I.Akt |
Kramer's Seite |
III.Akt |
Die Bühne ist der Garten des Kasinos, das Kasino selbst nimmt die ganze Front der Bühne ein, das Haus steht auf einer drei Stufen hohen Terrasse, die ca. zweieinhalb Meter breit ist, so, daß rechts und links je ein kleiner Tisch und zwei Stühle stehen können, die von kleinen Bäumen eingerahmt sind. Rechts und links führen Stufen direkt aus den Kulissen auf die Terrasse, von dieser selbst nach der Bühne führt eine breite Treppe von Ballustraden und lebenden Bäumen umgeben, das Treppengeländer wird von Steinvasen abgeschlossen, in denen hohe, lebende Pflanzen sind. In der Mitte der Bühne, etwas mehr nach rückwärts, ein rundes Blumenbeet, in dem farbige Glühlampen verborgen sind. In der Mitte des Beetes eine ca. ein Meter hohe Terracottafigur, etwa ein Zwerg mit transparent beleuchteten Augen; rechts vorne steht in einem kleinen Rosenbouquet eine Marmorflora, davor eine zierliche Steinwand oder rote Gartenrohrbank, ein kleiner Tisch und zwei Korbstühle. Links vorne ein schöner Hängebaum (blühende Linde oder Kastanie), daran eine Gartenbank. Über der Eingangstür befindet sich ein Transparent elektrischer Birnen, entweder den Reichsadler oder die Initialen des Kaisers darstellend. Quer über die Terrasse hängen in Kristall- oder Majolika-Bowlen Blumen, in welchen farbige Glühlampen sind, desgleichen in der Flora-Gruppe, in der zweiten Gasse hängen von rechts nach links über die ganze Bühne verteilt Lampions. Die sämtlichen Beleuchtungseffekte werden auf ein Stichwort eingeschaltet.
Wilhelm. 1. ( und ) 2. Ordonnanz.
(
Die beiden Ordonnanzen sind mit Harken beschäftigt, aus dem Kasino tönt leise Musik, die beiden pfeifen und summen die Melodie leise mit; aus dem Kasino kommt in großer Eile Wilhelm.
)
Wilhelm.
Der Kasino-Unteroffizier läßt fragen, ob Ihr bald fertig seid, die Tafel wird gleich aufgehoben.
1. Ordonnanz.
Der Unteroffizier soll sich man nicht aufregen, es kommt schon alles in Ordnung. (
Zu Wilhelm:
) Du, Wilhelm, sage mal, kannst Du nicht für den Schorsch und mich 'ne Flasche Sekt klauen ? Wir haben Durscht.
2. Ordonnanz.
Mächtig, das soll nun 'ne sogenannte Auszeichnung sein, ins Kasino kommandiert zu werden. N'en besseren Rock kriegt man an, das ist alles. Aber wenn man Flecken auf die Aufschläge kriegt, dann fliegt man drei Tage in den Kasten.
Wilhelm.
Der Unteroffizier paßt heute mächtig auf.
1. Ordonnanz.
(
nachdenkend
) Weißt Du, Wilhelm, sag ihm einfach, wir wären hier mächtig faul, er soll mal herkommen und uns auf den Schwung bringen.
2. Ordonnanz.
Bist wohl verrückt, was ?
1. Ordonnanz.
Bist 'n Schafskopf, verstehste das denn nicht ? Wenn der Unteroffizier hier ist, dann hat der Wilhelm doch solange drinnen die Oberaufsicht, und dann kann er doch verschwinden lassen, was er will.
2. Ordonnanz.
Aha, nun geht mir 'ne Bogenlampe auf. Na, Wilhelm, was ist's ?
Wilhelm.
Will mal sehen, was sich tun läßt.
1. Ordonnanz.
Dann schick' uns mal den Herrn Sergeanten. Und was das Getränke selber anbetrifft –
Wilhelm.
Da kenne ich Eure Marke. Je mehr, desto besser. (
Ab ins Kasino.
)
2. Ordonnanz.
(
ihm nachrufend
) Das Getränk ist richtig. (
Zur ersten Ordonnanz:
) Wilhelm ist doch wirklich ein Gentleman.
1. Ordonnanz.
Das stimmt, er wird es noch mal zu was bringen. (
Man hört rechts hinter der ersten Kulisse den Unteroffizier Schultz.
) Nicht auf den Rasen treten, Ihr Kanaken!
2. Ordonnanz.
(
nach den Kulissen sehend
) Nanu, wer marschiert denn da durch unsern frischgeharkten Kies ?
1. Ordonnanz.
Das ist der Spießer mit seinem Spieß.
2. Ordonnanz.
Du, wenn der Unteroffizier das hört, dann giebt's was ins's Genick.
1. Ordonnanz.
Und dafür danke ich.
Vorige. Unteroffizier Schultz ( mit ) 2 Soldaten.
treten von rechts auf und stellen sich ohne weiteres Kommando vor die zweite Kulisse rechts.
Schultz.
(
zu seinen beiden Soldaten
) Das hat man nun von Euch beiden Jammerhähnen. Antreten muß man mit Euch zum Strafrapport. Aber das sage ich Euch, wenn Ihr nachher Euren Vers nicht herbeten könnt, dann lehre ich Euch beten, verstanden!
1. u. 2. Soldat.
(
gleichzeitig
) Zu Befehl, Herr Unteroffizier.
Schultz.
(
zum ersten Soldat
) Warum müssen Sie antreten, Meier ?
1. Soldat.
Weil ich heute Morgen keine Fettbüchse nicht hatte.
Schultz.
Gott sei Dank, das weiß er. Und wie heißt Ihr Vers ?
1. Soldat.
Die Fettbüchse ist der wichtigste Teil des Soldaten, er braucht sie in allen Lagen seines Lebens.
Schultz.
Merken Sie sich das. (
Zum zweiten Soldaten:
) Petersen, warum stehen Sie hier ?
2. Soldat.
Ich hatte heute Morgen keine Knopfgabel nicht, und die Knopfgabel bildet den wichtigsten Teil des Soldaten.
Schultz.
Sehr richtig! Denn ohne blankgeputzte Knöppe ist der Soldat überhaupt kein Soldat nicht. Und womit soll er putzen, wenn er keine Putzgabel nicht hat ?
1. Soldat.
Mit Putzpomade, Herr Unteroffizier.
Schultz.
Schafskopf! Und die Aufschläge vollschmieren, und die Königlichen Montierungsstücke verderben, das könnte Euch wohl so passen.
Vorige. Kasinounteroffizier Müller. ( Dann ) Müffelmann ( und ) von Stern.
Müller.
(
kommt schnell die Treppe vom Kasino herunter, zu den beiden Ordonnanzen.
) Was ist denn das für eine Mordsbummelei, der Wilhelm sagt mir, der Garten wäre immer noch nicht in Ordnung.
Schultz.
Ärgere Dich man nicht, Müller, wenn man erst anfängt, sich über die krummen Brüder aufzuregen, dann ist's bald aus mit dem Leben. Sieh Dir mal meine beiden Jammergestalten an.
Müller.
Hab an meinen genug. Das krümmste und faulste Gesindel wird hierherkommandiert, und nicht mal ehrlich sind die Brüder. War noch nicht mal zur Tür hinaus, da sah ich, wie der Wilhelm zwei Flaschen Sekt klauen wollte. (
Spricht mit Schultz weiter.
)
1. Ordonnanz.
(
zur zweiten
) So 'ne Gemeinheit.
2. Ordonnanz.
(
zur ersten
) So'n Pech kann auch blos unsereins haben.
Müller.
