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Im bunten Rock

Lustspiel in drei Akten

von

Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht

Aufführungen am

31. Okt., 2., 4., 5., 6., 8., 9., 16., 17., 23., 29. Nov., 8., 17., 26. Dez. 1902,
7., 11.(abends), 23., 28. Jan., 5., 8.(abends), 18.Febr., 9., 24. März, 4.(abends) April 1903,

5., 6., 18. Sept., 22., 29. Nov. 1903, 1.Febr., 26. April 1904,

5. Sept., 11. Okt., 4. Nov. 1904, 23. Febr. 1905,

13. Febr. 1906, 3., 22., 28. Sept. 1906

im Deutschen Schauspielhaus und am

18., 19., 21., 23., 27.Dez. 1913, 5., 25.Jan., 18.Feb., 8., 10., 17.Mai 1914

im Thalia-Theater zu Hamburg.


Besetzungsliste der Aufführungen

Deutsches Schauspielhaus
1902 u. 1903
Deutsches Schauspielhaus
1904
Deutsches Schauspielhaus
1906
Thaliatheater
1913/14

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.


Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
 



Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach,
  Divisions-Kommandeur.
Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.

Susanne ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )



Frau Bäckers,
  Wirtschafterin bei Wiedebrecht
Friedrich, Diener
Stubenmädchen
Minna, Köchin
Kutscher
Stalljunge
Gärtnerbursche
Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Spielleitung:

Ludwig Max
Paul Biensfeldt
Nelly Hönigsvald
Eugen Burg
Herr Schroth am 3.2.1903
und am 5.9.1903
Ariste Parnos
Clara Kollendt a.G.
am 31.10., 2.11.1902
Elsa Parenna a.G.
am 23.1.1903
Max Wieske
Otto Röhl

Emil Ludwig
Heinrich Matthaes
Hugo Andresen am 8.12.1902
Mizi Warg
Margarethe Ferida
Martha Levermann am 8.12.1902
und vom 23.1.-24.3.1903
und ab 5.9.1903
Martha Hachmann-Zipser

Carl Blöcker
Hermine Feld
Susi Berken
Paul Rother
Käthi Groth
Alma Hamdorf
Hermann Reifenstein
Ludwig Heil
Heinrich Reichmann
Gerhard Plischkowski
Ludwig Max

Ludwig Max
Paul Biensfeldt
Nelly Hönigsvald
Herr Schroth


Frl. Westhoven




Max Wieske
Otto Röhl

Emil Ludwig
Heinrich Matthaes

Mizi Warg
Martha Levermann



Martha Hachmann-Zipser

Gustav Schultz
Frieda Schwarz
Elise Blanke
Paul Rother
Anna Oelschläger
Alma Hamdorf
Hermann Reifenstein
Ludwig Heil
Heinrich Reichmann
Gerhard Plischkowski
Ludwig Max

Ludwig Max
Konrad Gebhardt
Nelly Hönigsvald
Kurt Keller-Nebri a.G.


Anna Westhoven




Max Wieske
Otto Röhl

Emil Ludwig
Carl Leisner

Mizi Warg
Marie Koehne



Martha Hachmann-Zipser

Gustav Schultz
Frieda Schwarz
Elise Blanke
Paul Rother
Anna Oehlschläger
Alma Hamdorf
Josef v.Fielitz
Ludwig Heil
Heinrich Reichmann
Emil Stettner
Ludwig Max

Hermann Gotthardt
Alfred Möller
Daisy Torrens
Oskar Hardel


Frau Elvira Bach-Clement




Fritz Werner
Julius Kobler
Willy Grill

Ernst Hallenstein
Grete Ferron
Maria Lorenz




Elisabeth Hofmann-Körner



Trude Lobe


Heinrich Basse




Paul Flashar


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Lustspiel „Im bunten Rock”: 4 Original-Bühnenaufnahmen des Fotografen H.J.Meisner, Hamburg.


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„Hamburger Echo” vom 2.November 1902:

Deutsches Schauspielhaus.
K.   Für das nothwendige Kassenstück, das ihm die Ausführung einiger geplanter künstlerischer Thaten, vor Allem einer Mustervorstellung des „Lear”, ermöglichen soll, hätte das Schauspielhaus jetzt ausgesorgt. „Im bunten Rock” heißt es und von den Herren Franz von Schönthan und dem Freiherrn von Schlicht ist es aufgezimmert. „Verzuckerter Moser mit Syrup,” meinte ein Kollege. Und so ist es. Der ganze Militärklimbim, den wir von Moser her gewohnt sind, erleben wir hier wieder. Das ganze Dienstreglement und einige Paragraphen dazu, lernen wir kennen, Kasernenhofblüthen hageln nur so, es werden „Griffe gekloppt”, Gewehrgeknatter, Alarmsignale und Kanonendonner machen einen Mordsspektakel und zum Schluß marschirt eine ganze Truppe mit Spielleuten, der mit vollen Backen tutenden Regimentskapelle und dahinter der „Herr Hauptmann” hoch zu Pferde an der Tête über die Bühne. Solchen ästhetischen Argumenten kann natürlich das zahlkräftigste Publikum nicht widerstehen, vor Allem, wenn ihm unter dem zum letzten Male fallenden Vorhange zwei frischverlobte Paare glückselig zulächeln.

