Humoristisch-satirische Plauderei von Freiherr von Schlicht
in: „Wenn Frauen lieben”
Frau Stella von Bergowitz, eine etwas mehr als mittelgroße, schlanke, elegante Blondine mit lachenden blauen Augen im Alter von zweiundzwanzig Jahren, sitzt, wie alltäglich um diese Stunde, an dem Fenster ihres Salons, von dem aus sie die Straße, die zu der weit entfernt liegenden Kaserne führt, übersehen kann und wartet auf ihren Mann, der nach ihrer Ansicht eigentlich schon längst vom Dienst zurück sein müßte. Natürlich hat sie keine Ahnung, wie lange der Dienst dauern soll, das ist ja bei einem Offizier auch zu verschieden, denn der Dienstzettel wechselt täglich. Was hat es da für einen Zweck, erst zu fragen: „Wann kommst du heute nach Hause?” Man würde es ja doch nur vergessen.
Aber trotzdem, eigentlich müßte ihr Egon schon längst wieder vom Dienst zurück sein, schon deshalb, weil sie sich nach ihm sehnt, weil sie seine Rückkehr wünscht, denn sie hat ihren Mann doch über alles lieb und wenn Frauen lieben — —
Und mit einem Male denkt sie sehr ernsthaft darüber nach, was die Frauen alles tun, wenn sie lieben und sie kommt zu der Erkenntnis, daß sie dann zu jedem Opfer, zu der größten heroischen Tat bereit sind. Frau Stella erinnert sich einer kleinen Erzählung, die sie kürzlich in ihrer Zeitung las: Ein Opfer. Da handelte es sich darum, daß eine früher sehr bekannte und sehr begehrte Kokotte einem von ihr geliebten Mann jedes Opfer bringt, um ihm zu beweisen, daß sie ihn selbstlos liebt — sie verkauft ihren berühmten Schmuck und übergibt den hieraus erzielten Betrag den Armen, sie verläßt das Palais, das ein reicher Verehrer ihr schenkte, und zieht in eine ärmliche Mietswohnung, sie verweigert jede Unterstützung und ernährt sich kümmerlich durch die Anfertigung künstlicher Blumen, sie tut alles, sie bringt jedes Opfer. Aber als sie das letzte bringen soll, als der Geliebte sie bittet, abends ins Theater zu kommen, ihre frühere Loge zu betreten und bei dieser Gelegenheit eine grüne Brille zu tragen, die sie, wenn auch nur für wenige Minuten, auf das furchtbarste entstellt, da schickt sie eine Vertraute aus früheren Tagen in die Loge, denn das Opfer kann keine Frau einem Mann bringen, daß sie sich seinetwegen unvorteilhaft angezogen zeigt.
Frau Stella lächelt vor sich hin — trotzdem sie allein ist, ein wenig kokett und siegesbewußt. Wie wenig doch der Verfasser der kleinen Erzählung die Frauen kennt. Sie selbst würde an Stelle der Heldin nicht davor zurückgeschreckt sein, auch das letzte Opfer zu bringen, sie wäre auch mit der grünen Brille auf der Nase im Theater erschienen und wenn ihr Egon das jemals aus irgendeinem Grunde von ihr verlangen sollte, nicht eine Sekunde würde sie sich besinnen, ihm auch diesen Beweis ihrer Liebe zu bringen, denn wenn Frauen lieben — — —
Aber glücklicherweise liebt auch ihr Egon sie viel zu sehr, um jemals etwas so Scheußliches, so Häßliches von ihr zu verlangen. Seine Liebe zu ihr ist zum mindestens ebenso groß, wie die ihrige für ihn. Immer noch und dabei sind sie doch schon ein ganz altes Ehepaar, fast zwei Jahre sind sie jetzt verheiratet.
Wie die Zeit vergangen ist. So deutlich erinnert sie sich noch an den Tag, an dem der schlanke, bildhübsche Husarenleutnant in dem Hause ihres Vaters seinen ersten Besuch machte. Niemals wird sie das vergessen, weil sie schon damals wußte, daß er sich eigentlich um die Hand ihrer Freundin Elly von Bennwitz bewarb. Das war ein öffentliches Geheimnis, man sprach überall von der dicht bevorstehenden Verlobung und schon, um die Elly nicht zu ärgern, um die nicht eifersüchtig zu machen, unterließ er es, soweit er das konnte, ohne gegen die gesellschaftlichen Sitten zu verstoßen, in allen Häusern, die ebenfalls heiratsfähige Töchter hatten, offizielle Antrittsbesuche zu machen. Aber zu ihrem Vater, dem schwerreichen Kommerzienrat, der zum mindesten ebenso reich war, wie der alte Herr von Bennwitz und der sich mit bescheidenem Stolze dessen rühmte, sich aus den bescheidensten Anfängen wohl zu dem angesehensten Bürger der Stadt emporgearbeitet zu haben, kam er doch. Nicht ihretwegen, das wußte sie sehr genau, sondern weil die Diners ihres Vaters berühmt waren. Nirgends in der Stadt aß man so gut, nirgends trank man so herrliche Weine, nirgends rauchte man so wundervolle Importen und vor allen Dingen brauchte man sich das Diner nicht dadurch zu verdienen, daß man den jungen Damen zuliebe hinterher stundenlang tanzen mußte. Das Schönste an einem Diner ist, hinterher im Klubsessel zu sitzen, den Mokka und den Likör zu schlürfen und zu träumen. Und der Kommerzienrat ließ seine Gäste träumen, selbst seine eigenen Damen durten durch ihre Anwesenheit seine Gäste nicht stören.
Bis Stella dann doch eines Tages unter dem Vorwand, ihren Vater in einer sie persönlich betreffenden, sehr wichtigen Angelegenheit sprechen zu müssen, unter den Gästen erschien. Nicht in eleganter Gesellschaftstoilette, sondern in einem raffiniert einfachen, aber trotz alledem hübschen Hauskleid. Ihr Erscheinen erregte einige Sensation und als sie sich dann in in wenigen Minuten zurückziehen wollte, wurde sie von allen Seiten mit der Bitte bestürmt, doch zu bleiben. Und sie blieb gern, obgleich der einzige, an dessen Wunsch, daß sie bleiben möge, ihr etwas gelegen war, den Mund nicht auftat. Egon von Bergowitz saß in seinem Klubsessel und träumte, wahrscheinlich von Elly, seiner zukünftigen Braut. Das ärgerte und reizte sie, denn doch nur seinetwegen war sie gekommen. Gewiß, sie war schon oft auf Gesellschaften mit ihm zusammengetroffen und er war stets gegen sie von der ausgesuchtesten Höflichkeit gewesen, gegen sie wie gegen jede andere junge Dame, aber bei dem Interesse, das sie an ihm nahm, trotzdem sie wußte, daß er so gut wie heimlich verlobt war, genügte ihr das nicht. Und vor allen Dingen, noch war der hübsche Egon nicht verlobt und wenn sie es darauf ablegte, seine Liebe zu gewinnen — sie brauchte die Konkurrenz ihrer Freundin Elly nicht zu fürchten. Sowohl in bezug auf ihre Mitgift, als aich auf ihre Schönheit nahm sie es jederzeit mit der auf.
Und zu der Erkenntnis mußte im Laufe des Abends auch Egon gekommen sein, denn als sie sich nach einer guten Stunde, lange bevor die Gäste an einen Aufbruch dachten, zurückzog, als sie sich aus Klugheit verabschiedete, obgleich sie brennend gern noch geblieben wäre, als sie ging, trotzdem, oder gerade weil jetzt auch Egon sie bat, doch noch wenigstens eine kleine Viertelstunde zu bleiben, da hatte er ihr wärmer als sonst die Hand gedrückt und sie mit einem Blick angesehen, über den sie in einer schlaflosen Nacht sehr lang und sehr scharfsinnig nachdachte.
Und nicht ohne Erfolg, denn nach vier Wochen hielt Egon um ihre Hand an und er erhielt außer dem Jawort von ihrem Vater die Zusage, daß der Kommerzienrat seiner Tochter am Hochzeitstage einen Scheck über eine Million als Mitgift überreichen würde.
Stellas Glück kannte keine Grenzen. Die arme Elly tat ihr natürlich entsetzlich leid, aber Schuld hatte die ganz allein, warum hatte sie es nicht besser verstanden, Egon einzufangen.
Die Männer sind doch Wachs in den Händen der Frauen, man muß es nur zu kneten wissen. Und Stella hatte geknetet, nicht aus Berechnung, denn die wahre Liebe kennt keine Berechnung, obgleich gerade die reinste Liebe der größte Egoismus ist.
Stella war glücklich und sie blieb es. Wie sie keinen anderen Gedanken hatte, als nur ihn, so existierte für ihn keine andere Frau. Und sie wußte, das war keine Verstellung, sondern entsprach seinem wirklichen Empfinden.
Wo Egon nur heute blieb? Voller Ungeduld blickte sie die Straße entlang, sie hatte Sehnsucht nach ihm, denn sie liebte ihn doch und wenn Frauen lieben — —
Und plötzlich beschloß sie, ihm bei seiner Rückkehr zu zeigen, wie lieb sie ihn hat. Mit Küssen und Liebkosungen sollte es heute nicht getan sein und so beschloß sie, sich einmal selbst um das Essen zu kümmern, das sie bisher stets der ausgezeichneten Köchin selbständig überlassen hatte. Frau Stella wußte, einen wie großen Wert ihr Egon auf eine gute Küche legte und wenn das Essen bisher auch täglich in der Vollendung gewesen war, heute sollte es noch besser werden und sie wollte ihrem Egon beweisen, daß sie nicht nur eine sehr schöne, elegante Frau sei, die seine Liebe verdiente, sondern daß sie auch eine ausgezeichnete Hausfrau sei.
Und in ihrer Liebe zu ihrem Manne bildete sie sich tatsächlich ein, es auch zu sein.
So machte sie sich denn auf den Weg in die Küche, um dort nach dem Rechten zu sehen, aber alle ihre guten Vorsätze und ihre eingebildeten Kochkünste verflogen im Nu, als sie in das Gesicht der Köchin sah, der sie es deutlich ansah, daß sie sie am liebsten aus ihrem Bereich hinausgeworfen hätte. So meinte sie denn jetzt nur noch ganz kleinlaut: „Seien Sie nicht böse, liebe Frau Matzen(1), wenn ich Sie einen Augenblick störe. Ich wollte Sie bitten, dem Diner heute eine noch größere Sorgfalt zuzuwenden, als sonst, ich habe meine Gründe dafür und wenn Sie meinen Wunsch erfüllen, soll es mir auf eine Extrabelohnung von zwanzig Mark nicht ankommen.”
„Herrjeh,” dachte Frau Matzen, „da hat es da oben, ehe der Hausherr fortging, wohl einen Krach gegeben und ich soll durch meine Kochkünste dazu beitragen, den ehelichen Frieden wieder herzustellen. Na, wenn mir das zwanzig Mark einträgt, warum nicht, da will ich mir nur wünschen, daß die beiden da oben sich oft in die Haare kriegen, obgleich mir das eigentlich leid täte, denn bisher waren sie doch so glücklich miteinander, aber was ist das Glück?”
Und in der Erinnerung an ihre eigene frühere Ehe, die durch den Tod ihres Mannes ein rasches Ende gefunden hatte, seufzte Frau Matzen so schwer auf, daß Frau Stella verwundert und erschrocken zugleich fragte: „Können Sie sich nicht entschließen, mir meine Bitte zu erfüllen?”
Die redete sich heraus, so gut sie konnte: „Leicht wird es mir nicht, gnädige Frau, denn ich leiste jeden Tag mein Bestes, ob es mir da überhaupt möglich sein wird, noch besser zu kochen, na, versuchen will ich es.”
Beruhigt ging Frau Stella von dannen und als sie dann abermals ihren Salon betreten hatte, brauchte sie auch nicht mehr lange auf ihren Egon zu warten, der allerdings nicht gerade in der rosigsten Laune vom Dienst zurückkam. Es hatte Ärger und Verdruß an allen Ecken gegeben, die Remonten waren nicht gegangen, die Kerls hatten wie Wäscheklammern aufihren Gäulen gehockt, bei der Hindernisbahn waren sogar drei Husarenjacken heruntergepurzelt und der Rittmeister, der unglücklicherweise gerade heut nachmittag zum Dienst gekommen war, hatte geflucht, als wäre er zum mindesten schon Stabsoffizier.
