Eine Schlacht bei Nacht.

Von Freiherr v. Schlicht.
in: „Das Kleine Journal” Nr. 211 vom 2. Aug. 1897,
in: „Abendblatt”, (Chicago Ill.), vom 24.08.1897 und
in: „Aus der Schule geplaudert”


I.

„Sind die Herren alle da? Ja? Ich danke sehr. Bitte, wollen die nicht berittenen Herren näher herantreten — wenn einer von den Herren rauchen will, bitte ich Sie, sich nicht zu geniren, auch bitte ich, bequem zu stehen.”

„Meine Herren, auf Wunsch und auf Veranlassung des Herrn Oberst haben wir eine Nachtfeld­dienstübung gemacht und ich glaube, daß dieselbe für uns Alle, die wir trotz der Dunkelheit mit offenen Augen um uns gesehen haben, in jeder Beziehung sehr interessant gewesen ist, denn, meine Herren, eine Nachtfeld­dienstübung ist einmal etwas ganz Anderes. Ich will nicht davon sprechen, daß wir mit Rücksicht darauf, daß die Leute nicht unter der Hitze zu leiden haben, von den Mannschaften viel größere Leistungen erwarten und verlangen können, das allein ist es nicht, meine Herren; die Hauptsache ist und bleibt, daß selbst ein uns ganz genau bekanntes Gelände bei Nacht uns fast fremd vorkommt. Und in unbekanntem Gelände zu operiren, uns jeder Zeit an jedem Ort schnell zurecht zu finden, klar zu disponiren — das, meine Herren, ist die große Kunst, die den Feldherrn macht. Ist das nicht hübsch gesagt, Käthe?”

„Sehr hübsch, nun aber weiter.”

„Meine Herren, nach dieser, ich darf wohl sagen, allgemein gehaltenen Einleitung gehe ich näher auf die Uebung selbst und auf die Anordnungen und Befehle der Herren Führer ein. Darf ich zunächst den Herrn Führer der Ostpartei bitten, uns seinen Auftrag und dann seinen Befehl, den er gegeben, bekannt zu machen?”

„Ich danke sehr, Herr Hauptmann, bitte, wollen Sie so liebenswürdig sein, mir das Konzept Ihres Befehls zu geben, danke sehr — so steh' doch, Du alter Schinder — weißt Du, Käthe, das macht einen guten Eindruck, wenn man sein Pferd dann heimlich mit den Sporen kitzelt und der Gaul steigt, das sieht so aus, als wenn man einen wilden Berberhengst ritte — so, ich danke sehr, Herr Hauptmann, ach, meine Herren, Sie sind wirklich sehr liebenswürdig! Falls Du es nämlich noch nicht wissen solltest, Käthe, mache ich Dich darauf aufmerksam, daß es zu jeder Kritik gehört, ein oder mehrere Stücke Papier fallen zu lassen, die dann stets von jungen Herren, die dadurch zu schustern glauben, mit kolossalem Eifer aufgehoben werden — durch das Verlieren der Papiere zeigt man an, daß man selbst als Vorgesetzter die einem anvertraute Menge von Weisheit nicht zu bewältigen vermag.

Wo war ich denn nur stehen geblieben? Ach so, ja, richtig: „Meine Herren, Sie sind wirklich sehr liebenswürdig, ich danke Ihnen sehr. Was nun den Befehl des Herrn Führers der Ostpartei anbelangt, so kann ich mich mit demselben zu meinem Bedauern nicht voll und ganz einverstanden erklären.&rdquo

„Aber Du kennst ihn doch noch gar nicht?”

„Liebes Kind, ich bin mit dem Befehl, wie er auch ausfallen möge, nicht einverstanden, das muß Dir genügen.” Weiter:

„Ich habe mit dem Herrn Führer schon an Ort und Stelle die Anordnungen, die er getroffen, besprochen und kann mich hier also kurz fassen. Zunächst halte ich es nicht für richtig, daß von der Ostpartei nur eine Vorposten­kompagnie ausgesetzt worden ist.”

„Und wenn er nun zwei Kompagnien aussetzt?” „Liebes Kind, dann wäre es eben richtiger gewesen, nur eine Kompagnie auszusetzen. Bitte, unterbrich mich nicht immer.”