Bei so wonnesamer Kunst fragt man nicht nach Karakteristik, nach psychologischer Möglichkeit, Logik oder sonst so überflüssigen Dingen. Man amüsirt sich, wenn der Sohn des Hauses als Einjähriger vor dem Bräutigam der Köchin, dem wetternden Sergeanten, stramm stehen muß, wenn die allerliebste Missis Anny Clarkson, die extra nach Europa gekommen ist, um sich für ihre neuerbaute Villa in New-York neben Kunstgegenständen aller Art auch einen Mann, einen Freiherrn, Prinzen oder Herzog, zu kaufen, so entzückend amerikanisch-deutsch radebrecht, oder wenn Ludwig Max als Fabrikant Wiedebrecht eine so überwältigend komische Mimik entwickelt. Weiß Gott, ich habe mitgelacht. Ich bin mir klar: es ist eine Schande. Aber ich glaube, ich würde wiederlachen, wenn ich mir die chose noch einmal vorexerziren lassen würde. Seien wir milde, milde und duldsam. Manches ist darin, das wirklich über Mosers Militärfrommheit geht. Ich meine da die gar nicht üble, freilich auch nicht allzu tiefe Verulkung des ewigen Flanirens, Nichtsthuns und Amüsirens der ganzen in Betracht kommenden Kreise, die wohl auf Konto des Freiherrn von Schlicht zu setzen ist. Amüsant ist auch die gut beobachtete Figur des blöden Assessors a.D. Es giebt solche Fragezeichen in jeder größeren Stadt. Kein Mensch weiß, wovon sie leben. Sie wissen es selbst nicht. Aber sie wissen sich überall unentbehrlich zu machen. In jeder „besseren” Gesellschaft führen sie den Kotillon an, sie engagiren die Lohndiener und stellen das Menu zusammen. Ganz heimlich, aber äußerst geschickt spielen sie die Rolle des längst seligen Amors. Ja ihre Thätigkeit geht weiter. Ist ein Korps- oder Verbindungsbruder niedergebrochen, so rangiren sie seine Verhältnisse und bei dieser Gelegenheit vielleicht auch die ihrigen. Mit einem Wort: sie sind nichts und doch Ungezählten unentbehrlich.

Amüsant ist auch der Divisionskommandör, der, weil eine Frau ihn bittet, mit einem ziemlich tölpelhaften Einjährigen einige Male leutselig die Front abschreitet, und der Oberst, Major und Hauptmann, die es ihrem Divisionär nachthun wollen und sich auch mit dem Einjährigen gemein machen, der nun plötzlich von allen Vorgesetzten wie ein rohes Ei behandelt und wider alle Vernunft befördert wird.

Solche, einige Satire athmende Momente sind mehrere drin, so daß man darüber einigermaßen wenigstens den Schönthan'schen Honigseim verdauen kann.

Max hatte das Stück mit recht vielem Geschmack in der äußeren Einrichtung inszenirt. Auch war er den vielen und nicht leichten Anforderungen in Bezug auf das Arrangement des militaristischen Theiles des Stückes bestens gerecht geworden. Fräulein Hönigsvald gab eine radebrechende amerikanische Missis mit viel Charme und prächtigem Humor, Burg einen Schwerenöther von Leutnant, der die Amerikanerin mit all' ihren Millionen gewinnt, Biensfeldt überaus humorvoll einen tölpelhaften Einjährigen und Matthaes mit drastischer Komik den die Köksch liebenden Sergeanten. Brillant war Wieskes Assessor und auch dem schon oben genannten Wiedebrecht von Ludwig Max mag nochmals Ehre widerfahren. In der Rolle der kleinen militärfrommen Naiven stellte sich Fräulein Clara Kollendt vom Berliner Lessing-Theater vor. Als die junge, reizende Dame eine anfängliche Schüchternheit überwunden hatte, spielte sie ihr resolutes kleines Mädel mit großer Frische, Natürlichkeit und Bravour. Ihre künstlerischen Qualitäten kann man nach dieser Rolle freilich nicht endgültig beurtheilen. Erhebliches Talent offenbarte sich aber zweifellos. Es wäre zu wünschen, wenn das Schauspielhaus endlich die so sehr entbehrte muntere Naive in der jungen Künstlerin gewonnen hätte.

Brauche ich noch zu sagen, daß im Zuschauerraum Hurrahstimmung herrschte, daß der Vorhang sich immer und immer wieder heben mußte? Ich brauche es nicht zu sagen. Man kennt sein Publikum. Lassen wir es. Und hoffen wir auf die bevorstehenden künstlerische Großthaten der Bühne.


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„Hamburger Echo”vom 13.2.1906
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„Hamburger Echo”vom 2.9.1906

„Hamburger Fremdenblatt” vom 28. Oktober 1902:

Deutsches Schauspielhaus. Für Freitag ist die Erstaufführung des dreiactigen Lustspiels „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht angesetzt. Das Stück wurde vor Kurzem im Berliner Kgl. Schauspielhause und im Wiener Deutschen Volkstheater mit durchschlaggendem erfolge gegeben und erzielt seither ununterbrochen ausverkaufte Häuser.

„Hamburger Fremdenblatt” vom 30. Oktober 1902:

Deutsches Schauspielhaus. Für Freitag ist die Première von Schönthan's und Schlicht's Lustspiel „Im bunten Rock” angesetzt. An den folgenden Tagen wird „Im bunten Rock” Sonntag-Abend, Dinstag, Mittwoch, Donnerstag und Sonnabend gespielt. Gelegentlich der Erst-Aufführung von v. Schönthan' und Freiherr v. Schlicht's dreiactigem Lustspiel „Im bunten Rock” wird sich Fräulein Clara Kollendt vom Lessing-Theater in Berlin in der Rolle der Betty v. Hohenegg als Gast dem Hamburger Publicum vorstellen. Genannte Künstlerin absolvirt am Deutschen Schauspielhause ein auf Engagement abzielendes Gastspiel.

„Hamburger Fremdenblatt” vom 2. November 1902:

Feuilleton.
Deutsches Schauspielhaus.

(„Im bunten Rock”)

Der gestrige Abend im Deutschen Schauspielhause erinnerte lebhaft an die vergnügten Abende im Thalia-Theater vor vielen, vielen Jahren, als der stets schaffensfreudige und lustige v. Moser, allein oder unter Mithülfe bewährter Theaterdichter, seine erfolgreichen Militärstücke schrieb. Großen künstlerischen und literarischen Werth schrieb man diesen Stücken schon danals nicht zu, aber es soll dem Altmeister des deutschen Schwankes unvergessen bleiben, daß er den deutschen Officier aus jenem Gitterkasten trivialen Humors erlöste, in welchen ihn die damaligen Witzblätter eingelocht hatten. Die großen Kriege hatten uns den sittlichen Werth des Volksheeres und namentlich auch seiner berufsmäßigen Officiere ins Bewußtsein zurückgerufen und die Hochachtung und Bewunderung des deutschen Mannes im bunten Rock spiegelten sich auch deutlich in Moser's Militärfiguren wieder. Der läppische „Fliegende Blätter-Leutnant” wandelte sich in den Typus des braven lustigen Officiers um, der auch in den fatalsten Situationen seinen Humor nicht verliert, weil er stolz sein kann auf seinen Beruf und auf die allgemeine Anerkennung seiner Verdienste. In Moser's „Veilchenfresser” wurde fortan der dramatische Typus für diesen zwar leichtsinnigen, aber braven Officier, dem die Ehre das Höchste ist.