Aber seine schlechte Laune hält unter ihren Zärtlichkeiten und Liebkosungen nicht lange an. Mit ihren schlanken, weichen Händen streichelte sie ihm die letzte böse Falte aus dem Gesicht und als sie dann eine kleine halbe Stunde später, nachdem er die Uniform mit dem bequemen Smokimg-Anzug vertauscht hat, in dem ebenso vormehmen wie behaglichen Speisezimmer sich an dem runden Tisch gegenübersitzen, da ist ihr Egon von einer fast ausgelassenen Heiterkeit. Was kümmern ihn jetzt noch die Remonten, laßt die Gäule laufen, wie sie wollen und wenn die Kerls von den Schindern in den Dreck fallen, immer rein mit ihnen, laßt den Rittmeister fluchen, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, ihn kümmert das jetzt alles nicht mehr, denn diese Seezunge, die da vor ihm auf dem Teller liegt, ist einfach ein Gedicht, nein, noch mehr als das, es ist ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht und nun erst die Sauce —!
Voller Genugtuung liest Frau Stella die Begeisterung in den Zügen ihres Mannes und so meint sie denn jetzt: „Nicht wahr, Egon, das Essen ist heute vorzüglich, noch besser, als sonst?”
„Noch besser,” gibt er zurück, „es ist hundert-, nein, tausendmal besser. Die gute Frau Matzen hat sich heute aus irgendeinem Grunde selbst übertroffen. Vielleicht feiert sie heute den Todestag ihres Mannes, der sie ja furchtbar tyrannisiert haben muß, oder ein sonstiges freudiges Familienereignis, na, so viel weiß ich, wenn ich Orden zu verleihen hätte, würde ich ihr den eisernen Kochtopforden mit den Insignien der Bratpfanne und des Kochlöffels verleihen.”
Frau Stella lacht fröhlich über den harmlosen Scherz ihres Mannes, aber sie fühlt sich doch ein klein wenig dadurch verletzt, daß ihr Egon nicht sofort errät, warum das Essen so vorzüglich ist und so sagt sie denn: „Du darfst die Verdienste der Frau Matzen aber auch nicht überschätzen. Gewiß, sie kocht vorzüglich, aber wenn ich heute nicht selbst in die Küche gegangen wäre —”
Frau Stella ist klug genug, nicht weiter zu sprechen. Je unvollendeter ein Satz bleibt, desto größer ist seine Wirkung. Und bisher hat sie ja auch nur die Wahrheit gesagt. Wäre sie nicht selbst in die Küche gegangen und hätte sie der Köchin nicht eine Extrabelohnung von zwanzig Mark ausgesetzt, wer weiß, ob dann Frau Matzen so aus sich selbst heraus, oder aus irgendeinem Kochbuch diese Sauce erfunden hätte.
Wenn ihr Egon Orden zu verleihen hätte, dann hätte sie selbst auch einen verdient, wen auch nur den der Freigebigkeit.
Aber ihre Bescheidenheit, wie sie es im stillen nennt, verbietet ihr, das auszusprechen, sie begnügt sich damit, sich an dem mehr als erstaunten Gesicht ihres Mannes zu weiden, der sich immer noch nicht von seiner Verwunderung erholen kann, bis er dann schließlich ausruft: „Du warst selbst in der Küche, Stella? Daß du nicht nur deine Perlen mit Geschmack zu tragen verstehst, sondern daß du selbst die Perle aller Frauen bist, wußte ich schon längst, aber daß du auch die Perle aller Köchinnen bist, das ist mir neu.” Und galant setzt er hinzu: „Eine Frau wie du braucht eigentlich drei Männer, einen, der ihre Schönheit bewundert, einen zweiten, der ihrem Verstand huldigt, und einen dritten, der ihre Kochkünste zu schätzen weiß. Für einen Mann allein hast du zu viel Vorzüge.”
Und gerade, weil sie das Lob, das er ihr spendet, nicht verdient, lacht sie fröhlich auf: „Das hast du sehr hübsch gesagt, Egon, aber trotzdem möchte ich wissen, was du tätest, wenn ich nicht nur dich, sondern noch zwei andere Männer hätte, um mich von diesen bewundern zu lassen.”
„Was ich täte?” fragte er gelassen, „etwas sehr Einfaches, ich schösse die beiden anderen über den Haufen, obgleich ich auch das täglich aufs neue an dir bewundere, daß du dir an mir genug sein läßt, daß du gar nicht hinhörst auf die Schmeicheleien, mit denen man, wenn auch natürlich in allen Ehren, versucht, deine Gunst zu erringen.”
Über den Tisch hinweg hascht sie nach seiner Hand, um diese zärtlich zu streicheln, dann meint sie: „Ich habe dich doch lieb, Egon, und du weißt doch, wenn Frauen lieben, dann gibt es auf der ganzen Welt für sie nur einen Mann und dieser Mann bist du.”
„Und wenn du nun plötzlich aus irgendeinem Grunde einmal aufhören solltest, mich zu lieben, dann würdest du einen anderen lieben, nur den allein?” neckte er sie, „denn du hast es eben selbst gesagt, wenn Frauen lieben, dann gibt es auf der ganzen Welt für sie nur einen Mann, dann würde ich also, wie man das bei dem Theater so nennt, in der Versenkung verschwinden.”
Ihre schönen blauen Augen füllen sich mit Tränen: „Pfui, Egon,” schalt sie, „du schämst dich wohl gar nicht, selbst im Scherz so etwas zu sagen. Wie sollte ich wohl jemals aufhören, dich zu lieben, dich ganz allein, so lange du mir nicht bewiesen hast, daß du meiner Liebe unwürdig bist.”
„Na, sei so freundlich,” ruft er halb ernsthaft, halb lachend, um dann fortzufahren: „Ich sollte jemals etwas begehen, was mich deiner Liebe unwürdig macht? Da kannst du unbesorgt sein. Eher fällt der Mond dir zu Füßen, eher geht einer der dicksten und schwersten Marienbader Kurgäste durch ein Nadelöhr, eher — ich weiß nicht, was sonst noch alles eher passiert, aber das weiß ich, ich werde dir niemals Gelegenheit geben. mir deine Liebe zu entziehen.” Und sich von seinem Stuhl erhebend, tritt er auf sie zu, um ihr die Augen zu küssen, in denen immer noch ein paar Tränen schimmern. Zärtlich legt er seinen rechten Arm um ihren Nacken und sie schmiegt sich an ihn, bis sich ihre Lippen in einem langen Kuß finden.
Nach einer kleinen halben Stunde ist das Diner beendet und das junge Paar begibt sich in den türkischen Rauchsalon der großen geräumigen Villa, die sie allein bewohnen, um dort den Mokka zu trinken und die Zigarre und die Zigarette zu rauchen.
Wie immer sitzen sie sich auch hier, fröhlich miteinander plaudernd, gegenüber und unterdessen wendet Frau Stella keinen Blick von ihrem Mann ab. Er ist von großer, schlanker, eleganter Figur, für einen flotten Husarenleutnant vielleicht ein wenig zu groß, aber tadellos gewachsen. Nicht nur die Uniform, sondern auch das Zivil steht ihm ausgezeichnet und Frau Stella weiß nicht, wann er ihr am besten gefällt, in der enganliegenden Husarenjacke oder wie jetzt in dem bequemen Smoking mit der schneeweißen weichen Hemdenbrust, aus der ganz diskret zwei kleine wertvolle Perlen hervorleuchten. Alles an ihm ist hübsch, das frische Gesicht mit den dunklen Augen und den dichten braunen Wimpern, die kräftigen und dabei doch sehr schön geformten Hände und die wohlproportionierten Füße. Gewiß, er trägt nach ihrem Geschmack zu weite Stiefel. Für sie selbst, die einen äußerst zierlichen Fuß hat, kann kein Schuhwerk eng genug sein. Sie hat schon oft mit ihm darüber gesprochen und kann es nicht begreifen, daß er über diesen Punkt anders denkt, als sie. Sie vermag seine Behauptung, daß weite Stiefel bei dem Reiten bequemer sind, nicht zu teilen und vor allen Dingen sitzt er doch nicht den ganzen Tag im Sattel. Wenigstens zu Hause, oder wenn er auf Reisen Zivil trägt, sollte er doch engere und trotzdem bequeme Lackschuhe tragen. Es liegt ihr auf den Lippen, ihm das auch jetzt wieder zu sagen, aber sie weiß, es wäre doch erfolglos und sie denkt auch daran, daß er immer ein klein wenig verstimmt wird, wenn sie mit ihm über dieses Thema spricht. Vielleicht, daß er sich in seiner Eitelkeit verletzt fühlt, wenn sie, das einzige weibliche Wesen, das er auf der Welt noch liebt, etwas und sei es auch nur eine unbedeutende Kleinigkeit, an ihm und an seinem Anzuge nicht hübsch findet. So schweigt sie und während sie ihn voller Zärtlichkeit ansieht, denkt sie plötzlich wieder an die Worte, die ihr Mann bei Tisch zu ihr sagte: Wenn du aus irgendeinem Grunde einmal aufhören solltest, mich zu lieben —
Aber an das, was er ihr noch weiter sagte, denkt sie nicht. Schon diese wenigen Worte sind ja ein Unsinn, mehr als das, sie sind ein Verbrechen an ihrer Liebe und so sagt sie denn plötzlich: „Höre, Egon, eines mußt du mir fest versprechen, du mußt mir schwören, bei allem, was dir heilig ist, du darfst selbst im Scherz niemals wieder sagen, daß ich jemals aufhören könnte, dich zu lieben.”
„Aber Liebling, so beruhige dich doch,” ruft er ihr zu, „was ich sagte, war doch nur ein Scherz, ernsthaft denke ich doch natürlich nicht daran, denn ich hätte ja selbst am meisten darunter zu leiden. Stelle dir nur vor, was aus mir würde, wenn du dich jemals in einen anderen verliebtest, dann bliebe mir doch nichts übrig, als mir eine Kugel in den Kopf zu jagen.”
Frau Stella hat noch nie, auch nicht für den kurzen Atemzug einer Sekunde, an einen anderen Mann, als an ihren Egon gedacht, sie wird auch niemals an einen anderen denken, aber trotzdem, das Leben ist so lang und die Liebe, wenigstens auf seiten der Männer manchmal so kurz, nur bei den Männern, nie bei den Frauen, denn wenn Frauen lieben, dann lieben sie ewiglich und sie liebt. Frau Stella weiß es am besten, sie hat nicht die leiseste Veranlassung, sich über seine Worte irgendwie zu beunruhigen, aber schon, daß er nur davon spricht, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen, läßt sie laut aufschreien. Ganz deutlich sieht sie ihn da vor sich auf dem Teppich liegen mit zerschossener Stirn, die noch rauchende Pistole, wie es immer so schön in den Romanen heißt, noch krampfhaft in der Rechten. Und das ihretwegen, weil sie ihn nicht mehr liebt, aber sie liebt ihn doch und wird ihn immer lieben. Warum spricht er da nur so? Die Angst befällt sie, eine wahnsinnige Angst — so springt sie denn auf und stürzt auf ihn zu, mit ihren Händen ihn fest umklammernd bittet sie mit zuckendem Munde: „Egon, ich beschwöre dich, nimm das entsetzliche Wort zurück, sag, daß du dich niemals totschießen wirst, ich habe ja keine ruhige Minute mehr, wenn ich daran denken muß, daß du dich mit Selbstmordgedanken trägst.”
„Aber Liebling, ich denke doch gar nicht daran,” lacht er lustig auf, „was ich sagte, war doch nur für den Fall gesagt, daß du mich einmal nicht mehr liebst. Das wird ja nie geschehen und wenn doch — offen gestanden, ob ich mich dann wirklich totschösse, weiß ich heute noch nicht. Ich würde entsetzlich darunter leiden, ich würde körperlich und geistig zusammenbrechen, das Leben hätte für mich jeglichen Reiz, jeglichen Wert verloren, ich wüßte nicht, was ich täte. Ich würde vielleicht auf Reisen gehen, ganz weit weg in fremde Länder, unter fremde Menschen und dort versuchen, das Vergessen zu erlernen. Ich würde unbeschreiblich unglücklich sein, aber ob ich mich trotzdem gerade totschießen würde, das kann ich heute noch nicht mit gutem Gewissen beschwören.”
Aus jedem seiner Worte klingt seine grenzenlose Liebe zu ihr heraus, aber sie hört nur das eine, daß er sich nicht totschießen wird, wenn sie ihn einmal nicht mehr lieben sollte. Er hat ihr das Geständnis gegeben, das sie von ihm erflehte, aber nun, da er ihr es gab, fühlt sie sich verletzt und beleidigt. Zum ersten Male, seitdem sie miteinander verheiratet sind, versteht sie ihn nicht. Er würde auch dann am Leben bleiben, wenn sie ihn nicht mehr lieben sollte, während sie selbst — nicht eine Stunde würde sie länger leben, wenn Egon sie nicht mehr liebt, nicht eine Stunde, sie ginge ins Wasser. Nein, nicht in das Wasser, sie kann nicht schwimmen und das Wasser ist so kalt und so naß und die Leichen, die aus dem Wasser gezogen werden, sind so gräßlich entstellt und aufgeschwommen und sie will selbst nach ihrem Tode noch schön und schlank sein, wie sie es jetzt ist. Nein, keine häßliche Leiche, dazu ist sie selbst noch nach ihrem Tode viel zu eitel.
