Auf Pulverturmwache.

Militärhumoreske von Freiherr von Schlicht.
in: „Sie will nicht heiraten”


Der Einjährigfreiwillige Hans Meurer, ein großer, schlanker, hübscher Mensch von zweiund­zwanzig Jahren, lag in seinem Wohnzimmer, das er sich für die Zeit seines Einjährigen­jahres, das er bei einem Infanterie­regiment in einer mittelgroßen Stadt abriß, bei einer freundlichen Wirtin gemietet hatte, auf der Chaiselongue und schon, weil er Philosophie studierte, philosophierte er auch jetzt, und zwar über das Thema: Wie kommt es, daß selbst die größte Liebe und Begeisterung für das Soldatenleben nicht imstande ist, alle Strapazen und Anstrengungen spielend zu ertragen? Und der Grund seiner philosophischen Betrachtung war eine lange Feld­dienst­übung, zu der das Bataillon morgens fünf Uhr ausgerückt und erst am späten Mittag vor kaum einer Stunde zurückgekehrt war. Schön war es ja gewesen und Spaß machte solche Übung, bei der es darauf ankam, den schlauen Gegner zu überlisten, ja auch, aber die Beine wurden doch müde, wenn man sich auch tausendmal vornahm, keine Müdigkeit aufkommen lassen zu wollen.

Aber die Müdigkeit würde schon wieder vergehen. Lang und behaglich dehnte und streckte sich der Herr Einjährige auf seiner breiten Chaiselongue. Das Leben war doch schön, nicht nur das des Faulenzers, sondern erst recht das eines Einjährigen. Der Dienst, der Verkehr mit den gleichaltrigen Kameraden, das Einherstolzieren in der schmucken Uniform — es war doch eigentlich ein Unsinn, wenn die Leute immer von Soldatenleid und -freud' sprachen. Er hatte noch kein Leid kennen gelernt, und wenn die Beine auch mal müde waren, das waren sie auch gewesen, wenn er als Zivilist die ganze Nacht durchgetanzt oder als junger Student eine lange Wanderung gemacht hatte.

Und anstatt weiter zu philosophieren, pfiff er plötzlich die Melodie des alten Liedes vor sich hin: Oh, welche Lust, Soldat zu sein!

Da öffnete sich plötzlich die Stubentür und herein trat der Musketier Bumke, der Putzkamerad des Herrn Einjährigen, dessen Aufgabe es war, gegen ein geringes monatliches Entgelt die Uniform und die Sachen seines Einjährigen in Ordnung zu halten. Jetzt kam er, um seinem Einjährigen einen dienstlichen Befehl des Herrn Feldwebels zu bestellen. Die Botschaft, die er brachte, war nicht allzu erfreulich, und als sein Einjähriger sich durch sein Eintreten gar nicht stören ließ, sondern immer weiter vor sich hin pfiff: Oh, welche Lust, Soldat zu sein, da brachte der brave Musketier es gar nicht über sein Herz, sofort mit der Unglücksbotschaft herauszurücken, sondern er dachte im stillen: „Erst pfeif dich nur mal aus, dann wollen wir sehen, ob du hinterher auch noch pfeifst.”

So machte er sich in dem Wohnzimmer zu schaffen und räumte hier und da etwas auf, bis sein Einjähriger dann schließlich fragte: „Na, Bumke, edler Putzkamerad, was gibt es denn Neues, und vor allen Dingen, welcher Dienst ist für morgen angesetzt?”

Der Musketier Bumke war ein gutmütiger Mensch und hing mit großer Zuneigung an seinem Einjährigen, und so dachte er sich jetzt: „Du wirst ihm die Sache möglichst schonend beibringen,” und deshalb antwortete er jetzt mit einem ganz verklärten Gesicht: „Wir kommen morgen auf Wache.”

„Das heißt mit anderen Worten: ein Teil der Kompagnie kommt morgen auf Wache, und wir beide kommen nicht auf Wache?” warf der Einjährige ein, der sich durch Bumkes freudestrahlendes Gesicht hatte täuschen lassen.

Diesmal war Bumkes verklärtes Gesicht keine Verstellung, als er zur Antwort gab: „Solange ich Putzer bei dem Herrn Einjährigen bin, komme ich doch überhaupt nicht mehr auf Wache.”

