Die Schnellpost.

Humoreske von Frhrn. von Schlicht.

in: „Hamburger Fremdenblatt” vom 23.März 1899


In einer Anwandlung von momentaner Geistesstörung hatte ich meinem fünfjährigen Jungen, der vom Lesen und Schreiben natürlich noch nicht die leiseste Ahnung besaß, kleine niedliche Briefbogen und Couverts geschenkt. Es ist ja das Vorrecht der Eltern, ihren Kindern zum Geburtstag, nur um Etwas zu schenken, allen möglichen Unsinn zusammenzukaufen, und so prangten denn auf dem Geburtstagstisch meines Jungen besagte Briefbogen und Couverts. Sie waren zierlich und allerliebst, um nicht zu sagen „reizend”; jeder Bogen trug in der Ecke eine kleine Federzeichnung, die sich auch auf dem Umschlag wiederfand, dazu war das Papier in allen möglichen bunten Farben, so daß man sich wohl über das Geschenk, auch wenn es unnütz war, freuen konnte.

Und mein Junge freute sich — wohl hundert Mal nahm er die Bogen aus dem Carton heraus, betrachtete sich jeden einzelnen und legte sie dann alle zusammen fein säuberlich in den Carton zurück, um sie gleich darauf wieder herauszunehemn und sie alle noch einmal zu besehen.

Daß er dies Geschenk am Abend mit zu Bett nahm und unter seinem Kopfkissen verwahrte, ist zu selbstverständlich, als daß ich nöthig hätte, es besonders zu erwähnen.

Wie jeden Abend, sagte ich meinem Jungen auch an seinem Geburtstag, als er schon im Bette lag, „Gute Nacht”, und setzte hinzu: „Schlaf' schön, Victor, und werde nicht zu früh wach.”

Dieser Wunsch war etwas egoistisch, denn wenn der Junge aufwachte, sorgte er dafür, daß auch wir nicht mehr schlafen konnten. Er kroch dann stets zu seiner Mutter ins Bett und sagte, ganz einerlei, ob es Nachts um drei oder Morgens um sieben Uhr war: „Mutten, erzähl' mir die Geschichte vom Dornröschen und Schneewittchen mit dem Aschenbrödel.”

Um nicht stets alle drei Märchen erzählen zu müssen, hatten wir mit vielem Geschick aus diesen drei Geschichten eine einzige gemacht. Schön und sinnreich war sie gerade nicht, aber sie hatte einen großen Vorzug: sie war kurz.

„Werd' nicht zu früh wach,” wiederholte ich noch einmal und wandte mich zum Gehen.

„Pappen,” ertönte da die Stimme meines Jungen, „morgen muß ich sehr früh aufstehen, morgen hab' ich viel zu thun.”

„Was denn?” fragte ich neugierig.

„Aber Pappen, morgen muß ich doch an Großmutten einen Brief schreiben und mich für die vielen Geschenke bedanken.”

Aus seinen Worten klang ein leiser Vorwurf, daß ich daran nicht gedacht hätte, und ich beeilte mich, zu erwidern: „Richtig, richtig, Das hätte ich ja ganz vergessen. Nun aber gute Nacht!”

A nächsten Vormittag, als ich an meinem Schreibtisch bei der Arbeit saß, öffnete sich die Thür, und mein Herr Sohn trat herein.

„Was gibt's?” fragte ich

„Pappen,” (das Wort „Papa” geht vorläufig noch über sein geistiges Begriffsvermögen) „Pappen,willst Du mir nicht die Adresse hier auf das Clouvert (Couvert) schreiben, ich weiß nicht, wo Großmutter wohnt —”

Ich nahm das Couvert, das er bereits zugeklebt hatte, zur Hand und sah durch das dünne Papier, daß er auf den Bogen lauter kleine Kringel und Schnörkel gezeichnet hatte.

„Was hast Du Großmutter denn geschrieben?” fragte ich.

„Ich habe ihr geschrieben, heut wär Dinstag, und dann noch Freitag und Montag, und dann in sieben Monaten wäre Weihnachten, und da wünschte ich mir Redelad.”

„Da wird Großmutter sich aber sehr freuen, na, ich will nachher die Adresse schreiben und den Brief nachher einstecken.”