Unmittelbar an jene Moser'schen Lustspiele knüpft das dreiactige Lustspiel „Im bunten Rock” von Schönthan und Frhrn v. Schlicht an. Franz v. Schönthan war schon damals einer der eifrigsten und glücklichsten Mitarbeiter Moser's und Frhr. v. Schlicht (Wolf Graf v. Baudissin) hat sich neuerdings als ein ungemein witziger Humorist, dessen Specialität Militärschwänke sind, bewiesen. Bei zwei so sachverständigen Autoren ließ sich voraussehen, daß sie die alte gute Tradition in Militärlustspielen wahren und manches Neue hinzufügen würden. Ein Kunstwerk ist das Lustspiel „Im bunten Rock” sicherlich nicht, dafür fehlt dem Stück die fest gefügte Handlung, welche sich auf einer originellen Idee aufbaut und entwickelt, aber es ist ein geschickt und mit frischem Humor zusammengeworfenes Conglomerat lustiger Einfälle, amüsanter Situationen, drolliger Charakterfiguren und spaßiger Zustandsschilderungen aus dem Militär- und Casernenleben, die den Civilisten, weil er fern vom Schuß ist und nur die bunte Außenseite sieht, sehr ergötzen. So war denn das Publicum, welches das Haus fast bis auf den letzten Platz füllte, auch gestern in ungemein fideler Stimmung, die im letzten Acte anfangs etwas abzuflauen schien, dann aber zum Schluß bei einem prunkvollen Aufmarsch mit einem Hauptmann zu Pferde sich schnell wieder vollständig herstellte.

Ueber den Inhalt will ich nur Weniges mittheilen. Das läuft Alles so wild durcheinander, daß man den einen Eindruck über den andern vergißt. In den ersten beiden Acten spinnt sich als rother Faden die lustige Liebesgeschichte einer reichen amerikanischen Wittwe Missis Clarkson, die bei ihrem Onkel, dem Fabrikanten Wiedebrecht, zu Besuch weilt, und dem schneidigen Husarenleutnant Victor v. Hohenegg ab. Die in drolliger Weise deutsch radebrechende schöne Amerikanerin hat sich in Amerika ein durchaus modisches mit lauter deutschen Kunstgegenständen und Antiquitäten ausgestattetes Heim errichtet und ist nach Deutschland gekommen, um einen passenden Gatten für ihre „Menage” zu suchen, natürlich einen Fürsten oder gar einen Herzog. Aber obgleich sie von solchen hohen Persönlichkeiten umschwärmt wird, kann sie den Attacken des schneidigen Leutnants v. Hohenegg, der nichts als Schulden hat, nicht widerstehen, und nach einigen Mißverständnissen, die nicht ernst gemeint sind und sich bald in Wohlgefallen auflösen, wird aus dem Flirt echte Liebe, die zum Traualtar führt. Im dritten Act tritt das Liebespaar zurück und ein zweites in den Vordergrund: Der etwas begriffsstutzige, aber gutmüthige Sohn Hans des Fabrikanten Wiedebrecht mit der hübschen und energischen Jugendgespielin Betty v. Hohenegg. Lustige militärische Schattenbilder und Bonmots, die den kaustischen Witz v. Schlicht's verrathen, sind überall eingestreut. Mehrfach erscheint Militär auf der Bühne und hinter den Coulissen hört man Fanfaren und Musik und den schweren Tritt der Soldaten. Es ist Alles gethan, um die „militärische Stimmung” im Publicum wachzuerhalten. Die Regie des Herrn Max nutzte alle Fingerzeige der Autoren aus, um prachtvolle Bühnenbilder zu schaffen. Das Zusammenspiel war lebhaft und verlief im Allgemeinen sehr flott und ohne Störung.

Man merkte allen Darstellern an, daß sie mit Lust und Liebe spielten. Frl. Hönigsvald gab die amerikanische Missis mit dem ganzen Charme ihrer Persönlichkeit und in drei prachtvollen Toiletten, die, wenn sie allgemein getragen würen, den Sieg der Reformkleider sehr in Frage stellen dürften; Herr Eugen Burg war ein schneidiger Husarenleutnant und Liebhaber; Herr Ludwig Max gab den philiströs bürgerlich gefärbten, ewig aufgeregten Fabrikanten Wiedebrecht mit unwiderstehlicher Komik und Herr Paul Biensfeldt schuf aus dem etwas begriffsstutzigen Hans eine drollige Charakterfigur. Als neu in das Ensemble eingetreten, repräsentirte sich Frl. Clara Kollend als Betty. Anfangs etwas befangen, gewann sie doch schnell die volle Sicherheit einer routinirten Schauspielerin, als sie merkte, daß ihr Humor lebhaften Anklang im Zuhörerraum fand. Elegant und mit feiner Komik spielte Herr Wieske einen entgleisten Assessor, der sich auf Allerweltsgeschäfte (Specialität: discrete Heiratsvermittlung) geworfen hat. Mit realistischer Derbheit stellte Herr Matthaes einen komisch gehaltenen Sergeanten auf die Beine. Herr Otto Röhl imponirte als Excellenz General durch seine stattliche Erscheinung und gutes Spiel. Unter dem neunköpfigen Dienstpersonal der Familie Clarkson-Wiedebrecht thaten sich namentlich die kokette französische Zofe des Frl. Ferida, die brave Wirtschafterin der Frau Hachmann-Zipfer, das Kammermädchen Frl. Warg, der aufmerksame Diener des Herrn Blöcker und die Köchin des Frl. Berken hervor. Der letzteren jungen Dame, die häufig in derben Dienstbotenrollen mit Erfolg auftritt, möchten wir nur etwas mehr Mannichfaltigkeit in ihren Bewegungen anrathen, da ihre Komik sonst leicht monoton wird. Auch die übrigen Mitwirkenden in ganz kleinen Rollen thaten ihre Pflicht und Schuldigkeit.

