Aufführung des Fürstl. Theaters Rudolstadt in Jena |
4., 16.Okt. 1903, 3., 6., 15.Jan., 25.Febr. 1911 |
Besetzungsliste: | ||
1903 | 1911 | |
Fabrikant Wiedebrecht.
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Siegfried Bruck |
Herr Dir. Horwitz |
„Jenaer Volksblatt” vom 4.Okt.1903:
Auf die morgen Sonntag abend beginnende Theater-Saison machen wir auch an dieser Stelle aufmerksam. Herrc Direktor Lüder bietet die Novität „Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Akten von Schönthan und Schlicht. Der Billetverkauf findet wieder bei Herrn C.Meyer am Kreuz statt.
„Jenaer Volksblatt” vom 6.Okt.1903:
Stadttheater. Unser einheimischer Musentempel hat gestern abend seine Pforten wieder aufgetan und ein schöner, wohlverdienter Erfolg war den fleißigen Künstlern und Leitern uneres Kunstinstituts beschieden. Die Darstellung der Novität „Im bunten Rock”, eines Lustspiels von Frz. von Schönthan und Freiherr von Schlicht, gewann das ausverkaufte Haus ebenso im Sturme, wie der fesche Leutnant Viktor von Hohenegg das Herz der schönen Missis Anny Clarkson; da war alles lobenswert, Zusammen- wie Einzelspiel, und auch der theatralische Apparat funktionierte vortrefflich. Wahrlich, ein guter Anfang, der eine recht gute Saison verspricht! Es wird sich später noch Gelegenheit finden, auf die einzelnen Darsteller und ihre Leistungen näher einzugehen, für heute wollen wir nur unsere Freude aussprechen, daß wir in den Damen Fräulein Upton (Anny Clarkson) und Fräulein Breitkopf (Betty von Hohenegg), sowie in den Herren Bruck (Fabrikant Wiedebrecht), Pape (Hans), Pustar (Leutnant Viktor), Mahnke (von Gollwitz), Grell (von Troßbach) und Rathen (Sergeant Krause) eine Auswahl von Kräften besitzen, deren guter Humor, frische Natürlichkeit und theatralische Gewandtheit noch manche genußreiche Stunde in Aussicht stellen.
Auch die Wahl des Stückes war — vom Standpunkt der Direktion aus — eine glückliche. Die Verfasser spekulieren auf die Popularität des bunten Rocks, und ist auch die Handlung nur lose gefügt, so wirken doch die mit Kasernenhofblüten und militärischer Schneidigkeit reichlich ausgestatteten Szenen trotz mehrerer Anklänge an berühmte und unberühmte Muster recht erquickend. Eigentlich ist das Stück mit dem zweiten Akte zu Ende, aber die Autoren haben sich für den dritten noch einige lustige Auftritte und für den Schluß einen großartigen Effekt aufbewahrt: Krieg im Frieden auf der Bühne, Signale, Gewehrfeuer, Soldaten im Marsch, eine ganze Militärkapelle zieht mit klingendem Spiel vorbei — natürlich fällt der Vorhang unter dem begeisterten Jubel eines enthusiasmierten Publikums!