Natürlich wollte ich für diese Kringel keine zehn Pfennig ausgeben, sondern sie in den Ofen werfen.

Aber ich hatte diese Rechnung ohne meinen Buben gemacht: „Papa, schreib nur gleich die Adresse, und dann gieb mir eine Freimarke, ich steck den Brief selbst ein.”

Nur um den Störenfried los zu werden, that ich, wie er wollte, und mit einer wirklichen Freimarke versehen ging der Brief in die Welt.

Großmütter freuen sich ja über Alles, sogar wenn die Kinder schreien, über die kräftige Lunge — warum sollten da nicht auch die Brezel, ich meine die Kringel meines Jungen ein großmütterliches Herz vor Entzücken höher schlagen lassen?

Am nächsten Tage erschien mein Sohn wieder mit einem Brief in meinem Zimmer, dieses Mal hatte er an eine Tante, die ihn sehr verzog, geschrieben. Auch dieser Brief erhielt die richtige Adresse und eine Zehnpfennig-Freimarke, aber als der Bengel auch am nächsten Morgen wieder erschien und an Gott weiß wen geschrieben hatte, streikte ich.

„Nein, mein Junge, nun ist's genug,” gab ich zur Antwort, „Freimarken kosten Geld und Geld gehört im Gegensatz zu Zahnschmerzen zu jenen Dingen, von denen man nie genug haben kann. Wenn Du älter bist, wirst Du Das einsehen.”

Vorläufig aber sah er gar nichts ein, sondern stürzte heulend und brüllend die Treppe hinunter, und durch das ganze Haus hallte sein Verzweiflungsschrei: „Mutten, Pappen will mir keine Freimarke geben.”

Aus ihrem Zimmer stürzte meine Frau, das arme Kind zu trösten.

„Wein' nicht, mein kleiner Victor,” hörte ich ihre Stimme, „Mutter hat noch eine Freimarke, die gibt sie Dir.”

Sofort verstummte das Indianergeschrei, und Alles wäre ruhig gewesen und geblieben, wenn ich in meinem Zimmer geblieben wäre, statt dessen ging ich aber nach unten.

„Du wirst dem Jungen keine Freimarke geben, wenn er eine haben sollte, hätte ich sie ihm gegeben,” sagte ich mit fester Stimme.

„Und warum soll er keine haben?” fragte meine Frau. „Weil ich nicht den Vorzug habe, ein Rothschild zu sein und weil ich für unnütze Ausgaben kein Geld habe.”

„Ist das Rauchen etwa keine unnütze Ausgabe? Dafür ist immer Geld. Das ist heute sicher schon Deine fünfte Cigarre, die Du da rauchst.”

Ich floh davon wie die geschlagenen Amalekiter — gegen den ewigen Vorwurf anzukämpfen, fühlte ich mich zu schwach, auch wollte ich eine Scene vermeiden, Das waren die zehn Pfennige doch nicht werth.

Als ich aber bei Tisch erfuhr, daß der Brief trotz meines ausdrücklichen Verbotes abgesandt sei, kamen die erhitzten Gemüther doch aneinander, und es kam zwischen meiner Frau und mir zu einem Wortwechsel, der damit endete, daß mein Junge, als Urheber der ganzen Geschichte, eine Tracht Prügel bekam.

Meine Frau wollte sich von mir scheiden lassen — Gott sei Dank besann sie sich aber bald eines Besseren und blieb.

Am nächsten Vormittg kam mein Junge wieder zu mir ins Zimmer: „Hast Du Unglücksrabe schon wieder einen Brief geschrieben?” wollte ich fragen. Da sah ich, daß er sich mit einer Pappschachtel schleppte, die größer war, als er selbst.

„Pappen,” sagte er, „wenn ich keinen Brief mehr schreiben soll, darf ich denn nicht dies Packet an Großmutten schicken?”

Mit seinen großen, blauen Augen blickte er mich so flehend an, daß ich es nicht übers Herz brachte, sofort nein zu sagen.

„Was ist denn da drinnen?” fragte ich ausweichend.

„Ein Geschenk,” gab er zur Antwort, „aber was es ist, sag ich Dir nicht.”

