitung „Das Kleine Journal” erscheinen folgende Meldungen:

30.Aug. 1902
„Im bunten Rock” betitelt sich ein neues abendfüllendes Lustspiel, das Franz von Schönthan soeben in Gemeinschaft mit Freiherrn von Schlicht vollendet hat und das im Verlag Felix Bloch Erben, Berlin, erschienen ist. Die Uraufführung des Werkes findet am 4.Oktober im hiesigen Königlichen Schauspielhause statt. – Das Deutsche Volks-Theater in Wien, das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg, das Deutsche Theater in Hannover, die Residenz-Theater in Stuttgart und Köln, die Hof-Theater in Wiesbaden und Darmstadt und die Stadt-Theater in Leipzig, Magdeburg, Stettin, Erfurt, Breslau Halla a.S. und Liegnitz haben die Novität zur Aufführung bereits angenommen.

23.Sep. 1902
„Im bunten Rock”, ein Soldatenstück von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht, ist die nächste Novität des Königlichen Schauspielhauses, wo es am 3.Oktober in Szene gehen wird.

1.Okt. 1902
Im Königlichen Schauspielhause findet am Freitag die Erstaufführung des Lustspiels „Im bunten Rock” von F. v.Schönthan und Frhrn. v.Schlicht, in Scene gesetzt vom Regisseur Keßler statt. Die Herren Müller, Hertzer, Böttcher, Vollmer, Keßler, Zeisler, Eichholz, die Damen Mayburg, Hausner, Sperr, Wienrich sind in größeren Aufgaben beschäftigt.

2.Okt. 1902
Franz v. Schönthan und Frhr. v. Schlicht sind in Berlin eingetroffen und nehmen an den Proben ihres neuen Lustspiels theil, dessen Erstaufführung im Kgl. Schauspielhause für morgen angesetzt ist.

3.Okt. 1902
Das Königliche Schauspielhaus bringt heute zum ersten Male „Im bunten Rock”, Lustspiel in drei Akten von Franz v.Schönthan und Freiherrn v.Schlicht, in Szene gesetzt vom Regsiseur Keßler. Die Besetzung der Hauptrollen ist folgende: Fabrikant Wiedebrecht – Herr Müller; Hans, sein Sohn – Herr Hertzer; Annie Clarkson – Frl. v.Mayburg; Leutnant Victor v.Hohenegg – Herr Boettcher; Betty, seine Schwester – Frl. Hausner; Paul v.Gollwitz, Assessor – Herr Vollmer; Excellenz v.Troßbach, Divisions-Kommandeur – Herr Keßler; Justizrath Rösler – Herr Zeisler a. G.; Sergeant Krause – Herr Eichholz; Susanne, Jeanette, Zofen – die Damen Sperr und Eberhardt; Frau Bäckers &ndash Frl. Wienrich.