(
zu den beiden Ordonnanzen
) Was steht Ihr hier ehrum und quasselt ? Los, harkt! Wenn nachher nicht alles tadellos in Ordnung ist, steige ich Euch auf die Köppe.
(
Die beiden Ordonnanzen nehmen ihre Arbeit wieder auf und verschwinden harkend rückwärts links.
)
Schultz.
(
zu Müller
) Meld' mich doch mal beim Gardestern, der hat uns wohl ganz vergessen.
Müller.
(
wendet sich zum Gehen
) Werd's ihm sagen. (
Sieht den eben auftretenden Stern.
) Da kommt der Herr Leutnant schon. (
Ab rechts, III.
)
(
v.Stern und Müffelmann erscheinen im Gespräch auf der großen Treppe.
)
Stern.
(
hat umgeschnallt, Mütze
)
Schultz.
(
kommandierend
) Stillgestanden –Augen rechts! (
Richtet die Leute aus und geht Stern entgegen.
)
Müffelmann.
Wirklich zu nett, lieber Stern, daß Sie mir erlauben, Strafrapport beizuwohnen. Versäume keine Gelegenheit, meine dienstlichen Kenntnisse zu bereichern.
Schultz.
(
meldend
) Unteroffizier Schultz mit 2 Mann zum Strafrapport zur Stelle.
Stern.
Danke. Haben Sie den Anzug genau nachgesehen ? Alles in Ordnung ?
Schultz.
Zu Befehl, Herr Leutnant!
Stern.
Na, dann machen Sie, daß Sie mit den Brüdern wieder nach Haus kommen.
Müffelmann.
Das ist alles ? Das hätt' ich mir instruktiver gedacht.
Stern.
Lieber Freund, wenn Sie wirklich Leutnant wären, machten Sie die Sache genau so kurz und so schmerzlos.
Schultz.
(
ist vor seine beiden Soldaten hingetreten, kommandiert.
) Das Gewehr über! (
Soldaten führen das Kommando aus.
)
Müffelmann.
Was meinen Sie, lieber Stern, soll ich den Kerls nicht Geld zu paar Glas Bier geben ?
Schultz.
Ganzes Bataillon – –
Müffelmann.
Warten Sie noch einen Augenblick, Unteroffizier. Darf ich, lieber Stern ?
Stern.
(
lachend
) Wenn es Ihnen Spaß macht – –
Müffelmann.
(
jedem der Soldaten Geld gebend
) Hier mein Sohn.
1. u. 2. Soldat.
Danke auch vielmals.
Müffelmann.
(
zu Schultz
) Ihnen würde ich ja auch gern etwas geben, Herr Unteroffizier, aber vor den Leuten – –
Schultz.
Wenn es weiter nichts ist. (
Kommandiert.
) Ganzes Bataillon kehrt. Bataillon marsch. (
Die Soldaten marschieren 1.Kulisse rechts ab.
)
Müffelmann.
(
gibt Schultz Geld
) Hier, lieber Freund.
Schultz.
Nu bin ich so frei. (
Marschiert seinen Soldaten nach.
)
Stern.
(
hat abgeschnallt, stellt seinen Säbel an einen Baum, sich die Stirne trocknend
) Schön, daß man endlich mal wieder an die frische Luft kommt. Scheußlich Hitze drinnen.
Müffelmann.
Und dazu der viele Sekt.
Stern.
Das Zeug, das schmeckt, man muß mal die Feste feiern, wie sie fallen. Aber wissen Sie, eigentlich doch ein bißchen zu viel Weihrauch, den sie da dem Kramer mit der Rede und dem Ehrensäbel auf das Haupt gestreut haben.
Müffelmann.
Gott warum denn ? Finde ich ganz in Ordnung. Und ganz besonders freut es mich für Hildegard.
Stern.
Hab' schon bemerkt, Kleine scheint's Ihnen angetan zu haben. Ganz netter Flirt! Wäre sogar beinah was für Potsdam!
Müffelmann.
Nee, wissen Sie, lieber Stern, bei mir ist's schon mehr als Flirt, und wenn ich wüßte, daß Kramer einwilligt – doch 'n ganzer Kerl, hat sich drüben sehr brav gemacht.
Stern.
Verdammte Pflicht und Schuldigkeit. Außerdem hat er unmenschliches Schwein gehabt.
Müffelmann.
Wieso ?
Stern.
Daß die Kugeln ihn trafen. Mancher steht noch länger als er in Feuerregen und kriegt nichts ab, keine Wunden und natürlich auch keine Orden. Aber wenn einer den Dusel hat, daß seine Heldenbrust ein bißchen lädiert wird, dann ist er das Wundertier, der große Held, – als ob die andern nicht genau so tapfer gewesen wären.
Müffelmann.
Brauchen Sie Geld ?
Stern.
Wie kommen Sie darauf ?
Müffelmann.
Sie sind ungerecht und verbittert. Haben Sie Schulden ?
Stern.
Kennen Sie einen Leutnant ohne Schulden ?
Müffelmann.
Na also. (
Will das Portefeuille herausnehmen.
)
Stern.
Nee danke, lassen Sie heute nur. Mißstimmung rührt von was anderm her. Habe mal wieder Heimweh nach Potsdam, wenn ich an die Liebesmähler denke, wenn da S.M. (
wird auch S.M. ausgesprochen
) bei uns war, die Prinzen, die ganze Generalität, und nun hier – ich halt's nicht aus.
Müffelmann.
Kommen Sie, wir wollen eine gute Flasche zusammen trinken. (
zieht ihn nach rechts ab.
)
Stern.
Stern (
im Abgehen
) 'ne gute Flasche ? Die giebt's hier ja garnicht. (
Mit Müffelmann rechts III ab.
)
(
Die Türen des Kasinos öffnen sich, man hört die Musik einen Tusch blasen, die ganzen Beleuchtungseffekte werden eingeschaltet, der ganze Garten strahlt im hellsten Licht, auf der Terrasse erscheinen 6 bis 8 Offiziere, (Anzug wie die anderen Offiziere) mit ihren Damen, diese sind in großer Toilette. Die Paare zerstreuen sich rechts und links langsam abgehend.
)
Major. Frau v.Kramer. Kramer. Oberleutnant v.Berndorf.
(
kommen im Gespräch die große Treppe herunter in den Garten.
)
Major.
(
Else nach vorne links zur Bank führend.
) Wollen Sie vielleicht hier etwas Platz nehmen, gnädige Frau ?
Else.
(
sich setzend
) Sehr gerne. Ich fand es sehr heiß im Saal.
Kramer.
(
lachend und sehr vergnügt
) Und ich erst. Wissen Sie, Herr Major, so warm ist mir drüben in keinem Gefecht geworden, wie vorhin bei Ihrer Rede. Ich glaube, Sie haben mehr als Freund, denn als Vorgesetzter gesprochen, und mich doch wohl zu sehr gelobt.
Major.
In erster Linie bin ich aber nun doch Ihr Freund, Kramer, trotz des Unterschieds der Jahre und der wenigen Tage unserer Bekanntschaft. Ich meine es so gut mit Ihnen wie kein anderer, und wenn ich jemals Gelegenheit finden sollte, es Ihnen zu beweisen, seien Sie überzeugt, dann tue ich es.
Kramer.
Das weiß ich, Herr Major.
Else.
Ernst, setz Dich einen Augenblick zu mir, laß mich Dir die Hand streicheln, ich bin heut so stolz auf Dich wie noch nie.
Kramer.
(
stellt sich hinter sie, küßt sie auf's Haar.
) Mein Liebling.
Berndorf.