Das Publicum spendete nicht nur nach den Actschlüssen lebhaften Beifall, sondern applaudirte auch mehrfach bei offener Scene, namentlich dem Fräulein Hönigsvald. Die Novität, welche das Unterhaltungsbedürfniß so erschöpfend wie möglich befriedigte, dürfte sich längere Zeit auf dem Spielplan erhalten.

Oscar Riecke.          

„Hamburger Fremdenblatt” vom 25. Januar 1903:

Deutsches Schauspielhaus.

(Gastspiel des Frl. Parenna.)

Das Schönthan-Schlichtsche Lustspiel „Im bunten Rock” übt trotz der langen Reihe von Aufführungen, die es seit seiner Première erlebt hat, noch immer eine sehr starke Anziehungskraft aus. Gestern war das Haus wieder nahezu ausverkauft, und das Publikum amüsierte sich vortrefflich. Die geschickte Mache, welche das militärische Element in so glücklicher und lustiger Weise den „Zivilisten” gegenüberstellt, die zahlreichen überaus dankbaren Rollen und der nicht gewöhnliche witzige Dialog erfreuen auch bei einem zweiten Besuch, zumal wenn die Darstellung so lebendig ist, wie im Deutschen Schauspielhause.

In dieses flotte Ensemble als Gast einzutreten und sich von ihm fortreißen zu lassen, ist keine leichte Aufgabe. Dazu gehört Temperament und Bühnenroutine. Ueber beides verfügt die junge Schauspielerin Frl. Elsa Parenna, welche dieser einzigen Vorstellung wegen von Nürnberg hierhergereist ist. Wie mir bekannt geworden, hat die junge Künstlerin die Rolle der militärlustigen Offizierstochter Betty v. Hohenegg gestern überhaupt zum ersten Male gespielt, aber man sah ihr dies kaum an. Merkbare Spuren von Befangenheit waren nicht vorhanden, wenn man nicht eine gewisse Ueberanstrengung des an sich nicht sehr kräftigen Organs darauf zurückführen will. Fräulein Parenna verfügt über Schalkhaftigkeit und eine gewisse Strammheit im Temperament, dann und wann pointierte sie zu viel; hier und da wagten sich auch einige provinzielle Manieren hervor. Im großen und ganzen aber gefiel sie dem Publikum sehr gut, und ein nicht geringer Teil des Beifalls, mit dem die Hauptdarsteller, namentlich Frl. Hönigsvald, Herr Burg und Herr Max, überschüttet wurden, galt auch ihr. Wenn dieses Gastspiel zu einem festen Engagement führen sollte, würde das Schauspielhaus ein junges bildungsfähiges Talent erwerben, welches das Fach der Naiven mit der Zeit gut ausfüllen dürfte.

O. R.          


„Hamburger Fremdenblatt”, Hamburg, vom 20.Dezember 1913:

Thalia-Theater
Im bunten Rock. Also auch wehmütig, fast feierlich kann Schönthan stimmen? Man spürte das gestern im Thaliatheater, das den Manen des kürzlich Verstorbenen in pietätvoller Weise eine Gedenkvorstellung widmete. Der „bunte Rock” als Seelenmesse? Als der Vorhang aufgegangen war, hielt freilich keine Trauermiene mehr stand. Der Mitvater der Komödie, Freiherr von Schlicht, hat kürzlich irgendwo mit wehmütigem Humor geschildert, wie sie gedeichselt wurde; welch strammes Regiment der geriebene Bühnentechniker führte und wie ernst er seine Heiterkeiten nahm. Er, als früherer preußischer Offizier, ist gewiß an Disziplin gewöhnt; Schönthan aber zwang ihn zu einer Regelmäßigkeit des Dienstes, die alle Schauder des Arrestes über ihn verhängte und jeden Witz und jede tolle Situation mit einer Gründlichkeit behandelte, die aller einstigen Instruktionsstunden spottete. Gewiß, Herr von Schönthan verstand sein Metier, kannte das Publikum und wußte es auf eigene Art zu vergnügen, nicht sehr wählerisch in den Mitteln, wenn sie nur wirkten, und nicht eben ängstlich, wenn er nur lachen machte. Das gilt auch von diesem Lustspiel, in dem ein preußischer Husarenleutnant eine reiche Amerikanerin kapert. Ihm freilich sitzt der bunte Rock wie angegossen, während er anderen zur Zwangsjacke werden kann, besonders wenn man nur ein „schlichter” Einjähriger ist. Gleichwohl erobert sich auch dieser nach mancherlei Ärgernissen seinen Schatz. Das alles bereitet dem Publikum großes Vergnügen, von dem man sich nicht auszuschließen braucht, weil es gar keine Prätensionen macht und durchaus anständig, sauber und geschickt vorgeführt wird - ein Lob, das man auch auf die Inszenierung des Herrn Flashar ausdehnen darf und das nicht minder der flotten Darstellung gebührt. Herr Hardel als Leutnant war so keck und schneidig, daß man sich angesichts seiner Leistung mit Vergnügen an Bismarcks Lob der preußischen Leutnants erinnerte; Frl. Torrens hingegen gab ihrer amerikanischen Missis ein so drollig-feines Relief, daß sie zugleich sehr anmutig und sehr belustigend wirkte. Aber auch der Einjährige des Herrn Möller fand sich mit großem Geschick in seine Ungeschicklichkeiten und Frau Bach-Clement war eine sehr niedliche preußische Offizierstochter. Neben ihnen erschienen Herr Gotthardt als harmlos-tölpelhafter Fabrikant, Herr Werner als ewig vergnügter Assessor, Herr Kobler als elegisch-strammer Divisionskommandeur, Herr Hallenstein als polternder Sergeant, und sie alle machten dank ihrer charakteristischen Leistungen viel Glück. Auch die kleineren Rollen, mit denen die Damen Ferron, Lorenz, Hofmann, Lobe, die Herren Grill, Goebel, Kraack und Wallfried betraut waren, trugen das ihre zu dem Erfolge bei, der sich in den lebhaftesten Beifallskundgebungen äußerte.