Nein, Frau Stella ist sich plötzlich darüber einig, sie wird nicht ins Wasser gehen, sie wird sich vergiften, mit Veronaltabletten(2), mit Adalin oder mit einem anderen unschädlichen Schlafmittel, das man in jeder Apotheke erhält. Wieviel sie von diesem Gift nehmen muß, um tot zu bleiben, weiß sie nicht, aber das ist das wenigste, sie wird eben soviel nehmen, bis sie tot ist und vorausgesetzt natürlich, daß das Gift stark genug ist, um überhaupt jemanden zu töten. Sonst nimmt sie ganz einfach ein anderes Gift, Blausäure, oder etwas Ähnliches. Aber woher das nehmen und vor allen Dingen, sie hat einmal gelesen, es soll sehr schmerzhaft sein, sich zu vergiften, denn nur die wenigsten Gifte wirken auf der Stelle, einige erst nach Stunden, in denen man rasend leidet und wenn man Unglück hat, wird man von dem Dienstpersonal nicht tot, sondern nur halbtot aufgefunden, die dann den Doktor herbeiholen, der dann dafür sorgt, daß man nicht stirbt, sondern doch am Leben bleibt.
Nein, das Gift ist zu unsicher, Frau Stella ist sich darüber einig, sie wird sich nicht ertränken und auch nicht vergiften, aber sterben wird sie trotzdem auf alle Fälle. Es gibt ja so zahllose Arten, sich das Leben zu nehmen. Sie wird sich von einem Eisenbahnzug überfahren lassen, oder von einem Auto, denn sterben will sie unbedingt, wenn ihr Egon sie einmal nicht mehr lieben sollte. Unbedingt und wenn ihr trotz aller guten Vorsätze im letzten Augenblick der Mut fehlen wird, schon deshalb, weil er es dann eigentlich gar nicht mehr verdient, daß sie seinetwegen Selbstmord begeht —
Schon dieses Wort ist entsetzlich, nein, sie wird sich doch nicht umbringen, sie wird am Leben bleiben und das einzig Richtige tun, was jede kluge Frau in solchem Falle zu tun pflegt — sie wird sich rächen. Nichts ist so süß, wie die Rache. Hört ihr Egon jemals auf, sie zu lieben, dann wird auch sie einen anderen lieben, sofort, auf der Stelle und dann liebt sie nur noch den, dann behält Egon doch recht mit dem, was er vorhin sagte, dann ist in ihrem Herzen für ihn kein Platz mehr, denn wenn Frauen lieben, dann lieben sie nur einen, dann existiert kein anderer Mann mehr für sie und wenn es der eigene Mann ist. Der am allerwenigsten.
Mit Blitzesschnelle schießt das alles durch Frau Stellas Gehirn, dann aber schilt sie sich töricht und kindisch. Wie kommt sie nur auf so törichte Gedanken? Ihr Egon ist allein schuld an dem Wirrwarr in ihrem Kopfe, wenn sie auch nicht mehr ganz genau weiß, warum und weshalb. Und ärgerlich über sich selbst, aber hauptsächlich über ihn, der ihr die frohe Stimmung verdarb, weil er sich nicht totschießen will, wenn sie jemals aufhören sollte, ihn zu lieben, ärgerlich und mißmutig stampft sie plötzlich, während sie dicht vor ihm steht, der in seinem Klubsessel sitzt und die Arme ausgestreckt hat, um sie an sich zu ziehen, ärgerlich und mißmutig stampft sie jetzt mit dem rechten Fuß, wie sie glaubt, auf den weichen Teppich, in Wirklichkeit aber tritt sie dabei auf Egons linken Fuß.
Ein Schmerzensschrei, der ihr durch Mark und Bein geht und der sie unwillkürlich einen Schritt zurücktaumeln läßt, hallt durch das Zimmer und fassungslos sieht sie ihren Mann an. Der hat jetzt das linke Bein über das rechte geschlagen und streicht mit beiden Händen den getretenen Fuß, während sein Gesicht den Ausdruck des stärksten körperlichen Schmerzes verrät und dieser Schmerz muß mehr als heftig sein, denn mit einer an ihm ganz ungewohnten Heftigkeit ruft er jetzt seiner Frau zu: „Zum Donnerwetter, das ist doch keine Art und Weise, mich derartig auf den Fuß zu treten, noch dazu heute, wo mir meine Hühneraugen ohnehin so weh tun. Länger als eine Stunde habe ich in der Wohnung des Operateurs auf den Mann gewartet, natürlich vergebens. Ich ging nur fort, weil ich sonst nicht pünktlich zu Tisch gekommen wäre. Meine Füße sind nun doch einmal meine schwache Seite, das hättest du dir doch schon lange selbst sagen können und ich sage es dir jetzt, damit du im Zukunft etwas vorsichtiger bist.”
Er schilt und knurrt noch eine ganze Weile vor sich hin, bis er dann zufällig seine Frau ansieht und über ihren Gesichtsausdruck ganz erschrocken, wieder mit seiner alten zärtlichen Stimme ausruft: „Aber Stella, Liebling, was hast du denn nur?”
Frau Stella schmiegt sich an ihn, nicht aus einem Gefühl der Zärtlichkeit heraus, sondern lediglich, damit er ihr glaubt und flüstert ihm zu: „Es tut mir so leid, dir weh getan zu haben.”
In Wirklichkeit aber beschäftigt etwas ganz anderes sie im stillen: ihr Mann hat Hühneraugen! Er hat ganz recht, sie selbst hätte sich das schon lange sagen können. Nun versteht sie so vieles, auch, daß er sich des Nachts nie ohne die Strümpfe anzubehalten, schlafen legt. Wie oft hat sie nicht erklärt, die Füße müßten doch ausdünsten, aber ebenso hartnäckig bestand er auf seinem Standpunkt, zu dem Pyjama gehöre der Strumpf, wie die Pelzmütze zur Silberattila. Nun weiß sie, warum er sich ihr gegenüber noch nie mit bloßen Füßen zeigte, er wollte ihr nicht verraten, daß er an Hühneraugen leidet. Daher auch die weiten Stiefeln, die angeblich bei dem Reiten bequemer wären und wenn er des Nachmittags zuweilen auf sich warten läßt, wie heute, da sitzt er bei dem Pedikurmann und läßt sich die Füße schneiden, um dann hinterher die Ausrede zu gebrauchen, die Remonten hätten ihn solange aufgehalten und der Rittmeister hätte ihn nicht fortgelassen.
Ihr Mann, sie nennt ihn zum erstenmal in Gedanken nicht mehr ihren Egon, ihr Mann hat Hühneraugen! Gewiß, der Ärmste kann ihr ja leid tun, aber trotzdem, sie kommt wenigstens vorläufig nicht darüber hinweg.
Und gerade sie, die einen so vollendet schönen Fuß hat, der jeden Bildhauer in die hellste Begeisterung versetzen würde, ausgerechnet sie muß einen Mann haben, der — —
Ob Elly wohl etwas davon wußte, ob sie durch einen Zufall sein Geheimnis erfuhr und ob es nur deshalb zwischen ihr und ihrem jetzigen Manne zu keiner Verlobung kam? Sicher! Aber nein, so sicher ist es doch nicht, aber sie will Elly bei der ersten besten Gelegenheit danach fragen, aber auch das ist unmöglich, denn sie kann doch nicht der einzigen(3) Rivalin eingestehen, daß ihr Mann Hühneraugen hat, dann setzt sie sich doch dem aus, daß Elly ihr schadenfroh zuruft: „Na, da kann ich ja nur von Glück sagen, daß aus unserer Heirat nichts geworden ist, denn für einen Mann, der an Hühneraugen leidet, danke ich.”
Hätte sie selbst das alles früher gewußt, dann hätte sie sich auch für ihn bedankt, aber nun hat sie ihn, durch ihre eigene Schuld, und doch hätte sie es sich doch schon längst sagen können. Niemals hat sie es sich zu erklären vermocht, warum er während seiner Brautzeit und selbst auf der Hochzeitsreise nicht ein einzigesmal heimlich und verstohlen mit ihr fußelte. Niemals hat sein Fuß still und verschwiegen den ihrigen gesucht und wenn ihr Fuß sich danach sehnte, mit dem seinen heimlich Zwiesprache zu halten, dann tat er stets, als bemerke er es nicht.
Nun kennt sie den Grund seiner Zurückhaltung, sie hatte geglaubt, er kenne diese heimliche Liebessprache nicht und in Wirklichkeit hatte er Hühneraugen!
Ihr Adonis, ihr Abgott, ist plötzlich seiner überirdischen Schönheit, die sie ihm in ihrer Verliebtheit zuweilen andichtet, beraubt. Der Gott ist von seinem Sockel herabgestürzt, als ein nüchterner, prosaischer Mensch steht er vor iht.
Ob er wohl Hühneraugenringe an den Zehen trägt und wieviel Hühneraugen er wohl haben mag?
Frau Stella ist dem Weinen nahe und plötzlich stürzen ihr wirklich die hellen Tränen aus den Augen. Was sie da eben an ihm entdeckt und von ihm gehört hat, ist für sie und ihren ausgeprägten Schönheitssinn zu entsetzlich.
Zärtlich zieht ihr Mann sie auf seinen Schoß und versucht sie zu trösten. Der wahre Grund ihres Kummers ist ihm unbekannt und wenn er ihn wüßte, würde er ihn nicht verstehen. Er glaubt, seine Frau weint nur deshalb, weil sie ihm versehentlich auf den Fuß trat. So sieht er sie denn voller Liebe an und sagt: „Aber Stella, Liebling, deshalb brauchst du doch nicht so zu weinen. Der Wahrheit die Ehre, es tat vorhin ganz verdammt weh. Ich hörte, wie man so sagt, die Engel im Himmel pfeifen und weißt du auch, was sie pfiffen? Puppchen, du bist mein Augenstern, Puppchen, hab' dich zum Fressen gern. Und da haben die Engel ganz recht, ich habe dich wirklich zum Fressen gern und nun komm her, gib mir einen Kuß und trockne deine Tränen. Du bist doch sonst so vernünftig, wer wird denn da wegen einer solchen Kleinigkeit weinen?”
Da hatte er recht. Trotz aller Liebe, die sie vorhin noch für ihn empfand, hätte sie keine einzige Träne vergossen, weil sie ihn zufällig auf den Fuß trat. Das will sie ihm auch sagen, schon, damit er sie nicht noch länger für ein unvernüftiges kleines Ding hält, aber die Wahrheit kann sie ihm natürlich auch nicht gestehen. So sagt sie denn jetzt: „Deshalb weine ich doch auch nicht, sondern aus einem ganz anderen Grunde.”
„Und der wäre?” fragt er neugierig.
„Weil du mir vorhin erklärtest, du wüßtest es noch nicht ganz bestimmt, ob du dich wirklich totschießen würdest, wenn ich jemals aufhören sollte, dich zu lieben, nur dich allein,” lügt sie sich heraus.
Er lachte hellauf und zieht sie von neuem zärtlich in seine Arme, dann ruft er: „Stella, wo ist der Mann, der aus euch Frauen klug wird. Als ich sagte, ich würde mich totschießen, schreist du vor Entsetzen laut auf und seitdem ich dir erklärt habe, ich würde mich wahrscheinlich nicht töten, schwimmst du in Tränen. Was soll ich da nur machen? Das beste ist, wir schließen für diesen Fall, der hoffentlich nie eintreten wird, einen Kompromißvertrag und ich gehe die Verpflichtung ein, mich dann halbtot zu schießen. Bist du damit zufrieden?”
Er meint es scherzend, aber Frau Stella schüttelt sehr ernsthaft den Kopf, dann gibt sie zur Antwort: „Nein, ganz tot.”
Wieder lacht er hell auf, bis er ihr dann zuruft: „Na, Stella, meinetwegen, wenn es dich glücklich macht, ganz tot, aber ich stelle dabei die Bedingung, daß du mich niemals in die unangenehme Lage bringst, mein dir somit gegebenes Versprechen auch zu halten.”
Um ihm keine direkte Antwort geben zu müssen, versteckt sie ihren Kopf an seiner Brust und sagt mit halblauter Stimme, nicht nur um ihn, sondern hauptsächlich, um sich selbst zu täuschen: „Du weißt doch, wie lieb ich dich habe und wenn Frauen lieben —”
Er wehrt übermütig ab: „Na, Stella, das laß' man, damit fang' nicht noch mal an, ich werde lieber noch eine Flasche Sekt bestellen, damit du wieder fröhlich und guter Dinge wirst.”
