Auf Wache

Humoreske von Graf Günther Rosenhagen (Hamburg)
in: „Der Zuschauer” Monatsschrift für Kunst, Litteratur und Kritik, 2 (1894), S.271-277 und
in: „Militaria”.


Wir waren auf dem langen Korridor zur Dienstausgabe angetreten. „Wir” war die Königliche zwölfte Compagnie, der ich als „Dreijährig–Freiwilliger mit der Aussicht auf Beförderung dienend”, euphemistisch auch „Avantageur” genannt, angehörte. Im Halbkreis umstanden die Unteroffiziere den gestrengen Feldwebel Davids, der aus seiner dicken Brieftasche den Korporälen die Brigade-, Regiments-, Bataillons- und Kompagniebefehle vorlas. Feierliche Stille herrschte rings herum, keiner von uns wagte sich zu rühren, stumpfsinnig blickten wir vor uns hin.

„Zur Pulverturmwache für morgen Mittag wird kommandiert —”

Neugierig spitzten wir unsere Ohren, wen würde das Schicksal ereilen?

„Als Wachthabender — Gefreiter Borstelmann.”

„Hi–ar,” brüllte eine Stimme vom entgegengesetzten Ende des langen Ganges.

„Posten No. 1 — der Avantageur.”

„Verflucht noch 'mal!”

Ich hatte es leise, ganz leise vor mich hingemurmelt, so leise, daß ich es selbst kaum hörte, aber dem scharfen Ohr des Feldwebels war es dennoch nicht entgangen.

Mit einem Satz stand er vor mir: „Wie meinen Sie?”

Unsere Compagniemutter fluchte und schimpfte nie, das wäre ja auch unweiblich gewesen, noch viel weniger vergriff sie sich jemals an einem ihrer Kinder. Wenn der Feldwebel wütend war, sagte er nur „Wie meinen Sie?” Er sprach diese wenigen Worte aber mit solcher sonderbaren, unheimlichen Betonung und unter einem so gräßlichen Aufleuchten seiner grünen Augen, daß niemand, selbst nicht der hartgesottenste Sünder dieser Frage gegenüber standhielt. Ich glaube, selbst ein wildes Tier hätte ihn bei dieser Frage wieder losgelassen und wäre mit eingekniffenem Schwanz davongelaufen.

„Wie meinen Sie?”

Erschrocken taumelte ich gegen die Wand zurück: „Ich? Garnichts, Herr Feldwebel.”

„Nun, ich wollte es Ihnen auch nicht geraten haben, irgend eine Meinung über den Königlichen Dienst zu hegen.”

„Zun Befehl, Herr Feldwebel.”

Er wandte sich von mir ab, mir noch einen vernichtenden und niederschmetternden Blick zuwerfend und trat dann wieder in den Kreis seiner Untergebenen zurück.

„Posten No. 2 — Musketier Schniepel(1).”

„Hier,” piepte eine Stimme in den höchsten Fisteltönen, denn Schniepel war seines Zeichens ein Schneider und ein sehr kleiner, schwächlicher Mensch.

„Posten No. 3 — Musketier Meier VII.”

„Hi–ar.”

„Auch das noch,” stöhnte ich in meinem Innern. Wenn der Feldwebel in seinem Herzen nur das leiseste Mitleid empfand, hätte er wenigstens außer mir ein oder zwei Einjährige auf Wache kommandiert, mit denen man ein vernünftiges Wort sprechen und eine Partie Sechsundsechzig mit oder ohne „Mogeln” spielen konnte. Aber Mitleid und Erbarmen sind beim Militär unbekannte Größen und so trat ich denn am nächsten Mittag mit meinen Leidensgefährten zur Wachtparade an. In möglichst eleganter Haltung und mit möglichst korrektem Beinsatz marschierten wir mit „Augen rechts” an dem Offizier vom Ortsdienst vorbei und schlugen dann den Weg zu unserer Wache ein. Das Pulverhaus, das wir die nächsten vierundzwanzig Stunden behüten sollten, lag eine kleine halbe Stunde vor der Stadt, in der Mitte des schier unendlich großen Exerzierplatzes, an dessen einer Längsseite sich ein weites Gehölz erstreckte, dem gegenüber, auf der anderen Seite des Platzes, die Chaussee lief. Das Wachthaus lag an der Chaussee selbst und war von dem Pulverturm nur wenige Minuten entfernt.