„Der Humorist” vom 10.Nov. 1902:

Nicht minder erfolgreich war die Première von „Im bunten Rock”, der nicht eben hervorragend originellen Compagnie­arbeit von Schönthan und Schlicht. Sie gab vor Allem unserem Max Gelegenheit, nach längerer Pause sich dem Publicum in einer ihm gut liegenden Rolle zu zeigen. Sein humorvoller Papa Wiedebrecht reiht sich vollwertig den übrigen Leistungen dieses Genres an, für welches Herr Max geradezu prädestinirt erscheint. Der Künstler verstand es, und das ist nicht das geringste Verdienst, das Alberne, das dieser Figur im Allgemeinen anhaftet, liebens wr ürdig zu mildern und ihr dadurch eine größere Lebenswahrheit zu verleihen, als ihr die Autoren mitgegeben haben.Fr. Collendt, vom Lessing-Theater, gab den fidelen Backfisch von Officiers­töchterlein mit reizender Munterkeit. Frl. Hönigswald war bezauberndals emanzipirte englische Miß, voll Pikanterie und Anmuth. Einen schneidigen Husarenofficier, direct nach der Natur genommen, bis in's Kleinste echt, gab Herr Burg, ebenso echt, sogar was den in den Nacken gestülpten Generalshelm anlangt, war Herr Röhl als Divisions–Commandeur, und drastisch–komisch Herr Biensfeldt als wenig begabter Einjähriger. Herr Matthaes als martialischer Unterofficier, Frl. Ferida als sehr appetitliche französische Kammerzofe und Herr Wieske, als decadenter Baron und Heiratsvermittler, trugen ebenfalls durch temperamentvolles Spiel zum Gelingen bei. Repertoiresorgen hat das Schauspielhaus vorderhand jedenfalls nicht!

Hans Stangenberger


„Bühne und Welt” 5.Jahrgg. 1902/03 S. 174:

Das Schauspielhaus hat jetzt recht glückliche Tage. Es hat in „Monna Vanna” einen litterarischen und in Schönthan-Schlichts „Bunten Rock” einen pekuniären Schlager gewonnen und ist damit auf lange der Repertoiresorgen und der Experimente mit neuen Stücken ledig.

„Bühne und Welt” 5.Jahrgg. 1902/03 S. 260:

Das Schauspielhaus bringt nach wie vor wenig Premieren heraus. Es nutzt den Erfolg von „Monna Vanna” und „Im bunten Rock” aus, führte zwischendurch Fuldas „Kaltwasser” auf und . . .

„Bühne und Welt” 5.Jahrgg. 1902/03 S. 577:

Das Deutsche Schauspielhaus kann sich zur Zeit vor Erfolgen kaum retten. „Monna Vanna” und der „Bunte Rock” waren noch lange nicht ausgespielt, da kam der große künstlerische und Kassenerfolg von „Electra” und „Salome” und gleich hinterher „Der blinde Passagier” und „Das Thal des Lebens”.


„General-Anzeiger für Hamburg-Altona” vom 2.11.1902:

Deutsches Schauspielhaus
Im bunten Rock”, Lustspiel von F. von Schönthan und
Freiherrn von Schlicht.

Erfolg, wie selbstverständlich, einfach feudal, pyramidal, kolossal, wahrhaft beängstigend, den ehemaligen Kameraden von Schlicht und von Schönthan davongetragen haben. Triumph in imponirendem Stil! Auf Bühne und bei Civilistenpublikum, obgleich hier auffallender Mangel an militärischem Urtheil. Schon Titel so gewählt, daß Erfolg Kameraden blühen mußte. Aber auch Stück mit außergewöhnlichem Speed begabt, von Seiten des einen Vaters, von Schönthans, mit kräftigem Stehvermögen auf Rennbahn in Kirchenallee, von anderer Seite mit famosem Witz. Einfach zwei Künstler im Sattel! Daher Menschen entzückt über den Genuß dieses Anblicks. Schlicht in fulmianten Zeitungsartikeln — Feuilletons werden diese Schreibereien genannt — manchmal etwas anzüglich gegen bunten Rocl gewesen. Hat sich das im Stück abgewöhnt. Bewegt sich auffallend in aufsteigender Kurve; in vorzüglicher Condition mußte sich Sieg errennen. „

Generalidee: Leutnant Victor von Hohenegg, von den Hoheneggs, die in Rangliste auf jeder Seite zu treffen, erobert Missis(1) Anna Clarkson, Amerikanerin. Unmenschlich viel infamen Mammon. Aber auch Wunder von Frau. Schön wie Derbysieger und stets liebenswürdig wie Hauptmann, wenn zum Major befördert. Ganz reizender Kerl, dem Herz zu Füßen zu legen geradezu verdammte Pflicht und Schuldigkeit ist. Missis Clarkson schon von ganzer Sammlung von Herzen umgeben, darunter von Grafen, Erlaucht, Durchlaucht. Auch krummer Einjähriger dabei, Sohn von Onkel der wunderschönen Missis. Natürlich wieder so'n Einjähriger. Kerl hat Gedankenlosigkeit, mit Husarenleutnant starten zu wollen. Denkbar größter Echec mußte kommen. Macht sich einfach lächerlich. Kamerad siegt todsicher mit zwanzig Längen, wie er will. Wundervoll gebaute Tochter der Vereinigten Staaten fällt schneidigem preußischen Husarenoffizier anheim. Kann es noch zu ganz hervorragender Position in Armee bringen. Beispiele vorhanden, wenn Amerikanerin geheirathet. Allerdings auch Exzellenz von Troßbach, Divisions­kommandeur, Bewerber um schöne Hand von Missis. Daher beinahe Zusammenstoß von hohem Vorgesetzten und Hohenegg. Aber dieser entwaffnet auch Exzellenz. Und schließlich unter Kameraden ganz egal, wer Braut heimführt. Auch daß Kamerad Hohenegg großer Schwerenöther gewesen ist, macht Hindernisse. Missis Clarkson hört von Sache und wird sehr ungnädig, pocht mit allerliebsten Fäusten auf beglücktem Kameraden. Aber Hindernisse werden spielend genommen. Verfasser haben für Zivilisten merkwürdig vernünftige Ansichten; nur durch gute Schule bei uns erklärlich. Wie daß zwei große Genüsse auf Welt sind. Erstens Colosseum in Rom bei Mondbeleuchtung. Muß natürlich kolossal sein, das Colosseum. Dann aber sich von preußischem Leutnant, besonders von Reiteroffizier, den Hof machen lassen. Man weiß nicht sicher, welchen Effekt Colosseum macht, das nur kalte und todte Ruine, aber, wenn Leutnant Cour macht, Damen stets hingerissen. Zivilisten freilich nicht immer, namentlich wenn Gatte von Angebeteter. Uebrigens auch Einjähriger im Stück hat gänzlich unverdientes Schwein. Bekommt Offizierstochter, Schwester Hoheneggs, die ihn an einzig schätzenswerthen Kenntnissen in Exerzier­reglement und Feld­dienst­ordnung in Tasche steckt. Und auch sonst. Na, wird vergnügte Zivilistenehe werden. — A propos. Militär sogar auf Bühne mit Jubel begrüßt, wenn nur erscheint. Auch wenn Dienstanzug nicht ganz in Ordnung. Popularität steht bombenfest. Wunderbar, daß noch Stücke ohne Soldaten geschrieben werden. Erfolg davon nie sicher. Von Moser, von Schönthan, von Trotha — und von Schlicht, wenn auf jetzt begonnener Bahn fortschreitend, einzig vernünftige Leute. Wissen, wie man feindliches Publikum mit Sturm nimmt. Studentenstück auch nicht ohne, namentlich, wenn gedienter Erbprinz dabei, wie in „Alt-Heidelberg”. Aber Soldatenstück bombensicher. Begreife nicht, warum andere Stücke schreiben.