4.Okt. 1902
Königliches Schauspielhaus. Als G. v.Moser mit Franz v.Schönthan zusammen seinen „Krieg im Frieden” und seinen „Reif-Reiflingen” schrieb, war unser Königliches Schauspielhaus noch nicht reif für solche Soldatenstücke, und die großen Einnahmen, die damit erzielt wurden, flossen dem glücklicheren Wallner-Theater zu. Heute aber, da wir die neue Richtung, die den preußischen Offizier zuweilen sogar ernst nahm, glücklich wieder überwunden haben, besinnt sich auch unsere Hofbühne darauf, daß sie in jenen glücklichen Tagen vielleicht doch nicht so ganz auf der Höhe ihrer künstlerischen Mission gestanden habe. Aber Versäumtes läßt sich schon nachholen, wenn man nur ernstlich will. Noch lebt und dichtet Franz v. Schönthan im rosigen Licht, und der Freiherr v. Schlicht hat schon so viel Militärhumoresken geschrieben, daß ihm auch als Dramatiker endlich das Zeugniß der Reife für das Königliche Schauspielhaus ertheilt werden mußte. Das ist gestern geschehen, indem man der beiden Herren dreiaktiges Lustspiel „Im bunten Rock” zum ersten Mal aufführte. In jenen früheren militärischen Lustspielen, an die sich die beiden Verfasser liebevoll anlehnen, waren allerlei soldatische Scherze dem Rahmen einer bestimmten Handlung geschickt eingepaßt. Die neue Kompagniefirma ist einen Schritt weiter gegangen und hat den bunten Rock zum Selbstzweck erhoben. In ihrem Lustspiel ist das zweifarbige Tuch das Absolute und die Handlung ist gleichsam nur zur Wattirung des bunten Rockes benutzt. Diese Wattirung nimmt sich ungefähr folgendermaßen aus. Der Fabrikant Wiedebrecht in Berlin bekommt den Besuch einer reichen Nichte aus Amerika, Mistreß Anny Clarkson. Die junge Dame ist Wittwe, aber wenn sie das Deutsch auch noch so gebrochen spricht, ihre Ehe ist auf ganz natürliche Weise durch den Tod ihres Gatten gelöst worden. Herr Wiedebrecht möchte die reiche Wittwe, um die sich eine Menge Mitgiftspekulanten drängt, mit seinem Sohn Hans verloben, und um die übrigen Bewerber abzuschrecken, benutzt er den Husarenleutnant Victor v.Hohenegg gleichsam als Fliegenwedel. Ein preußischer Leutnant läßt sich aber nicht zu so inferiorer Bestimmung mißbrauchen, denn – so erklären die Verfasser sehr witzig – neben dem Kolosseum im Mondschein ist ein preußischer Leutnant, der die Cour macht, das einzig Sehenswürdige in ganz Europa. Und Leutnant Victor macht so schneidig die Cour, daß er sich schon am Schluß des zweiten Aktes Hand und Herz der geliebten Wittwe erobert. Für die Oekonomie des Lustspiels ein bischen zu früh, denn das Stück ist damit eigentlich aus. Aber die Verfasser wissen sich zu helfen. Erstens muß noch ein zweites Liebespaar verlobt werden, und dann sind die eigentlichen Manöverscherze auf der Bühne eigentlich noch gar nicht gemacht worden. So manövriren sie sich geschickt auch durch den dritten Akt, bringen Alles, was sich danach sehnt, glücklich unter die Haube und lassen den glücklich verlobten Husarenleutnant großmüthigerweise sogar noch zum Divisionsadjutanten avanciren. Coulanter kann man nicht sein, und das Publikum zeigte sich denn auch herzlich dankbar. Im ersten Akt, dessen Anfang ein bischen breit wirkt, machte eine hübsch und graziös geführte Liebesszene freundlichen Eindruck, und als sich dann die übrigen Figuren mehr und mehr als gute, liebe, alte Bekannte entpuppten, feierte man in herzlichster Weise die Freude des Wiedersehens und rief die Verfasser wiederholt sehr lebhaft hervor. Am meisten verdient haben sie diesen Beifall durch die recht originelle Figur eines munteren Backfisches aus streng militärischer Familie. Die Idee, die üblichen Kasernenhofblüthen nicht durch den üblichen Unteroffizier, sondern durch die Naive produziren zu lassen, ist immerhin neu. Der Schlußakt mit seinen mancherlei militärischen Evolutionen, mit der Regimentsmusik und einem lebenden Hauptmann auf einem lebenden Pferde machte auf das Publikum den stärksten Eindruck. Jedenfalls hat das Königliche Schauspielhaus einen Erfolg errungen, an dem es sehr lange zehren wird. Erfreulich war es, daß Fräulein v. Mayburg gestern endlich wieder einmal beweisen konnte, wie Unrecht man thut, sie eigentlich nur in zweiter Linie zu beschäftigen. Sie spielte die Wittwe aus Amerika mit temperamentvollster Anmuth und entzückendem Charme. Das Schauspielhaus besitzt in ihr eine jugendliche Salondame, auf die es stolz sein müßte. Aber gerade an unserer Hofbühne ist man zuweilen unglaublich bescheiden. Ganz famos war Herr Boettcher als Leutnant und europäische Sehenswürdigkeit. Er gab den flotten Courmacher nicht nur schneidig und elegant, sondern, wo es nöthig war, auch mit warmer männlicher Empfindung. Allerliebst charakterisirte Fräulein Hausner den militärisch gedrillten Backfisch und Herr Hertzer gab ihren einjährig-freiwilligen Liebhaber mit drolligstem Humor. Herr Vollmer als Allerweltsassessor fand in der Rolle leider nicht Gelegenheit genug, seine Komik frei zu bethätigen. Er gab der Rolle mehr, als sie ihm bot. Mit prächtiger Einfachheit spielte Herr Keßler die kleine Rolle des Divisions-Kommandeurs, und auch Frau Pagay und Herr Eichholz waren vortrefflich in ihren noch kleineren Aufgaben.
Sch.