„Ja, tu das,” bittet sie ihn. Vielleicht, daß sie bei dem Sekt vergißt, was sie erfuhr, oder daß sie dann darüber weniger tragisch denkt.
Bald steht der Wein zwischen ihnen. Das Intermezzo ist anscheinend nicht nur von ihm, sondern auch von Frau Stella bald vergessen, obgleich sie trotz des Sektes an nichts anderes denkt, als an seine Füße — sie denkt so intensiv daran, daß sie sich mit aller Gewalt beherrschen muß, um nicht fortwährend auf seine weiten Lackschuhe zu sehen. Aber nicht nur Frau Stella verstellt sich, während sie lustig und fröhlich mit ihm über tausend Dinge plaudert, sondern er tut es auch. Er ärgert sich maßlos über sich selbst, daß er sein Geheimnis, das er solange ängstlich hütete, nun doch in einem schwachen Augenblick unter der Einwirkung eines wahnsinnigen Schmerzes preisgegeben hat. Es ist keine Schande, an den Füßen zu leiden und niemand außer seinem Operateur und ihm ahnt, wie er leidet. Das wird auch niemals jemand erfahren, am wenigsten seine Stella, die bis jetzt ohnehin schon mehr als genug weiß, denn wenn es ja auch keine Schande ist, so ist er doch klug und gerecht genug, um sich einzugestehen, daß zahlreiche Hühneraugen an den Füßen nicht geradezu dazu beitragen, einen Mann in den Augen einer jungen Frau schön und begehrenswert erscheinen zu lassen, selbst dann nicht, wenn die Frau den Mann liebt. Gott sei Dank, Stella liebt ihn und wenn Frauen lieben, dann gibt es für sie auf der Welt nur einen Mann. Und das ist er und er wird es auch bleiben, das hat Stella ihm doch selbst erklärt, allerdings war das vorhin, als sie noch nicht alles wußte. Ob sie auch jetzt — —
Er weiß nicht, wie die törichten Gedanken so plötzlich in ihm wach werden und das Schlimmste ist, er vermag sie nicht wieder zu verscheuchen, trotzdem er sich fortwährend im stillen sagt: Was redest du dir da nur für Unsinn ein? Das Glück einer Ehe und die Liebe der Frau zu ihrem Mann geht doch nicht dadurch in die Brüche, daß der Mann nicht gut zu Fuß ist und weite Stiefel tragen muß.
Er schilt sich albern, dumm und töricht und unterdessen plaudert er mit Frau Stella genau wie sonst über gemeinsame Bekannte, über das Theater, über die Geselligkeit, um auch heute wieder, wie täglich, zu dem Schlußrefrain zu gelangen: „Aber am schönsten ist es doch, wenn man des Abends zu Hause bleiben kann, wenn man sich so gegenübersitzt, miteinander plaudert, sich zwischendurch zuweilen küßt und sich gegenseitig gesteht, daß man sich liebt.” Und als er das sagt, fällt ihnen beiden plötzlich ein, daß sie sich heute, seitdem sie von Tisch aufgestanden sind, viel seltener geküßt haben, als sonst. Ja, seitdem sie ihn auf den Fuß trat, hat er nur sie geküßt, aber auch das nur, um sie wieder zu beruhigen. Hinterher hat er sie noch nicht ein einzigesmal geküßt. Warum nicht? Geniert er sich vor ihr?
Und auch sie hat ihn noch nicht wiedergeküßt. Warum nicht? Liebt sie ihn weniger, seitdem sie weiß, daß —
Beide finden auf die Frage, die sie an sich selbst und die sie im stillen aneinander richten, keine Antwort. Eine ganze Weile herrscht lautlose Stille, bis Frau Stella dann endlich als Bestätigung seiner letzten Worte sagt: „Ja, du hast recht, das Alleinsein zu Hause ist doch am schönsten.”
Aber sie erschrickt förmlich über den Klang ihrerStimme, so deutlich hört sie es aus ihren Worten heraus, daß sie heute lügt.
Und er hört es erst recht. Er muß sich beherrschen, um es nicht zu verraten, wie weh es ihm tut, daß seine Stella heute zum erstenmal nicht gern mit ihm allein ist. Na, morgen wird es schon wieder anders sein, dann hat sie sich beruhigt. Dann wird sie es nicht mehr so tragisch nehmen, daß er — —
Morgen ist alles wieder beim alten, wenn nur erst das Heute vorüber wäre.
Und so atmen denn beide erleichtert auf, als plötzlich der Diener in das Zimmer tritt, um zu melden, daß Herr Leutnant von Braune fragen lasse, ob der Herr Leutnant einen Augenblick für ihn zu sprechen wäre.
„Aber gewiß, selbstverständlich, mit dem größten Vergnügen, wir lassen sehr bitten, nicht wahr, Stella?”
Frau Stella nickt ein Zeichen des Einverständnisses, während ein leises Lächeln ihren Mund umspielt. Wie hat ihr Mann doch noch vor wenigen Minuten gesagt: am schönsten ist es doch, des Abends miteinander allein zu sein. Und nun kann er seine Freude nicht verbergen, daß er des Alleinseins mit ihr überhoben ist.
Gleich darauf tritt der Leutnant von Braune ein, ein junger, flotter, schneidiger Husarenleutnant von zweiundzwanzig Jahren, dem der Übermut und die Lebensfreude aus den hellbraunen Augen strahlt. Er ist das, was man einen bildhübschen, kleinen Kerl nennt, mittelgroß, schlank und dabei doch sehnig und muskulös, mit einem frischen, fröhlichen Leutnantsgesicht. Er ist einer von jenen, denen man von Anfang an gut sein muß und denen man auch nicht ernsthaft böse sein kann, wenn sie es verdienen.
Mit schnellen Schritten geht er auf Frau Stella zu und führt die Rechte, die sie ihm zum Willkommen reicht, an die Lippen: „Ich küsse Ihnen die Hand mit jener Verehrung, gnädige Frau, die Sie als die schönste Dame der Garnison verdienen.”
Frau Stella lacht fröhlich auf, dann meint sie: „Sie scheinen ja heute in besonders liebenswürdiger Stimmung zu sein.”
„Bitte sehr, gnädige Frau, das bin ich immer,” verteidigt er sich, „und wenn ich erst mal tot bin, kann man getrost auf meinen Leichenstein setzen: Hier liegt der größte Windhund des Jahrhunderts begraben, aber er hatte bei seinen vielen Fehlern auch eine gute Eigenschaft, er war ein Verehrer schöner Frauen und Sie sind schön, gnädige Frau.”
„Na, erlaube mal, Braune,” wirft Frau Stellas Gatte ein, „reite Schritt, junger Krieger, und mache meiner Frau nicht zu sehr den Hof, wenigstens nicht, wenn ich dabei bin.”
„Wäre es dir lieber, ich täte es, wenn ich mit der Gnädigen allein bin?” neckt Braune den um ein paar Jahre älteren Kameraden, mit dem er aber trotzdem auf dem Duzfuße steht, um dann übermütig fortzufahren: „Na, mir soll es recht sein,” und sich an Frau Stella wendend, meint er fröhlich: „Seien Sie mir also bitte nicht böse, gnädige Frau, wenn ich Ihnen heute abend keine weiteren Huldigungen darbringe. Ich will den Gatten nicht erzürnen, heute am allerwenigsten, denn ich muß an sein gutes Herz appellieren.”
Frau Stellas Gatte glaubt den Jüngeren zu verstehen und sagt deshalb: „Das soll doch nicht etwa heißen —”
Aber der Kamerad fällt ihm schnell in das Wort: „In Gegenwart einer Dame heißt das gar nichts, da heißt es höchstens, daß ich an ein gutes Herz appelliere, damit du mir aus der Champagnerflasche, die dort vor dir steht, und die hoffentlich noch nicht leer ist, ein möglichst großes Glas vollschenkst, damit es mir nachher leichter wird, dir unter vier Augen ein zartes Geständnis zu machen.”
Frau Stella errät natürlich sofort, um was es sich handelt und gerade deshalb macht es ihr Spaß, den jungen Offizier, der ihr heute in seiner übermütigen Stimmung besonders gut gefällt, ein klein wenig zu necken und so meint sie denn: „Sie wollen meinem Mann sicher das zarte Geständnis Ihrer ersten keuschen, reinen Liebe anvertrauen, Sie wollen ihm erzählen, daß Sie ernstlich verliebt sind?”
„Das bin ich immer, gnädige Frau,” verteidigte er sich, „und gerade deshalb komme ich nie dazu, mich jemals wirklich zu verlieben.”
„Das wirft aber kein gutes Licht auf Ihren Charakter,” schilt sie ihn.
„Aber dafür ein desto besseres Licht auf mein Herz,” widerspricht er und sich selbst verspottend, setzt er hinzu: „Ach, gnädige Frau, Sie haben ja gar keine Ahnung, was für ein gutes Herz ich habe. Das sollten Sie erst einmal näher kennen lernen, Sie würden es in Gold fassen lassen und an einer kleinen Kette an Ihrem Armband tragen, damit Sie es immer bei sich hätten, so gewissermaßen als Talismsn, der Ihnen Glück brächte, wenn Sie nicht ohnehin mehr als glücklich wären. Nun aber, gnädige Frau, gestatten Sie mir, auf Ihr Wohl zu trinken. Ich bin zwar in mancher Weise ein Kamel, da auch ich sieben Tage ohne Wasser leben kann, aber wenn ich Sekt vor mir habe, noch dazu echten französischen, dann dürstet es mich immer.”
Hell klingen die Gläser aneinander und Leutnant von Braune redet auch weiterhin Sinn und Unsinn durcheinander, so daß sehr bald eine heitere, fröhliche Stimmung herrscht, zumal der ersten Flasche längst eine zweite und dritte folgte, bis Frau Stella dann schließlich meint: „Nun wird es aber wohl für mich Zeit, daß ich mich zurückziehe, damit Sie endlich mit meinem Mann allein sprechen können.”
Aber der Gast hält sie zurück: „Tun Sie ein christliches Werk, gnädige Frau, und bleiben Sie noch vierundzwanzig Stunden sitzen. Es plaudert sich so nett zu dritt, und was ich Ihrem Mann zu sagen habe, erfährt er immer noch früh genug. Und schließlich, warum soll ich nicht ruhig in Ihrer Gegenwart sprechen? Bevor ich fünf Minuten zur Tür hinaus bin, wissen Sie ja doch, um was es sich handelt, denn daß Sie beide in Ihrer Ehe noch niemals ein Gehimnis voreinander hatten, nicht einmal für Sekunden, das weiß doch jeder.”
Seine Worte sind doch weiter nichts, als ein Kompliment, das er dem Glück ihrer Ehe zollt, das in der ganzen Stadt sprichwörtlich ist. Unter anderen Umständen hätten sie beide sich herzlich darüber gefreut, aber jetzt wirkt es ganz anders. Unwillkürlich denken sie beide an das Geheimnis seiner Füße, das er solange verschwieg und beide denken: das hätte er nicht sagen dürfen, wenigstens heute nicht.
Von dem Gast unbemerkt, herrscht zwischen den beiden Ehegatten für einen kurzen Augenblick eine verlegene Pause, dann hat Frau Stella zuerst ihre Unbefangenheit wiedergewonnen und stimmt dem jungen Offizier zu: „Da haben Sie recht, Herr von Braune, zwischen meinem Mann und mir gibt es kein Geheimnis.”
Ihr Gatte zuckt für eine Sekunde zusammen. Ihm wäre es lieber gewesen, sie hätte gesagt: es hat nie ein Geheimnis gegeben. Ihre jetzigen Worte klingen ihm danach, als sei sie stolz darauf, daß es nun kein Geheimnis mehr gäbe. Vielleicht, daß er sich das nur einbildet, daß die gewisse Verlegenheit, die er seiner Frau gegenüber immer noch nicht loswerden kann, ihn mißtrauisch macht und so sagt er denn auch seinerseits: „Meine Frau hat recht, zwischen uns gibt es nicht das kleinste Geheimnis,” um dann fortzufahren: „Nun also heraus mit der Sprahche, mach es kurz und schmerzlos, wieviel brauchst du?”