Auch Künstlerinnen in ganz anderer Stimmung, wenn in Militärdrama auftreten. Laune sozusagen glänzend, wie auf Knopfgabel polirt. Fräulein Hönigswald gestern einfach charmant. Wenn erst dem Regiment angehört, wird diese Lady für jüngere Kameraden stete Lebensgefahr sein. Sich todtschießen aus Liebeskummer. Radebrechte entzückend deutsch-englisch, wie ihre Urgroßmutter in „Militärfromm”. — Fräulein Kollendt vom Berliner Lessingtheater wirklich sehr niedliche Soldatentochter, Bewegungen graziös und bestimmt, als ob sie nach famosem Marsch auf der Bühne marschierte. Fräulein Ferida auf Ehre ein netter Käfer als französische Kammerzofe. Herr Burg ein schneidiger Kamerad, immer fidel, als ob er Tags vorher einen Damenpreis gewonnen hätte. Herr Biensfeldt benahm sich, wie sich eben Einjährige benehmen. Kenne das. Und Herr Max wirklich von der drolligsten Liebenswürdigkeit. Kann beinahe mit den Leuten aussöhnen, die nicht des Königs Rock tragen. Muß brillant sein, mit dem alten Herrn Flasche Rothspohn zu trinken. Herr Max, wie höre, auch Kommandeur des Ganzen. Klappte Alles, soweit bei einem Gemisch von Soldaten und Zivilisten Alles klappen kann. Auch andere Mitwirkende gut, und Gelände, sowie Zimmerdekoration sehr angenehm zu sehen. Beifall wie ein Monat nach verzehrtem Wechsel: wollte kein Ende nehmen.

*             *             *

Anmerkung der Redaktion: Da unser H. O.-Referent sein kritisches Schwert aus Versehen in der Garderobe abgegeben hat, ist ihm von unserem militärischen Mitarbeiter in sachkundigster Weise ausgeholfen worden. Das vorstehende Urtheil über das Lustspiel „Im bunten Rock” dürfte daher endgültig sein.


Fußnoten:

(1) In dem originalen Zeitungsartikel heißt es statt „Missis”: „Musts”. Der Setzer konnte offensichtlich das Konzept nicht richtig lesen. (Zurück)


„Neue Hamburger Zeitung” vom 1.11.1902:

Deutsches Schauspielhaus.

Franz v. Schönthan und Freiherr von Schlicht:

„Im bunten Rock”, Lustspiel in drei Aufzügen.

Hier haben wir den ganzen Moser-Cyklus in einem Stück. Und dieser Thatsache entsprach der Erfolg, das Gaudium des Publikums. Man amüsierte sich prächtig, man lachte, man jauchzte, man klatschte in die Akte hinein und nach den Akten. Was Widersinn, was possenhafte Unmöglichkeiten, was Mangel an jeglicher Originalität, jeden Versuchs zu einer Charakterzeichnung — man lachte fanatisch, und das Deutsche Schauspielhaus hat, wenn nicht alles trügt, seinen Saisonschlager, das große Kassastück. Wir gönnen es ihm von Herzen. Nach Aufgaben, wie der „Meister von Palmyra” und „Monna Vanna”, vor Aufgaben, wie die „Räuber” und „Lear” wird kein Mensch es ihm verübeln wollen, wenn es einmal dem Unterhaltungsbedürfnis des Alltags auf Kosten des Litterarischen zu dienen sich befleißt. Noch dazu mittels einer Aufführung, deren prächtige Verve und sieghafte Frische dem Kritiker einfach die Waffen aus den Händen windet, ihn platt gegen die Wand drückt. Es ist ein Schmarren, dies Stück — beim Zeus! Aber ein Schmarren, dem man nicht gram sein kann. So gehe man denn und schaue selber!