Er hatte das Packet schon mit einer Schnur umwickelt — wo er die aufgetrieben hatte, wußte kein Mensch, der Bindfaden bestand aus vierzig aneinander geknoteten Tauenden der verschiedensten Art.

Mir that es leid, gestern gegen den Jungen so hart gewesen zu sein; ich wollte ihn wieder versöhnen.

„Wie Du willst,” sagte ich, „aber so nimmt die Post das Packet nicht an, gehe hin zu dem Mädchen und laß' Dir ein ordentliches Band geben, ich mache dieses inzwischen ab.”

Schon lief er davon. „Aber nicht aufmachen!” bat er.

Ich widerstand der Versuchung, nachzusehen, was er in den Carton hineingesteckt hatte, aber kaum war er mit dem Knäuel Bindfaden zurück, da fragte er kurz und bündig: „Willst 'mal sehen?” und ohne eine Antwort abzuwarten, hob er den Deckel.

Da lag in dem Carton ein großes schön gesticktes Kissen, das Mittags auf seinen Stuhl gelegt zu werden pflegte, und auf diesem Kissen lag sein hölzernes Lieblingspferd „Pascha”, das er jeden Abend selbst zu Bett brachte und hinter den Ofen legte, damit es nicht friere.

„Willst Du Das wirklich abschicken?” fragte ich, eifrig bemüht, ernsthaft zu bleiben, „was soll Großmutter damit?”

„Glaubst Du nicht, daß Grußmutter sich darüber freut?” gab er beleidigt zur Antwort, und ich beeilte mich, zu versichern, daß sie aus Freude über dieses Geschenk wahrscheinlich Privatunterricht im Fandango-Tanzen nehmen würde.

Er war zufriedengestellt. Das Band wurde um den Carton gewickelt, ich schrieb die Adresse, sowie die Postpacket-Adresse.

„Mittheilungen umseitig,” las ich ihm vor, „soll ich noch Etwas hinzufügen?”

Einen Augenblick dachte er nach, dann sagte er: „Schreib' 'mal: „Ein Weihnachtsgeschenk für den anderen Weihnachten oder zu dem Geburts­tags­geschenk.”

„So,” sagte er, als ich geschrieben hatte, „nun laß mich einmal sehen, ob Du Dich auch nicht verschrieben hast.”

Er las laut vor, was er mir dictirt hate, und anstatt Danke zu sagen, fragte er mich unvermuthet: „Pappen, kannst Du eine Vier machen?” und als ich ihm versichert hatte, daß meine Kenntnisse so weit reichten, bat er: „Mach mal eine.”

Als gehorsamer Vater entsprach ich seinem Wunsch, bis er schließlich sagte: „So, nun will ich mit dem Packet zur Post.”

Durch Erfahrungen gewitzigt, wagte ich nicht zu widersprechen.

„Wie Du willst,” sagte ich, „aber weißt Du was, ich gehe nachher zur Post und nehme das Packet mit, für Dich ist es etwas zu schwer, ich werde es für Dich besorgen.”

„Ganz bestimmt?” fragte er.

„Ganz bestimmt,” log ich.

Ich ging zu meiner Frau, und wir Beide wurden uns darüber einig, daß das Packet nicht abgeschickt werden dürfe, einmal weil es wenigstens 70 Pfg. Porto kostete, zweitens weil meine Frau das Kissen nicht missen wollte, drittens, viertens, fünftens und sechstens weil die ganze Sache ja ein Blödsinn war.

Der Junge wurde mit einem Auftrag mit dem Mädchen zur Stadt geschickt, damit er mich nicht ohne das Packet fortgehen sähe, und als wir uns Mittags bei Tisch wieder trafen, war Alles in schönster Ordnung. Das Packet stand in meinem Zimmer unter der Chaiselongue, die mit einer langen, weit auf dem Boden liegenden Decke geschmückt ist.

„Ob Großmutter sich wohl freuen wird?” fragte er.

„Sehr,” gab ich zur Antwort, „aber weißt Du, ich glaube, wenn Großmutter genug mit den Sachen gespielt hat, schickt sie sie Dir zurück und ich glaube, sie legt ein Stück Chocolade mit hinein.”