Wir hatten inzwischen das Ziel unserer Wanderung erreicht und die beiden Gefreiten übergaben sich unter den vorgeschriebenen Feierlichkeiten die Wache, dann marschierte der Alte mit seinen drei Mann ab und No. 1, also ich, erhielt den ehrenvollen Auftrag, das Pulverhaus die nächsten zwei Stunden zu behüten. Mit dem Gewehr unter dem Arm patrouillierte ich auf und ab. Erst umkreiste ich das meinem Schutze anvertraute Gebäude zehnmal von rechts, und als ich zu meiner großen Beruhigung nichts Verdächtiges fand, zur Sicherheit auch noch zehnmal von links — aber auch so war alles in bester Ordnung. Ich war absichtlich so langsam wie nur möglich gegangen, ich sah nach der Uhr, eine gute halbe Stunde mußte nach meiner Meinung verflossen sein. Aber fast wäre die treue Flinte meinen zitternden Fingern entfallen, denn es waren erst fünf Minuten vergangen, ich hatte also noch eine Stunde und fünf und fünfzig Minuten zu warten, bis ich abgelöst wurde! Ich fing an, das Gebäude, an dem ich mich befand, zu betrachten, ich rechnete aus, wieviel Schweißtropfen wohl im Laufe der letzten fünf Jahre auf diesem Exerzierplatz vergossen sein mochten, aber ich kam dabei auf so hohe Zahlen, daß mir mein Schädel brummte, und so suchte ich denn nach einer anderen Beschäftigung. Menschen waren, soweit das Auge reichte, nicht zu sehen, kein lebendes Wesen in der Runde, nur die Mauern des kleinen Wachtlokals beherbergten drei Menschen, zwar unsichtbar für mich, aber ich wußte doch, daß sie da waren, daß ich mich nicht allein in dieser Einöde herumtrieb. Das Gefühl, sie in meiner Nähe zu haben, stimmte mich heiterer, und liebevoll beschäftigte ich mich in Gedanken mit ihnen. Was sie wohl machten? Natürlich schliefen sie alle drei, das war ja klar, aber wie? Zwei konnten nur auf der Pritsche liegen, der dritte mußte auf dem Stuhl sitzen. Wer saß auf dem Stuhl? Schniepel, Meier VII oder der Gefreite? Die Sache war nicht so einfach zu unterscheiden, meiner Phantasie war der weiteste Spielraum gelassen, ich überlegte alle pro et contra sämtlicher nur möglichen Annahmen und schließlich war ich mir darüber klar, daß der Gefreite Borstelmann mit seinem Spindkameraden Meier VII auf der Pritsche läge, während Schniepel auf dem Stuhl ohne Lehne saß und sein müdes Haupt auf die Tischplatte gelegt hatte. Gewiß, so war es, aber fast erstarrte ich trotz der Sonnenglut beinahe zu Eis, als sich die drei Krieger plötzlich aus dem Chausseegraben erhoben und eine halbe Minute später die Ablösung auf mich zukam.

„Auf Posten nichts Neues,” meldete ich mich mit weithin vernehmbarer Stimme und ließ den Musketier Schniepel meinen Platz einnehmen, während ich selbst unter der tüchtigen Führung von Meier VII, gewöhnlich „Meier Söben” genannt, den Weg zum Wachtlokal zurücklegte.

So nun hatten meine müden Beine und mein armes Herz vier Stunden Ruh, da galt es Mut und Kraft zu sammeln für neue Heldenthaten. Aber vier Stunden auf einer steinharten Pritsche sitzen und weiter nichts thun wie „dösen”(2), ist eine Beschäftigung, der auch nur die wenigsten Menschen gewachsen sind.

Ich wandte mich deshalb an meinen Vorgesetzten, den Herrn Gefreiten: „Minsch, vertell mal wat.”