Die Aufführung bedeutete hier in der That alles. Unter der ausgezeichneten Regie von Herrn Max — das Stück stellt just an den Regisseur keineswegs geringe Anforderungen — in flottestem Tempo heruntergespielt, riß sie über alle Klippen fort. Alle Bedenken mußten schweigen, so lange Frl. Hönigsvald als Vertreterin der weiblichen Hauptrolle auf der Bühne ihren Charme entfaltete. Sie war eine Witwe, eine junge Witwe — schwer an Millionen und eigens nach Deutschland gekommen, sich, wie das drüben nicht mehr ungewöhnlich, einen hochadeligen Gemahl zu kaufen. Und sie gab diese Witwe ganz ungemein liebenswürdig und pikant, meisterlich in der zwanglosen und „serr vergnugten” Handhabung eines geradebrechten Amerikanisch-deutsch, immer decent und vornehm — vornehm auch in der Auswahl ihrer Toiletten, deren jede meiner Seel' ein Gedicht war: die weiß-goldene, die mit dem grünen Ueberwurf und die rosafarbene zum Schluß. Ich müßte Schneider sein, um dieser Kostüme tausendfältigen Reiz der „schönen Leserin” gebührend zu schildern. — Derjenige nun, an den die flotte Yankeewittib ihr Herze verliert, und der alle Bewerber mit der Schnelligkeit des veni, vidi, vici aussticht, ist natürlich — ein Leutnant. Es ist der Leutnant, der schneidige und patente Herzensbrecher und Schwerenöter, wie wir ihn seit Moser x-mal gesehen haben und, wills Gott, bei der Zähigkeit militärischer Tradition noch x-mal sehen werden. Diesmal steht er bei den Husaren und heißt Victor. Solche Leutnants heißen immer Victor. Herr Burg spielt ihn mit der gehörigen Feschheit und sehr sympathisch. Drei Akte hindurch — dies des „Lustspiels” Seele — poussieren die beiden mörderlich; schließlich kriegen sie sich — natürlich nicht ohne Hindernisse, deren gefährlichstes — man denke! — ein eifersüchtiger Divisions-Kommandeur (Herr Röhl) ist. Niedliche Scenen fehlen diesem Liebesspiel nicht. Eine in allerliebstem Kauderwelsch hervorgesprudelte Strafrede, die Madame ihrem allzukecken Liebhaber hält, trug Frl. Hönigsvald stürmischen Applaus bei offner Scene ein.

Um diese Liebesgeschichte nun ranken sich die altbewährten, episodischen Schnörkel, typische Vorgänge aus dem Soldatenleben, wie es weint und lacht. Die amerikanische Wittib ist die Nichte eines reichen Berliner Fabrikanten. Herr Max spielte ihn. Vortrefflich. Für reiche Rentiers und Fabrikanten Berlinischen Kolorits ist Max sozusagen natürlich prädestiniert. Dieser Fabrikant hat einen Sohn, der als Einjähriger dient, später ob seiner Verdienste die „Knöppe” bekommt und von Herrn Biensfeldt angemessen dargestellt wurde. Er hat auch eine Köksch (Frl. Susi Berken), die ihrerseits einen Sergeanten, von Herrn Matthaes sehr drastisch dargestellt, ihr eigen nennt. Daß sich daraus Komplikationen ergeben, daß der Sohn des Hauses vor dem Liebsten der Köksch wiederholt stramm stehen muß, wird keinen wundern, der die tiefen Wege, die unerforschliche Weisheit militärischer Schwankmacher kennt. Aber auch der Einjährige liebt — die Schwester des schneidigen Husaren, eine junge Dame, deren ideellen Ursprung man schon genannt hat, wenn man sie als durch und durch „militärfromm” bezeichnet. Dieses Offiziers­schwesterlein, das jeder Zeit selbst das Offiziersexamen ablegen könnte und wiederholt mit ihren militärischen Kenntnissen dem Einjährigen aus der Klemme hilft, spielte uns, auf Engagement gastierend, Frl. Clara Collendt vom Berliner Lessingtheater. Sie machte ihre Sache ganz außerordentlich hübsch; sie war zurückhaltend bei aller Keckheit, fesch, doch ohne nervöse Zappeligkeit. Ein endgiltiges Urteil läßt sich allerdings auf Grund dieser einen Rolle nicht fällen. — Natürlich kriegen sich auch diese Beiden. Eine Posse ohne mindestens zwei beglückte Paare, das wäre — wie soll ich sagen? — „unfair”.

Natürlich fehlt es nicht an den obligaten niedlichen Ingredienzien und äußeren Zuthaten. Dergleichen gehört zum eisernen Bestande. Uralt, aber wirksam. Es wimmelt von Kasernenhofblüten aus allen Jahrgängen der „Fliegenden Blätter”, besonders den älteren. Da wird Alarm geblasen, in allen Gangarten exerziert. Manöver gespielt. Zum Schluß marschiert eine ganze Kolonne unter klingendem Spiel über die Scene; der „Herre Hauptmann” hoch zu Rosse. Und so hätten wir den ersten Gaul auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses. Wir begrüßen ihn mit geziemender Ehrfurcht. Vivat sequens! — Das wäre denn der Inhalt des Stückes der Herren Schönthan und Schlicht. Inhalt? — „Ich lächle milde,” sagt mein Freund, der auch dichtet.

Die Dekorationen waren von besonderer Schönheit. Die elektrische Beleuchtung des elganten Salons im ersten Akt war zauberhaft. Allerhand Achtung auch vor der Gartenlandschaft mit dem ragenden Schlosse — war das nicht das Babelsberger Schloß? — im Hintergrunde.
B.


„Neue Hamburger Zeitung” vom 14.2.1906:

Deutsches Schauspielhaus.

Gastspiel des Herrn Keller.