Unwillkürlich richtete sich Hans Meurer auf seiner Chaiselongue etwas auf und sah seinen Putzer fragend an, bis er dann sagte: „Das soll doch nicht etwa heißen, daß Sie zwar nicht auf Wache kommen, daß aber ich — — — ”

„Wenn der Herr Einjährige es selber sagen, wird es wohl so sein,” fiel ihm der Putzer schnell in das Wort, um dann fortzufahren: „und der Herr Feldwebel läßt dem Herrn Einjährigen sagen, der Herr Einjährige möchte sich dadurch die philosophische Fakultät nicht stören lassen, aber es ging nicht anders, der Herr Einjährige müßte morgen auf die Pulverturmwache ziehen.”

„Wolle wir wetten, daß du jetzt nicht mehr pfeifst,” dachte der Musketier Bumke, nachdem er seinen Auftrag ausgerichtet hatt, „wetten, daß nicht . . .?”

Aber er verlor seine Wette glänzend, denn Hans Meurer pfiff auch jetzt vor sich hin: Oh, welche Lust, Soldat zu sein, aber er pfiff es anders, nicht mehr so froh und lustig wie vorhin, sondern in einer gewissen melancholischen Tonart, bis er dann plötzlich wieder so vergnügt vor sich hin pfiff, daß der Musketier Bumke ihn ganz verwundert ansah und sich im stillen fragte:

„Nanu, was ist denn dem in die Tonleiter gefahren?”

Musketier Bumke wußte es nicht, und sein Einjähriger sagte es ihm nicht. Er begnügte sich damit, sich selbst einzugestehen, daß ihm, wenn er schon auf Wache mußte, die bei dem Pulverturm die liebste wäre. Die lag weit außerhalb der Stadt, mitten auf einem großen, freien Feld. Langweilig war es dort zwar sehr, denn es ging kein Mensch vorüber, aber die Einsamkeit hatte auch ihr Gutes, es kam kein Vorgesetzter hinaus, und selbst von dem Offizier des Ortsdienstes wurde diese Wache, weil sie zu weit entfernt lag, nicht täglich, sondern nur in unregelmäßigen Zwischenräumen revidiert. Ihm fiel das Wort seines Instruktions­offiziers wieder ein: „Selbst der beste Soldat kann sich leicht ein Wachvergehen zuschulden kommen lassen”, und halb ernsthaft, halb scherzend hatte der Unteroffizier hinzugesetzt: „Der Wachtposten muß sechs Augen, sechs Ohren und sechs Nasen haben, denn wenn er als Posten des Nachts in der Dunkelheit etwas Verdächtiges zu bemerken glaubt und dieses Verdächtige weder mit den Augen noch mit den Ohren ermitteln kann, da muß er wie ein Jagdhund das Wild mit der Nase wittern.”

Na, da draußen gab es weder etwas zu sehen, noch zu hören, noch zu wittern, und er würde sich als Posten schon nichts zuschulden kommen lassen, und das durfte er auch nicht, denn sonst konnte er die Hoffnung auf die Gefreitenknöpfe nur gleich aufgeben, und Gefreiter wollte er doch werden, aber das nicht allein, doch auch Unteroffizier und Vizefeldwebel, um später Reserveoffizier zu werden.

So zog er dann am nächsten Mittag mit einem Gefreiten, dem Wachthabenden und mit zwei anderen Musketieren als Pulverturmwache auf der Landstraße dahin, bis man nach etwa einstündigem Marsch das kleine Wachthaus erreichte. Die alte Wache wurde abgelöst, und als Posten Nr. 1 zog der Einjährige auf. Er ließ sich von dem alten Posten melden, daß es nichts zu melden gäbe, dann nahm er dessen Platz ein und patrouillierte mit dem Gewehr unter dem Arm um den Pulverturm herum, der versteckt zwischen hohen Bäumen lag, und um die herum ein hoher Bretterzaun errichtet war. Die Aufgabe des Postens bestand darin, darauf zu achten, daß niemand unbefugt sich dem Pulverturm nähere, und vor allen Dingen, daß kein Mensch mit einer brennenden Pfeife oder Zigarre herankam.

Aber wer sollte hier rauchen? Etwa die Schafe, die in weiter Ferne friedlich auf der Weide grasten? Nicht einmal der Schäfer mit seinem großen Strickstrumpf war zusehen, geschweige denn ein anderes lebendes Wesen.

