Das Himbeerhöschen.

(Eine ganz betrunkene Geschichte)

Satire von Freiherr von Schlicht,
in: „Parade-Haare”


Wenn auf dem Marktplatz der ganz kleinen Garnison plötzlich Graf Zeppelin mit seinem lenkbaren Luftschiff zur Erde niedergefahren wäre, so hätte das unter der miliotärischen und zivilistischen Bevölkerung kaum eine größere Aufregung hervorrufen können, als die am Vormittag dienstlich und außerdienstlich bekannt gegebene Nachricht, daß der Oberleutnant Hengsberg in den Generalstab einberufen sei.

Es war eine große Ehre, nicht nur für das Regiment, sondern für die ganze Stadt, daß ein Offizier, der hier groß geworden war, in den Generalstab kam. Viele Leute erinnerten sich seiner noch als ganz kleines Kind, nein, das nicht, aber als ganz jungen Fähnrich, wie er eben aus dem Kadettenkorps kam, um in die Armee einzutreten. Und im Laufe der Jahre war nun aus dem Fähnrich ein Oberleutnant geworden, der jetzt nach Berlin sollte.

Die Zivilisten waren natürlich über die Bedeutung des großen Generalstabs völlig im Unklaren, sie hatten so eine unklare Vorstellung, daß dort der Krieg gemacht würde, daß man da alle Vorbereitungen traf, um für den Fall eines Feldzuges in jeder Hinsicht gerüstet zu sein. Nach ihrer Meinung wurde dort entschieden, ob es Krieg geben sollte oder nicht, und es schmeichelte ihrem Stolz, und ihrer Eitelkeit, daß nun fortan auch der unter ihnen groß gewordene Oberleutnant darüber mit zu entscheiden haben würde, ob es Krieg gäbe oder nicht.

Was die guten Bürger da dachten oder sprachen, war ja natürlich alles Unsinn, aber das schadete nichts, geglaubt wurde es trotzdem, oder gerade deshalb, weil es eben Unsinn war.

Die Zivilbevölkerung war in Aufregung, aber das Offizierkorps war es erst recht.

Gewiß, der Oberleutnant Hengsberg hatte die Kriegsakademie mit sehr gutem Erfolg besucht und ein Abgangszeugnis mit nach Haus gebracht, das seine Einberufung in den Generalstab mehr als wahrscheinlich machte. Aber daß er als bürgerlicher Offizier, der noch dazu in einer so elenden Garnison stand, wirklich jemals in die „große Bude”, wie man das Generalstabs-Gebäude nannte, kommen würde, das hatte kein Mensch geglaubt.

Oberleutnant Hengsberg am allerwenigsten. Das hatte er wenigstens den Kameraden gegenüber immer behauptet, aber sich trotzdem schon vor vielen Wochen in Berlin das ,Himbeerhöschen' anfertigen lassen, jenes vorschrifts­mäßige Beinkleid mit den karmoisinroten Streifen, die da schon von weitem verraten: die in diesen Hosen steckenden Beine gehören einem Menschen, der so klug ist, daß er dem Großen Generalstab angehört.

Jeden Abend vor dem Schlafengehen nahm der Oberleutnant die Himbeerhöschen aus dem Kleiderschrank, um sie voller Liebe zu betrachten und zu bestreicheln und jeden Sonntag Nachmittag zog er sie bei fest verschlossenen Türen eine Stunde und länger an und ging dann stolz in seinen beiden Zimmern auf und ab, als promeniere er in Berlin Unter den Linden.

Wenn er an Berlin dachte, fing er vor Freude und vor Sehnsucht an zu weinen, und um dann das europäische Gleichgewicht seiner Seele wieder her zu stellen, griff er zur Kognakflasche, um sich zu stärken.

Das war auch einer der vielen Fehler einer kleinen Garnison, daß man sich da das Trinken angewöhnte. Das sagte sich der Oberleutnant jedes Mal, wenn es in seiner Kehle „Schluck-Schluck, Gluck-Gluck” machte. Und das tat es sehr oft. Aber was sollte man hier sonst vor Stumpfsinn anfangen? Während seines Kommandos zur Kriegsakademie hatte er dem Alkohol vollständig entsagt, schon die vielen häuslichen Arbeiten erlaubten das Kneipen ganz einfach nicht. Aber kaum war er wieder hierher in die Garnison zurückgekehrt, da hatte er sich dem alten Laster wieder hingegeben und zwar mehr als je, denn jetzt, nachdem er drei Jahre lang in Berlin gewesen war, wußte er ja eigentlich erst, wie entsetzlich stumpfsinnig, öde und langweilig das Leben hier war.

