Die Parade.

Von Freiherrn von Schlicht.
in: Der höfliche Meldereiter.


Der Kommandeur des Infanterie­regiments Herzog Adolf, der Oberst von Bohm, saß mit seinem Adjutanten, dem Oberleutnant von Bosse, im Regiments­bureau und regierte. Es war schon ein Uhr mittags, aber trotzdem war an ein Ende der Sitzung noch nicht zu denken, denn heute gab es mehr zu tun als je: morgen war große Parade. Se. Exzellenz, der kommandierende General, der in der großen Handelsstadt seinen Sitz hatte, liebte es, alljährlich einmal über die seinem Kommando unterstellten Regimenter der verschiedenen Waffengattungen, die teils in der großen Handelsstadt, teils in unmittelbarer Nähe derselben in Garnison lagen, die Parade abzunehmen. Das war nicht nur ein Festtag für die Soldateska, für die nach einem alten Wort jede Besichtigung ein Fest sein soll, sondern auch für die ganze Stadt. Wer es irgend konnte, zog hinaus nach dem großen Exerzierplatz, um sich das militärische Schauspiel anzusehen, und auch für die ersten Gesellschaftskreise, in denen die Offiziere häufig und gern gesehene Gäste waren, war es Mode geworden, sich entweder hoch zu Roß oder in eleganten Equipagen dort einzufinden.

Für das Militär waren dem Paradetag natürlich anstrengende Wochen vorausgegangen, und nun galt es für morgen noch zahllose Befehle und Anordnungen zu erlassen.

Es war fast drei Uhr, als es endlich für die beiden Herren nichts mehr zu tun gab. Der Oberst zündete sich seine Zigarre an und hatte schon den Türgriff in der Hand, als er sich im letzten Augenblick noch einmal umwandte.

„Da hätte ich ja fast das Wichtigste vegessen,” sagte er, „ich begreife nicht, wie es mir erst jetzt wieder einfallen kann.”

Er ging ein paarmal im Zimmer auf und ab, gleichsam als suche er nach einer passenden Einleitung zu seiner Rede, dann blieb er plötzlich vor seinem Adjutanten stehen.

„Hören Sie, Bosse, ich habe da gestern ganz zufällig in der Stadt Dinge über Sie gehört — Dinge —”

Der Oberst schwieg und beendete den Satz damit, daß er mit den Augen rollte und die langen Spitzen seines dichten Schnurrbartes zittern ließ. Das war das Stadium, in dem mit dem Kommandeur nicht nur schlecht, sondern überhaupt nicht Kirschen zu essen war, und so bekam der Adjutant denn auch einen heillosen Schrecken.

„Nun sagen Sie mir bloß einmal, einmal, Bosse,” fing er in einem fast kameradschaftlichen Tone von neuem an, „wie kommen Sie nur dazu? Gerade Sie? Von Ihnen hätte ich das am allerwenigsten erwartet, Sie wissen doch wie ich darüber denke, und daß Sie unter diesen Umständen nicht mein Adjutant bleiben können, das müssen Sie doch selbst einsehen.”

Adjutanten pflegen sich so leicht nicht aus ihrer Ruhe herausbringen zu lassen, aber trotzdem machte Leutnant von Bosse jetzt ein mehr als erstauntes Gesicht. Mit großen, starren Augen blickte er seinen Vorgesetzten an, und aus seinen Mienen sprach eine solche grenzenlose Verwunderung, daß sich diese auch auf den Kommandeur übertrug, und daß sich schließlich beide ganz fassungslos ansahen: der Adjutant wurde aus seinem Kommandeur nicht klug, und der Kommandeur begriff nicht, warum sein Adjutant sich so dumm anstellte.

„Na, ist es vielleicht nicht wahr?” fragte der Oberst endlich, wenn auch etwas zögernd.

Noch immer machte der Adjutant ein sehr wenig geistreiches Gesicht. „Ich habe keine Ahnung, wovon der Herr Oberst überhaupt sprechen,” erwiderte er schließlich, „ich verstehe von allem, was der Herr Oberst sagten, keine Silbe, und es ist mir mehr als unklar, warum ich nicht mehr Adjutant bleiben kann.”

Der Kommandeur kannte seinen Adjutanten, der sprach stets die Wahrheit, und so klang seine Stimme denn etwas unsicher, als er jetzt fragte: „Nun, ich denke, Sie wollen sich verloben?”