„Wie gesagt, meine Herren, ich halte in diesem Falle, bei dem Gelände, in dem wir uns befinden, zwei Kompagnien für absolut erforderlich; zwar sagt die Vorschrift, daß man bei dem Ausstellen der Vorposten stets fragen soll: mit wie wenig komme ich aus, und nicht, wie viel brauche ich, aber dennoch mußten hier unbedingt zwei Kompagnien genommen werden.”

„Auch mit dem Platz der beiden Feldwachen kann ich mich nicht einverstanden erklären: Sie, Herr Hauptmann, stellten die Wachen unmittelbar am Schnittpunkt der Wege auf — ich hätte sie weiter zurückgenommen, ich halte das für das allein Richtige.”

„Und wenn er sie nun weiter zurücknimmt?”

„Dann hätte er sie eben an den Schnittpunkt der Wege stellen müssen. Uebrigens verstehe ich Dich gar nicht, warum Du mich immer unterbrichst.”

„Wäre es nicht rchtiger, Du machtest Deine Bemerkungen an Ort und Stelle?”

„Also mit anderen Worten: Dich langweilt meine mit großem Fleiß und großer Sachkenntnis ausgearbeitete Kritik? Ich hätte etwas mehr Interesse von Dir für meine Arbeiten erwartet, darum bat ich Dich, mich zu überhören, denn Du weißt, ein wie großes Gewicht der Oberst darauf legt, daß wir frei und fließend sprechen können. Er selbst kann nicht ein Hoch auf unseren Allergnädigsten Kriegsherrn ausbringen, ohne bei jedem Wort dreimal stecken zu bleiben, und von uns verlangt er, daß wir frei reden können. Das ist nicht so leicht, da muß man sich doch vorbereiten. Im Augenblick der Kritik selbst vergißt man doch die Hälfte und deshalb muß man es sich schon vorher aufschreiben, was einem auffällt.”

„Aber das kannst Du heute doch schon unmöglich wissen, was Dir morgen auffallen wird?”

Stolz wirft er sich in die Brust: „Wozu bin ich denn Oberstlieutenant und etatsmäßiger Stabsoffizier? Doch nicht zum Spaß? Wenn ich die Aufgaben stelle, so kritisire ich sie auch und ich kritisire, ganz einerlei, was gemacht wird, denn dafür bin ich Oberstlieutenant und etatsmäßiger Stabsoffizier.”

„Ja, ja, weiß schon, ich denke auch gar nicht daran, Dir Deine Titel zu rauben, das will ich Dir aber nur sagen, als Du Lieutenant warst, warst Du nett und lieb, aber seitdem Du Oberstlieutenant geworden bist, bist Du ein —”

„Nun?”

„Ein Ekel.”

„Nimm das Wort zurück, Du beleidigst den Rock, den ich trage.”

„Ach was, Deiner alten Hausjacke wird das schon nichts schaden und recht habe ich doch: ein Ekel bist Du, der an keinem Untergebenen etwas Gutes läßt. Warum soll denn der Hauptmann, der morgen die Ostpartei führt, alles falsch machen? Er ist ein so netter lieber Mensch und er hat eine so gute Frau und so süße Kinder. Bitte, laß Alles, was er macht, richtig sein.”

Sie hat die Arme um seinen Hals geschlungen und fleht bittend zu ihm auf.

Ein schwerer Seufzer entringt sich seiner Heldenbrust.

„Ja, Kleine, das sagst Du so, ohne Dir etwas Ernsthaftes dabei zu denken. Sieh' mal, eine Köchin kann man behalten, auch wenn sie jeden Mittag das Essen verdirbt — aber beim Militär ist das etwas Anderes, da muß man wirklich etwas leisten, sonst fliegt man.”

„Da hättest Du schon lange fliegen müssen.”

„Käthe —”

Zornig springt er empor und dröhnend fällt die Faust auf den Tisch.

„Ach was, spiel' doch keine Komödie und vor allen Dingen schlage mir meine Nippes nicht entzwei. Mir machst Du kein X für ein U, ich weiß ganz genau, daß Du mit Moltke weder verwandt noch verschwägert bist, und wenn Du nicht in Deinem Divisions­kommandeur, dem alten Freunde Deines Vaters, einen so warmen Fürsprecher hättest, so wärst Du schon lange da, wohin Du von Rechts wegen gehörst — in der Wurst.”