Auf die Handlung des Lustspiels näher einzugehen, ist nicht vonnöten, es genügt zu sagen, daß in dem Stück ein flotter Leutnant die Liebe einer reichen amerikanischen Erbin erobert, die ursprünglich nach Deutschland gekommen ist, um einen Grafen oder Fürsten zu heiraten. Aber ein Bedenken dürfen wir nicht zurückhalten. Das Lustspiel stellt sich im Grunde dar als eine Verherrlichung des Militarismus, eine Glorifikation des preußischen Leutnantismus, und erscheint insofern leider geeignet, die blinde Anbetung einer Institution noch zu steigern, die doch selbst im besten Falle als notwendiges Uebel und schweres Opfer betrachtet werden muß. Der uns vorgeführte Leutnant ist natürlich der bekannte alles vermögende Idealheld der Backfische und Frauenromane, die Studien dazu sind sicherlich nicht auf dem Kasernenhofe gemacht worden oder die Figur würde anders ausgefallen sein. Und doch — selbst in diesem Sonntagsrocke verleugnet sich der enge Geist des Militarismus nicht und der ernstere Zuschauer sieht hinter dem Sergeanten Krause mit bitterem Gefühl die düsteren Gespenster der Breitenbach und Genossen vor seinem geistigen Auge emporsteigen. Zeigt uns den Offizier und Soldaten auf dem Exerzierplatze, zeigt ihn uns im Ernste in dem vollen Milieu der Kaserne und der von ihr ausgehenden Atmosphäre, zeigt uns die gerühmte Schneidigkeit in ihrer dienstlichen Funktion — und ich bin überzeugt, ein anderes Bild wird vor uns erstehen, ein Bild, das uns zeigt, wie das wenige Licht dieser Institution von finsteren Schatten verdunkelt wird, die unsere harmlose Bewunderung, die Freude am Bunten und Farbigen, in jene ernste kritische Stimmung verkehren, aus der vielleicht mit der Zeit die so dringend wünschenswerte Reform der durch die Soldatenmißhandlungsprozesse so grell beleuchteten Mißstände hervorgeht.
Die Ausstattung und Inszenesetzung verdient volle Anerkennung, ebenso wie die flotte und mit der Vorstellung ausgezeichnet harmonierende Musik. Der Zuschauerraum erstrahlte zum erstenmal im blendenden Glanze elektrischer Beleuchtung
„Jenaische Zeitung” vom 3.Jan. 1911:
Jena, 2.Jan. (Stadttheater.)
Im Abonnement A. 17 geht am Dienstag zum ersten Male eines unserer schönsten deutschen Lustspiele: „Im bunten Rock” in Szene. Dasreizende Stück, welches aus der Feder der beiden berühmten Schriftsteller Franz v. Schönthan und Freiherr v. Schlicht stammt, hat nicht nur einen äußerst genußreichen literarischen Wert, sondern ist auch reich an überlustigen Szenen. „Im bunten Rock” steht alljährlich auf dem Spielplan aller ersten Hof- und Stadttheater und wird auch bei uns unter der vorzüglichen Einstudierung des Herrn Direktor Horwitz großen Beifall finden.
„Im bunten Rock” erlebte auch im Residenztheater Weimar unter Leitung des Herrn Direktor Horwitz vorigen Sommer mehrere Aufführungen, welchen der Autor Freiherr von Schlicht persönlich beiwohnte; er war über die Aufführung so entzückt, daß er an die Direktion ein größeres Dankschreiben richtete, das wir auch seinerzeit in unserer Zeitung zum Abdruck brachten.
„Jenaer Volksblatt” vom 5.Jan. 1911:
Stadttheater.
„Im bunten Rock”, Lustspiel von Paul Schönthan und Freiherrn v. Schlicht.
Das war so etwas, wie es dem Publikum von heute gefällt, — wie es auch dem von gestern und vorgestern und zu unserer Eltern Zeiten auch schon gefiel. Ein flottes Leutnants-Liebesstück mit Soldatenwitzen . . . . es müßte kein deutsches Gemüt sein, dem das nicht in Augenblicken den Mut höher schwellen ließe, — ohne den Gewaltsamkeiten und Unmöglichkeiten der Handlung näher nachzugehen, ohne daran zu denken, daß das Ding da ebensogut „Der Veilchenfresser” oder „Husarenfieber” usw. heißen könnte. Und es wurde flott gespielt, auch sogar stellenweise recht gut gespielt; man amüsierte sich und hatte einen Theaterabend.