„Wer sagt das, Herr Oberst?”

Der Adjutant war in seiner Erregung so energisch einen Schritt vorgetreten, daß der Kommandeur unwillkürlich zwei Schritte zurücktrat. „Na, na, beruhigen Sie sich nur,” sagte er, als er bemerkte, daß die Wangen seines Adjutanten sich dunkelrot gefärbt hatten und daß dessen Augen zornig funkelten, „beruhigen Sie sich nur, eine Beleidigung ist es ja schließlich noch nicht, wenn man Ihnen so etwas nachsagt. Wie ich allerdings persönlich darüber denke, wenn meine Offiziere sich verloben, wissen Sie ja. Ich habe die Erfahrung gemacht, daß verheiratete Offiziere sich stets viel mehr für ihre Familie als für den königlichen Dienst interessieren. Aus Liebe zu meinem Dienst bin auch ich Junggeselle geblieben, und ich muß von meinen Offizieren verlangen, daß sie dasselbe Opfer bringen, in erster Linie von meinem Adjutanten. Das war das, was ich auf dem Herzen hatte. Guten Morgen.”

Und ehe der Adjutant sich von seinem Erstaunen erholt und bevor er Zeit zu einer Entgegnung oder zu einer weiteren Frage gefunden hatte, war der Kommandeur fortgegangen — — — er wollte anscheinend eine weitere Aussprache mit seinem Untergebenen vermeiden.

Nicht in der besten Stimmung kam Leutnant von Bosse endlich in seiner Wohnung an, und wie vorhin der Oberst in seinem Bureau, so ging er jetzt in seinem Zimmer unruhig auf und ab. Alles, was ihn beschäftigte, hatte er dem Kommandeur gegenüber in die Frage gefaßt: „Wer sagt das?” und auch jetzt kehrten seine Gedanken immer auf diesen Punkt zurück. Es war ja richtig, er hatte Panchita Tröger, das jüngste Kind des vielfachen Millionärs, der erst kürzlich von „drüben” zurückgekehrt war, ausgezeichnet, wo er nur konnte. Er war der erste gewesen, der in dem gastfreien Hause seinen Besuch gemacht und der dann auf Bitten des Hausherrn dort auch andere Kameraden eingeführt hatte. Er hatte um sie geworben, sich bemüht, ihre Gunst und Zuneigung zu gewinnen, aber bis zur Stunde hatte er noch mit keinem Wort verraten, daß er sie liebe. Und die Welt erzählte schon, daß er sich nächstens mit ihr verloben würde, denn nur von ihr konnte man dem Kommandeur gesprochen haben. Aber etwas Gutes hatte das Gerücht doch. Es sollte und mußte ihm Veranlassung geben, endlich zwischen sich und Fräulein Panchita Klarheit zu schaffen. Er wollte seine Werbung beschleunigen, und aus mancher ihrer Äußerungen, die er sich jetzt in das Gedächtnis zurückrief, glaubte er schließen zu dürfen, daß er ihr nicht ganz gleichgültig sei. Und grenzenlose Freude erfüllte ihn bei dem Gedanken, daß sie einwilligen würde, die Seine zu werden.

Aber in die Freude hinein mischten sich plötzlich trübe Gedanken. Er kannte seinen Oberst zu genau, um nicht zu wissen, daß es dem bitterer Ernst war mit dem, was er sagte. Erst vor vier Wochen war ein Leutnant, der sich verlobt hatte, nach St. Avold versetzt worden, und ihm würde ein ähnliches Los blühen. Bange Zweifel peinigten ihn, ob Panchita einwilligen würde, ihm in eine Gott weiß wie weit entlegene Garnison zu folgen. Er wußte, wie sie die große Stadt mit den vielfachen Vergnügungen und Zerstreuungen liebte. Würde ihre Liebe, wenn sie überhaupt Liebe für ihn empfand, so groß sein, daß sie seinetwegen auf alles, was sich ihr bot, verzichtete?

Er war todmüde, als er sich am Abend endlich schlafen legte, aber trotzdem lag er noch lange wach und dachte an Panchita, die er morgen bestimmt auf der Parade zu sehen hoffte. Endlich, endlich schlief er ein, aber schon nach kurzer Zeit weckte ihn der Bursche wieder, der Dienst rief, und nachdem er sich schnell angekleidet und gefrühstückt hatte, schwang er sich in den Sattel.