„K—ä—t—h—e.”

Sprachlos fällt er in den Sessel zurück und eine zierliche Nippesfigur rollt zur Erde.

Schnell bückt sie sich und hebt die Figur auf: „Es ist Dein Glück, daß sie nicht beschädigt ist, sonst hättest Du 'was erleben können.”

„In der Wurst,” stöhnt er, der ihre letzten Worte gar nicht gehört hat.

„Ja, da wirst Du später auch noch Verschiedenes erleben, hinein komst Du ja auch einmal. Bei irgend einem Avancement wirst auch Du Dir das Sterbehemd, wie es Ihr wohl nennt, anziehen, dann heißt es: in dieser Charge sterbe ich. Daß der Hauptmann aber schon sein Sterbehemd anhaben soll, das will ich nicht, verstehst Du, Deine Frau will es nicht; was der Oberst sagt, ist mir ganz gleichgiltig, denn ich stehe nicht unter den Kriegsartikeln und habe keinen Fahneneid geschworen. Eins aber sage ich Dir: wenn ich erfahre, daß Du morgen Abend den armen Hauptmann schlecht kritisirt hast, dann gnade Dir Gott! Dann gehe ich in der ganzen Stadt herum, und erzähle, daß mein kluger Herr Gemahl seine Kritiken stets vorher ausarbeitet, nur weil der Herr Oberst soviel Gewicht auf einen freien Vortrag legt, nur deshalb — denn mein Herr Gemahl ist ja sonst so klug und bedeutend, daß es ihm ja ein Leichtes ist, sachlich und eingehend zu urtheilen.”

„Sieh, Geliebter, so werde ich sprechen. Und Deine Lieblingsgerichte, Hummer und Rehrücken, bekommst Du ein ganzes Jahr nicht zu sehen. Nun weißt Du Bescheid. Ruhe sanft.”

II.

Wer kenn nicht eine camera obscura? Jeder, wenigstens dem Namen nach. Und wenn man auch sonst von ihr nichts weiß, so weiß man wenigstens, daß es, wenn sich nicht gerade zufällig ein Sachse dort befindet, nicht gerade helle ist. In der camera obscurissima ist es noch dunkler als in der camera obscura und doch ist die Finsterniß, die in der camera obscurissima herrscht, elektrische Beleuchtung im Vergleich mit jener „Bisterniß”, die vierundzwanzig Stunden später die Erde bedeckte.

Stärkere Farben habe ich nicht auf meiner Palette, um die herrschende Finsterniß zu schildern, und wer an dieser Dunkelheit, vor der mir selbst nachgerade grault, noch nicht genug hat, der setze sich einen möglichst hohen Cylinder auf den Kopf und lasse sich denselben (natürlich den Cylinder, nicht den Kopf) von einem extra zu diesem Zweck engagirten Dienstmann mit möglichster Kraft möglichst tief eintreiben.

Dann wird es nämlich noch dunkler.

III.

Durch die also beschriebene stockfinstere Nacht reitet der Herr Oberstlieutenant mit seinem Adjutanten. Der Adjutant gehört ihm nicht, den hat er sich für heute Abend nur gepumpt, denn der etatsmäßige Stabsoffizier, alias auch Mottenkönig genannt, weil er die Regiments–Bekleidung unter sich hat, regiert ohne Gehilfen. Um so stolzer ist er, heute einen Diener zu haben.

Die Truppen sind schon am späten Nachmittag abgerückt, um noch vor Einbruch der Dunkelheit ihre Stellung einnehmen zu können — so will es die Vorschrift, und was vorgeschrieben ist, wird gemacht, wenn man es nicht manchmal anders macht.

Der Herr Oberstlieutenant mit seinem gepumpten Adjutanten ist zuerst zur Westpartei geritten, nein, ganz zuerst ist er in das Wirthshaus geritten und hat sich einen Magenwärmer gekauft — der Cognac war zwar gräßlich, kostete dafür aber auch nur einen ganzen halben Groschen — dann erst hat er die Nase seines Pferdes und damit seine eigene nach links gestellt und ist nach dem Westen geritten, wo er die Westpartei antraf.

