Humoristischer Abend
des Vereins „Berliner Presse”
am 17.Januar 1901.


„Berliner Tageblatt” vom 6.1.1901:

Verein „Berliner Presse”. Das Programm für den diesjährigen Vortragscyklus des Vereins „Berliner Presse” ist nunmehr festgesetzt. Am 10.Januar beginnt, wie bekannt gegeben, der Breslauer Kunsthistoriker Richard Muthes mit einem Vortrag über die moderne französische Kunst. Es folgt am 17.Januar ein humoristischer Abend mit Julius Stinde und dem Freiherrn v. Schlicht. Der 7. Februar ist drei jungen Dramatikern gewidmet: Rudolf Huch, Rudolf Presber und Erich Schlaikjer. Am 21. Februar werden drei beliebte Münchener Autoren das Podium betreten: Ludwig Ganghofer, Freiherr Fritz v. Ostini und Benno Rauschenegger. Am 28. Februar findet ein Erzählerabend statt, ausgefüllt durch den Freiherrn Georg v. Ompteda, den Freiherr Karl v. Perfall und Paul Oskar Höcker. Den Schluß bildet ein Damenabend, an dem neben Anna Ritter und Klara Viebig Gabriele Reuter zum ersten Male als Vorleserin vor dem Berliner Publikum erscheinen wird.

„Berliner Tageblatt” vom 11.1.1901:

Der zweite Vortragsabend des Vereins Berliner Presse, ein humoristischer Abend, findet am 17. Januar statt. Es werden sprechen Herr Dr. Julius Stinde und der unter dem Namen Freiherr v. Schlicht bekannt Militärhumorist Graf Baudissin aus Dresden.

„Berliner Tageblatt” vom 13.1.1901:

Pressefest und Pressevortrag. Die eine der beiden Damenspenden, die auf dem am Sonnabend, 26.Januar, in der Philharmonie stattfindenden Ballfest des Vereins Berliner Presse zur Vertheilung gelangen soll, wird den literarischen Charakter des veranstaltenden Vereins ganz besonders zur Geltung bringen. Im Gegensatz zu früheren Jahren hat das Komitee dieses Mal längst verstorbene, ehemalige Kollegen angerufen, um den Ballbesuchern ein bleibendes Erinnerungszeichen überreichen zu können. Die Minnesänger des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts und die Volksdichter der späteren Zeit haben ihre schönsten Lichter [recte wohl: Lieder! D.Hrsgb.] und Gedichte hergeben müssen, zu denen Franz Staßen auf den Inhalt bezügliche Randleistem gezeichnet hat. Eine besondere Freude wird das von einem gerade auf diesem Gebite hervorragenden Künstler angefertigte ex-libris-Zeichen bereiten — Der Billetverkauf durch Herrn Dr. Georg Wasner findet vom Montag ab täglich statt, und zwar Nachmittags von 5-7 Uhr in den Klubräumen des Vereins, Charlottenstraße 37 (Fahrstuhl).

Der humoristische Abend des Vereins Berliner Presse am nächsten Donnerstag wird durch Dr. Julius Stinde eingeleitet werden. Nach dem Verfasser der „Wilhelmine Buchholz” wird Freiherr v. Schlicht (Wolf Graf Baudissin) auf dem Podium erscheinen. Freiherr v. Schlicht, der bisher noch nicht in Berlin vorgelesen hat, wird vier Militärhumoresken: „Ein Adjutantenritt”, „Der stumme Kerl”, „Meiers Nase” und „Das Besichtigungsessen” zu Gehör bringen.

„(Berliner) Volkszeitung” vom 15.1.1901:

Der humoristische Abend des „Vereins Berliner Presse” am nächsten Donnerstag wird durch Dr. Julius Stinde eingeleitet werden. Sodann wird Freiherr von Schlicht (Wolf Graf Baudissin) auf dem Podium erscheinen. Freiherr von Schlicht, der bisher noch nicht in Berlin vorgelesen hat, wird vier Militärhumoresken: „Ein Adjutantenritt”, „Der stumme Kerl”, „Meiers Nase” und „Das Besichtigungsessen” zu Gehör bringen. Eintrittskarten sind in den Buchhandlungen von Amelang, Potsdamerstr. 126, Lazarus, Friedrichstr. 66, Speyer und Peters, Unter den Linden 43, Trautwein, Kurfürstenstr. 88, Woyte, Potsdamerstr. 13 und im Berliner Presseklub, Charlottenstr. 37 (Fahrstuhl) zu haben.