Dieses Stück Chocolade hatte ich mir als Rettungsanker ausgedacht — es sollte die Thränen stillen, die Verzweiflung geringer machen, wenn die Sachen plötzlich wieder auftauchten.

Die Aussicht auf die Chocolade schien ihn sehr zu erfreuen.

„Ob Großmutter das Packet bald wieder zurückschickt?”

„Je artiger Du bist, desto schneller kommt es zurück,” lautete mein Bescheid.

Als ich nach Tisch mich auf meine Chaiselongue gelegt hatte, kam mein Junge.

„Pappen, ist das Packet noch nicht wieder da?”

„Aber so schnell geht es doch nicht,” antwortete ich.

„Warum nicht?” sagte er anscheinend empört über die langsame Eisenbahn­verbindung.

Wer ist im Stande, die Fragen eines Kindes zu beantworten? Ich that, als hätte ich seine Worte nicht gehört.

„Pappen, warum deckst Du Dich eigentlich nicht zu?” fragte er und bemühte sich, mich in die Chaiselongue­decke einzuwickeln.

Das durfte nicht sein, wie leicht konnte er das Packet nicht entdecken!

Schnell sprang ich auf: „Ich bin nicht mehr müde — ich will arbeiten.”

„Wollen wir nicht zusammen Verstecken spielen?” fragte er. „Ich versteck' mich unter Dein Sopha, und Du suchst mich.”

„Das soll mir gerade noch fehlen,” dachte ich, aber bevor ich es hätte verhindern können, war er schon unter die Chaiselongue gekrochen — ein wahres Glück, daß die Sonne nicht überall hin schien, sondern daß da unten tieffinstere Nacht herrschte.

„Pappen, wo bin ich?” ertönte es da.

Nun ging das Suchen los. „Ist doch unbegreiflich,” sprach ich laut vor mich hin, „wo der Junge geblieben ist. Wo er wohl sein mag? Vielleicht im Ofen, oder im Tintenfaß oder in dem Kohlenkasten? Nein, da ist er auch nicht, aber vielleicht im Schreibtisch oder in der Streichholzschachtel? Da ist er auch nicht — da muß ich doch mal unter dem Sopha nachsehen.”

Aber ich hütete mich wohl, nachzusehen, sonden ich griff unter die Decke, faßte den Jungen am Arm und zog ihn hervor, aber ihn nicht allein — mit seinen Füßen beförderte er das großmütterliche Packet an das Tageslicht.

Mich rührte der Schlag, kein eingebildeter, sondern ein wirklicher, denn mein Junge schlug auf mich ein mit seinen beiden kleinen Fäusten. „Pappen, das Packet ist doch schon zurückgekommen, warum hast Du mir Das nicht gesagt?”

„Das hab' ich ja ganz vergessen, sei nicht böse,” bat ich.

„Ist Chocolade drin,” fragte der Bube neugierig.

Ich wußte ganz genau, daß keine da war, ich hatte noch nicht daran gedacht, das Packet zu öffnen, Chocolade hinein zu legen und es dann wieder zuzuschnüren.

„Unheil, Du bist im Zuge, nimm welchen Lauf Du willst,” sprach ich zu mir selbst.

„Pappen, mach das Packet mal auf, laß mich mal nachsehen,” bat der Junge.

„Wenn ich doch Bellachini wäre und ein Stück Chocolade hineinzaubern könnte,” dachte ich, „wer steht mir bei? Gleich gibt's ein Unglück.”

„Man zu, Pappen,” mahnte der Herr Sohn, „mach man ein bischen flink.”

Langsam durchschnitt ich mit meinem Messer den Bindfaden, schnell hob der Bube den Deckel hoch, schleuderte das Kissen und sein Lieblingspferd auf die Erde und suchte und suchte, aber er fand nichts.

Er stand da mit zornigem Gesicht, tief zog er die Falten am Mund herunter, Das war kein gutes Zeichen, Das hieß auf deutsch: „Gleich regnet's.”

Ich wagte ihn nicht anzusehen, erst hatte ich ihn belogen, dann hatte ich Hoffnungen in ihm erweckt und ihn nun enttäuscht — ich schämte mich meiner Sünden.