Nicht wahr, gnädige Frau, das haben wir fein gemacht ? Das dumme Gesicht von Ernst vergesse ich mein Lebtag nicht.
Kramer.
(
lachend
) Erlaube mal.
Berndorf.
Sei nur ganz ruhig, mein Junge, Du sahst wahnsinnig dämlich aus, als ich Dir im Namen des Offizierskorps des Ehrensäbel überreichte. Da wußte ich, daß uns die Überraschung gelungen war. Für gewöhnlich sickert doch etwas durch, besonders in solchem kleinen Nest wie hier. Da weiß ja jeder alles von seinen Mitmenschen – was der tat, was er tut, und was er tun wird.
Major.
(
etwas beunruhigt
) Na, na, ganz so schlimm ist es nun wohl doch nicht.
Berndorf.
(
lachend
) Ach Du lieber Herrgott, hier wird einem ja der Klatsch in's Haus getragen. (
zu Else
) Sie hätten heute mal meinen Friseur hören sollen, was der alles zu erzählen wußte. Ernst allein hat an einem Tag 7000 Chinesen umgebracht und 180 Schüsse hat er bekommen, alle tödlich.
Kramer.
(
lachend
) Mehr nicht ?
Else.
(
forschend
) Und was sprechen die Leute über mich ?
Berndorf.
Daß Sie ein Engel sind. Die ganze Stadt ist so stolz auf Ihren Mann, aber jeder weiß, daß Sie allein sein Leben retteten, wie eine Heilige werden Sie verehrt.
Major.
Und das mit vollstem Recht.
Kramer.
Weißt Du, Else, was mich heute eigentlich am meisten freute, das war die Rede, die unser lieber Major auf Dich gehalten hat.
Else.
Das hatte ich nicht verdient, der Herr Major weiß es ganz genau.
Major.
Ich ?
Else.
Sie haben mich ja doch am besten kennen gelernt in der langen Zeit, da Ernst fort war. Sie wissen doch, daß auch ich nur ein sündhafter Mensch bin.
Kramer.
(
lachend
) Aber Kind, warum so tragisch ? Das sind wir doch alle.
1. Ordonnanz.
(
von rechts III
) Herr Leutnant werden gesucht, die Damen haben einen Kranz für den Herrn Leutnant geflochten.
Kramer.
Sagen Sie, ich käme gleich.
1. Ordonnanz.
(
ab rechts III
)
Kramer.
Da darf ich wohl nicht länger auf mich warten lassen. Begleitet mich jemand ?
Berndorf.
Ich geh' mit.
Kramer.
(
sich verabschiedend
) Dann auf Wiedersehen nachher! (
Kramer und Berndorf gehen rechts III ab.
)
Major. Frau v. Kramer.
Major.
(
nach kurzer Pause, während der er sich nach allen Seiten umgesehen hat.
) Gnädige Frau, wie können Sie so unvorsichtig sein mit Ihren Äußerungen ? Wirklich ein Wunder, daß Ihr Gatte noch nicht mißtrauisch geworden ist. Ich kann mir nicht helfen, es kommt mir fast so vor, als wenn Sie sich förmlich mit Gewalt verraten wollten.
Else.
(
ihn lange ansehend
) Und wenn ich das tun wollte ?
Major.
Gnädige Frau, Sie wissen nicht, was Sie sagen.
Else.
(
mit feinem Lächeln
) O doch.
Major.
Gestern noch haben Sie erklärt, Ihr Gatte dürfe nie und nimmer etwas wissen, – und heute ?
Else.
Ich wollte auch schweigen. In Egypten bin ich nie in Versuchung gekommen, zu sprechen, im stillen habe ich meine Schuld gebüßt, ich hab' geglaubt, mit meinen Tränen könnte ich sie tilgen.
Major.
(
leise, sehr warm
) Arme, kleine Else.
Else.
(
ohne seinen Zwischenruf zu beachten
) Als ich da allein mit ihm war, als ich für sein Leben zitterte, ist es mir garnicht so klar geworden, was ich ihm angetan, wie schlecht ich bin.
Major.
Sie sind nicht schlecht.
Else.
(
mit grausamer Ironie
) Würden Sie auch so über mich urteilen, wenn ich mit einem anderen gefehlt hätte ? (
Heftig fortfahrend
) Ich glaub' es nicht, will es auch nicht glauben, denn ich will gar keine Entschuldigung. Früher da habe ich mich manchmal für kurze Zeit – – für Stunden wenigstens – – mit törichten Lügen beruhigt, hab' mir gesagt, meine Schuld sei gar keine, sei nur die unausbleibliche Folge dessen gewesen, was einst zwischen uns war.
Major.
Und jetzt ?
Else.
(
ihn groß ansehend
) Und jetzt ? Seit gestern muß ich mit Gewalt an mich halten, um nicht vor Ernst niederzufallen, ihm nicht alles zu gestehen. Ich kann Euch beide nicht zusammen sehen, ich kann es nicht ertragen, wenn Ernst Sie beständig seinen besten Freund nennt. Und ich muß es mit anhören, daß Sie mich in seiner Gegenwart feiern, mich in Ihrer Rede als eine Heilige schildern, mich, eine Ehebrecherin!
Major.
Um Gottes willen, wenn uns jemand hört!
Else.
So soll man es hören. Ich werde doch nicht eher wieder ruhig, bis Ernst alles weiß, ich habe keine Furcht vor ihm, ich freue mich sogar auf die Strafe, die er über mich verhängt.
Major.
Und wenn er Sie von sich stößt ?
Else.
So habe ich es verdient. Lieber will ich ohne ihn leben, als so mit ihm. Ich kann seine Güte, seine Küsse, seine Liebkosungen nicht ertragen, sie martern mich.
Major.
Und dennoch müssen Sie schweigen. Ihr Mann liebt Sie über alles, er würde es nie überwinden, und auch Sie selbst hätten nicht die Kraft, die Folgen zu tragen. Nur noch kurze Zeit, dann werden Sie wieder ruhig werden, den innern Frieden wieder finden.
Else.
Ich wollte, ich könnte es glauben.
Major.
(
sehr innig
) Sie sind so jung, so schön, so begehrenswert, alle Welt huldigt Ihnen, Sie können es genießen, wenn Sie nur wollen. Martern Sie sich nicht mehr. – Wir haben uns doch geliebt ?
(Pause. Betroffen:)
Hast Du mich nicht geliebt ?
Else.
(
leidenschaftlich
) Ob ich Dich liebt ? Das ist es ja gerade, was mich quält und foltert, was mir keine Ruhe läßt. Ich gab Dir alles, was eine Frau einem Mann geben kann – – sogar mein Herz.
Major.
Und jetzt ? Hast Du mich heute nicht mehr lieb ?
Else.
(
nach einer Pause, resigniert, mit gepreßter Stimme
) Das ist vorbei.
Major.
(
vorwurfsvoll
) Else!
Else.
(
sehr ruhig
) Wollten Sie, es wäre anders ? Hätten Sie vielleicht den Mut, zum zweiten Mal solche Schuld auf sich zu laden, mich zum zweiten Mal so unglücklich zu machen ?
Major.
Nein, denn dazu hab' ich Dich viel zu lieb.
Hildegard, ( von rechts II und ) Vorige.
Hildegard.
(
ganz erstaunt
) Ihr hier, die andern suchen Euch, das kleine Feuerwerk soll gleich abgebrannt werden.
Major.
Kommen Sie, gnädige Frau, das wollen wir nicht versäumen. (
mit Hildegard und Else rechts III ab.
)
Berndorf, Müffelmann, Weidner ( und ) Stern ( aus dem Kasino ).
Berndorf.