Er schob den „swarten Krusen” von einer Mundecke in die andere, spuckte bedächtig aus und sagte: „Ick weet nix.”

Ich wandte mich an „Meier Söben”, der seinen Helm, der so blank war, daß man sich darin spiegeln konnte, aus Langeweile noch einmal putzte.

„Weetst du ok nix?”

„Wat schall ick wul weeten? Dat dat hier man bannig wat langwilig is, weetst du wul von ganz alleen.”

Ich stimmte ihm bei und stierte vor mich hin, bis Meier Söben plötzlich mit einem „da is een, slag sei dod” in die Höh fuhr.

Das Wachtlokal war berüchtigt wegen der vielen Ratten und Mäuse und die Jagd auf diese Tiere bildete die einzige Abwechslung in dem sonstigen Einerlei.

Die arme Maus, durch das wüste Geschrei ängstlich gemacht, irrte hin und her ohne ihr Loch wiederfinden zu können, bis der Gefreite sie endlich durch einen Tritt seines eisenbeschlagenen Stiefels in das bessere Jenseits beförderte.

„Paß man up,” sagte Meier VII, „nu kamen gliks mihr, ick kenn den Rummel hier, ick bün hier alle acht Dag op Wach, paß mal up, nu geiht de Geschichte los.”

Er behielt recht, eine Maus erschien nach der andern, und die Jagd begeisterte uns so, daß die vier Stunden wie im Fluge dahingingen.

Als ich abends um acht Uhr die Wachtstube wieder betrat, fand ich zu meiner großen Freude bereits meinen Putzer vor. Ich hatte den treuen Knappen mit meinem warmen Abendessen hinausbestellt und unter allgemeiner Spannung wurde das saftige Beefsteak mit Spiegeleiern und Bratkartoffeln aus dem Speisekorb herausgehoben. Mein Hunger war groß und ohne viele Vorbereitungen machte ich mich sogleich daran, mein Abendessen zu verzehren.

Aber was war das? Wo waren Messer und Gabel? Vergessen, in dem Kasino zurückgelassen! Mein erster Gedanke war, den Burschen im „Marsch, Marsch” zurückzuschicken, aber selbst im besten Falle ging eine Stunde darüber hin, und die Mäuse, die durch den schönen Geruch herbeigelockt, ungeniert auf dem Tisch herumspazierten und gar nicht zu verscheuchen waren, würden mir bis dahin den letzten Appetit rauben. So aß ich denn nach Art der Wilden, ich nahm das Fleisch zwischen beide Hände und biß herzhaft ab, während „Meier Söben” mit seinem Seitengewehr die allzu aufdringlichen Mäuse totschlug, ganz einerlei, wo sie sich aufhielten, ob auf der Tischplatte oder auf meinen Kniescheiben; mit soviel Schmerzen und Hindernissen ward noch nie ein Beefsteak verzehrt.

Und wieder gingen die Stunden dahin. Da klopfte es an das nach der Chaussee gelegene Fenster und eine schreckerfüllte Stimme rief, so laut sie es nur vermochte „Hilfe, Hilfe”. Banges Entsetzen erfaßte uns im ersten Augenblick, selbst die Mäuse liefen davon, der Schrei klang so grausig und fürchterlich, daß wir nicht zu atmen wagten.

„Hülfe — Hül — Hül-Hüüüüüül—fe!”

Nun aber sprangen wir in die Höh und stürzten hinaus. Wir hatten unsere Gewehre ergriffen und uns durch einen Griff in die Taschen davon überzeugt, daß wir hinreichend mit Patronen versehen waren.

Noch immer wurde ans Fenster getrommelt: „Hülfe, Hülfe!”

So schnell unsere Beine uns zu tragen vermochten, eilten wir um das Wachtlokal herum, das seinen einzigen Ausgang auf der von der Chaussee abgewandten Seite hatte und standen einen Augenblick später unserem Kameraden Schniepel gegenüber. Aber wie sah der tapfere Vaterlands­verteidiger aus. Sein Helm war ihm vom Kopf gefallen, die Haare hingen ihm wirr um die Stirn, und tötlichste Angst sprach aus seinen Zügen.