Leutnant von Braune schielt nach Frau Stella hinüber. Es ist ihm doch peinlich, nun in ihrer Gegenwart sprechen zu müssen, trotzdem sie ihn durch einen freundlichen Blick ernmutigt, sich vor ihr nicht zu genieren. Frau Stella gesteht es sich ein, es wäre für sie ein leichtes, sich unter irgendeinem Vorwand für einige Minuten zu entfernen, aber sie bleibt absichtlich, nicht, weil es sie irgendwie interessiert, wieviel Geld der Leutnant braucht, sondern weil sie, wenn es sein muß, ihre Bitten mit den seinigen vereinen will. Das steht bei ihr fest, ihm muß geholfen werden, ganz einerlei, um welchen Betrag es sich handelt, denn sie hat ihn schon immer gern gehabt. Von allen, die ihr und ihrer Schönheit huldigen, war er ihr stets der Liebste, ohne daß sie jemals auf den Gedanken gekommen wäre, sie könne sich einmal in ihn verlieben. Daran denkt sie auch jetzt nicht, aber wenn sie sich auch das Warum nicht zu erklären vermag, kann sie es doch nicht leugnen, daß er ihr heute noch sympathischer ist, als bei den früheren zahlreichen Begegnungen auf den Gesellschaften, oder in ihrem eigenen gastfreien Hause.
Und von ihrem Mann unbemrkt, nickt sie ihm noch einmal zu, herzlicher und freundlicher vielleicht, als es ihre Absicht war, denn mit Schrecken sieht sie, daß er ihren Blick falsch gedeutet haben muß. Frau Stella bemerkt, wie seine Wangen sich leicht färben. Ist es Verlegenheit, oder ist es der Glaube, der schönen Frau nicht ganz gleichgültig zu sein? Auch ihr Gatte hat sein Erröten bemerkt und da er den wahren Grund nicht kennt, meint er lachend: „Es macht deinem guten Herzen, von dem du vorhin sprachst, zwar alle Ehre, daß du bei dem Gedanken, deine Sünden beichten zu müssen, noch rot wirst, aber wir sind doch erwachsene Männer und so schlimm wird das Geständnis wohl nicht sein.”
Leutnant von Braune seufzt unwillkürlich schwer auf, dann meint er: „Hast du 'ne Ahnung!”
Dann nennt er die Summe, die er braucht, um eine Spielschuld zu tilgen, aber auch, um andere Gläubiger zu befriedigen, die ihm mit einer Anzeige bei dem Kommandeur gedroht haben, wenn er nicht innerhalb vierundzwanzig Stunden bezahlt hat. Er spricht die Zahl absichtlich ganz leise aus, damit Frau Stella, wenn möglich, sie nicht hört, aber sie hört sie doch. Fünfzehntausend Mark!
Die Angst packt sie. Wie soll ihr Mann diesen Betrag hergeben? Er kann es einfach nicht, denn die jährlichen Zinsen der als Mitgift erhaltenen Million reichen nicht aus, um die Kosten des Haushaltes, die Toiletten, die Reisen und die zahllosen Nebenausgaben zu bestreiten, ohne daß sie deswegen irgendwie verschwendete. Wenn der Vater nicht noch bei jeder Gelegenheit mit einigen Tausendmarkscheinen extra aushilfe, dann würde in ihrem Haushalt oft die tödlichste finanzielle Verlegenheit herrschen.
Voller Spannung blickt sie zu ihrem Mann hinüber, der lacht jetzt, nachdem er sich von seinem ersten Erstaunen erholt hat, hellauf, wenn sein Lachen auch etwas Gezwungenes an sich hat, dann ruft er: „Nimm es mir nicht übel, Braune, du bist ein Gemütsmensch, du kannst die nächsten fünfundzwanzig Jahre deines Lebens noch so bleiben. Ich weiß ja, daß du die Gewißheit hast, später durch die Erbschaft deines Onkels vielfacher Millionär zu werden und daß du daraufhin loslebst, als könnte die spätere Erbschaft nicht schon jetzt früh genug klein gemacht werden. Na, das geht mich aber nichts an und mit Moralpredigten, anstatt mit barem Gelde, wird dir verdammt wenig genützt sein. Was ich habe und entbehren kann, will ich dir geben. Es sind vielleicht drei- oder viertausend, die du auf Jahr und Tag hinaus behalten kannst, aber mehr kann ich dir bei dem besten Willen nicht borgen.”
Für einen Augenblick sitzt der junge Offizier völlig fassungslos da. Er ist ganz blaß geworden und zum erstenmal, seit Frau Stella, die keinen Blick von ih abwendet, ihn kennt, ist jeder Übermut aus seinen Zügen gewichen. Es dauert lange, bis er sich gefaßt hat, dann meint er: „Bergowitz, mach keine schlechten Witze, wenn du mir nicht das Geld geben kannst, wer denn? Und ich brauche es, ich brauche es so verdammt notwendig, daß es mir nicht nur an den Kragen, sondern an das Leben geht, wenn ich es nicht erhalte.”
Der junge Offizier hat Frau Stellas Anwesenheit ganz vergessen, mit ängstlicher Spannung hängen seine Augen an dem Gesicht des älteren Kameraden. Er sprach die Wahrheit, seine Ehre und sein Leben stehen auf dem Spiel. Die Ehre kann er retten, wenn er zur Pistole greift, aber dann verliert er das Leben und das Leben ist doch so schön und er ist noch so jung.
Frau Stella liest die Angst in seinen Augen, die Angst vor dem Sterben und diese seine Angst befällt auch sie. Er soll sich nicht totschießen, er ist so jung, so hübsch und so lustig. Er soll leben bleiben, auch ihretwegenn, er ist ihr doch der liebste von allen Leutnants des Regiments und wenn sie daran denkt, daß sie seine Stimme nicht mehr hören soll, nie wieder die hübschen Komplimente aus seinem Munde, nein, sie darf ihn nicht verlieren. Was in ihrem Innern vorgeht, macht sie sich nicht klar, sie denkt nicht darüber nach, warum sie plötzlich so um sein Leben zittert, dazu ist auch jetzt keine Zeit. Nun gilt es nur zu handeln, ihn zu retten und so sagt sie denn rasch, noch bevor ihr Mann auf die letzten Worte des Gastes etwas hätte antworten können: „Wir dürfen Herrn von Braune nicht so gehen lassen, Egon,” und sich an den jungen Offizier wendend, fährt sie fort: „Mein Mann sprach die Wahrheit, er kann Ihnen das Geld nicht geben, wir sind nicht annähernd so reich, wie die Welt vielleicht glaubt, aber mein Vater wird mir eine Bitte nicht abschlagen, wenn ich mich an ihn wende.”
„Und das wollten Sie wirklich für mich tun, gnädige Frau?”
Das Blut ist in seine Wangen zurückgekehrt, dennoch liest sie in seinen Augen bange Zweifel, als er jetzt zu ihr, die neben ihren Mann getreten ist, aufsieht.
„Ich werde es tun,” wiederholt sie mit fester Stimme, „und zwar sogleich. Es ist ja erst neun Uhr, da ist mein Vater noch zu Hause, oder ich kann ihn sonst im Klub telephonisch erreichen.”
Frau Stella eilt an den Tisch, auf dem der Apparat steht, klingelt schnell das Amt an, nennt die Nummer und ist gleich darauf mit ihrem Vater verbunden. Aus der Freude, mit der er ihren Anruf begrüßt, hört sie sofort heraus, daß er in der denkbar besten Stimmung ist und so fragt sie denn übermütig: „Du scheinst ja heute mittag an der Börse einen glänzenden Coup gelandet zu haben?”
„Hab' ich auch,” ruft er zurück, „und wenn du einen Wunsch hast, der nicht zu unbescheiden ist, — —”
„Das sind Kinder bekanntlich nie, das will ich dir sofort beweisen,” neckt sie ihn und bittet dann mit schmeichelnder Stimme: „Papi, bester aller Väter, kannst du mir nicht auf ein paar Jahre fünfzehntausend Mark leihen, ich brauche die so dringend.”
Frau Stella hört sein frohes, helles Lachen, sie weiß, daß ihre Bitte erfüllt ist und sieht den jungen Offizier mit glückstrahlenden Augen an. Er ist gerettet und daß gerade sie ihm dazu verhalf, erhöht ihre Freude noch mehr.
Ihr Vater lacht immer noch, bis er dann scherzend fragt: „Leihen ist gut, wieviel Zinsen bezahlst du mir denn? Unter sieben Prozent ist heutzutage kein Geld zu haben.”
„Meinetwegen kannst du auch acht verlangen,” ruft sie zurück, „bezahlen tu' ich sie ja doch nicht, aber nun ernsthaft, Vater, bis wann kannst du mir das Geld geben? Ich brauche es so notwendig, das Wofür erzähle ich dir ein andermal. Natürlich habe ich Rechnungen, du weißt ja selbst, wie teuer das Leben ist, kannst du mir das Geld morgen früh in die Wohnung schicken?”
Nun, wo es ernst wird, knurrt der Vater am Telephon doch allerlei Unverständliches vor sich hin, so daß Frau Stella es nun doch wieder mit der Angst bekommt. Aber ihre Befürchtungen sind unnötig, denn gleich darauf hört sie ihren Vater sagen: „Na, schön, meinetwegen, weil du es bist und vor allen Dingen mußt du mir versprechen, daß du in den nächsten vier Wochen nicht wieder bittest!”
„Sei unbesorgt, Vater,” ruft sie ihm glücklich zu, „ich schwöre es dir, vier Wochen hindurch will ich nicht den leisesten Wunsch äußern und nun danke ich dir für deine Güte.”
Freudestrahlend tritt sie gleich darauf zu den Herren zurück: „Ich wußte es ja, daß ich mich auf meinen Vater verlassen konnte, ach, ich bin ja so froh.”
„Und nun ich erst, gnädige Frau,” gibt der junge Offizier wieder übermütig zurück, „mir ist so leicht und so wohl, wie auf den Bergen von Tirol! Jodeln kann ich aber leider nicht, Jodler mit nachfolgendem Schuhplattlertanz müssen die geehrten Herrschaften sich dazu denken, nun aber sehr ernsthaft gesprochen, gnädige Frau, wie soll ich Ihnen danken?”
„Danken gar nicht,” gibt Frau Stella zur Antwort, „aber Sie müssen mir fest versprechen, nie wieder solche Schulden zu machen, die Sie von neuem in die Lage bringen können, sich abermals mit Selbstmordgedanken zu tragen. Sie müssen mir auch versprechen, nie wieder zu spielen.,”
Ihr Gatte lacht laut auf: „Na, Stella, da kannst du lange warten, bis er dir das verspricht.”
Und Leutnant von Braune selbst sitzt mit einem ganz verdutzten Gesicht da und kratzt sich nachdenklich hinter den Ohren, bis er dann schließlich halb ernsthaft, halb scherzend sagt: „So hohe Zinsen verlangen Sie für dieses Darlehen, gnädige Frau? Ein richtiggehendes Versprechen, womöglich noch mit Wort und Handschlag? Und wenn dann doch eine schwache Stunde über mich kommt — — unter uns gesagt, gnädige Frau, wir Männer leiden weit öfter an schwachen Stunden, als die Damen. Die Frau kann schon deshalb öfter widerstehen, weil das, was sie sonst beschäftigt oder weil das, was sie sich kaufen will, nicht zu ihr paßt. Aber wir Männer? Und wenn nun die Versuchung naht, ach, gnädige Frau, die Versuchung ist so schön, noch schöner als die schönste Frau der Welt und es ist so süß, zu unterliegen. Das ist, als wenn man Opium raucht und sich von dessen Düften einschläfern läßt. Und dieses Genusses wollen Sie mich berauben? Was aber dann, wenn ich Ihnen dieses Versprechen gäbe und trotzdem unterliege? Da bleibt mir doch nichts anderes übrig, als zur Pistole zu greifen, denn ich hätte dann nicht den Mut, Ihnen lebendig nochmals unter die Augen zu treten.”
„Braune hat recht,” stimmt ihr Gatte dem Gast bei, „du darfst von einem leidenschaftlichen Spieler, wie Braune es ist, nicht zu viel verlangen.”
Aber wie Shylock auf seinem Schein, so besteht Frau Stella auf ihrem Willen. Ist es die Eitelkeit, die da verlangt, der junge Offizier solle gerade ihretwegen ein anderer werden? Ist es die Furcht, er könnte sonst doch noch einmal gezwungen werden, zur Pistole zu greifen? Ist es die Angst, ihn über kurz oder lang doch zu verlieren? Was ist es, was sie in ihrem tiefsten Innern zittern und erbeben läßt? Frau Stella weiß es nicht, aber sie hat keine Ruhe, sie muß die Zusage haben und so sagt sie denn noch einmal: „Sie werden mir das Versprechen nicht nur geben, Herr von Braune, Sie werden es auch halten.”
„Sind Sie dessen so sicher, gnädige Frau?” will er zur Antwort geben, da trifft ihn aus Frau Stellas Augen ein Blick, der sein Blut heiß aufflammen läßt und der ihn mit Glückseligkeit, aber auch mit bangen Zweifeln erfüllt. Ist es denn wirklich wahr, liebt die schöne Frau ihn? Schon vorhin das Zeichen, das sie ihm gab und nun dieser Blick! Aber trotzdem, es kann und es darf auch nicht sein. Und dennoch, das weiß er in diesem Augenblick, Frau Stella kann von ihm verlangen, was sie will, er ist ihr Sklave, er tut alles, was sie von ihm verlangt.