(
noch hinter der Scene
) Rasch, rasch, meine Herren, sonst wird's zu spät.
Stern.
(
im Auftreten
) Scheint fast, als hätte man Raketenkiste schon aufgemacht. Feuerwerk soll wohl gleich vor sich gehen.
Weidner.
Das müssen wir uns unbedingt ansehen.
Stern.
Man merkt doch, Weidner, daß Sie nie in der Residenz standen, sind ja neugierig auf das Schauspiel wie ein kleines Kind. Unsereins ist über sowas erhaben. Finde Feuerwerk heute Abend überhaupt kolossalen Unfug.
Berndorf.
Zerstören Sie uns doch durch Ihre schreckliche Laune das harmlose Vergnügen nicht.
Müffelmann.
Da haben Sie ganz recht, (
zu Stern.
) weiß wirklich nicht, was heut mit Ihnen los ist.
Stern.
Ärgere mich über dieses blödsinnige Anfeiern, vielleicht auch etwas persönliche Aversion gegen Kramer dabei im Spiel.
Berndorf.
(
ganz erstaunt
) Nanu ?
Weidner.
Was können Sie denn gegen Kramer haben ? Das verstehe ich nicht.
Müffelmann.
Ich auch nicht.
Stern.
Muß immer an seine gestrige Äußerung über das Duell denken.
Weidner.
Ich muß ja auch sagen, daß mich seine Ansichten vom Offiziersstandpunkt aus im ersten Augenblick etwas befremdet haben – –
Müffelmann.
Ganz meine Ansicht.
Berndorf.
Mich ja auch, aber das ist doch kein Grund, gegen Kramer irgendwie eingenommen zu sein.
Müffelmann.
Ganz meine Ansicht.
Stern.
Glaube nicht, daß ein anderer von uns so sprechen würde.
Weidner.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, was Kramer durchmachte – wir sind aus der Garnison nie herausgekommen, da halten wir aus vollster Überzeugung die Anschauungen unseres Standes für die einzig richtigen.
Stern.
Sind sie auch.
Müffelmann.
Gewiß, gewiß.
Berndorf.
Weidner hat ganz recht – wer weiß, ob wir nicht ebenso denken würden, wie Kramer, wenn wir an seiner Stelle wären.
Stern.
Ausgeschlossen. Gott sei Dank sorgt Erziehung im Korps dafür, daß man bis an sein Lebensende standesgemäß denkt. Habe gehört, Kramer war nicht Kadett.
Berndorf.
Er hat das Abitur auf einem Gymnasium gemacht.
Stern.
Schon faul. Was soll unsereiner mit überflüssiger Bildung ? Ist genau so, als wenn Volk Schulen erhält – – je dümmer, desto besser.
Berndorf.
(
lachend
) Das gilt doch wohl nur für's Volk ?
Stern.
Selbstverständlich – Mangel an Geist bei uns doch gänzlich ausgeschlossen.
Müffelmann.
Ganz meine Ansicht.
Weidner.
Ich bin auch Kadett gewesen, denke immer noch mit Freuden an die schöne Zeit zurück, aber trotzdem muß ich sagen, daß uns die Kameraden, die nicht im Korps waren, in mancher Hinsicht voraus sind, sie denken freier –
Stern.
(
geringschätzig
) Faule Freigeisterei!
Berndorf.
Na, auf Kramer paßt das nicht.
Stern.
Doch. Wie kommt der Mann zu solchen Ansichten ? Der hat so zu denken wie wir.
Weidner.
In mancher Hinsicht haben Sie recht, aber trotzdem ist Kramer ein untadelhafter Offizier.
Berndorf.
Er ist mehr als das. Ein untadelhafter Mensch. (
Er sieht vorne rechts Hildegard kommen.
) Aber, meine Herren, wollen wir das Feuerwerk versäumen ?
Stern.
(
mit den Andern langsam abgehend
) Können uns die künstlerische Beleuchtung dieses elenden Daseins mal ansehen.
Hildegard. Berndorf.
Berndorf.
(
begleitet die Andern nur bis an die Kulisse, dort kehrt er um, verbirgt sich hinter der Floragruppe, Hildegard kommt von rechts I, will im Bogen nach rechts III abgehen. Berndorf vertritt ihr den Weg.
)
Berndorf.
(
ganz erstaunt tuend
) Ach, Fräulein Hildegard, – ich preise den glücklichen Zufall, der mich mit Ihnen zusammenführt.
Hildegard.
(
neckend
) War es wirklich nur ein Zufall ?
Berndorf.
(
etwas verlegen
) Ja, – das heißt – eigentlich nein. Ich habe schon den ganzen Abend versucht, einmal einen Augenblick in Ihre Nähe zu gelangen.
Hildegard.
Haben Sie nicht bei Tisch neben mir gesessen ?
Berndorf.
Ach die paar Minuten!
Hildegard.
Ich glaube, es waren drei Stunden.
Berndorf.
Und wenn es fünf gewesen wären, ich war ja doch nicht mit Ihnen allein. Das Paar uns gegenüber, meine Nachbarin zur Linken, Ihr Nachbar zur Rechten, immer hieß es: gnädiges Fräulein werden heute Abend doch tanzen – nehmen Sie noch Kompott, Herr Leutnant ? – Finden Sie nicht, daß Frau v.Gärtner sich viel zu jugendlich geschminkt hat ? – Werden gnädiges Fräulein im nächsten Winter denn auch wieder hier sein ? – (
Aufbrausend
) Himmel Kreuz Donnerwetter, Pardon, gnädiges Fräulein, bei all den geistreichen Bemerkungen der Anderen kommt man ja selbst gar nicht dazu, mit seiner Tischdame zu sprechen.
Hildegard.
Aber das geht doch nun einmal nicht anders.
Berndorf.
O doch, ich wüßte sogar ein sehr einfaches Mittel, und wenn ich einmal Tischdirektor werden sollte, dann führe ich es ein.
Hildegard.
(
setzt sich auf die kleine Bank rechts
) Und worin besteht Ihre Neuerung ?
Berndorf.
Man speist nicht mehr an einer großen Tafel, sondern immer nur zu Zweien an einem ganz kleinen Tisch, er muß so klein sein, daß unter keinen Umständen ein Dritter daran Platz findet. Und dann müßten die einzelnen Tische soweit auseinanderstehen, daß die Andern es gar nicht hören könnten, was ich Ihnen sage.
Hildegard.
(
anscheinend erstaunt
) Ach so! Sie wollten mit mir an einem kleinen Tisch sitzen ? (
Neckend
) Und wenn ich nun nicht wollte ?
Berndorf.
Dann würde ich dafür sorgen, daß Sie zur Strafe an den Katzentisch kämen, da sitzen Sie dann ganz allein. Aber ich will Ihnen etwas sagen, lange blieben Sie doch nicht allein, dann käme ich zu Ihnen und setzte mich neben Sie. (
Setzt sich neben sie auf die Bank.
)
Hildegard.
(
rasch aufstehend und sich in den einen Korbstuhl setzend
) Nein, bitte gegenüber, was sollen sonst wohl die Andern denken.
Berndorf.
(
ärgerlich aufstehend
) Ach immer die Andern! Schrecklich, was man auf die für Rücksichten nehmen muß. Aber wenn es denn nicht anders sein kann, setz' ich mich Ihnen auch gegenüber. (
Setzt sich in den andern Korbstuhl.
)
Hildegard.
Das ist brav. Und was wollen Sie denn eigentlich von mir ?
Berndorf.
Nur eine Kleinigkeit – Ihre Hand.
Hildegard.
(
lachend
) Welche, die rechte oder die linke ? (
Hält ihm beide Hände hin.