Ueber sein Erscheinen herrschte große, aufrichtige Freude und man wünschte ihn zum Teufel, denn nichts ist gräßlicher, als wenn der Führer einer Abtheilung, der sich seine Anordnungen doch auch erst überlegen muß, dabei von einem höheren Vorgesetzten „berochen” wird, der beständig auf ihn einredet: „Was machen Sie? Was machen Sie? Ach, dauert das aber lange!”

Wenn man wie der Leitende, der jede Uebung ausarbeitet, schon vorher ganz genau weiß, wo aller Wahrscheinlichkeit nach jeder einzelne Posten zu stehen kommt, so ist es keine Kunst, klug zu sein.

Endlich hat der Führer über seine Truppen disponirt, seine Befehle ausgetheilt und sendet seine Posten fort.

„Halt, noch eins,” ruft er den Abziehenden nach, „ich erinnere die Posten nochmals daran, daß sie sich durch die Nähe der Vorgesetzten nicht in ihren Beobachtungen stören lassen, ich verweise auf die diesbezügliche Bestimmung der Felddienstordnung.”

„Geht das etwa auf mich?” wollte der Etatsmäßige fragen, aber der Nachsatz, der Hinweis auf die Vorschrift, läßt ihn schweigen.

Er rächt sich, indem er den Führer auf die Spitze der Verzweiflung treibt und es ihm überläßt, ob er sich von da hinabstürzen will.

Als der Oberstlieutenant sieht, daß der Untergebene für die nächsten vierundzwanzig Stunden genug Aerger geschluckt hat und hinter ihm her im Innern seines Herzens „krummer Hund” rufen wird, glaubt er, hier seine Pflicht gethan zu haben, und wendet sein Roß nach Ost.

Nun sucht er mit dem Adjutanten die Ostpartei, aber er kann sie nicht finden.

„Wo der Hauptmann nur stecken mag? Es ist ja richtig, daß er kein großer Stratege ist, aber daß er sich so verläuft —”

„Sollten wir uns vielleicht in der Dunkelheit verritten haben —?”

„Ich verreite mich nie, aber damit Sie sich überzeugen,daß wir uns auf dem richtigen Wege befinden, bitte ich Sie, voranzureiten.”

„Zu Befehl, Herr Oberstlieutenant.”

Und in denkbar kürzestem Trab reitet der Herr Adjutant voraus.

„Bitte Galopp, Herr Lieutenant, Galopp!”

„Brich Dir selbst das Genick,” denkt der Lieutenant und trabt weiter.

Schon nach wenigen Minuten tönt ein lautes: „Halt, wer da?” durch die Stille der Natur.

Schnell ist der Herr Etatsmäßige heran.

„Sagt' ich es nicht, daß ich mich nie verreite?”

„Halt, wer da?” ruft der Posten zum zweiten Mal.

„Der Etatsmäßige mit seinem Adjutanten,” sagt der Oberstlieutenant.

„Der Teufel ist Dein Adjutant,” denkt der Lieutenant.

„Gut, kann passiren.”

Aber der Lieutenant passirt nicht.

„Was sind Sie denn hier?”

„Ich bin Posten vor Gewehr von der Feldwache Nr. 3.”

„So — so, schau — schau, ei — ei,” sagte der Herr Oberstlieutenant, „so — so, Posten von der Feldwache Nr. 3, hm, hm, ich glaubte, hier stände Ihre Vorpostenkompagnie — wo steht die denn?”

Der Soldat erhebt den rechten Arm und deutet über die Schulter hinweg auf irgend ein Loch in der Natur: „Da.”

„Da? Na ja, natürlich, dacht' ich es mir doch gleich, also nicht an diesem Wege, wie ich ganz richtig vermuthete. Können Sie mir den Punkt genauer bezeichnen?”

Der Soldat thut's und erntet dafür hohes Lob: „Sie wissen gut Bescheid, mein Sohn, sehr gut, ich bin mit Ihnen zufrieden.”

Wieder wendet der Leitende sein Roß, und als er zum zweiten Mal glaubt, er sei bei der Kompagnie, ist er bei der Feldwache Nr. 1 und dann kommt er zur Feldwache Nr. 2, und als er endlich die Vorpostenkompagnie faßt, erfährt er, daß der Führer der Ostpartei zwei Vorpostenkompagnien ausgesetzt hat und sich gerade bei der anderen befindet.