Na, nun ging es wieder nach Berlin zurück, da fing der solide Lebenswandel wieder an; nur noch vierzehn Tage, dann hieß es Abschied nehmen. Dann hieß es von selbst wieder solide sein. Bis dahin aber wollte er sich des Daseins hier freuen, so gut es ging, und keinen Tag vorüber gehen lassen, ohne seine Einberufung in den Generalstab ganz gehörig zu feiern.

Am liebsten hätte er das Himbeerhöschen angezogen, um sich damit in der Öffentlichkeit zu zeigen, aber das durfte er nicht. Das Kommando begann erst in zwei Wochen und bis dahin mußte er noch in der alten Uniform herumlaufen.

Das war schmerzlich, ließ sich aber nicht ändern, und wenn er das Himbeerhöschen auch noch nicht trug, so bildete das für ihn und die Kameraden, wenn sie im Kasino zusammen saßen, doch das ausschließliche Gesprächsthema. Es wurde immer von neuem begossen, natürlich nur im bildlichen Sinn, und es war geradezu rührend, mit anzusehen, wie sich alle die größte Mühe gaben, ihrer Freude dadurch Ausdruck zu geben, daß sie zu Ehren des Himbeerhöschens noch mehr tranken, als sonst. Es wurde vielen nicht ganz leicht, und zwar deshalb nicht, weil sie schon für gewöhnlich soviel kneipten, daß ein Mehr nur für eine ganz entartete Phantasie denkbar war, aber nach einiger Übung brachten sie das Kunststück schließlich doch fertig. Und die Vorgesetzten ließen sie ruhig gewähren, bald war das Himbeerhöschen ja aus ihren Gesprächen verschwunden, dann herrschte wieder das ewige, tödliche Einerlei, warum sollten da die Leutnants die wenigen frohen Tage, die sie jetzt hatten, nicht ganz gehörig feiern? Und war es nicht sogar sehr wahrscheinlich, daß bei diesen ewigen Gesprächen über den Generalstab in dem Einen oder dem Andern der Wunsch wach wurde, es dem Kameraden gleich zu tun, sich in das Examen zu stürzen, um ebenfalls einst in den Generalstab zu kommen?

So wurde gekneipt und gekneipt. Vierzehn Tage lang wurde das frohe Ereignis begossen und ganz nüchtern war in dieser Zeit eigentlich niemand, nicht mal der Fähnrich. Der stand für gewöhnlich unter einer strengen Sittenkontrolle, er sollte ja erst zum Offizier herangebildet werdenund mußte erst noch lernen, sich zu benehmen. Dazu gehörte es natürlich, mäßig und tugendhaft zu sein. Aber in diesen Tagen schwnad die Kontrolle, kein Mensch paßte auf ihn und so holte er denn freiwillig nach, was er in früheren Zeiten unfreiwillig hatte entbehren müssen: Er trank sich regelmäßig voll.

Und die Leutnants tranken sich noch voller und die Herren Hautpleute und Stabsoffiziere kneipten mit. Die feierten die Erinnerung an vergangene Zeiten, an denen sie selbst einmal in der ,großen Bude' gesessen hatten, und diejenigen, denen dies Glück nicht zu Teil geworden war, ertränkten und ertranken von neuem den Schmerz über die damals erlittene Enttäuschung.

Aber am meisten von allen trank doch der Oberleutnant Hengsberg selbst; der wurde überhaupt nicht mehr ganz nüchtern. Und warum sollte er das auch? Im Regiment brauchte er keinen Dienst mehr zu tun, er konnte des Morgens bis zum späten Nachmittag ausschlafen. Na, und wenn er seine Einberufung nicht einmal feiern sollte, wer sollte das denn tun? Er mußte die sogar beständig feiern, schon damit die anderen mitfeiern konnten.