)
Berndorf.
Beide.
Hildegard.
(
giebt sie ihm
) Und was wollen Sie nun damit ?
Berndorf.
Festhalten möchte ich sie für mein ganzes Leben.
Hildegard.
Aber das geht doch gar nicht.
Berndorf.
(
erstaunt
) Aber warum denn nicht ?
Hildegard.
(
neckend
) Aber ich bitte Sie, wollen Sie mich denn verhungern lassen ? (
Berndorf macht eine fragende Bewegung.
) Nun ja, wie soll ich denn da jemals wieder essen und trinken, wenn Sie mir beständig die Hände festhalten ?
Berndorf.
(
die Hände loslassend, enttäuscht
) Gnädiges Fräulein, können Sie denn nicht einmal ernsthaft sein ? Nicht einmal heute ?
Hildegard.
Heute erst recht nicht, da bin ich noch übermütiger als je. Der Schwager gesund, gefeiert, wie ein Held; die Schwester wie eine Königin begrüßt, ich selbst habe auch einen Teil der Rede abbekommen. –
Berndorf.
Der Teil der Rede war von mir.
Hildegard.
Von Ihnen ?
Berndorf.
Als der Onkel mir gestern Abend seine Rede im Entwurf vorlegte, da sagte ich: die Hauptperson hast Du vergessen, Fräulein Hildegard. Und dann hab' ich mich hingesetzt, und hab' eine glänzende Rede auf Sie ausgearbeitet, mit meinem Herzblut hab' ich die Worte niedergeschrieben und als sie fertig waren –
Hildegard.
Nun ?
Berndorf.
Da hat der Onkel gesagt, das wäre ja gar keine Rede, das wäre eine Liebeserklärung, und da hat er bis auf ein paar Sätze alles wieder gestrichen.
Hildegard.
Schade!
Berndorf.
Aber ich weiß noch, wie die Worte lauteten, darf ich es Ihnen sagen ?
Hildegard.
Ich weiß wirklich nicht, Herr Leutnant. Wenn uns jemand hörte, wenn uns jemand überraschte.
Berndorf.
Ach es kommt ja niemand!
Hildegard.
(
neugierig
) Glauben Sie wirklich nicht ? Wie fängt Ihre Rede denn an ?
(
In diesem Augenblick hört man hinter der dritten Koulisse rechts gewissermaßen als Antwort auf Hildegards Frage Müffelmann's Worte: „Brauchen Sie Geld.”
)
Berndorf.
(
aufspringend
) Immer dieser Müffelmann!
Hildegard.
(
aufstehend
) Ich möchte hier nicht gesehen werden, jetzt nicht. (
Eilt rechts I ab.
)
Berndorf.
(Ich begleite Sie. (
Folgt ihr.
)
Müffelmann. v.Stern. v.Weidner.
Müffelmann.
(
von rechts III. Ist wie v.Stern ein ganz klein wenig in Sektstimmmung, zu Weidner
) Brauchen Sie Geld ? Ich frage Sie zum dritten Mal. Weidner, ich will Ihnen mal was sagen; Sie sind mein Feind, Sie meinen es nicht gut mit mir.
Weidner.
Das sagen Sie mir nun schon, solange ich Sie kenne.
Müffelmann.
Und ich werde es Ihnen sagen, bis Sie mich begriffen haben. Sie lieben mich nicht, weil Sie mein Geld nicht lieben.
Weidner.
Ach so, deswegen.
Müffelmann.
Hab' ich Recht, Stern ? Oder hab' ich nicht Recht ?
Stern.
Wenn Weidner nun mal das Prinzip hat, sich nie Geld zu borgen; –
Müffelmann.
Sehr ehrenwert, aber bei mir ist doch das was anderes. Erstens pumpe ich doch nur aus Gefälligkeit und zweitens will ich das Geld doch auch garnicht wieder haben.
Weidner.
Schon deshalb würde ich mich nie an Sie wenden.
Müffelmann.
Das ist eine Beleidigung, hören Sie, Stern.
Stern.
I wo. Weidner denkt ja garnicht daran, Sie zu beleidigen.
Müffelmann.
Na, dann ist's ja gut, aber es muß doch irgend einen Grund haben, daß Sie von mir kein Geld nehmen wollen.
Weidner.
Ich brauche keins!
Müffelmann.
Stern, haben Sie gehört ? Er braucht keins.
Stern.
Es muß auch solche Käuze geben.
Müffelmann.
Dann haben Sie wohl einen Riesenzuschuß ?
Weidner.
Kaisers Zulage. 20 M. monatlich.
Müffelmann.
Na, viel ist das ja nun gerade nicht.
Stern.
Kommt mir beinahe auch so vor.
Müffelmann.
Nehmen Sie mir eine Frage nicht übel, Herr Leutnant, wie sind Sie bei Ihrer schlechten Finanzlage eigentlich dazu gekommen, Offizier zu werden ? Wer kein Geld hat, soll doch einen Beruf ergreifen, in dem er etwas erwerben kann.
Weidner.
Haben Sie mal etwas von dem Offiziersadel gehört, Herr Müffelmann ?
Müffelmann.
(
sehr pikiert
) Bei meinen intimen Beziehungen zur Armee ? Selbstverständlich!
Weidner.
Nun, dann werden Sie wissen, daß es Familien giebt, die seit Jahrhunderten der Armee angehören, die gewissermaßen den Kern unseres Offizierskorps bilden, die es als eine Treulosigkeit an ihrem Kaiser und an der Armee empfinden würden, wenn sie plötzlich einen anderen Beruf ergriffen. So bin auch ich Offizier geworden, aus alter Tradition, fünf Brüder stehen wir in der Armee, alles arme Teufel, aber für kein Geld würde einer von uns einen anderen Beruf ergreifen.
Stern.
Verstehe ich nicht. Wenn mir heute oder morgen mein zukünftiger Schwiegervater 'ne halbe Million auf den Tisch legt, werde ich alles, was er will, sogar Rentier.
Weidner.
Auch 'ne Beschäftigung.
Stern.
Und noch nicht mal die schlechteste, denken Sie sich mal, so egal Coupons schneiden, doch riesig schneidig!
Müffelmann.
Haben Sie schon einen Schwiegervater in Aussicht, Stern ?
Stern.
In diesem Nest ? Was ich brauche, wächst nur in Berlin, Tiergartenstraße, so in der Gegend. Werde zum Winter Kriegsakademie-Examen versuchen, nur um hier mal drei Jahre fortzukommen. Und wenn ich in Berlin bin, dann sollen Sie mal sehen, wie schnell ich einen Goldfisch einfange. Kann meinetwegen auch ein getaufter sein, sind noch leichter zu angeln, sind ja glücklich, wenn sie erstklassigen Menschen bekommen, und wenn sie plötzlich statt Fräulein Aaron, Frau Baronin heißen. Weiber sind zu dumm.
Weidner.
Finden Sie Ihre Grundsätze eigentlich sehr gentleman-like ?
Stern.
Lieber Freund, habe neulich mal gelesen, daß schon Julius Cäsar seinen Offizieren geraten hat, sich reich zu verheiraten, um standesgemäß leben zu können.
Müffelmann.
Famoser Witz!
Stern.
Nee, Tatsache.
Weidner.
Mit Ihnen kann man ja gar nicht ernsthaft sprechen.
Stern.
Soll man auch gar nicht, lieber Freund. Die Liebesmähler sind doch dazu da, daß man sich mehr oder weniger die Nase begießt.
Weidner.
Etwas anders denke ich denn doch.
Stern.
Ach nee!
Müffelmann.
Das ist ja sehr interessant.