Als er den Exerzierplatz erreichte, hatte sich dort schon eine große Zuschauermenge eingefunden, aber vergebens sah er sich nach einem Mitglied der Familie Tröger um. Er blickte auf seine Uhr: wenn sie überhaupt noch kommen wollten, mußten sie bald erscheinen; denn nach dem Eintreffen der Truppen, denen die Adjutanten aus dienstlichen Gründen vorausgeritten waren, wurde der Zugang zu dem Platz abgesperrt. Endlich, im letzten Augenblick wurden Trögers sichtbar — schon von weitem erkannte Leutnant von Bosse den selten schönen Apfelschimmel, den der alte Herr mit Vorliebe zu reiten pflegte, und an seiner Seite entdeckte er eine schlanke, elegante Reiterin, die tadellos auf ihrem Rappen saß.

Und neben den beiden ritt niemand anders als sein Oberst.

Leutnant von Bosse traute zuerst seinen Augen nicht. „Wo haben die sich nur kennen gelernt?” fragte er sich, und schon wollte er zu den Dreien hinreiten und sie begrüßen, als der Oberst mit freundlichem Händedruck sich von ihnen verabschiedete.

„Schade, sehr schade,” dachte Leutnant von Bosse, „nun muß ich wenigstens bis nach der Kritik warten, ehe ich Trögers begrüßen kann.” Und mit sehnsüchtigen Augen sah er der Reiterin nach, die ihm bisher zufälligerweise stets den Rücken gekehrt hatte, und seine Hoffnung, daß er einen Blick von ihr erhaschen würde, ging leider nicht in Erfüllung.

„Übrigens charmante junge Dame,” sagte der Oberst, als sich sein Adjutant bei ihm gemeldet hatte, zu diesem, „und sie versteht etwas vom Reiten. Als ich bei ihr vorbeitrabte, machte sie mich darauf aufmerksam, daß der Bursche, dem ich nachher beide Ohren abschneiden werde, die Zügel falsch eingeschnallt hatte. Ein Wort gab das andere, ich ritt mit ihnen zusammen und stellte mich ihnen natürlich vor. Daß ich neugierig war, die junge Dame kennen zu lernen, ist ja selbstverständlich. Einen verteufelt guten Geschmack haben Sie übrigens, Bosse, das muß der Neid Ihnen lassen, und wenn ich anders dächte, als ich denke, — Donnerwetter, hierher die Musik — hierher!” unterbrach er sich plötzlich, und sich in den Bügeln hoch aufrichtend, winkte er mit der Rechten dem Tambourmajor seines Regiments, das nun herankam.

„Der Mensch ist wieder einmal blind — reiten Sie hin, aber galopp, und dirigieren Sie den Dirigenten.”

Leutnant von Bosse ritt davon, und wenig später stand das Regiment mit den anderen Truppenteilen in Parade­aufstellung. Und pünktlich auf die Minute erschien Seine Exzellenz: er ritt mit seiner Suite die einzelnen Fronten ab und ließ dann die Regimenter im Parademarsch vorbeidefilieren. Und da zeigte sich wieder einmal, daß mit des Geschickes Mächten kein ew'ger Bund zu flechten ist, alles Üben hatte nichts genützt; als die erste Kompagnie des Infanterie­regiements Herzog Adolf vorbeikam, hatte diese keinen Tritt. Woran lag das? Hatte der Hauptmann das „Frei weg” auf den falschen Fuß kommandiert? War der Tritt erst unterwegs verloren gegangen? Wer konnte das sagen? Genug, die eine Hälfte der Manschaften warf das linke, die andere Hälfte gleichzeitig das rechte Bein in die Höhe. Schön war das militärische Schauspiel nicht, nur einer hatte nichts daran auszusetzen, das war der Herr Hauptmann, der in stolzer Haltung seiner Kompagnie vorausritt und von dem, was sich hinter seinem Rücken zutrug, nicht das geringste sah. Der Oberst, der neben Seiner Exzellenz hielt, hätte am liebsten beide Hände vor das Gesicht geschlagen und bitterlich geweint, aber er mußte still und unbeweglich neben den hohen Vorgesetzten halten, und während er mit dem einen Auge der ersten Kompagnie einen vernichtenden Blick nach dem andern zuwarf, sah er mit dem anderen den Vorgesetzten heimlich von der Seite an, was der wohl zu dem Parademarsch sagen mochte!