Aber aufzupassen galt es natürlich trotzdem, es konnte doch immerhin jemand kommen. Aber es kam niemand, während er auf und ab patrouillierte und auf seine Ablösung wartete. Zwei Stunden sind unter Umständen eine lange Zeit, sie gehen um so langsamer dahin, je öfter man nach der Uhr sieht, und so nahm der Einjährige Hans Meurer sich vor, überhaupt nicht nach der Uhr zu sehen, sondern geduldig zu warten, bis die Ablösung kam.

Aber die kam auch nicht, und doch mußte es schon längst drei Uhr sein, wenn nicht sogar schon vier. Aber als der Einjährge dann schließlich doch nachsah, da war es noch nicht einmal zwei.

Und die Uhr stand nicht etwa still, sondern tickte ganz vergnügt, und der Sekundenzeiger rückte fortwährend weiter.

„Ob du es heute wohl noch erlebst, daß es auch drei wird?” dachte Hans Meurer. Und wenn er es auch selbst nicht geglaubt hatte, er erlebte es doch, er erlebte es sogar, daß er um sieben Uhr nach vierstündiger Ruhezeit im Wachtlokal wieder auf Posten aufzog, um dann abermals vier Stunden auszuruhen, bis er um ein Uhr nachts abermals aufzog. Von ein bis drei Uhr nachts sollte er Posten stehen, und der wachthabende Gefreite schärfte ihm ein, um Gottes willen nicht müde zu werden, sich nicht in das Schilderhaus zu stellen, damit er dort nicht etwa einschliefe. Wenn er dabei abgefaßt würde, kostete ihn das vierzehn Tage strengen Arrest. „Immer auf und ab patrouillieren, Einjähriger, auf jedes verdächtige Geräusch achten, jeden anrufen, der sich in der Dunkelheit nähert, und die Augen und die Ohren auf. Es gehen in dieser Stunde zwar keine Gespenster herum, wohl aber die Vorgesetzten, die die Wache revidieren. Passen Sie auf, daß Ihnen nichts passiert.”

Und Hans Meurer paßte auf. Um ihn herum herrschte tiefe Finsternis, schwere Wolken hingen am Himmel, weder der Mond noch die Sterne waren zu sehen, dazu kam der Wind, der die Zweige der alten Bäume, die den Pulverturm umgaben, hin und her schüttelte, daß sie laut knackten und daß es sich anhörte, als stöhnten und seufzten sie. Wer noch nie selber in stiller Nacht draußen auf einsamem Felde gestanden hat, kann sich die Sprache der Bäume gar nicht vorstellen. Es ist so, daß man oft menschliche Geräusche zu vernehmen glaubt. Und so passierte es Hans Meurer mehr als einmal, daß er den Atem anhielt, um zu lauschen, um dann mit lauter Stimme zu rufen: „Halt, wer da?” Aber er erhielt keine andere Antwort, als das Rauschen in den Zweigen und ein Krachen in den Ästen, wenn der Wind einen morschen Zweig abgebrochen hatte.

Wohl eine Viertelstunde dauerte es, bis er sich an die Einsamkeit, an die Finsternis um ihn herum gewöhnt hatte, bis er das Rauschen in den Bäumen für das nahm, was es war. Dann aber kümmerte er sich nicht weiter um den Wind, sondern spähte gespannt vor sich hin. Es war ja die Stunde, in der zwar keine Gespenster, wohl aber die Vorgesetzten herumgingen, und wenn der Offizier vom Ortsdienst kam, sollte er ihn auf dem Platz finden.

Und plötzlich glaubte Hans Meurer zu wissen, daß der Vorgesetzte in der Nähe war. Er sah ihn nicht, er hörte keinen Schritt, er witterte ihn auch nicht mit der Nase, wie der Jagdhund das Wild, aber trotzdem hätte er darauf schwören mögen, daß er sich nicht täuschte. Er wußte, es war die Pflicht des Vorgesetzten, sich dem Posten möglichst unbemerkt zu nähern, dessen Wachsamkeit auf die Probe zu stellen und sich erst im letzten Augenblick zu erkennen zu geben. So mochte auch jetzt der Herr Leutnant sich unter dem Schutze der Dunkelheit um ihn herumschleichen, aber wo war er, von welcher Seite kam er?