5.Okt. 1902
„Im bunten Rock”, Franz v.Schönthan's und Freiherrn v.Schlicht's neues Lustspiel, hat gestern bei seiner ersten Wiederholung im Königlichen Schauspielhause laute Lustigkeit und starken Beifall geweckt, so daß Franz v. Schönthan wiederholt den stürmischen Hervorrufen Folge leisten mußte.

7.Okt. 1902
Im Königlichen Schauspielhause geht heute das Lustspiel „Im bunten Rock” zum vierten Mal in Scene. Die bisherigen Wiederholungen am Sonnabend und Sonntag fanden vor ausverkauftem Hause statt, und die Verfasser, welchen den Aufführungen beiwohnten, wurden nach dem zweiten Aufzuge und am Schluß der Vorstellung mehrmals hervorgerufen.

10.Okt. 1902
„Im bunten Rock”, das Repertoire- und Kassenstück des Königlichen Schauspielhauses, wurde durch Vermittelung der Verlagsfirma Felix Bloch Erben, Berlin, bereits von 54 der hervorragendsten Bühnen zur Aufführung angenommen.

17.Okt. 1902
„Im bunten Rock”, das Zug- und Kassenstück des hiesigen Königlichen Schauspielhauses, wird seine ersten Premièren nach der Berliner Aufführung Sonnabend, den 18. d.M., am Deutschen Volkstheater in Wien, Deutschen Theater in Hannover und Stadttheater in Posen erleben. Ferner befindet sich das Lustspiel am Deutschen Schauspielhause in Hamburg, den Residenztheatern in Köln und Stuttgart und den Stadttheatern in Leipzig, Breslau, Stettin, Bremen, Danzig, Augsburg, Brünn, Halle, Königsberg, Elberfeld, Erfurt, Görlitz, Rostock etc. und den Hoftheatern in Wiesbaden und Darmstadt in Vorbereitung. Sämmtliche Abschlüsse erfolgten durch die Verlagsfirma Felix Bloch Erben in Berlin.

31.Mai 1904
Im Theater des Westens beginnt das Gastspiel des Berliner Theaters Sonnabend, den 4.Juni. Zur Aufführung wird „Im bunten Rock”, Lustspiel in drei Akten von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht gelangen und die folgenden Tage wiederholt werden.

3.Juni 1904
Das Ensemble des Berliner Theaters eröffnet sein diesjähriges Gastspiel im Theater des Westens morgen mit dem dreiaktigen Lustspiel „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht.

4.Juni 1904
Freiherr v. Schlicht ist in Berlin eingetroffen, um den letzten Proben und der Aufführung seines Lustspiels „Im bunten Rock”, mit dem heute das Berliner Theater sein Gastspiel am Theater des Westens eröffnet, beizuwohnen.

5.Juni 1904
Theater des Westens.
Nachdem Franz v. Schönthans und des Freiherrn v. Schlicht Lustspiel „Im bunten Rock” fast zwei Jahre lang im Königlichen Schauspielhause seine Schuldigkeit getan, ist es gestern im Theater des Westens wieder auferstanden, wo das Berliner Theater sein sommerliches Gastspiel mit ihn eröffnete. Und die zahlreichen bunten Röcke, die darin herumwimmeln, taten wiederum ihre Schuldigkeit. Das Publikum amüsierte sich vortrefflich und nach dem zweiten Akt konnte Freiherr v. Schlicht sich dankend verneigen. Für die Aufführung, die sich sehr flott abspielte, war nur die Akustik des Hauses schädlich, die alle Mitwirkenden zwang, einen höchst lärmenden Wettkampf ihrer Lungenkraft auszufechten. Und die Herrschaften vom Berliner Theater haben alle merkwürdig kräftige Lungen. Auch Olga Engl vom Deutschen Theater in Hannover, die die Missis Clarkson spielte, mußte sich wohl oder übel an diesem Wettstreit beteiligen. Vielleicht erhielt ihre Leistung nur dadurch stellenweise eine etwas allzu derbe Färbung. Im übrigen wirkte die Dame in jeder Weise erfreulich. Frau Engl ist eine interessante Erscheinung und mit kluger Liebenswürdigkeit und sicherem Humor wußte sie nicht blos dem Dialekt, sondern der ganzen Rolle die hübschesten Wirkungen abzugewinnen. Sie wurde dafür mit Recht durch lebhaften Beifall auch bei offener Szene ausgezeichnet. Hans Kuhnert war ganz der schneidige, elegante und temperamentvolle Husarenleutnant nach dem Herzen der Verfasser, und man glaubte ihm gern seinen raschen Sieg über die spröde Amerikanerin. Ganz vortrefflich waren auch Willy Rohland als alter Wiedebrecht und Albert Schindler als Gollwitz. Ebenso fügte sich Conrad Gebhardt, der in einigen Jahren an unsere Hofbühne kommt, sehr glücklich dem übrigen Ensemble ein. Er besitzt Natürlichkeit und angenehme äußere Mittel. Ida Roland wußte mit dem militärisch geschulten Backfisch nicht recht fertig zu werden. Derlei Naivetäten liegen ganz außerhalb ihres sonst so sympathischen Könnens.
Sch.