Weidner.
Ich meine, das Trinken ist Nebensache, man soll versuchen, sich besser kennen zu lernen, sich als Kameraden näher zu treten, neue Freundschaften zu schließen, alte zu befestigen, damit die Kameradschaft mehr ist als nur ein leeres Wort.
Stern.
Scheußlich, hören Sie die Musik ? Nun geht die elende Hopserei schon los. Übrigens, was Sie da eben sagten, lieber Weidner, in der Theorie ist das ja alles sehr schön, aber in der Praxis ?
Weidner.
(
sehr ernst
) Und doch kommt es auf die allein an. Was wir denken, ist Nebensache, nur was wir tun, wird öffentlich beurteilt. Auf Wiedersehen!
Müffelmann.
Sonderbarer Heiliger, was!
Stern.
Der Mann hat heute entschieden zu – wenig getrunken. Wie ist es, hopsen wir auch ? Ich weiß nicht, seit langer Zeit habe ich heut zum ersten Mal Lust, ein kleines Jeu zu machen.
Müffelmann.
Da bin ich immer dabei.
Stern.
Fehlen nur noch ein paar gleichgesinnte Seelen. Da kommt ja die Gesellschaft.
Major, ( mit ) Frau v.Kramer, Berndorf, Hildegard, ( von rechts III, später ) Kramer.
Major.
(
zu Stern und Müffelmann
) Nur Mut, meine Herren, der Tanz hat schon begonnen.
Stern.
Wir kommen sofort, Herr Major.
Müffelmann.
(
zu Hildegard
) Sie wissen doch, gnädiges Fräulein, den zweiten Walzer haben Sie mir versprochen.
Berndorf.
Bitte, den vierten, die ersten drei habe ich.
Müffelmann.
Ach ja, richtig (
spricht leise mit Hildegard, Berndorf und Stern
).
Else.
(
zu Major
) Bitte, ersparen Sie mir den Tanz, Herr Major, ich kann heute wirklich nicht.
Major.
Sie müssen dagegen ankämpfen, gnädige Frau. Ihr Mann würde sich ängstigen, schon seinetwegen müssen Sie es versuchen.
Else.
Ich will es versuchen.
Major.
En avant, messieurs, et mes dames, gehen wir. (
Major führt Frau v.Kramer, Berndorf Hildegard, die große Treppe zum Kasino hinauf.
)
Stern.
(
ihnen nachblickend
) Endlich allein! (
singend
) Das Spiel kann beginnen.
Müffelmann.
Wo finden wir die Andern ?
Stern.
Ich will mal im Garten nachsehen, da hat sich sicher der eine oder der andere im Gebüsch versteckt, um nicht tanzen zu müssen, den hol' ich hervor.
Müffelmann.
Die Idee ist nicht dumm.
Stern.
(
wendet sich zum Gehen
) Ich komme gleich zurück. (
stößt in der zweiten Coulisse rechts auf Kramer.
) Ah, Herr v. Kramer!
Kramer.
Sie noch hier ? Ich denke, es wird schon getanzt.
Stern.
Nichts für uns, wir haben andere Pläne.
Müffelmann.
Vielleicht spielen Sie mit, Herr v.Kramer, natürlich nicht hoch. Nur solch' kleines Familien-Jeuchen.
Kramer.
Ach, solche Pläne haben Sie ? Ich spiele nie, und auch Sie, lieber Stern, sollten die Hände besser davon lassen.
Müffelmann.
Ach nee!
Stern.
Ich, aber warum denn ?
Kramer.
Sie wissen doch, Stern, das Spiel ist Ihnen schon einmal verhängnisvoll geworden, – einmal sind Sie deswegen doch schon strafversetzt, hierher.
Stern.
Na ja, also, noch strafversetzter kann ich doch nicht werden.
Kramer.
(
ernst
) Wie meinen Sie das ?
Stern.
Nun, eine elendere Garnison, als dieses gottverlassene Nest giebt es doch auf der ganzen Welt nicht.
Kramer.
Vielleicht doch. Aber für einen Offizier ist nach meiner Auffassung nicht die Garnison die Hauptsache, sondern das Regiment.
Müffelmann.
Ganz meine Ansicht, ganz meine Ansicht!
Kramer.
(
Müffelmann abwehrend
) Schon gut, Herr Müffelmann! (
zu Stern
) Und ich glaube, Herr v.Stern, daß Sie sehr froh sein können, in ein so untadelhaftes Bataillon versetzt zu sein, wie es das Unsrige ist.
Stern.
(
sehr überlegen, ironisch
) Nun, wie man's nimmt!
Kramer.
Überlegen Sie sich Ihre Worte, Herr v.Stern! Beleidigen Sie das Bataillon nicht, das Sie mit offenen Armen aufnahm. Das Bataillon blickt auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurück, Sie brauchen nur die zerschossenen Fahne anzusehen, und untadelhaft wie die Truppe ist das Offizierskorps.
Müffelmann.
Ganz meine Ansicht! Kann nur sagen, habe noch nie ein so reizendes, wohlerzogenes, ehrenhaftes Offizierskorps kennen gelernt, wie das unsrige. Stern, ich hab's Ihnen vorhin schon gesagt, Sie sind verbittert. Brauchen Sie Geld ?
Stern.
(
ihn unmutig abwehrend
) Lassen Sie doch den Unsinn! Wenn ich Sie brauche, weiß ich ganz genau, wo Sie wohnen.
Kramer.
(
ironisch
) Sehr schmeichelhaft für Herrn Müffelmann.
Müffelmann.
(
ernsthaft
) Ist es auch. Und wenn Sie einmal in Verlegenheit kommen sollten, Herr von Kramer, allerdings bei Ihrem Reichtum – –
Stern.
Reichtum allein freilich macht den Ehrenmann nicht!
Kramer.
(
aufhorchend
) Was wollen Sie damit sagen ? (
Sich beherrschend
) Ich weiß gar nicht, was Sie haben, Sie sind ja gereizt, was tat ich Ihnen ?
Stern.
(
aufbrausend
) Geschulmeistert haben Sie mich. (
Müffelmann will ihn beruhigen, wehrt ihn ab.
) Lassen Sie mich. Der Herr Oberleutnant hat vorhin die Güte gehabt, mir seine Ansichten zu sagen, nun möchte ich ihm aber auch einmal die meinigen erklären.
Müffelmann.
Um Gottes Willen, keinen Streit!
Kramer.
Was wollen Sie mir denn sagen, Herr Leutnant!
Stern.
Daß ich nicht der Ansicht bin wie Sie über die Ehrenhaftigkeit des Offizierskorps, dem ich jetzt angehöre.
Kramer.
(
aufbrausend
) Oho!
Müffelmann.
Aber Stern!
Stern.
(
Müffelmann abwehrend
) Wenigstens ein Herr ist darunter, der nach meiner Meinung vor das Ehrengericht gehört.
Kramer.
(
sehr ruhig
) Wenn Sie von einem Kameraden etwas Nachteiliges wissen, so ist es nicht nur Ihr Recht, sondern Ihre Pflicht, ihn dem Ehrenrat zu melden, (
nach kurzem Überlegen
) ich wüßte allerdings nicht, wen Sie meinen könnten.
Stern.
Wen ich meinen könnte ? – Sie selbst, Herr Oberleutnant!
Müffelmann.
Aber Stern, Mensch!
Kramer.
(
gleichzeitig, ganz erstaunt
) Mich ?
Stern.
Jawohl Sie, Herr v. Kramer. Ich habe schon vorhin zu Müffelmann gesagt, es ist ein Skandal, wie Sie sich hier feiern lassen.