„Na, Braune, aber allzu tragisch darfst du die Worte meiner Frau auch nicht nehmen,” erklingt da die Stimme des Hausherrn, der sich die Verwirrung seines Gastes nicht zu erklären vermag und der nichts davon bemerkt, wie die Augen seiner Frau, die wie zufällig etwas hinter seinen Stuhl getreten ist, immer noch auf dem Besucher ruhen, und scherzend fährt er fort: „Du weißt doch auch, Braune, wie die Damen sind, sie selbst versprechen viel und halten nichts. Gerade deshalb verlangen sie von uns, daß wir alles halten sollen, was wir versprechen. Aber unter uns gesagt, Braune, die Damen lassen in der Hinsicht auch mit sich handeln. Wenn man sein Versprechen nicht hält, dann ist es der Dame viel lieber, man schenkt ihr ein Perlencollier, als daß man sich totschießt, um sein gebrochenes Ehrenwort wieder zu reparieren. Auf einen Perlenschmuck wird meine Frau bei dir natürlich nicht reflektieren und da du nicht der Ehemann bist, kommst du sehr viel billiger davon. Ein Blumenstrauß für drei Mark oder eine Schachtel Schokolade tun es auch.”
Frau Stella lacht auf, wenn auch ein klein wenig gezwungen, dann meint sie: „Du scheinst uns Frauen so sehr genau zu kennen, oder du glaubst uns wenigstens zu kennen. Aber trotzdem, ob ich Herrn von Braune so billig davon lasse — —?”
Frau Stella endet mit einem leichten Zucken der Achseln, das viel mehr besagt, als viele Worte. Selbst sie weiß es nicht, was sie zu dieser etwas koketten Herausforderung veranlaßt. Aber sie hat ihr Ziel erreicht, und zwar so schnell, daß sie am erstauntesten darüber ist, aber das nicht allein, sie ist sogar erschrocken. Gewiß, es war ihr wirklich ernst mit ihrem Verlangen, aber so ernst war es denn doch nicht gemeint. Wie wenig muß der junge Offizier noch die Damen kennen, daß er glaubt, sie nähmen wirklich alles ernst, was sie ernsthaft sagen. Da hat ihr Mann schon eher recht, die Frauen lassen mit sich handeln.
Aber nun ist es dafür zu spät, denn mit einer Stimme, der ihr scharfes Ohr anmerkt, daß sie sich gewaltsam beherrschen muß, um ruhig und unbefangen zu klingen, hat Leutnant von Braune erklärt: „Als Zeichen meinr Dankbarkeit für den großen Dienst, gnädige Frau, den Sie mir erweisen, gebe ich Ihnen das verlangte Versprechen und ich werde es auch halten.”
Es ist keine ehrenwörtliche Zusage, die er da gibt, aber Frau Stella weiß, daß er dennoch eher sterben wird, als daß er sein Versprechen bricht. Sie hat ihren Zweck erreicht, sein Leben bleibt ihm und ihr erhalten und so stimmt sie ihrem Gatten denn bei, als der jetzt sagt: „Na, Herrschaften, dann können wir nun wohl endlich zur Tagesordnung übergehen und in aller Ruhe noch zwei bis siebzehn Flaschen Sekt trinken.”
Das geschieht denn auch und in fröhlichster Stimmung sitzen alle drei beisammen. Frau Stella empfindet jetzt weiter nichts, als die freudige Genugtuung, daß der Gast ihr das Versprechen gab, der junge Offizier ist glücklich in dem Bewußtsein, gerettet zu sein und in dem Glauben, von der schönen Frau geliebt zu werden und der Hausherr ist froh bei dem Gedanken, daß seine Frau über der soeben beendeten Debatte und bei dem heiteren Gespräch, das jetzt geführt wird, es längst vergessen hat, was er ihr ganz wider seinen Willen verraten hat, als sie ihn auf den Fuß trat.
Und während er sich diesem Glauben hingibt, betrachtet Frau Stella fortwährend in unauffälliger Weise die hübschen schlanken, schmalen Füße ihres Gastes. Schon früher sind sie ihr aufgefallen, schon weil sie, selbst die Besitzerin eines schönen Fußes, bei anderen Leuten ebenso einen hübschen Fuß erwartet. Bei ihrem Mann war es etwas anderes. den liebte sie doch, den liebte sie schon deshalb, damit er sich nicht in die Elly verliebte und sie hat ihn dann auch wirklich liebgewonnen.
Leutnant von Braune hat tatsächlich einen bemerkenswert hübschen Fuß, der in den enganliegenden eleganten Lackstiefeln zur vollsten Geltung kommt. Man sieht es förmlich durch den Schuh hindurch dem Fuß an, daß an dem kein Fehler und kein Makel ist und sie beginnt, sich ein ganz klein wenig in diese Füße zu verlieben, natürlich nur in die Füße, ebenso wie man sich in die Hände, oder in die Augen, oder in die Haare eines Menschen verlieben kann.
Es wird spät, bis der junge Offizier sich endlich erhebt: „Es wird Zeit, gnädige Frau, Mitternacht ist vorüber und ehe die Hähne krähen, muß ich schon wieder im Sattel sitzen. Auch Sie müssen sich schlafen legen, gnädige Frau.”
Wenig später ist er gegangen, nachdem er Frau Stella nochmals mit warmen Worten gedankt hat und die Gatten schicken sich an, zur Ruhe zu gehen.
Der junge Offizier hat recht, es wird auch für Frau Stella Zeit, sich schlafen zu legen. Schneller als sonst hat sie in dem Ankleidezimmer ihre Nachttoilette beendet und als sie dann das Schlafzimmer betritt, in dem ihr Gatte sich bereits niederlegte, wehrt sie ab, als er sie, wie stets vor dem Einschlafen noch einmal in die Arme nehmen will, um sie zu küssen: „Laß' es doch,” bittet sie, „ich bin so müde.”
„Na, einen Kuß wirst du mir wohl noch geben können,” spricht er anscheinend ganz harmlos und unbefangen und doch glaubt er zu wissen, was sie heute abhält, ihn zu küssen. Das verletzt ihn in seiner Eitelkeit, er ist doch sonst ein hübscher Mensch und schließlich, einen kleinen Fehler hat doch jeder an sich. Aber es bringt es trotzdem nicht fertig, sich mit ihr darüber auszusprechen. Auch jetzt schilt er sich töricht und albern, aber er kann es nicht ändern, er geniert sich vor ihr. Er hat das Geheimnis zu lange und zu ängstlich gehütet. Hätte er es ihr gleich am ersten Tage der Hochzeitsreise, oder am zweiten oder dritten verraten, dann wären sie beide mit einem lustigen Lachen darüber hinweggegangen, oder er hätte ihr Mitleid oder ihre Teilnahme erweckt. Durch sein Schweigen und durch sein Versteckspielen hat eine an sich ganz unbedeutende Kleinigkeit eine Wichtigkeit bekommen, die die Sache gar nicht verdient.
Und so fragt er denn nach einer kleinen Pause: „Und du willst wirklich einschlafen, ohne mich vorher noch einmal geküßt zu haben?”
Frau Stella weiß, sie darf ihm seine Bitte nicht abschlagen, gerade heute würde ihn das kränken und verletzen, sie errät, daß er den Beweis dafür verlangt, daß sie ihn heute noch genau so liebt, wie gestern und alle Tage, obgleich sie nun hinter sein Geheimnis gekommen ist.
So erfüllt sie denn seine Bitte, aber als sie sich an ihn schmiegt, tut sie es nicht, weil sie ihn über alles liebt, sondern weil sie weiß, wie er sie liebt und weil er ihr leid tut. Denn das empfindet sie ganz deutlich, während er ihr Gesicht streichelt und liebkost: So, wie es früher war, wird es nie wieder zwischen uns werden.
Das Warum nicht? quält und martert sie die halbe Nacht, während ihr Mann längst eingeschlafen ist und ruhig und friedlich an ihrer Seite schlummert.
Warum nicht? Ist das, was sie jetzt weiß, ein Grund, einen Menschen weniger zu lieben?
Bis sie sich dann plötzlich fragt: Hättest du ihn auch erhört, wenn er als Zivilist um deine Hand angehalten hätte? Und sie antwortet darauf mit einem dreifachen Nein. Die glänzende Uniform hat gelockt, der Triumph, nun auch zu den Offizierskreisen zu gehören, gesellschaftlich eine höhere Position einzunehmen, als viele der Freundinnen, der Stolz, dem Vater, der sich aus den kleinsten Anfängen emporarbeitete, einen adeligen Schwiegersohn in voller Uniform in das Haus zu führen, der sich nicht nur bei ihm satt aß und dann wieder seines Weges ging, sondern der ihm ein Sohn wurde und wie Frau Stella es anerkennen muß, ein guter Sohn, der mit aufrichtiger Liebe an ihrem Vater hängt. Der äußere Schein hat sie verleitet seine Frau zu werden und weil sie durch ihn in Kreise gekommen ist, die ihr Ehrgeiz erstrebte, deshalb hat sie ihn geliebt und auch um seines hübschen Äußeren willen . . .
So müßte sie ihn also auch noch weiter lieben, schon, weil sie durch ihn eine Offiziersdame geworden ist, aber wo ist die Liebe, die der Vernunft standhält, wenn erst die Zweifel beginnen? Wer sich da fragt: Hast du einen Menschen lieb? der belügt sich selbst, weil er mit einem Ja antwortet, denn die wahre Liebe kennt keine Frage.
Aber Frau Stella fragt sich weiter und weiter, bis sie endlich die Antwort gefunden zu haben glaubt. Sie liebt ihren Mann nicht mehr so wie früher, seitdem heute Abend der junge Leutnant zu ihnen in das Haus gekommen ist. Daß ihre Empfindungen gegen ihren Mann schon anders geworden waren, längst bevor der junge Leutnant kam, gesteht sie sich nicht ein, weil sie es sich nicht eingestehen will, denn sonst müßte sie ja zugeben, daß lediglich das bisher ängstlich gehütete Geheimnis ihres Mannes die Liebe bei ihr erkalten ließ. Und das will sie nicht, denn damit würde sie doch zugeben, daß sie ihren Mann niemals wirklich geliebt hat.
Nein, den wahren Grund gesteht sie sich nicht ein und deshalb erfindet sie einen anderen: sie ist im Begriff, sich in den Leutnant von Braune zu verlieben und gesteht sich auch nicht ein, daß sie schon in ihn verliebt ist, denn wenn eine Frau sich erst in einen Mann verlieben will, dann weiß sie selbst am besten, daß sie ihn schon liebt.
Aber trotzdem, Frau Stella steht erst im Begriff — sie weiß, es wird gar nicht lange dauern, dann wird sie ihn wirklich lieben, ganz einfach, weil sie ihn lieben will. Er hat es ihr heute angetan, mit seiner Sorglosigkeit, mit seinem Übermut, aber auch mit der Angst um sein Leben, das auf dem Spiel stand und das sie gerettet hat, sie ganz allein. Schon deshalb gehört er ihr und wenn sie ihn erst liebt, dann wird er sie auch wieder lieben. Aber was dann? Was dann? Was dann? Was soll daraus werden? Niemals wird sie ihren Mann betrügen, das hat er nicht um sie verdient und erst recht wird sie sich nicht von ihm scheiden lassen. Der Skandal in der Gesellschaft — sie zittert schon, wenn sie daran denkt. Nein, keine Scheidung, lieber weiter leben an der Seite eines ungeliebten Mannes. Nein, das ist zuviel gesagt, ungeliebt ist er von ihr nicht, sie liebt ihn nur nicht mehr so wie früher, aber dafür kann sie nichts, denn wenn Frauen lieben, lieben sie nur einen, dann existiert für sie kein anderer mehr auf der Welt und dieser eine heißt nicht mehr Egon, sondern der heißt Eduard.
Am liebsten hätte sie seinen Namen vor sich hingeflüstert. Wie süß, wie traulich hätte sich dieses Eduard in der stillen Nacht angehört. Nur der Name Eduard, sonst nichts. Aber sie fürchtet ihren Mann. Gewiß, er schläft, aber er könnte erwachen und wie oft stellen sich die Männer nicht nur schlafend, um die Seufzer, die stillen Klagen einer Frau besser belauschen zu können.
Und die Männer sind alle gemein, wenigstens hat erst kürzlich eine Freundin erklärt: Die Männer sind alle gemein, denn sie zwingen die Frauen ja geradezu, sich anders zu geben, als sie sind, schon damit sie den Männern gefallen. Wie der Seiltänzer fortwährend aufpassen muß, daß er nicht vom Seil herunterstürzt, um sich das Genick zu brechen, so muß eine Frau fortwährend aufpassen, daß sie sich die Liebe ihres Mannes nicht verscherzt und das um so mehr, je mehr sie ihn liebt.