Kein Machtwort machte dieser Kneiperei ein Ende, denn der Oberst drückte schon deshalb beide Augen zu, weil er selbst gar zu gerne hin und wieder einmal trank, dann aber auch, weil er wußte, daß seinem militärischen Leben ja auch ein Ende gesetzt war. Wer in einer derartig elenden Garnison Oberst und Regiments­kommandeur wird, der ist nicht für höhere Kommandostellen geeignet. Da macht man ein paar Jahre die Sache mit und ist dann erledigt. Das spielt sich immer nach Schema F ab. Im ersten Jahre erntet man wenig Lob, weil man ja noch jung ist und noch viel lernen muß. Im zweiten Jahr ist es schon bedeutend besser, im dritten vieles überraschend gut. Dann aber werden die Erwartungen der Vorgesetzten nicht ganz mehr erfüllt, man hatte sich mehr versprochen und allmählich geht die Anerkennung unter den Gefrierpunkt herunter.

Und dann ist Schluß.

Der Oberst sah diesen Schluß vor Augen, was sollte er sich da selbst und seinen Offizieren das Dasein durch eine völlig unangebrachte Strenge verbittern? Das Leben war hier ja so jeder Beschreibung spottend entsetzlich, daß man zuweilen sehr viel über den Durst trinken mußte, um vor Stumpfsinn nicht verrückt zu werden.

So ließ er sie denn weiter fröhlich sein, und da er gerade in dieser Zeit Strohwitwer war, so war er der Fröhlichste von allen. Aber das lag natürlich nicht an seinem Strohwitwertum, sondern lediglich daran, daß er den anderen die frohe Laune nicht verderben wollte.

Und es wurde weiter gefeiert, bis dann eines Morgens der Tag anbrach, an dem das offizielle Liebesmahl für den am nächsten Tag nach Berlin zum Generalstab fahrenden Oberleutnant stattfand.

Diesem Ereignis war am Abend vorher eine große Kneiperei vorangegangen und am Vormittag des Festtages versuchten alle wie gewöhnlich ihren Kater durch den Frühschoppen zu vertreiben.

So kam, was kommen mußte. Als das offizielle Liebesmahl begann, waren die meisten schon betrunken und die wenigen, die es nicht waren, waren von dem Abend vorher noch betrunken.

Nur wer selbst einmal in einer ganz, ganz kleinen Garnison gestanden hat, kann es wissen, was da unter Umständen zusammen gekneipt wird.

Das Liebesmahl begann, und da der Oberst voraussah, daß bei dem Braten doch keiner mehr zuhören würde, erhob er sich schon nach dem ersten Löffel Suppe, um seiner großen Freude über die dem Oberleutnant widerfahrene Auszeichnung Ausdruck zu geben, aber auch zugleich zu betonen, wie schwer es allen würde, sich nun wieder für lange Jahre, wenn nicht für immer, von ihm zu trennen, denn er hätte es wie wenige verstanden, sich die Achtung der Vorgesetzten und die Liebe der Kameraden zu erwerben.

Gleich darauf antwortete der Oberleutnant. Er mußte sich auf die Rede vorbereitet haben, denn er sprach wirklich sehr hübsch. Er schilderte kurz seinen Werdegang hier im Regiment vom ersten Tag bis zu dieser Stunde, er erzählte, wie ihm das ,Himbeerhöschen' stets als ein Ziel vorgeschwebt habe, das er unter allen Umständen erreichen wolle, wie er zwar viel gebummelt und gekneipt, aber auch ganz gehörig gearbeitet habe und er ermahnte seine Kameraden, seinem Bespiel zu folgen und über dem Arbeiten nicht das Kneipen zu vergessen.

Donnernder Beifall folgte dieser Ermahnung und der Oberleutnant, der gar nicht merkte, daß er sich versprochen hatte, war ganz gerührt, daß seine Worte solchen jubelnden Widerhall fanden. So knüpfte er denn mit seinen weiteren Worten an den hervorragenden guten Geist an, der die jungen Leutnants beseele, er schilderte, wie glücklich er sei, das Ziel seines Strebens erreicht zu haben, wie er voll Ungeduld den übernächsten Tag herbeisehne, an dem er das Himbeerhöschen nun endlich anziehen könne und er schloß mit dem feierlichen Gelöbnis, im Generalstab und überall, wohin ihn später das Geschick und das Militärkabinet verschlagen würden, alle Zeit dem Regiment, aus dem er hervorgegangen sei, Ehre zu machen.