„Minsch, wat is denn los, wo siehst du ut? Wo is din Helm? Warum büst nich up Posten?”

Mit schlotternden Knieen stand er noch immer vor uns. Endlich ermannte er sich. „Ein Gespenst — ein Gespenst” stöhnte er.

„Wo?” — „Da.”

Er erhob seine Hand und zeigte nach irgend einer Richtung hin, wo wir aber der tiefen Finsternis wegen nichts zu unterscheiden vermochte. Aber das Wort „da” genügte, wie aus der Pistole geschossen stürzten wir nach den verschiedenen Windrichtungen auseinander, neugierig, die Bekenntschaft des „Gespenstes” zu machen, und gleich darauf hörten wir einen dumpfen Fall.

„Hierher, ik heww em,” brüllte Borstelmann, „de Kerl hält mi an min Been fast, wis du Aas mi wul loslaten?”

Wir eilten hinzu, Borstelmann lag der Länge nach auf der Erde, seine beiden Füße befanden sich in einer Schlinge, aus der er sich nicht zu befreien vermochte, da er infolge seiner unglücklichen Lage die Füße nicht mit den Händen erreichen konnte.

Herzhaft und mutig griffen wir in das Gebüsch, von dem die Schlinge ausging und machten die Entdeckung, daß Borstelmanns Beine in einem Gewehrriemen hingen. Das Gewehr selbst hatte sich zwischen zwei Zweige so festgeklemmt, daß es nur mit großer Mühe herausgezogen werden konnte.

„Minsch, wo kümmt din Gewehr hierher?”

„Wat, min Gewehr?” fragte Borstelmann, in seiner Würde auf Tötlichste beleidigt, „ick heww min Gewehr im Arm.”

Die Sache wurde immer unheimlicher: ein Gespenst, noch dazu ein bewaffnetes, Herr Gott, da war man als friedlicher Posten ja nicht einmal seines Lebens mehr sicher! Wo kam das Gewehr her, und wo war der zu diesem Gewehr gehörige Mensch?

Inzwischen hatten wir den Gefreiten aus seiner Lage befreit, und dieser versammelte uns um sich und hielt mit uns gemeinsamen Kriegsrat ab.

„Also Schniepel, nu vertell mal, aber gau.”

„Also ick stunn hier denn nu up Posten, un dat wär man wat bannig kolt.”

„Dat weten wi alleen, nu man tau.”

„Na also, as ick hier denn nu so stahn dauh, seh ick plötzlich wat up mi taukamen, so in disse Richtung, nee in disse” — wieder wies er in der Dunkelheit mit der Rechten irgendwohin — „Minsch, segg ick tau mi, wo kümmt um disse Johrestied, in disse Stunn, in disse Gegend een minschliches Wesen? Un noch datau son lüttes, denn bannig wat lütt wär et man. Abersten et wär da un käm just up mi tau,”

„Halt,” rep ich, „halt.”

„Abersten wa sick dat Gespenst wär, käm näger un ümmer näger un ward ümmer witter.”

„Halt,” rep ick; „bliww mi dree Schritt vons Liw, abersten es käm näger un ümmer näger und wir endlich man noch een paar Schrit von mi af.”

Gespannt hatten wir Alle seinen Worten gelauscht.

„Und da?” fragten wir atemlos.

„Un da lep ick weg, wat schall ick maken, hier ganz alleen up dat blanke Feld mit so'n wittes Gespenst?”

„Minsch, warüm hest du denn nich schaten?”

„Je,” sagte Schniepel etwas kleinlaut, „Minsch, dat seggst du wul so, aber ick hadd ja man keen Gewehr nich, dat wär mi ja ut de Hand fullen.”

In demselben Augenblick aber erhielt der tapfere Schniepel von dem Gefreiten einige liebevolle Rippenstöße: „Wat, du Bangbüx, du smitst hier din Gewehr in den Dreck, dat ick da lang öber hinfall? Na, täuw, min Jung, dat will ick di gedenken.”

„Dat Gespenst, dat Gespenst,” stöhnte Schniepel da plötzlich, „kieck, da is et all wedder.”