Die „Leipziger Illustrierte Zeitung” meldet in der Ausgabe vom 1. Okt. 1902:

Das königl. Schauspielhaus in Berlin brachte das neue Lustspiel „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Frhr. v. Schlicht mit günstigem Erfolg zum ersten Mal zur Aufführung. Die Heldin des in manchem an Moser's „Krieg im Frieden” erinnernden Stückes ist eine stark emanzipierte Amerikanerin, die wie ein Unteroffizier flucht, wie ein Fähnrich patent erscheint, wie ein Generalstäbler klug und wie ein Kriegervereinskalender unterhaltend ist.


„Kölnische Zeitung” vom 4.Okt. 1902:

(Berliner Theater.) Im königlichen Schauspielhause wurde gestern die Reihe der militärfrommen Stücke des Winters mit dem Lustspiel von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht „Im bunten Rock” eröffnet. Der letztere hat sich bisher nur als Verfasser von militärischen Humoresken und kleinen Genrebildern aus dem Soldatenleben bekannt gemacht. In dem Lustspiel der beiden Verfasser wird der gewiß nicht mehr neue Vorwurf einer reichen amerikanischen Erbin, Anny Clarkson, behandelt, die sich von einem preußischen Husarenleutnant Viktor v. Hohenegg heiraten läßt. Die Amerikanerin wohnt im Hause ihres Onkels, des Fabrikanten Wiedebrecht, dessen einziger Sohn Hans Einjähriger und zugleich Mitbewerber um die Gunst der schönen Miss Clarkson ist. Außerdem tritt noch am Schluß ein General, Exzellenz v. Troßbach, auf, der ebenfalls in die Amerikanerin verliebt ist. So stecken fast alle Mitspielenden des Stückes in Uniform, mit Ausnahme des Fabrikanten und des lustigen Assessors v. Gollwitz, der als gesellschaftliches Vergnügungsgenie auftritt. „Geistig” ebenfalls in Uniform steckt ferner die Schwester des Leutnants v. Hohenegg, Betty v. Hohenegg, die als eine ungemein forsche, in militärischen Dingen sehr bewanderte Jungfrau geschildert wird. Die Handlung entwickelt sich nun so, daß der Leutnant, der im Hause des Fabrikanten verkehrt, zuerst den Einjährigen Hans aus dem Sattel hebt, dann den Assessor v. Gollwitz, schließlich den alten General v. Troßberg [sic!], bis sich ihm am Schluß die schöne Amerikanerin ergibt. Vorher hat er noch einen kleinen Zwist mit ihr, der durch die Enthüllungen seiner Schwester über seine angebliche Flatterhaftigkeit hervorgerufen wurde. Indessen wird sich dadurch wohl niemand haben beunruhigen lassen, denn wer konnte von Anfang an daran zweifeln, daß dieser Leutnant für diese Amerikanerin bestimmt war? Da noch ein dritter Akt da sein mußte, erfanden die Autoren ein Manöver, das gerade im Gelände der Liebenden stattfinden mußte, und so endet das Stück mit Militärmusik, Truppendurchmarsch und Hurra, sowie zwei Verlobungen, denn Hans Wiedebrecht hat sich inzwischen, wie zu erwarten, in Betty v. Hohenegg verliebt. Das Publikum klatschte Beifall, war aber nicht sehr begeistert.