Ein dreimaliges Hurra erfolgte, die Musik spielte den Parademarsch in der Regimentskolonne, nach dessen Klängen er so oft die Beine hatte strecken müssen, und damit war der offizielle Teil des Liebesmahles beendet.

Dem scheidenden Kameraden zu Ehren gab es dessen Lieblingsgetränk, Porter und Sekt.

Es gibt wohl nur wenige, die das nicht gerne trinken, aber es gibt wohl nicht einen einzigen, der das trinken kann, ohne sich zu betrinken.

Die Wangen röteten sich, die Stimmung wurde immer ausgelassener, der Fähnrich benahm sich nach Ansicht eines Leutnants bei Tisch so unpassend, als wäre er wenigstens schon Stabsoffizier und der älteste Stabsoffizier tollte nach Aufhebung der Tafel herum, als wäre er noch Fähnrich.

Aber auch als die Zigarren schon brannten, als die Musik auf allgemeinen Wunsch zum fünfundzwanzigsten Male an diesem Abend den Walzer aus der ,lustigen Witwe' spielte, trugen die Ordonnanzen immer noch neue Kannen mit Porter und Sekt herbei und da man doch nicht den ganzen Abend egal dasselbe trinken konnte, kippte man sich von Zeit zu Zeit einen Kognak hinter die Binde.

Bis dann endlich jenes Stadium eintrat, in dem, wenigstens von den Jüngeren, niemand so recht mehr wußte, wer er war, und erst recht nicht, wo er war.

Oberleutnant Hengsberg wußte das schon lange nicht mehr. Jeder der Kameraden hatte ihm einzeln zugetrunken, jedem hatte er darauf Bescheid tun müssen und zahllose Ganze und Halbe geleert. Das Gedächtnis für Zeit und Raum war ihm entschwunden, nur zuweilen war ihm vorübergehend noch so, als wenn sein Zug, den er benutzen mußte, morgen früh um zehn Uhr ginge. Dann war er am Abend in Berlin und am übernächsten Vormittag um zehn Uhr sollte er sich im Generalstab melden.

Wie spät es jetzt wohl sein mochte? Von Zeit zu Zeit nahm er die Uhr hervor, aber wenn er auch die Zeiger sah, so konnte er doch nicht mehr erkennen, was die anzeigten. Hin und wieder betrachtete er sehr angelegentlich die Rückseite seiner Uhr, aber das half ihm auch nichts.

Na, zehn Uhr vormittags war es noch nicht — auf keinen Fall, bis dahin hatte er noch viel Zeit, gräßlich viel Zeit.

Es war schon beinahe Morgen, als der Oberst mit den Hauptleuten und Stabsoffizieren aufbrach. Der Kommandeur sah es voraus, daß die Sitzung nur dann ein Ende finden würde, wenn er ihr gewaltsam ein Ende machte. So schickte er denn die Ordonnanzen zu Bett, und wenn die Leutnants, als sie das wenig später merkten, auch noch so sehr fluchten und schalten, es half alles nichts, es gab nichts mehr zu trinken und so blieb auch ihnen nichts anderes übrig, als nach Haus zu gehen.

Ein wahres Glück, daß sie ausschlafen konnten, sie waren am Vormittag alle dienstfrei. Aber zur Bahn bringen wollten sie den Kameraden natürlich doch, das war ganz einfach Ehrensache.

Aber es kam trotzdem natürlich keiner von ihnen und das war auch ganz gut, denn die Hauptperson, der Herr Oberleutnant, kam selbst auch nicht.

Der irrte, als die Kameraden ihn verlassen hatten, ziel- und planlos durch die Straßen der Stadt. Er konnte sich absolut nicht mehr darauf besinnen, wo er wohne, und selbst, als er endlich vor seinem Haus stand, kam ihm das so krumm und schief und infolgedessen so ganz anders vor, daß er es nicht wieder erkannte, sondern seine Schritte weiter lenkte.

Und er irrte herum, bis ihn endlich ein Gefreiter der Wache traf, der die Posten zur Ablösung durch die Straßen der Stadt führte.

„Bringt mich nach Haus,” rief der Oberleutnant den Leuten zu.