„Berliner Lokal-Anzeiger” vom 16.1.1901:

Der humoristische Abend des „Vereins Berliner Presse” am Donnerstag wird durch Dr. Julius Stinde eingeleitet werden. Nach dem Verfasser der „Wilhelmine Buchholz” wird Freiherr von Schlicht (Wolf Graf Baudissin) auf dem Podium erscheinen. Freiherr v. Schlicht, der bisher noch nicht in Berlin vorgelesen hat, wird vier Militärhumoresken: „Ein Adjutantenritt”, „Der stumme Kerl”, „Meiers Nase” und „Das Besichtigungsessen” zu Gehör bringen.

„Berliner Tageblatt” vom 17.1.1901:

Der humoristische Abend, den der Verein „Berliner Presse” am Donnerstag veranstaltet, wird um so interessanter werden, als beide zu Wort kommende Humoristen, Julius Stinde wie Graf Baudissin (Freiherr v. Schlicht), Schleswig-Holsteiner sind. Dr. Stinde wird sich an diesem Abend denn auch auf den Boden seiner Heimath stellen und in einer Erzählung aus dem Ostholsteinischen, „Die Flaschenbrüder”, ein Stück niederdeutschen Lebens mit seinem Ernst und eigenthümlichen Humor schildern.

„Berliner Tageblatt” vom 18.1.1901:

Der gestrige Vortragsabend des Vereins Berliner Presse stand im Zeichen des Humors. Dr. Julius Stinde las mit liebenswürdiger Behaglichkeit die zum großen Theil in seinem Heimathsidiom, dem Altholsteinischen, geschriebene Humoreske „Die Flaschenbrüder”, aus der Novellensammlung „Ut'n Knik”, vor. Die Gestalten in dem wohlhabenden Pfarrdorfe, besonders der weltfremde kindlich fromme Pfarrer Bernardus, seine strenge Wirthschafterin, der alte Schäfer und die beiden Saufbrüder sind prachtvoll nach der Natur gezeichnete Gestalten. Anziehend ist die junge Frau Pastorin, der in thatkräftiger Liebe gelingt, was Pfarrer, Amtsvorsteher und Polizei vergeblich versucht haben: die Trinker, ein paar prächtige, kernhafte Kerle, zu einem geordneten Leben zurückzuführen.

Militärhumoresken las Freiherr v. Schlicht (Graf Baudissin) vor. „Ein Adjutantenritt” schildert höchst ergötzlich die Aufregung, die entsteht, als man bei einer Manöverübung einen Adjutanten Seiner Exzellenz, des kommandirenden Generals, über das Blachfeld [recte wohl: Schlachtfeld! D.Hrsgb.] einem entfernten Gehöft zu gallopiren sieht. Die einzelnen Bataillonskommandeure senden nun gleichfalls ihre Adjutanten aus, um schnellstens die Angriffsbefehle zu erhalten und auszuführen und nach der athemlosen Rückkehr der Herren zu erfahren: daß der Höchstkommandirende den Adjutanten nur ausgesandt hatte, um bei seinem Burschen zu erfragen, wohin er die Cigarrentasche Seiner Exzellenz gesteckt habe, die dieser nicht gleich finden konnte. Die Leiden und Freuden des Paradedrills und des Kasernenhofes wurden in „Der stumme Kerl” und „Meyers Nase” geschildert. Besonders die letzte kleine Geschichte erregte stürmische Heiterkeit, weil sie all die Leiden schildert, die Rekrut Meyer und sein Offizier vom Hauptmann zu erdulden hatten, weil Meyer seine Nase immer schief über der Knopfreihe hielt, bis sich endlich herausstellte, daß die Rockknöpfe schief angenäht und also die Nase unschuldig sei. Den Schluß machte eine lustige Kneipgeschichte „Das Besichtigungsessen”. Das sehr zahlreiche Publikum quittirte mit reichem Beifall über den vergnügten Abend.


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© Karlheinz Everts