Da sah er plötzlich für den kurzen Bruchteil einer Sekunde einen kleinen, hellen Lichtschein. Kurz, wie das Aufflammen eines Streichholzes, oder wie das Glimmen einer brennenden Zigarre. Oder hatte er sich doch getäuscht, denn schon war das Licht wieder verschwunden, aber da leuchtete es abermals und kam näher und näher. Jetzt glaubte er auch einen Schritt zu hören, wenn dieser auch noch so leise war, und so ertönte denn jetzt durch die Stille der Nacht sein lauter Ruf: „Halt, wer da?” Aber er erhielt keine Antwort, selbst nicht auf den zweiten Anruf. Hans Meurer konnte es vor sich selbst nicht leugnen, ihm wurde ein klein wenig ungemütlich. Gewiß, er empfand keine Furcht, er hatte das Seitengewehr, um sich zu verteidigen, denn auf sein Gewehr konnte er sich nicht verlassen, da er hier ohne scharfe Patronen stand. Höchstens, daß er mit dem Gewehrkolben den Gegner niederstrecken konnte, wenn der es auf einen Angriff abgesehen hatte. Nein, er hatte gewiß keine Furcht, ihn beschlich nur jenes undefinierbare Gefühl, das selbst der Mutigste empfindet, wenn etwas Geheimnisvolles ihn umgibt, das er mit seinen Sinnen nicht zu ergründen vermag.

Aber trotzdem klang seine Stimme fest und sicher, als er jetzt zum letzten Male rief: „Halt, wer da? Wenn ich jetzt keine Antwort erhalte, mache ich von meiner Waffe Gebrauch.”

Aber dazu kam er nicht, denn plötzlich, wie aus dem Dunkel der Nacht herausgewachsen, stand der Offizier vom Ortsdienst vor ihm, noch dazu, wie Hans Meurer auf den ersten Blick sah, mit einer brennenden Zigarre in der Hand. Das durfte nicht sein, und so sagte er denn sofort: „Ich muß den Herrn Leutnant ersuchen, die Zigarre fortzuwerfen.”

„Wollen Sie nicht lieber erst vor mir präsentieren?” war die Antwort.

Um Gottes willen, das hatte er in seiner Aufregung bisher ganz vergessen, wenn der Leutnant ihn deswegen meldete, konnte er schon bestraft werden. Aber nein, doch nicht, ihm fielen die Worte seiner Instruktion wieder ein, und so sagte er denn: „Als Posten habe ich in erster Linie die Pflicht, das mir anvertraute Eigentum zu schützen. Die Ehrenbezeigung kommt erst in zweiter Linie, und deshalb muß ich den Herrn Leutnant nochmals ersuchen, sofort die Zigarre fortzuwerfen.”

„Na, seien Sie friedlich, Einjähriger,” bat der Herr Leutnant, „der Weg hierher ist in der Dunkelheit kein Vergnügen, und die Zigarre soll mir auch auf dem Rückweg die Zeit verkürzen. Wenn ich die nun wegwerfe, dann geht es mir wie Wilhelm Tell, als er seine Pfeile verschossen hatte — ich habe keine zweite anzuzünden, und Sie wissen, ich bin ein leidenschaftlicher Raucher.”

Ja, das wußte Hans Meurer wirklich. Sein Kompagnie­leutnant, der ihm jetzt als Offizier vom Ortsdienst gegenüberstand, war der ganzen Kompagnie als leidenschaftlicher Raucher bekannt. Erst wenn der Dienst begann, warf er die Zigarre fort, um sich sofort nach Beendigung des Dienstes eine neue anzuzünden. Da tat es ihm leid, seinen Leutnant der Zigarre berauben zu müssen, das auch schon deshalb, weil der Herr Leutnant immer freundlich und nachsichtig im Dienst gegen ihn gewesen war und ihn protegiert hatte, soweit es die Gerechtigkeit den anderen Mannschaften gegenüber erlaubte.

Aber die Pflicht ging vor, und so sagte er denn: „Ich muß den Herrn Leutnant trotzdem zum dritten- und letztenmal auffordern, die Zigarre fortzuwerfen.”

„Und wenn ich es trotzdem nicht tue, was dann? Dann werden Sie mich wohl arretieren und mich als Gefangener[sic! D.Hrsgb.] in das Schilderhaus sperren?”