Der Herr Etatsmäßige hat keine Lust, im Dunkeln „greifen” zu spielen, darum steigt er vom Roß und wartet, bis der Führer kommt.

Dann läßt er sich einen langen, eingehenden Vortrag über die Aufstellung, „soweit er sie nicht selbst in Augenschein genommen hat”, und über die Vorkehrungen zur Abwehr des Feindes bei einem etwaigen Angriff halten.

Als der Hauptmann schweigt, schweigt der Leitende auch: einmal ist ihm die ganze Sache nicht ganz klar und was ihm klar geworden ist, scheint ihm nicht ganz klar zu sein.

Das macht den Fall nur interessanter.

Er sitzt auf seinem Eckstein und denkt über die Sachlage noch nach, als plötzlich in der Dunkelheit einige Schüsse aufblitzen und gleich darauf stürzt sich die Westpartei mit wildem Hurrah auf die total überrumpelte Ostpartei.

„Hornist, blasen Sie „Halt”,” brüllt der Leitende — zuerst hört ihn Niemand, dann aber tönen schauderhafte Klänge durch die Natur.

Alles nimmt Gewehr ab und rührt.

Feierliche, erwartungsvolle Stille

„Der Angriff der Westpartei ist abgeschlagen,” entscheidet der Herr Oberstlieutenant.

Die Westpartei macht Kehrt marsch, wie ihr befohlen und gleich darauf wird zur Kritik geblasen.

Und zu der Kritik erscheint auch der Herr Oberst, der sich die ganze Sache angesehen hat.

„Gestatten der Herr Oberst.”

„Ich bitte darum.”

„Sind die Herren alle da? Ja? Ich danke sehr,” und Anfangs hält der Herr Oberstlieutenant die Kritik genau so, wie er sie im Konzept ausgearbeitet hat, dann fährt er fort: „Was nun zunächst den Befehl des Herrn Führers der Ostpartei anlangt, so kann ich mich mit demselben zu meiner großen Freude voll und ganz einverstanden erklären, es freut mich dies um so mehr, als Sie, Herr Hauptmann, erst wenig Gelegenheit gehabt haben, größere Detachements zu führen. Ich kann Ihnen meine volle Anerkennung nicht vorenthalten.”

„Dagegen die Westpartei, meine Herren, hat meine Erwartungen in keiner Weise erfüllt — — — — — —”

Diese Gedankenstriche bedeuten die traurigen Gedanken, die der Führer der Westpartei sich während dieser vernichtenden Kritik seitens des Herrn Oberstlieutenants macht.

Endlich schweigt der Leitende und als der Führer der Westpartei sich heimlich mit der Hand über den Scheitel fahren will, merkt er plötzlich, daß er kahlköpfig geworden ist.

Der Oberstlieutenant hat an ihm nicht nur kein gutes Haar, sondern überhaupt kein Haar mehr gelassen.

Als der Etatsmäßige geendet, herrscht einen Augenblick feierliche Stille. Man nennt das beim Militär die Verdauungspause.

Dann ergreift der Herr Oberst das Wort:

„Ich bin mit dem, was Sie, Herr Oberstlieutenant, gesagt haben, voll und ganz einverstanden, nur glaube ich, daß Sie sich bei der Besprechung insofern geirrt haben, als Sie Ost und West verwechselten. Bei der Dunkelheit, die uns umgiebt, ist ein so kleines Versehen ja sehr wohl möglich. Sonst, wie gesagt, bin ich ganz Ihrer Ansicht. Ich danke Ihnen sehr, meine Herren.”

Der Herr Etatsmäßige merkt den Hieb, der ihm versetzt wird, sehr wohl und in sehr gedrückter Stimmung reitet er im Morgengrauen nach Hause.

Und die aufgehende Sonne schaut hinab auf zwei auf dem Schlachtfeld liegende Leichen, auf den Hauptmann, den Führer der Ostpartei, der zu viel gelobt worden ist, und auf den Etatsmäßigen, der zuwenig gelobt worden ist.

Zwei Leben endet eine Schlacht,
Die der Etatsmäßige selbst hat ausgedacht.


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