Die gestrige Reprise der furchtbaren Soldatenposse „Im bunten Rock” brachte einen neuen Gast vor die Rampe. Als Leutnant Victor von Hohenegg (der Name riecht nach schlechter Veilchenseife) führte sich Herr Kurt Keller vor, der jetzt noch Mitglied des Residenztheaters zu Hannover ist. Herr Keller bringt fast alle Qualitäten mit, die das Wesen dieses Veilchen-Offiziers auszumachen scheinen. Qualitäten, die eben nicht mehr Geist voraussetzen, als so ein verlogener Leutnant Schönthanscher oder Moserscher Struktur zu vergeben hat. An Liebenswürdigkeit der Manieren, an Schneidgkeit der Haltung, an Freundlichkeit der Geberde und Rede ließ es der Darsteller nicht fehlen. Manchmal mischten sich Klänge ein, die man als willkommenes Zeichen einer heimlichen Innigkeit nehmen konnte. Bisweilen legte sich ein Hauch ehrlicher Wärme über die Worte, der sogar mit der konventionellen Albernheit des faden Dialogs versöhnen mochte. Und oft zuckte in den ausdrucksvollen Augen des jungen Darstellers, dem sehr lebendige und schöne Lippen das Sprechen erleichtern, ein sympathischer Strahl seelischer Regsamkeit auf. Vielleicht sind in der angenehm diskreten Art dieses Schauspielers versteckte Quellen geborgen, die menschlichen Wohllaut und menschliche Tiefe haben. Zumal seine gedeckten Töne, die sich in leidenschaftliche Ausbrüche hineinschieben, und manche seiner Dissonanzen und halben Ausklänge lassen Verschwiegenes ahnen, das wohl gelegentlich erst erforscht werden müßte und nur im Kampfe mit edleren Aufgaben deutlich werden könnte. Wer aber wollte es wagen, die Persönlichkeit eines fremden und anscheinend feiner gestimmten Künstlers an der Gestaltung einer so engen und falschen Klischee-Figur zu messen? Diese lau parfümierten Leutnants aus der Requisiten­kammer eines Moser, Misch, Kadelburg, Schlicht und ähnlicher Seifensieder tragen alle das gleich glatte Gesicht und die nämlichen Stelzenbeine; auch ihre Gespräche sind seit mehr denn fünfzig Jahren in verstaubten Jahrgängen der „Fliegenden Blätter” magaziniert. Sie spielen sich ganz von selbst und verlocken auch gut disziplinierte Darsteller zu allerhand Bühnen-Unarten, die heute schon jeglichen Reiz verloren haben. Schauspielerisch kommt man ihnen eher mit den Muskeln als mit den Nerven bei. Wer als Darsteller ein Stück Marlitt in sich trägt und über ein pomadisiertes Gehaben verfügt, bringt diesen farblosen Typus am vollkommensten heraus. Inzwischen ist aber auf die „Fliegenden Blätter” der „Simplizissimus” gefolgt. An Schlittgens verwaschene Figurinen reihen sich nun Thönys Charaktergestalten. Autoren und Schauspieler könnten daran lernen.

Die Reprise (Regie: Ludwig Max) stand unter einem günstigen Stern. Alle Räder griffen in einander. Keine Lücke tat sich auf. Ueber die Darstellung, die man in gleicher Einheitlichkeit oft bei würdigeren Werken vermissen mußte, ist nichts Neues zu sagen. Doch sei Herr Heinrich Matthaes noch im besonderen genannt, da man seinen köstlichen Unteroffizier Krause unter jene reifsten komischen Leistungen stellen muß, die der Gesamt-Spielplan des Deutschen Schauspielhauses leider nur spärlich aufzuweisen hat.
Ant.L.


„Neue Hamburger Zeitung” vom 19.12.1913:

Das Thalia-Theater veranstaltete gestern durch eine Neuaufführung des Lustspiels „Im bunten Rock” eine Art von Erinnerungsfeier für den kürzlich verstorbenen Franz von Schönthan, der lange Jahre zu den beliebten Hauspoeten des alten Hauses am Pferdemarkt gehört hat. In jeder Spielzeit erwartete man insbesondere in den neunziger Jahren des verflossenen Säkulums ein neues Opus des vergnügten Franz. Und er kam immer wieder, meist Arm in Arm mit einem nicht minder vergnügten Kompagnon, entweder mit seinem Bruder Paul, oder mit Gustav Kadelburg oder mit Koppel-Elfeld. Stets konstatierte, wenn Schönthan-Schönthan oder Schönthan-Kadelburg oder Schönthan-Koppel kamen, die gestrenge Kritik, daß die Literatur von den Genossen einstweilen ausquartiert sei, daß aber ein sogenannter Heiterkeitserfolg konstatiert werden müsse. Und dieser Heiterkeitserfolg wuchs sich nicht selten zu einem klingenden Kassenerfolg aus, der die Direktion dann überzeugte, daß Schönthan wirklich lustige Stücke schriebe. Zwischen Publikum, Dichter, Darsteller und Direktion bestand das bekannte ungetrübte Einvernehmen an den Schönthan-Abenden. Denn auch die Darsteller hatten dankbare Rollen, ohne daß sie mit Gehirnschmalz Verschwendung zu treiben gezwungen waren. Kurz nach der Jahrhundertwende, als man sich die wirksamen fin-de-siècle- Witze und -Figuren abgewöhnt hatte, kam Franz von Schönthan noch einmal mit einem Haupttreffer heraus. Die Kosten des Einsatzes hatte dieses Mal der Freiherr von Schlicht mit getragen, aber auch alle anderen Bühnenschneider, deren Hauptbranche die Anfertigung von Röcken aus zweierlei Tuch war oder gewesen war. Insbesondere hatte der Geist Gustav von Mosers den leicht satirisch werdenden Schlicht durch ernstliche Verwarnungen abgehalten, irgendwie wirklich satirisch zu werden. Der bunte Rock, der neu aufgebügelt und mit glänzenden Witzknöpfen versehen, zum soundsovielten Male auf die Bühne kam, übte seinen alten Zauber und er übte ihn gestern wieder. (Inzwischen hat der Schuster-Hauptmann von Cöpenick auch bewiesen, daß man die Lustspielkräfte dieses Rockes noch lange nicht bis auf den Grund studiert hatte.) Man genoß also das Lustspiel in einer echten, alten Thalia-Theateraufführung unter Herrn Flashars Regie wie ein unverhofftes Wiedersehen mit einem verschollenen Stammtischbruder. Man konstatierte, daß sich die Natur und die Witze dieses lustigen Bruders nicht geändert hatten. Man sah den vergnüglichen Typus des Ganzen sich in den einzelnen Gestalten differenzieren, freute sich also pflichtgemäß über die allerliebste Amerikanerin und Dollarprinzessin, die Frl. Torrens auf die Bühne stellte. Man sah eine niedliche Betty von Hohenegg in Fr. Bach-Clemens, man sah einen gemütlichen Familienvater (Herrn Gotthardt), einen drolligen Assessor (Herrn Werner), einen autoritätsreichen Divisionskommandeur (Herrn Kobler), einen schnurrbärtigen Sergeanten (Herrn Hallenstein), einen unwiderstehlichen Leutnant (Herrn Hardel) undn alle die anderen lieben alten Gestalten, deren Wiedererkennen keine Schwierigkeiten macht. Das bereitete dem bunten Rocklustspiel gefällig einen Heiterkeitserfolg
H. O.


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© Karlheinz Everts