„Bühne und Welt”, Jahrgang 1902/03, Seite 81:

Zu recht unerfreulichen Betrachtungen gab die Uraufführung des Lustspiels „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Freiherrn von Schlicht im Kgl. Schauspielhause (3.Oktober) Anlaß. Unsere Litteratur hat bekanntlich in der Darstellung des Offiziers und in der Behandlung von Problemen des militärischen Lebens neuerdings sehr Erfreuliches und Ernsthaftes geleistet. Ueber den Leutnant als ständigen Witzblatt-Typus, über den faden Schwerenöter und ewigen Draufgänger, den Renommisten und Modegecken, über den altbackenen Kasernenhumor eines Hackländer, wie über die zuckersüße Unwiderstehlichkeit der Reif-Reiflingen und Veilchenfresser schienen wir glücklich hinausgekommen zu sein. Und nun beschert derselbe Freiherr von Schlicht, dessen oft bitter satirische große und kleine Militärgeschichten doch eine gute Kenntnis des Milieus und scharfen Blick für das glänzende Elend und die Tragik so mancher militärischen Karriere und Persönlichkeit bekunden, uns in von keines Gedanken Blässe angekränkelter Kompagniearbeit mit dem Autor der „Goldfische” und „Krieg im Frieden” ein neues Soldatenlustspiel, das an Trivialität, Schablonenhaftigkeit und Oberflächlichkeit in der Betrachtung und Schilderung der Menschen und Dinge das denkbar Mögliche leistet und auch als bloßes Schwankprodukt betrachtet, nicht einmal durch wirkliche Situationskomik sich auszeichnet. Der fesche, dreiste, arme, verliebte Husarenleutnant kriegt die hübsche, reiche, verwöhnte amerikanische Witwe, die eigentlich in Europa einen spanischen Granden oder mindestens einen deutschen Grafen heiraten wollte. Ob solchen Sieges eines preußischen Leutnants mögen alle patriotischen Backfischherzen höher schlagen und darüber vergessen, daß nicht nur dieser Leutnantssieg durch sehr viel Zudringlichkeit und skrupelloses Abfangen eines Briefchens an einen anderen Bewerber errungen wird, sondern daß auch die übrigen Militärpersonen des Stückes eine wenig schöne Rolle spielen. General, Oberst und Hauptmann lassen der schönen Witwe zuliebe einen unfähigen Einjährigen avancieren, der General zeigt anfänglich seinem glücklicheren Nebenbuhler gegenüber eine solch hohem Vorgesetzten wenig anstehende persönliche Gereiztheit und Eifersucht, der Sergeant läßt sich gehörig mit Geld und Naturalien spicken. Daneben macht sich eine unglaublich naive rosige Anschauung von militärischer Berufspflicht und Lebensweise breit. Der Dienst ist wie in den Militärkomödien alten Schlages etwas, das zwischen Flirt, Visiten und Diners nur so nebenbei besorgt wird. „Rosenmontag” hat auf manchen Bühnen mit Zensurschwierigkeiten zu kämpfen gehabt. Und dies Lustspiel, das wahrhaftig viel eher geeignet ist, schiefe Anschauungen vom Offiziersleben zu verbreiten, findet auf Hofbühnen gastliche Aufnahme; freilich, zum Schluß kommt auch ein schlagendes patriotisches Argument: Mit „Klingling bumbum tschingdada” zieht eine ganze Grenadier-Kompagnie auf und „Heil dir im Siegerkranz” wird angestimmt.

Heinrich Stümcke.          


„Rostocker Anzeiger” vom 7.Okt. 1902:

Von Berliner Theatern.