Da ging das Weinen auch schon los und dazwischen der Klageruf: „Ich mag Großmutter garnicht mehr leiden, ich schenk' ihr mein Kissen und mein Pferd und sie schenkt mir nicht einmal ein Stück Chocolade.”

Ich beeilte mich, ihm zu versichern, daß auch mir in meinem ganzen Leben bisher eine so undankbare Großmutter noch nicht vorgekommen wäre. „Getheilter Schmerz wird niemals eine reine Freude,” schien er zu denken, denn er weinte ruhig weiter — er weinte? Nein, er schrie, als wenn er stückweise gebraten und geröstet würde, die Fenster klirrten, und athemlos stürzte meine Frau ins Zimmer. „Was ist denn hier schon wieder los? Hast Du den Jungen schon wieder geschlagen?” Da sah sie das offene Packet, und ein: „Ach du großer Gott,” entrang sich ihren Lippen.

„Sie hat mir gar keine Chocolade geschickt!” heulte der Junge.

„Das ist ja sehr traurig,” tröstete meine Frau, „Großmutter hat gewiß im Augenblick keine gehabt, hast Du schon nachgelesen, was sie Dir auf dem Packetabschnitt schreibt?”

Daran hatte ich noch nicht gedacht. „Mach es billig,” bat ich meine Frau, dann that sie, als wenn sie Folgendes vorläse: „Mein lieber kleiner Junge! Hab vielen tausend Dank für die schönen Sachen, die Du mir schickst und die ich Dir heute wieder sende. Gerne hätte ich Dir ein Stück Chocolade beigelegt, aber ich habe keine im Haus und die Läden sind schon geschlossen. Bitte Deinen Vater von mir, daß er Dir zehn &mdash”

„Steht da nicht ,fünf',” fragte ich, aber ohne mich einer Antwort zu würdigen, fuhr meine Frau fort, „daß er Dir zehn Pfennig gibt und dann gehst Du hin und kaufst Dir ein recht schönes Stück Chocolade und wenn Du es aufgegessen hast, gibt Dein lieber Vater Dir noch zehn Pfennig.”

„Daran denkt der liebe Vater gar nicht,” rief ich. „Und dann erinnere Deinen Vater daran, daß er Dir an dem letzten Sonntag die Reichsmark für Deine Sparbüchse nicht gegeben hat, laß Dir das Geld nur gleich geben, sonst gibt Dein Vater es anderweitig aus und Du hast das Nachsehen.”

„Steht noch mehr auf dem Packetabschnitt?” fragte ich. Aber meine Frau las weiter: „Hat Dein Vater Dir schon den neuen Anzug geschenkt, den er Dir versprach, als Du das letzte Mal mit ihm bei uns zu Besuch warst, sonst erinnere ihn nur daran und sage ihm, was man verspräche, müsse man auch halten.”

„So, nun ist's aber genug,” rief ich, „schließlich liest Du aus dem Packetabschnitt noch heraus, daß ich Dir den großen Meyer, ein neues Rad und dem Jungen eine Police in der Militär-Versicherung schenken soll. Für heute laß es genug sein.”

„Pappen, gibst mir Geld?” fragte da mein Herr Sohn und ich gab, was ich schuldig war: zehn Pfennig für Chocolade, zwanzig Mark für einen neuen Anzug und eine Mark für die Sparbüchse.

„Darf ich heute wieder ein Packet an Großmutter schicken?” fragte mein Junge.

Aber ich winkte energisch ab, lieber konnte er Briefe schreiben, die zwar Porto kosteten, aber dennoch billiger waren als Packete, die per Schnellpost unter die Chaiselongue und von dort wieder an das Tageslicht befördert wurden. Lieber konnte er Briefe schreiben — denn von zwei Uebeln wählen nur Thoren das größere.

(Schlicht's Sohn Wolf Walter Graf von Baudissin wurde am 25.3.1894 geboren
und feierte zwei Tage nach Erscheinen dieser Erzählung im Hamburger Fremdenblatt seinen 5. Geburtstag. D.Hrsgb.)


zurück zur

Schlicht-Seite