Frau Stella hatte damals den etwas übertriebenen Behauptungen der jungen erregten Frau widersprochen. Nein, gemein sind die Männer nicht, aber sie sind zuweilen lästig, besonders der eigene Mann.
Wie schön könnte sie sich jetzt in ihren Eduard verlieben, wenn sie nicht verheiratet wäre. Aber hätte die Liebe dann noch einen Reiz, den die jetzt auf sie ausübt? Die verbotenen Früchte sind nicht nur für die Kinder die süßesten.
Frau Stella liegt in ihrem Bett und träumt von der süßen Liebe, die da kommen soll und zwischendurch überlegt sie, wohin diese Liebe führen soll. Aber das weiß sie nicht. Die Entscheidung darüber überläßt sie vertrauensvoll der Zukunft und unwillkürlich faltet sie die Hände und betet zum lieben Gott. Er wird es in seiner Weisheit und Güte schon so einzurichten wissen, daß sie bei dieser Liebe auf ihre Kosten kommt, ohne daß sie deswegen aufhört, eine anständige Frau zu bleiben.
Gott ist allmächtig, aber seine Allmacht müßte noch viel unendlicher sein, wenn er alles erfüllen sollte, was die Frauen in schwachen Liebesstunden von ihm erbitten.
Frau Stella schläft endlich mit dem frohen Bewußtsein ein, daß Gott, wie alle Dinge, so auch diese Sache zum Besten führen wird.
Frau Stella schläft ruhig und traumlos, bis sie dann plötzlich mitten in de Nacht mit einem lauten Schrei in die Höhe fährt. Sie hat nun doch geträumt und es im Traum ganz deutlich gesehen, wie ihr Eduard sich totschoß. Mit zerschmettertem Schädel lag er in seinem Wohnzimmer und als sie den Toten fragte: Warum hast du mir das angetan? da fand sie als Antwort neben ihm auf der Erde einen Zettel, auf dem geschrieben stand: Ich sterbe, weil ich dich liebe und weil ich trotzdem das Versprechen, das ich dir gab, nicht halten konnte.
Frau Stellas Schrei hat ihren Mann erweckt. Mit einem raschen Griff hat er das elektrische Licht angezündet und sagt schlaftrunken und verwundert zugleich: „Aber was hast du denn nur?”
Natürlich kann sie nicht die Wahrheit bekennen und so sagt sie denn: „Mir träumte eben, ich sei auf der Straße unter ein Automobil gekommen, die Räder gingen mir gerade über den Kopf, da schrie ich laut auf.”
„Aber wer wird denn auch nur solchen Unsinn träumen,” schilt er.
„Dafür kann ich doch nichts,” verteidigt sie sich.
„Da hast du recht,” meint er besänftigt und dann bittet er: „Nun schlaf weiter, Liebling, ich muß früh aufstehen und bin noch sehr müde.”
Nein, gemein sind die Männer nicht, aber sie sind wirklich sehr sonderbar, denkt Frau Stella, sie soll weiter schlafen, weil ihr Mann müde ist und früh aufstehen muß!
Dann aber schläft sie doch wieder ein und als sie am nächsten Morgen erwacht, ist ihr Mann bereits leise aufgestanden und in den Dienst gegangen.
Nun hat sie Zeit, an ihren Eduard zu denken. Wie hübsch er ist! Und ob er wohl ahnt, daß sie sich in ihren Gedanken soviel mit ihm beschäftigt und ob er wohl auch an sie denkt? Ob er weiß, daß sie im Begriff steht, sich in ihn zu verlieben und ob er sie wohl schon wieder liebt? Sicher, das unterliegt für sie keinem Zweifel, denn wo ist die Frau, die sich nicht selbst geliebt glaubt, wenn sie geliebt sein will? Eine Frau glaubt sich selbst alles, gerade deshalb glaubt sie den Männern so wenig, denn sonst gäbe es ja gar keine Lüge auf der Welt. Und wenn es die nicht gäbe, könnte nicht das, was die Frauen sich selbst glauben, nicht wahr sein. Frau Stella träumt und sinnt vor sich hin, das Leben ist doch so schön, besonders, wenn man liebt, wenn man im Begriff ist, sich zu verlieben. Jeder Anfang ist ein Gedicht, jeder Schluß ist nüchterne Prosa.
Aber die Liebe zu Eduard soll nicht prosaisch enden, wie die zu ihrem Mann. Die soll überhaupt nicht enden, die soll in ihrem Herzen beständig weiter leben und die soll ihr hinweghelfen über so manches Schwere, hauptsächlich darüber, daß sie ihren Mann nicht mehr so lieben kann, wie früher, schon weil sie jetzt einen anderen liebt.
Aber wie soll sie es dem anderen zeigen, daß sie ihn liebt? Es ihm zu sagen, ist ebenso unmöglich, wie es ihm zu schreiben. Sie kann es ihm nur in zartester und diskretester Weise zu verstehen geben, so zart und leise, daß ihm in seiner Gewißheit doch immer neue Zweifel auftauchen müssen.
Und sie gibt es ihm zu verstehen, als sie sich wenige Tage später auf einer Gesellschaft treffen, als der Zufall es fügt, daß er sie zu Tisch führt.
Leise und unmerklich zittert ihre Hand, als er ihr den Arm reicht, um sie in den Eßsaal zu geleiten. So leise und kaum merkbar, daß er wirklich glauben kann, es wäre keine Absicht, sondern innere Erregung.
Mit stolzer Genugtuung konstatiert sie auch jetzt wieder, daß die Männer einer schönen Frau alles glauben, was sie glauben sollen.
Ihre Hand zittert leise weiter und das Zittern ihrer Hand läßt auch seinen Arm erzittern. Leise und kaum bemerkbar, aber bei ihm ist es keine Verstellung.
Nun hat er die Gewißheit dessen, was ihn in den letzten Tagen fortwährend beschäftigte, jetzt weiß er, daß Frau Stella ihn liebt. Aber in das Glücksgefühl hinein mischt sich die bange Frage: Was soll daraus werden? Niemand weiß besser, als er selbst, ein wie großer Windhund er ist, aber bis zu dieser Stunde war er noch ein anständiger Mensch, auf dessen Ehre nicht der leiseste Makel fiel und das soll doch auch so bleiben.
Aber damit ist es vorbei, wenn er Frau Stellas Zuneigung erwidert. So wehrt er sich im stillen gegen diese Leidenschaft, die ihn schon an jenem Abend in ihrem Hause ergriffen hat, nein, er darf sie nicht lieben.
Aber er liebt sie doch. Frau Stella errät es aus den heimlichen, verstohlenen Blicken, mit denen er sie von Zeit zu Zeit betrachtet, sie merkt es an seiner heute etwas gezwungenen Fröhlichkeit, sie merkt es daran, wie er mitten in der lebhaftesten Unterhaltung plötzlich verstummt und vor sich hin starrt. Frau Stella weiß sich geliebt und so leise und so diskret, so zart, wie es nur eine elegante, schöne Frau versteht, gibt sie ihm zu erkennen, daß auch sie ihn liebt.
Da seht er sie plötzlich groß und fragend an und in seinem Blick steht geschrieben: Was nun?
Das weiß sie selbst nicht, aber gerade deshalb sieht auch sie ihn nun mit einem Blick an, der ihm da deutlich sagt: Ich bin dein.
Frau Stella weiß, dieser stumme Blick ist eine Lüge. Gewiß, sie ist sein, aber nur mit ihren Gedanken, niemals wird sie wirklich die seine werden. Frau Stella belügt sich selbst und sie belügt ihn, aber sie liebt ihn doch und wenn eine Frau liebt, dann schrickt sie vor keiner Lüge zurück, denn die Wahrheit ist das Grab jeder Liebe, aus dem es keine Auferstehung gibt.
Der junge Offizier atmet schwer auf, stürzt dann schnell ein paar Glas Wein herunter und Frau Stella sieht voller Stolz, in welcher Aufregung er sich befindet. So leidenschaftlich bewegt war nicht einmal ihr Mann in dem Augenblick, als sie ihm ihr Jawort gab, als er sie zum erstenmal in die Arme nahm und sie küßte.
Gewaltsam hat der junge Offizier sich endlich wieder beherrscht, aber er ist doch froh, daß nun die Tafel aufgehoben wird. Soweit er es bemerkte, hat niemand auf ihn Obacht gehabt, aber es ist ihm trotzdem fortwährend so, als wären aller Augen beständig auf sie beide gerichtet.
Eine Frau kann mit dem Liebsten, der neben ihr sitzt, zärtlich fußeln und zu gleicher Zeit ihren Mann, der sich über sich beugt, voller Liebe auf den Mund küssen. Eine Frau verrät sich nie, ein Mann glaubt sich schon verraten, wenn seine Gedanken nicht ganz tugendhaft sind.
Als erster hat er sich von seinem Stuhl erhoben, als das Zeichen zum Aufbruch gegeben wird, jetzt reicht er ihr abermals den Arm, sie legt ihre Hand hinein, die nun nicht aus Verstellung, sondern aus wirklicher Unruhe heraus ein klein wenig zittert.
Im Salon angelangt, verabschiedet er sich von ihr. Er beugt sich nieder und küßt ihr die Hand und heimlich und verstohlen klammern sich ihre Finger ineinander zu einem warmen, leidenschaftlichen Druck.
Dann läßt er ihre Hand frei. Noch einmal tauschen sie einen Blick, dann entfernt er sich.
Traumverloren blickt Frau Stella vor sich hin. Das alles ist die wirkliche, wahre, große Liebe, die wohl einen Anfang, aber kein Ende kennt?
„Gesegnete Mahlzeit, Liebling, hast du dich gut bei Tisch unterhalten?”
Blitzschnell hat ihr Gesicht wieder den gewohnten Ausdruck angenommen und mit ruhiger Stimme gibt sie ihrem Mann zur Antwort: „Gott, wie immer, Herr von Braune ist doch nun einmal ein sehr lustiger Gesellschafter.”
„Und doch ist es mir so vorgekommen, als wäre er nicht so heiter gewesen, wie sonst. Ich habe euch beide von meinem Platz aus, wenn ihr mich auch nicht saht, scharf beobachten können und da fiel mir an ihm etwas Fremdes auf. Wie soll ich sagen, etwas Gezwungenes, als verstelle er sich, als müsse er sich Gewalt antun, um sich nicht zu verraten.”
Frau Stellas Herz drohte für eine Sekunde stillzustehen. Ihr Mann hat sie beobachtet. Vielleicht, daß sein Mißtrauen wach geworden ist, durch die Art, in der sie dem Geliebten das Geld verschaffte, vielleicht daß er glaubt, sie wäre in den letzten Tagen nur deshalb etwas weniger zärtlich gegen ihn gewesen, weil sie an einen anderen, statt an ihn denkt. Auf jeden Fall ist sein Argwohn erweckt und sie weiß, was für sie auf dem Spiel steht.
Es gibt zahllose Arten, einen Mann in einem solchen Falle zu täuschen. Blitzschnell überlegt sie, wofür sie sich entscheiden soll, dann sieht sie ihn mit großen, neugierigen, fragenden Augen an, um dann zu sagen: „Von alledem habe ich selbst nicht das Leiseste bemerkt, aber natürlich interessieren mich deine Worte — was glaubst du denn, was Herrn von Braune so beschäftigen könnte?”
Noch ist es ihr nicht gelungen, ihren Mann zu täuschen, sie merkt es an dem durchdringenden Blick, sie hört es an dem Klang seiner Stimme, als er nun zur Antwort gibt: „Vielleicht ist er verliebt.”
„Das ist er doch immer,” gibt sie völlig unbefangen zurück, „er hat es doch neulich abends selbst erklärt, er wäre fortdauernd verliebt, er könne sich deshalb niemals wirklich verlieben.”
„Und wenn er sich nun trotzdem in dich verliebt hätte?”
Er sagt es so leise, daß keiner der anderen Gäste es hören kann, daß sie selbst ihn kaum versteht, dann aber lacht sie auf, so hell, so lustig und übermütig, daß er trotz seines Argwohns, der ihn bisher gefangen nahm, plötzlich mitlachen muß.
Und als sie jetzt immer noch lachend seine Hände ergreift und ihm zuruft: „Aber Egon, Liebling, wie kommst du nur auf solchen Unsinn,” da muß er an sich halten, um sie nicht an seine Brust zu drücken, um sie nicht zu küssen und um Verzeihung zu bitten.
Frau Stella lacht immer noch, bis sie dann meint: „Weißt du, Egon, ich hätte die größte Lust, Herrn von Braune zu erzählen, in welchem Verdacht du ihn hattest.”