Es giebt Schönheiten, die sich nicht beschreiben lassen, so bewußt man sie auch genießen kann. Vielleicht fällt die neueste Novität des Königlichen Schauspielhauses, ein Lustspiel: „Im bunten Rock”, unter diese Schönheiten. Meine Feder wenigstens ist zu arm, um den intimen Reiz zu schildern, der vom Tempelhofer Felde . . wollte sagen: von den königlichen Brettern her wohlthuend in unsere Seele zog und uns mit jenem Jauchzen erfüllte, das nur wirklich reine Herzen ganz verstehen können . . . . Nur zwei Dinge giebt es, die man kennen lernen muß, wenn man schön und reich wie Missis Clarkson aus Amerika nach Europa kommt: das Colosseum bei Mondscheinbeleuchtung und einen preußischen Leutnant, der die Cour schneidet. Das Colosseum und seinen Zauber hatte die kleine Clarkson schon kennen gelernt, als sie vor unsere begeisterten Augen trat. So war es uns nur noch vergönnt, zu sehen, wie sie den zweiten Teil jener eigenartigen Weisheit erprobte, wie sie also dem bunten Rocke das Opfer brachte, das, nach unserer Bühnentradition wenigstens, reiche Amerikanerinnen mit rührender Selbstverständlichkeit immer zu bringen pflegen. Herrn Boettcher war die ehrende Aufgabe zugefallen, diesen Herzensknicker Victor von Hohenegg vor die strahlenden Augen der Backfische zu zaubern, die dichtgedrängt im Hause saßen und gewiß Fräulein von Mayburg im tiefsten Herzen beneideten. Es war aber auch zu „himmlisch”, mitanzusehen, wie Franz von Schönthan seine Moserschen Reminiscenzen auskramte, und Wolf Graf Baudissin, der unter dem Namen eines Freiherrn von Schlicht noch nicht einmal die schlechteste Prosa schreibt, die in Humoresken so oft erprobten Einfälle mit holdem Liebreiz auf die Bühne setzte. Als gar am Ende noch ein Leutnant hoch zu Rosse über die Bretter ritt und mit klingendem Spiele eine Theater-Compagnie daherzog, da wollte der Jubel kein Ende mehr nehmen . . . Spaß bei Seite! Es war eine heilige Mission, die gestern erfüllt wurde. Sie sollte uns Heiden den Beweis liefern, daß man auch ohne Stoff und mit verzweifelt wenig Witz ein „begnadeter” Dichter sein und in kaum fünf Jahren von „Renaissance” bis zu einer Posse herabsinken kann, die trotz aller verstreuten humorvollen Sentimalitäten nur durch den Theaterzettel als „Lustspiel” legitimirt wird. Daß sich Franz von Schönthan mit seinem geistigen Gesellschafter von der königlichen Bühne herab, auf der er ja selbst einst als thätig Mitwirkender gestanden hat, mehrmals verbeugen durfte, hindert uns nicht, ihm unser herzlichstes Beileid auszusprechen.
Richard Dietrich.


„Der Deutsche Correspondent”, Baltimore, Md., vom 26.Okt. 1902:

Berliner Brief

Angenehme Schwerenöther.
Berlin, 8.Oktober.

Gegen Traditionen kämpfen Götter selbst vergebens. Boshafte Menschen werden behaupten, daß die Götter selbst bloß Tradition sind.

Eine der unausrottbarsten Traditionen, die sich seit den Siegestagen 70-71 unerschütterlich in deutschen Lustspielen erhält, ist aber die, daß jeder preußische Lieutenant direkt von dem Sohne der schönen Aurora von Königsmark abstamme, von jenem ritterlichen Moritz, Marschall von Sachsen, der als alter Herr auf seinem Schlosse zu Chambord seinen ganzen Lebensabend reichlich damit ausfüllen konnte — seine Liebes-Correspondenz zu ordnen; was er vielleicht besser seiner Enkelin, der Marquise von Dudevant, bekannter unter dem Dichternamen George Sand, überlassen hätte. Moritz von Sachsen ist der Ideal-Typus des schneidigen Schwerenöthers im bunten Rock. Von der kleinen Schauspielerin, die ihre Pretiosen für ihn versetzt, bis zur russischen Großfürstin haben sie Alle selig in seinen Armen gelegen und an seinen sieggewohnten Augen gehangen. Nur die reiche Amerikanerin, die Millionenerbin von jenseits der großen Pfütze hat gefehlt. In den „Lettres et memoires choisi parmi les papiers originaux du Marechal de Saxe” findet sich nirgends eine Andeutung, daß auch die einzige Tochter eines Brauers aus St. Louis oder eines Großschweineschlächters aus New-Orleans ihr Herz an den Sieger von Fontenay verloren habe.

Was dem Ahnherrn entging, macht der Enkel, der Coulissenlieutenant, wieder gut. Franz von Schönthan u. Freiherr von Schlicht haben sich zusammen gethan, um uns das in einem dreiaktigen Lustspiel zu beweisen. In direkter Linie von Moritz von Sachsen über den „Veilchenfresser” und den guten Reiff von Reifflingen führt das stolze Geschlecht des angenehmen Schwerenöthers zu dem herrlichen Helden ihres Lustspiels: „Im bunten Rock”, dem Lieutenant Viktor von Hohenegg. Daß er die Türken nicht schlägt, wie sein großer Ahnherr, liegt einzig und allein daran, daß sich die Türken die Einfälle in Westeuropa seufzend aus dem Sinn geschlagen haben. Aber Adjutant des Divisions-Commandeurs wird er; und das ist in Friedenszeiten, so sagen Eingeweihte, ungefähr dasselbe, wie wenn er die Türken geschlagen hätte.

