Programm des Kabaretts
Simplicissimus in Köln
Besprechung im Kölner Tageblatt vom 8. Juni 1923


Im Simplicissimus

kann man bei einem ausgezeichneten Programm auf ein paar Stunden Hohe Politik, Valuta und Lohnpolitik vergessen, wenn Hellmuth Krüger in demosthenischer Beredtsamkeit die Ereignisse des Tages und sich selbst glossiert. Bodo Serp als Conferencier und Paul Gerald als Chansonnier leisten ihm gut Hilfsstellung. Der Höhepunkt des Abends bleibt in jedem Falle die schlichte Erscheinung des Freiherrn von Schlicht (Graf Baudissin), der immer noch mit dem monokelgewohnten Auge des Linienleutnants Liebe und Frauen mit ihren kleinen und großen Spezies bekrittelt, belächelt und dabei plaudert, entzückend plaudert, sodaß man diesem Fachmann glauben muß. Joachim und Juliana v. Delbrück geben im Zwiegesang schlichten Volksweisen ihr Recht. Neue Sänge vom Wolgastrand, vom Norden und Lustiges aus Oberbayern, malen Genrebilder in Spitzwegscher Manier. Die Geigerin Marynia Krauß mit einem Mozartmenuett und Drdlas „Souvenir” sowie Ursula Manon als Stimmphänomen fügen sich in den Rahmen des Programms gut ein. Konzertsänger Langen und das Tänzerpaar Maria Herzog und Normann stehen in nichts nach. Dagegen überragt der sächsische Komiker Paul Hickethier das gewohnte Maß, mit dem man sonstens am Kabarett mißt. Man lacht, lacht, und das genügt. Hermann Klauenberg, Tierstimmenimitator und Dialektsprecher erspart allen nicht Valutastarken Sommerfrische und Jagdausflug nach Garmisch, Rottach oder Brunshaupten. Und das lohnt sich.



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© Karlheinz Everts