Kramer.
Ich finde es selbst übertrieben, wie man mich hier ehrt, aber daraus können Sie mir doch keinen Vorwurf machen.
Stern.
Doch. Denn ein Offizier, der so denkt, wie Sie, darf nach meiner Auffassung überhaupt nicht mehr mit anständigen Menschen an einem Tisch sitzen.
Kramer.
(
aufbrausend
) Wollen Sie sich gefälligst näher erklären!
Müffelmann.
Aber Stern, seien Sie doch verständig!
Stern.
Herr von Kramer, Sie scheinen ganz die Ansichten vergessen zu haben, die Sie gestern in Ihrer Wohnung über den Wert des Lebens und über das Duell äußerten.
Kramer.
(
ganz ruhig
) Ach so, das meinen Sie ?
Stern.
Jawohl, das meine ich. Und wenn Sie vorhin sagten, es sei für mich eine Ehre, hierher versetzt zu werden, da möchte ich Ihnen nur sagen, daß Offiziere Ihres Schlages in meinem alten Regiment einfach unmöglich gewesen wären.
Kramer.
(
lachend
) Was Sie sagen.
Stern.
(
durch den Ton gereizt
) Wissen Sie, wie man bei uns einen Mann nennt, der so spricht, wie Sie es taten ?
Kramer.
Nun ?
Müffelmann.
(
sucht vergebens Stern zu beruhigen
).
Stern.
Einen Feigling!
Kramer.
(
zuckt zusammen
) Herr! – – (
Tritt ein paar Schritte auf Stern zu, als wollt' er ihn züchtigen, jedoch ohne die Hand zu heben; wie er dicht bei ihm ist, tritt er einen Schritt zurück und sagt ganz kalt verächtlich:
) Sie riechen ja förmlich nach Wein. Sie sind betrunken, Herr – – von Stern.
Stern.
In vino veritas, wer da trunken ist, spricht die Wahrheit.
Kramer.
(
sehr ruhig
) Sie werden schon wieder nüchtern werden und einsehen, daß man in der Trunkenheit oft mehr redet, als man verantworten kann.
Stern.
(
spöttisch
) Aha, Sie denken wohl, ich soll morgen klein beigeben ? Pater peccavi sagen, um Entschuldigung bitten ? Nee, das giebt's nicht. Ich halt's durch, will doch mal sehen, ob Sie nur in Worten feige sind, oder auch in der Tat. (
Höhnisch
) Unangenehmes Gefühl, Herr v.Kramer, wenn die Pistolenhähne so knacken und man nicht weiß, ob man in der nächsten Minute noch lebt.
Kramer.
Nur ein Trunkener spricht so leichtsinnig vom Leben.
Stern.
Oder ein Tapferer, der das Leben gering achtet.
Vorige. Major.
Major.
(
ist bei den letzten Worten auf der großen Treppe erschienen, tritt auf die Andern zu, sich Kühlung zufächelnd
) Herrschaften, zwei Walzer nach der Reih', das halt ich nicht aus, nun muß die Jugend auch mal heran.
Müffelmann.
Gewiß, gewiß, Herr Major. (
Eilt schnell ab ins Kasino.
)
Major.
(
die beiden betrachtend
) Nanu, was ist denn hier vorgefallen ?
Kramer.
Herr Leutnant von Stern hat etwas zu viel getrunken.
Stern.
Bitte, ich weiß sehr genau, was ich gesagt habe. Ich erklärte Herrn von Kramer auf Grund seiner gestrigen Äußerung über das Duell für einen Feigling.
Major.
(
aufbrausend
) Das haben Sie getan ?
Kramer.
(
den Major beschwichtigend
) Er ist ja betrunken.
Major.
(
zu Stern
) Wissen Sie, was Sie verdienten, Herr von Stern ? Daß Sie auf das strengste bestraft würden. Wir ehren, feiern hier einen Kameraden, der den Stolz des Bataillons, fast hätte ich gesagt, der ganzen Armee, bildet, und Sie junger Herr stellen sich hier her, führen große Reden und schmähen den, den wir ob seiner Tapferkeit bewundern ? Schämen Sie sich, Herr Leutnant, wenn Sie dessen noch fähig sind. Morgen sprechen wir weiter über diesen Punkt. Für heute befehle ich Ihnen, das Fest sofort zu verlassen, ohne noch einmal den Saal zu betreten.
Stern.
Herr Major –
Major.
Haben Sie meinen Befehl verstanden ?
Stern.
Zu Befehl, Herr Major.
Major.
Dann gehorchen Sie!
Stern.
Zu Befehl, Herr Major. (
Macht den beiden Herren eine Verbeugung, die von diesen sehr kühl erwidert wird, dann ab rechts I.
)
Major.
(
geht erregt auf und ab.
)
Kramer.
Na, dem haben Sie's aber ordentlich gegeben, Herr Major, das Beste war es wohl, daß Sie ihn nach Haus schickten, nun schläft er seinen Rausch aus.
Major.
(
stehenbleibend
) Kramer, Mensch, da haben wir nun die Geschichte, das kommt von Ihrem verdammten Gerede, was haben Sie nötig, halbreifen Burschen Ihre Ansichten zu entwickeln ? Ich hab's Ihnen gestern gleich gesagt, und nun haben wir die Bescherung.
Kramer.
Ich fasse die Sache nur komisch auf.
Major.
Aber lieber Freund, wo sehen Sie denn da etwas zu lachen ? Stern hat bei seinem alten Regiment schon mal solche Geschichte gehabt, das ist ein Dickkopf, er denkt auch in der Nüchternheit nicht daran, seine Worte zurückzunehmen.
Kramer.
Da soll er's bleiben lassen, mich lassen sie kalt.
Major.
(
befremdet
) Das ist doch wohl nicht Ihr Ernst ?
Kramer.
(
ganz erstaunt
) Aber selbstverständlich.
Major.
(
nach einer kleinen Pause
) Kramer, nun wollen wir mal ernsthaft mit einander reden. Sie können doch den Feigling nicht ruhig auf sich sitzen lassen ?
Kramer.
(
sehr stolz
) Ich glaube, bewiesen zu haben, daß ich das Wort nicht verdiene, das genügt mir.
Major.
Ihnen ja, aber der Welt nicht, den Kameraden nicht. Die Menschen sind gemein, die werden jetzt sagen: wenn er sich vor einem Duell fürchtet, dann wird es drüben mit seiner Tapferkeit wohl auch nicht so weit hergewesen sein. Da ist wohl mal wieder aus einer Mücke ein Elefant gemacht worden.
Kramer.
Lassen wir die Leute schwatzen. Was die Welt über mich redet, ist mir ganz gleichgültig.
Major.
Aber mir nicht, Ihrem Offizierskorps nicht, Ihren Vorgesetzten auch nicht. Sie dürfen einfach nicht ins Gerede kommen.
Kramer.
(
verstehend
) Ach so! Und da meinen Sie, Herr Major, ich müßte gewissermaßen der Öffentlichkeit wegen Herrn von Stern zur Rechenschaft ziehen, selbst gegen meine Überzeugung ?
Major.
Sie sind doch Offizier.
Kramer.
Mit Leib und Seele.
Major.
Dann haben Sie auch die Pflicht, sich den bestehenden Bestimmungen über die Wahrnehmung der Ehre zu unterwerfen, genau so gut, wie jeder andere von uns.
Kramer.
Herr Major, würden Sie etwa an meiner Stelle Stern's Worte als Beleidigung auffassen ? Würden Sie ihn etwa fordern ?
Major.
Wenn der Ehrenrat keine standesgemäße Versöhnung herbeiführte, dann gewiß.