Und erst in der Liebe! Wenn der Lieutenant von Hohenegg die Sporen zusammenschlägt, und mit dem weißen Handschuh den blonden Schnurrbartspitzen das Ziel in den Himmel giebt, dann bubbern die kleinen, rothen Mädchenherzen. Er hat deren Hunderte schon gebrochen, sagt seine Schwester. Die Hauptschlacht aber erleben wir ängstlichen Herzens mit. Da ist eine amerikanische Wittwe, natürlich jung, schön, steinreich. Andersartige amerikanische Wittwen giebt's ja gar nicht. Von Charley's Tante abgesehen. Und die war, wie jedes mnitteleuropäische Kind längst weiß, eigentlich ein Mann. Also diese allerliebste amerikanische, mit Brillanten reich garnirte Wittwe erobert sich der Tausendsassa auch. Und zum Unterschied von den Anderen, die er erobert hat, heirathet er sie. Ich kann mir nicht helfen, aber der Verdacht ist nicht von der Hand zu weisen, daß die Revenüen der herrlichen Frau ein gewichtiges Wort mitgeredet haben. Obschon — es ist ein äußerst ideal denkender Lieutenant. Er wird deshalb auch nicht seinen Abschied nehmen, wie der Divisions-Commandeur in seinem Pessimismus glaubte, o nein: er wird weiter bei der Fahne bleiben und seinem König dienen — und faustdick wird die Gesinnungstüchtigkeit geschmiert auf den mageren Witz dieses aus alten Resten zusamen gebackenen Lustspielchens. Zum Schlusse zieht das Militär — echtes Militär, wir haben's ja in Berlin dazu — über die Bühne. Ein Hauptmann sitzt gar zu Pferde. „Und dann die Herren Lieutenants — die Lieutenants, die Lieutenants,” singt Liliencron in seinem frischen Lied. Und unten im Parkett des königlichen Schauspielhauses klopfen die kleinen rothen Mädchenherzen flinker und lauter. Und dann klatscht die liebe Jugend in die Hände, bis ein starker behäbiger Herr im kurzen Vollbart erscheint — Freiherr von Schlicht — und ein schlanker, schon leise ergrauter beweglicher Wiener — Franz von Schönthan. Und die beiden halten sich gar lieb an der Hand und verbeugen sich. Moser, Kadelburg und alle die Anderen sollen eigentlich mit herauskommen. Und die mir unbekannten Verfasserinnen von „Backfischchens Leiden und Freuden” und „Herzblättchens Zeitvertreib”. Und wenn ich den alten Marschall von Sachsen aus seinem steinernen Kämmerlein in der Straßburger Thomaskirche hätte holen können, so hätte er auch mit herauskommen müssen. Aber er hätte sich gewiß im Hintergrund gehalten, bescheiden und genirt; und ein bißchen verärgert hätte er in den grauen Schnauzbart gebrummt: Also so was nennt sich unser Enkel!


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„Berliner Lokal-Anzeiger” vom 23.Dez.1909
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„Berliner Lokal-Anzeiger” vom 1.Jan.1910
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„Vorwärts” vom 23.Dez.1909

 „Berliner Lokal-Anzeiger” vom 23.Dez. 1909:

Friedrich-Wilhelmstädtisches Schauspielhaus. In dem heute (Donnerstag) neueinstudierten Lustspiel „Im bunten Rock” von Schönthan und Schlicht werden die Hauptrollen dargestellt von den Herren: Rameau, Sarnow, Machold, Lettinger, Moebius, den Damen Knorr, Heisler und Heß. Die Regie führt Herr Rudolf Lettinger.

„Berliner Lokal-Anzeiger” vom 25.Dez. 1909:

Im Friedrich-Wilhelmstädtischen Schauspielhause gelangte das Schönthan-Schlichtsche Lustspiel „Im bunten Rock” zur Aufführung. Wie alle Lustspieles dieses Genres hat auch dieses lediglich den Zweck, über ein paar Abendstunden angenehm und in Reinheit hinwegzuhelfen, und diesen Zweck erfüllte es gestern wieder vollkommen; behagliches, herzliches Lachen erklang den Abend über im Zuschauerraum, und reicher Beifall wurde den Darstellern zuteil, die einen flotten Lustspielton anschlugen und sich auch sonst ihrer Aufgaben mit gutem Gelingen entledigten. In den Hauptrollen taten sich Fräulein Marion Knorr als reizende und gut versierte Anny Clarkson und Herr Machold als Viktor von Hohenegg hervor, ihnen sekundierten erfolgreich die Herren Rameau, Sarnow und Lettinger, letzterer vortrefflich in der Rolle des Assessors a.D. von Gollwitz, er war auch zugleich der verdienstvolle Regisseur des Stückes.