Direktor Horwitz, der eine seiner amüsanten Väterrollen spielte, hatte das ganze Schauspielpersonal um sich geschart, deren Leistungen im einzelnen zu nennen, die Bedeutung des Stückes nicht verlangt.
Nur drei besondere Lichtblicke gab's für den Feinschmecker: 1. wie Fräulein Lentz nach ihrer temperamentvollen Absage an den Liebhaber sich von ihm wiedergewinnen läßt; das war ein schauspielerisches Kabinettstück. 2. Wie Fräulein Hold als Zofe Jeanette aussah: entzückend. 3. Der Witz, den Fräulein Lotter zu sagen hatte: „ein poetischer Leutnant? Da mußt Du an einen Reservefritzen geraten sein.”
Im übrigen kommt für die Freude an einem solchen Stück alles darauf an, was der einzelne Zuschauer vom Theater überhaupt verlangt: Erhebung oder Unterhaltung? Die Kritik hat im allgemeinen dazu nichts zu sagen.
Epimetheus.
„Jenaische Zeitung” vom 6.Jan. 1911:
Jena, 5. Jan.
(Aus dem Bureau des Stadttheaters.) Zum zweiten Male und zwar im Abonn. C. Nr. 16 geht morgen Freitag das schöne Lustspiel: „Im bunten Rock”, welches bei der ersten Aufführung am Dienstag einen äußerst großen Erfolg erzielte, in Scene.
Jena, 3.Jan.
„Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Akten von Franz v. Schönthan und Frhrn. von Schlicht. Rezept: Man mische ein paar Stücke wie „Militärfromm”, „O diese Leutnants” und „Veilchenfresser” gut durcheinander, und setze Schlichtschen Humor und Schönthansche Bühnenroutine hiezu, so erhält man ein unterhaltendes, liebenswürdiges Lustspiel, dem die Verfasser den Titel „Im bunten Rock” gegeben haben. Der Inhalt ist, in wenig Worten ausgedrückt, ein Liebeswerben um eine verwitwete Dollarkönigin. Um diese Haupthandlung gruppieren sich eine Anzahl kleiner lustiger Episoden, die, obwohl größtenteils nicht mehr ganz neu, doch in ein so lustiges Gewand gekleidet sind, daß sie den Zweck, dem Publikum einen unterhaltenden Theaterabend zu bieten, voll erfüllen. Die Aufführung war gut vorbereitet und zeigte das Schauspielensemble, das unter der Ungunst der Verhältnisse leider hier gar nicht in dem Maße, wie wir es wünschen möchten, zur Geltung kommt, wieder auf erfreulicher Höhe.
Vor allem bot Frl. Lentz (Anny) eine ganz vorzügliche Leistung. Mit einer schönen äußeren Erscheinung verband sie soviel Laune und wußte das Deutsch-amerikanisch so neckisch wiederzugeben, daß man ihr aufrichtigen Beifall spenden konnte. Auch Herr Hensel (Hans) spielte wieder recht natürlich. Herr Keister (Victor) hielt sich anerkennenswerter Weise von der Schablone, mit der die preußischen Theaterleutnants gewöhnlich dargestellt zu werden pflegen, frei. Herr Süßenguth (von Gollwitz) gab seiner Rolle den Anstrich von etwas derb Komischem und ließ besonders in der Sprechweise den eleganten Kavalier und Plauderer vermissen. Herr Direktor Horwitz (Wiedebrecht) war von köstlichem Humor in der Besorgnis um sein geliebtes Hänschen, den Herr Martini (Krause) in einer den echten Kasernenton abgelauschten Weise drillte und „zwiebelte”. Von den übrigen Darstellern seien noch Frl. Lotter als munteres Soldatenkind (Betty), Herr Eggers (v.Troßbach), der hoffentlich in Zukunft eine etwas passendere Mütze im reichen Fundus des Stadttheaters finden wird, Fr. Roegen und Herr Hold mit einem Gesamtlob bedacht.
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© Karlheinz Everts