„Dazu habe ich kein Recht, Herr Leutnant, und der Herr Leutnant werden selbst am besten wissen, daß ich einen Offizier nur auf den direkten Befehl eines höheren Offiziers arretieren kann. Wenn der Herr Leutnant also trotz meiner dreimaligen Aufforderung die Zigarre nicht wegwerfen, dann bin ich für den Augenblick machtlos. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als den Vorfall nach meiner Ablösung dem Wachthabenden zu melden, damit dieser es dem Regiment weitermeldet.”

„Und wenn ich auf Grund dieser Meldung bestraft werde?”

„Dann haben sich der Herr Leutnant das selbst zuzuschreiben,” lautete die feste und bestimmte Antwort Hans Meurers, der selbst nicht wußte, woher er den Mut nahm, dem Offizier so energisch gegenüberzutreten.

Der Offizier lachte anscheinend gereizt auf: „Sie sind ja ein Gemütsmensch, Einjähriger. Na, ich überlasse Sie jetzt Ihrem Schicksal, morgen Mittag, wenn wir wieder in der Kaserne sind, sprechen wir uns weiter.”

Und wenige Augenblick später war der Offizier in der Dunkelheit verschwunden.

Voll innerer Unruhe blieb Hans Meurer auf seinem Posten zurück, und immer wieder fragte er sich: „Tat ich recht oder tat ich unrecht? Galt meine Instruktion auch dem Offizier vom Ortsdienst gegenüber?”

Er fand keine Antwort auf diese Frage, und als er nach seiner Ablösung dem wachthabenden Gefreiten den Vorfall dienstlich meldete, kratzte der sich nachdenklich mit dem Seitengewehr, mit dem er eben eine Maus, die in der Wachtstube herumgelaufen war, totgeschlagen hatte, hinter den Ohren, bis er dann schließlich meinte: „Ich will Ihnen mal was sagen, Einjähriger, wie Sie es gemacht haben, war es ganz bestimmt falsch, aber eins kann ich Ihnen zu Ihrer Beruhigung sagen, wenn Sie es anders gemacht hätten, wäre es ganz sicher auch falsch gewesen.”

„Wie hätte ich mich aber dann verhalten sollen?” fragte Hans Meurer ganz kleinlaut.

Der Gefreite schlug mit dem Seitengewehr nach einer zweiten Maus, die neugierig ihren Kopf aus einem Loch heraussteckte, dann meinte er: „Wie Sie es haben machen sollen? Da müssen Sie den Herrn Hauptmann fragen, oder noch besser, den Herrn Major, oder am allerbesten den Herrn Oberst. Einer von den dreien wird Ihnen morgen schon sacksiedegrob werden, und wenn Sie Glück haben, werden Sie von allen dreien einen Rüffel bekommen. Je mehr Sie gerüffelt werden, desto froher können Sie sein, denn es ist eine alte Geschichte, Hunde, die viel bellen, beißen nicht, und die Vorgesetzten, die da schnauzen, sperren ihre Leute nicht in Arrest. Und nun machen Sie sich weiter keine Sorgen, noch sitzen Sie nicht drinnen im Kasten, und wenn Sie reinkommen, dann trösten Sie sich damit, daß Sie auch wieder rauskommen.”

Das war ein mehr als schwacher Trost, und Hans Meurer mußte seine ganze Energie zusammennehmen, um dem Kamerad nicht zu verraten, wie er sich vor der Strafe fürchtete.

Und während die anderen um ihn herum schnarchten, warf er sich ruhelos auf der Pritsche hin und her.

Unterdessen ging der Offizier vom Ortsdienst wieder zur Garnison zurück. Er hatte die alte Zigarre längst fortgeworfen und sich eine neue angezündet. und während er auf der Straße dahinschritt, dachte er immer wieder: Wenn der Einjährige nicht inzwischen zu der Erkenntnis gekommen ist, daß ich ihn auf den Befehl des Herrn Hauptmanns auf die Probe stellte, wenn er es auch jetzt noch nicht gemerkt hat, daß ich ihn daraufhin prüfen sollte, ob er auch einem Vorgesetzten gegenüber in seiner Eigenschaft als Posten energisch auftritt, dann hat er die Gefreitenknöpfe, die er morgen bekommen soll, gar nicht verdient, obgleich er sie sich durch sein Verhalten wirklich redlich verdient hat.


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