„Berliner Börsen-Zeitung” vom 8.6.1927:

Im bunten Rock

Wallner-Theater

Ein Griff in die Vergangenheit! Nicht in die graue, sondern in die gar nicht weit zurückliegende. Es ist um die Jahrhundertwende. Wo der Leutnant und sein Bursche ein lustiges Schwankleben führten und den Autoren — in diesem Falle Franz von Schönthan und dem Freiherrn von Schlicht — fette Tantiemen abwarfen. Auch heute noch scheint die Vorliebe des Publikums für diese Schwankgattung nicht erloschen zu sein. Wovon der Beifall zeugt, mit dem das muntere Militärstück aufgenommen wurde. Selbst die abgeklapperte Fabel von dem feschen Husarenleutnant, dem Strategen der Liebe, der sich die reiche Witwe aus Dollarika erobert, schien noch zu interessieren. Allerdings wird sie ja schmackhafter durch den harmlosen Witz der Worte und der Situationen, über den Schönthan und Schlicht verfügt haben.

Zudem ließ ein, von Ferry Werner flott dirigiertes Ensemble all die unwahrscheinlichen Szenen in munterster Laune über die Bühne sausen. Die Schauspieler empfanden sichtliches Vergnügen an ihren Rollen, denen sie durchweg vollauf gewachsen waren. Paul Ceblin ist ein vortrefflicher Komiker vom alten Schlage und Werner Westerhold ein netter, sympathischer Plauderer. Als Sergeant Krause wetterte Albert Ihle mit der vollen Lungenkraft ehemaligen Kasernenhoftons. Erwin Burmester gab dem traditionellen Lustspielleutnant ein menschenähnliches Dasein, gleichwie Gustav Wilsan seinem militärisch unbegabten Einjährigen, der ehedem typischen Schwankfigur.

Und dann waren es drei ganz entzückende, junge Schauspielerinnen, die einem helle Freude bereiteten: die gewandte und liebenswürdige Nora Brandt als geschmackvolle Dollarprinzessin; die lustig wirbelnde Elfriede Mädler als Offizierstochter von Tradition und Drill; und die pikante Eva West in der kleinen Rolle der französischen Zofe. Fräulein West wäre wohl auch eine gute Franziska der Barnhelm-Minna. Man sollte es in der Wallner-Theater-Straße nach Schönthan und Schlicht auch einmal mit diesem Gotthold Ephraim Lessing versuchen. Die Schauspieler dafür scheinen doch vorhanden zu sein.


„Berliner Volkszeitung” vom 9.6.1927:

Im bunten Rock

Im Wallner-Theater

Man sollte wenn man seiner Sache nicht ganz sicher ist, besser das Schatzgraben unterlassen; es könnte sonst vorkommen, daß man die Schaufel des Goldgräbers mit der Gerte des Wassergängers verwechselt.

Im Wallner-Theater hat man sich eklatant „ver”graben. Man zog aus dem Wulst der angestaubten Manuskripte ein Opus, für das Franz v. Schönthan und Freiherr v. Schlicht verantwortlich zeichnen, und das „Im bunten Rock” betitelt ist. Man wird wohl nie ergründen können, weshalb das geschah.

Militär tummelt sich auf der Bühne. Vom „damlichen, ost-preißischen” Grenadier bis zum flanierenden Divisions­kommandeur. Unerträglich diese kitschige, verlogene Welt, die man um eine Dollarmillionärin und eine Offizierstochter gezeichnet hat.

Der Terminus technicus feierte Orgien. „Präsentiert das Gewehr!” verstand man noch. Aber bei dem Wort vom „Remontereiten” hätte man schon ein Wörterbuch gebrauchen können. Hier erst stellt man fest, wieviel man in den letzten zehn Jahren gottlob verlernt hat. Es hätte übrigens ein großer Abend werden können, wenn man den Mut zur Persiflage gehabt hätte. Vetternwirtschaft, Bestechlichkeit und Aufgeblasenheit der alten Zeit forderten zu diesem Regieversuch geradezu heraus. Man verzichtete aber darauf und wählte die Langeweile. Ob man gut daran getan hat, wird man erst beweisen müssen. Gestern, in der dritten Vorstellung, war das Haus leer.

PS. Dennoch gab es eine Ueberraschung. Sie kam von einem Komiker, einem wirklichen Komiker, dessen Namen man sich merken sollte. Er heißt: Paul Ceblin.


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© Karlheinz Everts