Kramer.
Das begreif' ich nicht. Ich habe gestern Gelegenheit gehabt, meine Ansichten zu äußern, ich kann sie heute nicht ändern.
Major.
Wollen Sie damit sagen, daß Sie sich, wenn es sein muß, mit Stern nicht schlagen würden ?
Kramer.
Mit ihm so wenig, wie jemals mit einem andern.
Major.
Aber Kramer, Menschenskind, erkennen Sie denn das Duell überhaupt nicht an ?
Kramer.
Es ist ein Wahnsinn in meinen Augen.
Major.
(
während des Rests der Scene in seinem Wesen sehr gequält und gedrückt
) Aber Kramer, so überlegen Sie doch, was Sie sagen! Wenn Sie auf Ihrer Ansicht bestehen, wird sich der Ehrenrat vielleicht damit befassen, und Sie müssen doch selbst zugeben, daß Ihre Ansichten unhaltbar sind.
Kramer.
Nicht daß ich wüßte, Herr Major.
Major.
(
sich die Stirn trocknend
) Wollen Sie etwa behaupten, daß nichts auf der Welt Sie zu einem Duell verleiten könnte ?
Kramer.
Nichts.
Major.
Kramer, das geht nicht, daß Sie so sprechen. Als Ihr Vorgesetzter darf ich gar nicht hören und nicht wissen, was Sie da sagen. Als Ihr Freund aber muß ich Sie überzeugen, daß Sie sich irren.
Kramer.
Aber weswegen denn, Herr Major ?
Major.
Weil ich es verhindern will, daß der Ehrenrat gegen Sie einschreitet. Ich will den Herren mit gutem Gewissen sagen können: Kramer hat sich im Augenblick mit seinen Äußerungen verrannt, aber ich weiß positiv, daß er genau so denkt, wie wir alle. Dann wird es mir auch ein leichtes sein, die Sache mit Stern friedlich zu schlichten. Tun Sie mir die Liebe und erkennen Sie das Duell wenigstens im Prinzip an.
Kramer.
Vorläufig kann ich es nicht, aber ich habe mich stets gern überzeugen lassen. Wenn es Ihnen also gelingt, Herr Major – –
Vorige. Frau von Kramer.
Else.
(
in höchster Erregung, die große Treppe herunter, auf ihren Mann zueilend.
) Um Gottes Willen, was ist geschehen ? Müffelmann erzählt im Saal von einem Streit, den Du mit Stern gehabt hast. Man spricht von einem unvermeidlichen Duell.
Kramer.
Kind, beruhige Dich, es ist nicht so schlimm. Stern hat mich ankrakehlt, und wie ich über das Duell denke, weißt Du ja.
Major.
Ich habe vergebens versucht, Ihren Gatten umzustimmen, Sie müssen es tun, gnädige Frau.
Else.
Ich ? Ich habe ihn über alles lieb, da soll ich ihm zureden, sein Leben leichtsinnig aufs Spiel zu setzen ?
Major.
(
nach kurzer Überlegung
) Lieber Kramer, darf ich Sie bitten, mich einen Augenblick mit Ihrer Frau Gemahlin allein zu lassen ?
Kramer.
(
erstaunt
) Gewiß, sehr gerne, aber ich sehe den Grund nicht recht ein.
Major.
Frauen sind dem Zuspruch zugänglicher, wenn man mit ihnen allein ist. Aber davon ganz abgesehen, stopfen Sie Müffelmann den Mund. Es ist nicht nötig, daß alle Welt schon heute abend von dem Zwischenfall erfährt.
Kramer.
Da haben Sie Recht, Herr Major; aber im übrigen glaube ich, daß Sie bei meiner Frau wenig Glück haben werden, Herr Major. Die hält in allen Stücken fest zu ihrem Mann, nicht wahr, Else ? (
Eilt schnell ins Kasino ab.
)
Else.
Was giebt's ? Was wünschen Sie von mir ?
Major.
(
sehr erregt
) Ich danke dem Himmel, der Sie hierherführte. Stern hat Ihren Mann auf's Schwerste beleidigt, und er weigert sich, Stern zu fordern.
Else.
Da tut Ernst ganz recht.
Major.
Gnädige Frau, Sie können Ihren Gatten umstimmen und Sie müssen es. Sie müssen ihm erklären, nicht länger an seiner Seite leben zu wollen, wenn er nicht den Mut hat, seine Ehre rein zu halten. Dann wird er sich eines andern besinnen.
Else.
Das sollte ich ihm sagen, die ich selbst ehrlos bin ?
Major.
Denken Sie diesmal nur an Ihren Mann. Ändert er seine Ansicht über das Duell nicht, so muß sich schon aus diesem Grunde der Ehrenrat mit ihm befassen und später auch das Ehrengericht. Und das – möcht' ich ihm und mir ersparen.
Else.
Ernst wird sich zu verteidigen wissen. Wer sind seine Richter ?
Major.
Die sämtlichen Offiziere des hiesigen Bataillons.
Else.
Auch Sie ?
Major.
(
zögernd
) Gewiß, und wenn das Ehrengericht zusammentreten sollte, dann muß ich den Vorsitz führen.
Else.
(
mit grausamer Ironie auflachend
) Sie, Herr Major ? Sie ? – der Sie meinem Mann nicht offen in die Augen sehen können – Sie wollen sein Richter sein ?
Major.
Gnädige Frau, foltern Sie mich nicht, ich denke noch viel strenger als Sie, deshalb bat ich um eine Aussprache. Ersparen Sie mir das entsetzliche, ich will kein Ehrengericht über Ihren Mann leiten, ich kann es nicht!
Else.
Und um Ihnen das zu ersparen, soll ich meinem Mann zureden, sein Leben auf's Spiel zu setzen ?
Major.
Ich flehe Sie an.
Else.
Mein Mann steht mir näher als Sie, Herr Major! Und eins sage ich: ehe ich dulde, daß Sie über die Ehre meines Mannes urteilen, gestehe ich ihm alles.
Major.
Das werden Sie nicht tun.
Else.
Doch! Jeder andre soll ihn richten, Sie nicht!
Major.
Und doch geht es nicht anders. Es giebt für mich keine Möglichkeit, mich dem zu entziehen.
Else.
Und Sie hätten wirklich den Mut ?
Major.
(
schwer atmend
)Ich muß ihn haben.
Vorige. Kramer.
Kramer.
(
erscheint auf der Treppe, Else sieht ihn, stürzt auf ihn zu in höchster Ekstase
)
Else.
Ernst, Sie wollen Dich zum Duell zwingen, Du darfst es nicht tun, wirf alles hin, nimm heute noch Deinen Abschied.
Kramer.
Ich denke nicht daran, mich feige dem Urteilsspruch zu entziehen – ich stelle mich meinen Richtern.
Else.
(
sehr aufgeregt
) Aber der Major will Dein Richter sein, er, der sich Deinen Freund nennt, er, – der – – (
will Kramer ihre Schuld eingestehen
).
Kramer.
(
sie unabsichtlich rasch unterbrechend
) Er kann doch gar nicht anders, er muß seiner Pflicht gehorchen. (
Wirft einen Blick auf den Major, der im schwersten Kampfe mit sich selbst dasteht, leise zu Else mit großer Herzensgüte und großer Wärme.
) Du siehst ja, wie er darunter leidet, mach's ihm doch nicht so schwer. (
Tritt auf den Major zu, reicht ihm mit vertrauender Gebärde die Hand. Wie der Major, zögernd in diese einschlagen wollend, die Hand hebt,
)
I.Akt |
Kramer's Seite |
III.Akt |