Die hatten keine Ahnung, wo der Vorgesetzte, der nicht zu ihrer Kompagnie gehörte, wohnte, auf der anderen Seite aber sah der tüchtige Gefreite ein, daß er den Herrn Leutnant in diesem Zustand nicht allein auf der Straße lassen könne. So nahmen die Leute ihn denn in ihre Mitte, um ihn vor irgend welchem Ungemach zu behüten und geleiteten ihn sicher zur Wachtstube, um dort die nähere Adresse zu erfahren.

Aber auch da wußte man sie nicht, und als man sie endlich in der Kaserne erfuhr, hatte es sich der Herr Oberleutnant inzwischen auf einer Pritsche bequem gemacht und schlief.

Und er schlief so fest, daß es keine Möglichkeit gab, ihn zu erwecken.

Schließlich wurde der Herr Oberst benachrichtigt, und der wiederum benachrichtigte den Stabsarzt. Der erschien bald darauf in der Wachtstube und konstatierte, was alle schon wußten, daß der Herr Oberleutnant fest schliefe.

Aber wach bekam er ihn auch nicht.

Ein Krankenkorb wurde requiriert und vier starke Leute trugen den Herrn Oberleutnant in das Lazarett.

Dort untersuchte ihn der Herr Oberstabsarzt, und der konstatierte, was alle schon lange wußten, daß er fest schliefe.

Aber wach bekam er ihn auch nicht.

Die Ärzte zogen sich angesichts dieses schwierigen Falles zu einer Konferenz zurück, und dort wurden sie sich darüber einig, das klügste zu tun, was sie tun konnten: Sie wollten ihn so lange ruhig schlafen lassen, bis er von selbst wieder wach wurde.

Aber darauf konnten sie lange warten, denn der Oberleutnant dachte, wenn er überhaupt etwas dachte, ganz bestimmt nicht daran, vorläufig seine Augen wieder aufzuschlagen.

Und das hätte auch nicht viel geschadet, wenn nicht inzwischen ein Telegramm aus Berlin mit der Anfrage gekommen wäre, warum der zum Generalstab kommandierte Oberleutnant Hengsberg ohne jede Entschuldigung ausgeblieben sei. Von der telegraphischen Rückantwort würde es abhängen, ob seine Einberufung bestehen bleibe, oder ob man sie rückgängig mache.

Es war unmöglich, die Wahrheit zu verschweigen. So wurde diese nach Berlin gedrahtet, und wenige Stunden später kam der Bescheid, daß man auf das Eintreffen des Herrn Oberleutnant verzichte, und gleichzeitig wurde das Regiment aufgefordert, ihn zu bestrafen.

Der Herr Oberleutnant ahnte nichts von dem Unheil, das über seinem schlafenden Haupte schwebte. Er schlief wie ein Toter, tagaus, tagein, und als er endlich das erste Lebenszeichen von sich gab, bestand das lediglich darin, daß er sich von der rechten auf die linke Seite wälzte und dann ruhig weiter schlief.

Endlich, nach drei Tagen und drei Nächten schlug er die Augen auf, und seine erste Frage war: „Sind wir bald in Berlin?”

Er mochte wohl die ganze Zeit davon geträumt haben, im D-Zug zu sitzen.

Als er endlich wach war, kam das Erwachen in doppelter Gestalt über ihn.

Auf höheren Befehl erhielt er sieben Tage Stubenarrest.

Das war bitter, aber noch viel bitterer war, daß er das Himbeerhöschen nun garnicht anziehen durfte.

Und es hing doch schon im Schrank und war sogar noch nicht einmal bezahlt.

Als er sich zum ersten Mal wieder im Kasino zeigte, wurde er dort sehr herzlich begrüßt. Alle nahmen aufrichtigen Anteil an seinem Geschick und eine Genugtuung hatte er: alle gelobten ihm, seinem Beispiel nicht zu folgen und sich nie und nimmer auf die Kriegsakademie vorzubereiten.

Denn was hatte es für einen Zweck, da zu büffeln, um hinterher in den Generalstab zu kommen, und was hatte man davon, daß man dorthin einberufen wurde, aber trotzdem nicht hinkam?

Auf all diese Fragen konnte nur der Herr Oberleutnant Auskunft geben, aber der schwieg. Was hatte er davon, wenn er den anderen bewies, daß er für seine Person mehr als vollständig genug davon hatte?


zurück zur

Schlicht-Seite