Aber Exzellenz sagte merkwürdigerweise gar nichts. Seine Aufmerksamkeit war durch etwas anderes in Anspruch genommen.

Von dem Platz her, auf dem die Equipagen und Reiter hielten, gellten auf einmal erschrockene Stimmen. Das Pferd einer Reiterin war scheu geworden, es schlug wie rasend um sich und stürmte dann in wahnsinniger Pace über den großen Exerzierplatz. Vergebens war es, daß einige Kavaliere der Reiterin nachritten — der Rappe legte ein so rasendes Tempo vor, daß die anderen Pferde weit zurückblieben.

„Donnerwetter, die hat aber einen guten Sitz,” sagte Exzellenz bewundernd, „die bekommt den Gaul sicher wieder in ihre Gewalt.”

Diese Worte veranlaßten den Herrn Oberst, auch seinerseits einen Blick zur Seite zu werfen, und was er sah, ließ sein Blut fast erstarren: die Reiterin war Fräulein Tröger, und sie stürmte gerade auf seine Regimentsmusik los, die jetzt zur Seite abgeschwenkt war und Aufstellung genommen hatte. „Hoffentlich gerät sie nicht in die große Trommel,” dachte der Oberst, und die Musik schien ähnliches zu befürchten. Sie suchte dem Pferd, das bald in ihren Reihen sein mußte, beizeiten auszuweichen, und löste sich zu diesem Zweck in kleine Trupps auf. Aber bei diesem Auseinanderziehen ging auch der Takt auseinander, von dem richtigen Tempo, hundertvierzehn in der Minute, war nicht mehr die Rede, und so kam nicht nur die erste, sondern auch die zweite und dritte Kompagnie ohne Tritt vorüber.

„Und die hat der Bosse nun heiraten wollen,” dachte der Oberst. „Ein wahres Glück, daß ich da beizeiten ein Veto eingelegt habe. Soviel aber weiß ich, wenn der Bosse es zugibt, daß der Gaul wirklich in die Musik hineinkommt, dann ist er auch, ohne daß er heiratet, die löngste Zeit mein Adjutant gewesen.”

Und der Adjutant schien die Gedanken seines Herrn zu erraten: von seinem reglementsmäßigen Platz neben der Regimentsmusik hatte er mit Erstaunen und Schrecken den wilden Ritt der Dame beobachtet. Um ein großes Unglück zu verhüten, schickte er sich jetzt an, aus dem Sattel zu springen und dem Gaul in die Zügel zu fallen, aber im letzten Augenblick gelang es der Reiterin, die nicht eine Sekunde ihre Ruhe verloren hatte, das Pferd wieder in die Gewalt zu bekommen und dahin zu lenken, wohin sie es wollte.

Die Gefahr war beseitigt, die Musik zog sich wieder zusammen, der Taktstock brachte wieder Ordnung in das wilde Chaos der Töne, und im strammsten Parademarsch rückten die anderen Kompagnien vorbei.

„Na, habe ich es nicht gleich gesagt,” wandte sich Excellenz freudestrahlend zu seiner Umgebung, „die kann reiten. Da muß unsereins einfach die Hand an den Helm legen und stillstehen.”

Excellenz freute sich, daß er mit seiner Behauptung, die Reiterin würde ihr Pferd allein schon wieder in die Gewalt bekommen, recht behalten hatte, und in bester Laune wandte er seine ganze Aufmerksamkeit nun wieder den Mannschaften zu. Und was er da zu sehen bekam, stimmte ihn erst recht froh: „Tadellos, Herr Oberst, — ta — del — los! — habe ich allerdings auch nicht anders von Ihnen erwartet. Gratuliere, Herr Oberst, Ihr Regiment hat seine Sache sehr, sehr gut gemacht.”

„Auf jede Kritik war ich vorbereitet, auf die nicht!” dachte der Oberst. Das hohe Lob, das er geerntet, machte ihn ganz wirr und konfus, und fast wie im Traum ritt er zu seinem Regiment zurück, als Exzellenz ihn jetzt entließ. Er befand sich in einer so glückseligen Stimmung, wie seit Jahren nicht, denn das Lob und die Anerkennung aus dem Munde der Vorgesetzten ist ja die höchste Belohnung, die einem Soldaten zuteil werden kann.