Und richtig, in ziemlicher Entfernung sahen wir etwas Weißes sich bewegen, die starke Dunkelheit machte es uns unmöglich, Genaues zu unterscheiden, aber die weißen Umrisse hoben sich ziemlich scharf ab.

„Da möten wi hin,” rief Meier Söben, und mit jugendlichem Übermut stürzten wir uns unter wildem Geschrei auf die verdächtige Erscheinung. Kaum aber sah das Gespenst uns auf sich zukommen, als es Kehrt machte und davonlief. Deutlich hörten wir die Tritte auf der Erde, wir blieben einen Augenblick stehen, um zu lauschen, kein Zweifel, da vor uns lief jemand.

Dann nahmen wir die Verfolgung wieder auf und liefen und liefen, bis wir endlich atemlos den Waldrand erreichten. Das Gespenst hielt, es schien unschlüssig, wohin es sich wenden sollte, und diese Zögerung wurde sein Verderben. Nach allen Regeln der Kunst, wie wir in der Instruktionsstunde gelernt hatten, verlegten wir ihm den Weg und drangen mit fertig gemachtem Gewehr auf dasselbe ein. Ruhig und standhaft erwartete es uns, aber als wir bis auf wenige Schritte heran waren, fragte auf einmal eine tiefe Stimme, die in der Stille der Nacht fast unheimlich klang: „Wat is denn los hüt Nacht, warum ward ick hier verfolgt, as wenn ick een Räuwer wär?”

Sprachlos standen wir da und sahen uns den armen Menschen an, in dessen Zügen sich, den drei Gewehrläufen gegenüber, die tötlichste Angst ausprägte. Wir nahmen den Finger vom Abzug und beeilten uns, das Gewehr zu sichern.

Gefreiter Borstelamnn faßte sich zuerst: „Äwer, wo kummen Sei denn hierher und wat wullen Sei hier?”

Und da kam dann die gespensterhafte Sache zur Aufklärung. Der gute Müllergeselle, der am Abend länger als sonst in der Stadt beim Bier gesessen, hatte, um den weiten Weg nach seinem Dorfe abzukürzen, einen Richtweg über den Exerzierplatz einschlagen wollen. Aber der starke Nebel hatte ihn irre geführt, so geriet er in die Nähe des Pulverturmes, von wo Schniepels wüstes Geschrei ihn wieder verjagte. Planlos war er auf dem weiten Platz herumgeirrt, bis es uns endlich gelang, ihn als Gespenst abzufassen.

Wir nahmen den leicht Angetrunkenen am Arm, führten ihn auf die richtige Straße und entließen ihn, nachdem er uns hoch und heilig hatte schwören müssen, nichts von seinem nächtlichen Erlebnis zu verraten.

Aber unsere Vorsicht war unnötig; als wir die Wachtstube wieder betraten, fanden wir auf dem Tisch einen kleinen Zettel: „Der Offizier vom Ortsdienst revidierte die Wache um zwei Uhr.” Also auch das noch! Eine entsetzliche Angst befiel uns, niemand würde uns glauben, und wir sahen uns im Geiste schon mit einer schweren Freiheitsstrafe belegt.

Als wir am nächsten Mittag abgelöst wurden und zur Kaserne zurückkehrten, empfing uns Feldwebel Davids mit einem entsetzlichen: „Wie meinen Sie?”

Aber wir waren so eingeschüchtert, daß wir uns hüteten, eine Meinung zu haben. Drei Tage und drei Nächte lebten wir wegen unseres Geschickes in der furchtbarsten Angst, bis ein Parolebefehl, nach welchem der Musketier Schniepel wegen feigen Benehmens auf Posten mit vierzehn Tagen strengen Arrestes bestraft wurde, uns unseren früheren Mut zurückgab.

Als Schniepel seine Strafe verbüßt und Zeit gehabt hatte, bei Wasser und Brot über sich nachzudenken, sah der arme Teufel aus wie ein Gespenst.


Fußnote:

(1) In der Fassung der Zeitschrift „Arena” lautet dieser Name „Scheipel”. (zurück)

(2) In der Fassung der Zeitschrift „Arena” heiß:t es hier „ablösen”. (zurück)


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