Und in seiner glückseligen Stimmung dachte er mit einemmal ganz anders über die Heirat seines Adjutanten. Schließlich war die junge Dame, wenn auch nur indirekt, die ganze Veranlassung zu der schönen Kritik. Wäre ihr Gaul nicht durchgegangen und hätte sie nicht so tadellos geritten, dann hätte Exzellenz unbedingt den miserablen Parademarsch der ersten Kompagnie bemerkt, dann hätte er ihn bemerken müssen, und dann wäre die gute Laune des hohen Herrn zum Teufel gewesen. Der schlechte Eindruck, den die erste Kompagnie gemacht, hätte selbst für den Fall, daß die anderen gut gewesen wären, keine Anerkennung aufkommen lassen, denn die erste Kompagnie muß die beste sein. So winkte er denn jetzt, einem plötzlichen Impulse folgend, seinen Adjutanten zu sich heran. „Ich habe es mir überlegt, die Dame macht eine Ausnahme, die hat Mut und Temperament und alles Zeug zu einer tüchtigen Soldatenfrau. Ausnahmsweise will ich einmal eine Ausnahme machen, zumal Sie selbst ja auch nicht mehr so jung sind; Sie können sich meinetwegen mit der jungen Dame verloben und mein Adjutant sollen Sie auch bleiben.”

Der Adjutant machte ein sehr erstauntes Gesicht, er konnte sich den plötzlichen Umschwung in der Gesinnung seines Vorgesetzten nicht so recht erklären, dann aber sagte er: „Der Herr Oberst sind sehr liebenswürdig, aber die Sache hat, wenn ich mich so ausdrücken darf, einen doppelten Haken: erstens weiß ich noch gar nicht, ob die Dame, mit der ich mich verloben möchte, mich wiederliebt, und zweitens ist diese junge Dame gar nicht die richtige.”

„Nanu?” fragte der Oberst verwundert. „Die Reiterin war doch Fräulein Tröger?”

„Das wohl,” stimmte der Adjutant ihm bei, „aber diese war die ältere Schwester, Fräulein Juanita, während ich die jüngere, Fräulein Panchita, liebe.”

„So, so, das ist dann allerdings etwas ganz anderes,” entgegnete der Oberst nach kurzem Besinnen, und dann setzte er nach einer kleinen Pause hinzu: „Was für die eine junge Dame gilt, gilt selbstverständlich nicht so ohne weiteres auch für die andere, die muß ich natürlich auch erst kennen lernen, und solange ziehe ich meine Erlaubnis wieder zurück.” Und abermals nach einer kleinen Pause fuhr er fort: „Wissen Sie, es tut mir eigentlich leid, daß es diese nicht ist — — — wie ist denn die andere?”

„Das ist sehr schwer mit kurzen Worten zu beantworten,” erwiderte der Adjutant ausweichend. „Wenn ich mir ganz gehorsamst eine Bemerkung erlauben dürfte, dann glaube ich, daß der Herr Oberst sich am besten ein Urteil über die junge Dame im persönlichen Verkehr bilden werden. Trögers würden sicher sehr glücklich sein, wenn Herr Oberst bei ihnen verkehren würden.”

„Ja, ja,” pflichtete der Kommandeur ihm bei, „da haben Sie vielleicht recht, nun — qui vivra verra.”

Und die da leben blieben, bekamen etwas zu sehen, worauf sie absolut nicht gefaßt waren: Verlobungskarten, auf denen der alte Tröger anzeigte, daß seine Tochter Juanita sich mit dem Herrn Oberst, und daß seine Tochter Panchita sich mit dem Adjutanten verlobt habe — nein, nicht mit dem Adjutanten, sondern nur mit dem Oberleutnant von Bosse. Denn mit der Adjutanten­tätigkeit war es vorläufig, bis er Brigade­adjutant wurde, für den Herrn Ober aus. Zwar soll der Oberst, wie man sagt, mit seinem Adjutanten verheiratet sein und mit diesem in einer glücklichen militärischen Ehe leben, aber die militärische Ehe ist im Gegensatz zu der Zivilehe nicht nur unter Blutsverwandten, sondern auch unter angeheirateten Verwandten verpönt.


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