Aber ihr Mann wehrt ab: „Laß das, Stella, versprich mir, daß du das nicht tun wirst.”
„Schade,” meinte sie nach kurzem Besinnen, „aber wenn du es nicht willst, füge ich mich deinen Wünschen.”
Aber als er im Laufe des Abends doch zum erstenmal mit ihr tanzt, flüstert sie ihm leise zu: „Mein Mann hat uns bei Tisch beobachtet und mit mir gesprochen. Ich habe ihn ausgelacht, er glaubt mir, aber trotzdem, seien wir vorsichtig. Je öfter Sie mit mir tanzen, desto besser, es würde nur seinen Argwohn von neuem erwecken, wenn Sie mich nun vernachlässigten.”
Er befolgt ihren Rat, aber er ist nicht der gute Tänzer wie sonst, so daß er sich deswegen bei ihr entschuldigt: „Seinen Sie mir nicht böse, gnädige Frau, es geht heute abend nicht anders. Mein ganzes Innere ist in Aufregung, meine Sinne sind verwirrt, es flimmert mir vor den Augen, ich höre die Musik nur ganz undeutlich, wenn Sie mich vorhin nicht gehalten hätten, wäre ich wohl gar gefallen.”
Der arme Junge! Wie leid er ihr tut! Es kostet sie nur ein Wort, um ihm seine Ruhe wiederzugeben, aber sie spricht es nicht aus.
Wenn Frauen lieben, kennen sie zwar Mitleid, aber kein Erbarmen.
Wenn eine Frau einen Mann liebt, kann sie die blutigsten Tränen des Mitleids vergießen, weil er ihretwegen leidet, aber sie tut trotzdem nichts, um seine Leiden zu lindern.
Frau Stella liebt und wie sehr sie liebt, wird ihr erst in der Stille der Nacht klar, als sie abermals wach in ihrem Bett liegt, während ihr Mann an ihrer Seite fest schlummert.
Ja, sie liebt, mehr, als sie es jemals für möglich gehalten hätte, aber trotzdem kommt ihr auch jetzt nicht der Gedanke, ihren Mann zu hintergehen.
Nur einmal möchte sie den Geliebten küssen, sich nur einmal von ihm wiederküssen lassen.
Und früher, als sie glaubt, tritt diese Versuchung an sie heran.
Als sie am nächsten Morgen bei dem Frühstück sitzt, erhält sie einen Brief, den ein Bote abgegeben hat. Die Handschrift auf dem Umschlag ist ihr fremd, trotzdem weiß sie sofort, daß das Schreiben von Eduard ist.
Frau Stella ist allein, ihr Mann ist bei einer Felddienstübung, von der er erst gegen Mittag zurück sein wird. Jetzt ist es zehn Uhr, sie braucht keine Überraschung zu fürchten, trotzdem lauscht sie ängstlich auf jedes Geräusch, auf jeden Schritt, als sie nun mit stockendem Atem und fliegender Hast den langen Brief liest:
„Meine sehr verehrte gnädige Frau!
Oder darf ich sagen:
Liebste und schönste aller Frauen?
Ja, lassen Sie mich Sie so nennen, zum ersten-, aber auch zum letztenmal. Ja, gnädige Frau, auch zum letztenmal, denn mein Leben ist verwirkt.”
Frau Stella unterdrückt einen Schrei des Entsetzens. Der Brief entfällt ihren Händen, sie muß sich an der Tischplatte festhalten, alles dreht sich mit ihr im Kreise: sein Leben ist verwirkt, du großer Gott, was ist geschehen?
Endlich kann sie weiter lesen:
„Der gestrige Abend war zu schön, als daß er nicht auch der letzte hätte sein müssen. Die Erkenntnis, Sie, die schönste aller Frauen, zu lieben und das Bewußtsein, von Ihnen wiedergeliebt zu werden, — ich müßte kein Mensch sein, wenn das nicht einen Aufruhr in mir wachgerufen hätte, der mich in einen Taumel versetzte, daß ich nicht mehr wußte, was ich tat. Ich konnte nicht schlafen gehen, nachdem wir uns getrennt. Meine Nerven waren überreizt, ich mußte mich betäuben, um wieder zu mir zu kommen. Dafür gab es nur ein Mittel — so griff ich zu den Karten. Glück in der Liebe, Unglück im Spiel, das habe ich im Laufe der Nacht an mir selbst erfahren. Es ist ja einerlei, wieviel ich verlor, auf jeden Fall mehr, als ich in der mir gegebenen Frist bezahlen kann. Ich weiß, Sie werden mir zurufen: Ich will Dir helfen. Aber das dürfen Sie nicht, gnädige Frau. Als ich damals Ihre Vermittlung bei Ihrem Herrn Vater dankend annahm, liebte ich Sie noch nicht. Von einer Dame, die ich liebe, und die mich wiederliebt, nehme ich kein Geld an, von der lasse ich mir keine Schuld bezahlen, selbst dann nicht, wenn ich mir dadurch das Leben rette. Und das ist ohnehin verwirkt, weil ich das Versprechen, das ich gab, nicht hielt. Ich weiß, ich gab Ihnen nicht mein Ehrenwort, aber trotzdem hätte ich nicht den Mut, Ihnen jemals wieder unter die Augen zu treten, selbst wenn Sie in Ihrer Güte wirklich mit sich handeln ließen. Ich habe dadurch, daß ich mein Versprechen nicht hielt, mir das Recht, Sie zu lieben, verwirkt. Wenn ich Sie trotzdem auch in diesem Augenblick noch liebe, so darf ich das, weil ich in wenigen Stunden meine Schuld gesühnt habe. Und Ihnen sei es gestanden, gnädige Frau, ich sterbe gern, weil mir der Tod die Erlaubnis gibt, Ihnen zu sagen, daß ich Sie über alles liebe und weil mein dicht bevorstehender Tod mir auch gestattet, Sie um etwas zu bitten, das ich als Lebender nie von Ihnen hätte erbitten dürfen: Gönnen Sie mir vor dem Sterben noch ein Wiedersehen. Kommen Sie zu mir. Sie werden es so einzurichten wissen, daß niemand Sie sieht und in dem großen Hause, in dem ich wohne, gehen so viele Menschen ein und aus, daß Ihr Kommen niemandem auffallen würde. Kommen Sie zu mir, gnädige Frau, verweigern Sie einem dem Tode Geweihten nicht seine letzte Bitte. Lassen Sie mich Ihnen sagen, wie ich Sie liebe, lassen Sie mich aus Ihrem Munde hören, daß auch Sie mich lieben und lassen Sie mich Sie küssen, so heiß und so lang, wie ich Sie küssen möchte. Und wenn Sie dann gegangen sind, dann will ich mit Ihrem Namen auf den Lippen hinübergehen in jene Welt, in der es keine Verführung und keine Sünden mehr gibt, und mit Ihrem Namen auf den Lippen will ich sterben.
Drei Stunden will ich auf Sie warten, drei lange Stunden. ich lasse mir von dem Boten die genaue Zeit nennen, in der Ihnen dieser Brief eingehändigt wurde, dann noch drei Stunden. Nicht eine Minute länger, denn sonst würde ich über dem Warten das Sterben vergessen und es muß geschieden sein, schon weil wir uns lieben.
Lassen Sie mich nicht umsonst gebeten haben.
Ihr
bis zum Tode getreuer
E. v. B.”
Frau Stella sitzt da wie gelähmt, keines Gedankens fähig, sie merkt es kaum, daß ihr die heißen Tränen aus den Augen stürzen. Es dauert lange, bis sie sich alles klarzumachen imstande ist. Er, der über alles Geliebte, soll sterben.
Ganz deutlich sieht sie ihn wieder wie damals im Traum mit zerschossener Stirn auf der Erde liegen. Nein, nein, das darf nicht sein, sonst hätte sie ja keine ruhige Minute mehr. Noch lebt er und er darf nicht sterben. Sie will zu ihm eilen, es wird und muß ihr gelingen, ihn umzustimmen, sie wird ihm das Geld verschaffen, das er braucht, sie wird ihn anflehen, es anzunehmen und sie wird ihm schwören, daß sie niemals aufhören wird, ihn zu lieben, sie wird sagen, daß er auch weiterhin das Recht hat, sie zu lieben, denn wenn eine Frau liebt, verzeiht sie alles, alles, alles.
Immer wieder spricht sie die Worte halblaut vor sich hin, bis sie sich dann sagt: nein, nicht alles. Anstatt an den Geliebten, der die Minuten bis zu ihrem Kommen zählt, denkt sie plötzlich an ihren Mann. Dem kann sie nicht verzeihen, daß er ihr sein Fußleiden verschwieg und auch nicht, daß er dieses Leiden hat, das widerspricht ihrem Schönheitssinn, ihrem ästhetischen Gefühl.
Aber sonst gibt es keine Schuld,die eine Frau nicht vergibt, wenn sie liebt.
Er darf nicht sterben, sie will zu ihm eilen und was ihren Worten nicht gelingt, wird sie mit ihren Küssen erreichen. Mit heißen, wilden Küssen wird sie seinen Mund bedecken, bis er Wachs in ihren Händen ist und sie wird dieses Wachs zu kneten wissen.
Es ist ja gar nicht möglich, daß er wirklich sterben soll. Er ist doch so jung und so hübsch. Ganz deutlich sieht sie ihn vor sich, sein frisches, übermütiges Gesicht, die lachenden Augen, der schöne Mund, die schlanke Figur und die schmalen, schönen Füße in den enganliegenden Stiefeln.
Aber da wird plötzlich ein Gedanken in ihr wach, so lächerlich, so banal, so paradox im Verhältnis zu ihrer großen Liebe, daß sie sich vor sich selbst schämt, daß sie sich nicht versteht und begreift und trotzdem, sie wird den Gedanken nicht los: Was dann, wenn sie im letzten Augenblick durch einen unglücklichen Zufall erfahren sollte, daß auch er, trotz seiner enganliegenden Stiefel, oder gerade deshalb, daß auch er, wie ihr Mann — — —
Frau Stella schaudert zusammen, schon die Vorstellung allein ist unerträglich und sie weiß, wenn sie zu ihm geht, wird sie keine Ruhe haben, bis sie die Gewißheit hat, ob auch er — — —
Sie wird ihn, natürlich wie zufällig, auf den Fuß treten und wenn dann auch er, angesichts des bevorstehenden Todes — — — nein, alles, nur das nicht. Das wäre auch ihr Tod, wenigstens der Tod ihrer Liebe, die sie ihm auch über das Grab hinaus bewahren will. Aber sie will ihn so in der Erinnerung behalten, wie sie sich ihn bisher vorgestellt hat, frei von allen körperlichen Fehlern.
Lieber soll er sterben, als daß er ihr irgendwie verrät, daß auch er Hühneraugen hat.
Und es würde ihr ja doch nicht gelingen, ihn zu retten, das klingt aus jedem seiner Worte deutlich hervor. Was hat es denn da für einen Zweck, erst zu ihm zu gehen und außerdem sieht es nach Regen aus. Soll sie mit einem Regenschirm, mit einem Regenmantel und vielleicht mit Gummischuhen zu diesem Rendezvous kommen? Gott ist ihr Zeuge, sie liebt ihren Eduard über alles, aber zuviel darf er selbst in seiner Todesstunde nicht von ihr verlangen.
Unwillkürlich denkt Frau Stella an die Erzählung zurück, in der es sich darum handelt, daß eine junge schöne Frau sich eine sehr entstellende grüne Brille aufsetzen und sich damit öffentlich zeigen soll.
Die Männer sind doch zu sonderbar, was die alles von den Frauen verlangen!
Frau Stella gesteht es sich ein, der Geliebte hat sie mit keinem Wort darum gebeten, im Regenmantel mit Regenschirm und in Gummischuhen zu ihr [recte wohl: ihm. D.Hrsgb.] zu kommen, das hätte sie ihm auch nach seinem Tode nicht verziehen, aber sie macht ihm einen anderen Vorwurf. Er hätte sich klarmachen müssen, daß sie bei diesem Wetter gar nicht anders, als im Regenkostüm aus dem Hause gehen kann, selbst dann nicht, wenn man sofort in einen Wagen steigt. Was die Männer doch alles von den Frauen verlangen und wie rücksichtslos und wie egoistisch sie sind!
Und wie ganz anders sind die Frauen, wenn sie lieben.
Die Frau denkt bei allem, was sie tut, nur an den Geliebten, das redet Frau Stella sich fest ein und sie redet sich auch ein, sie erfülle ihm nur deshalb seine letzte Bitte nicht, um ihm die Enttäuschung zu ersparen, sie, deren Schönheit er liebt und bewundert, in einem sie entstellenden Kostüm sehen zu müssen.
Lieber läßt sie ihn sterben.
Aber nein, sie muß ja zu ihm gehen und ihn retten, schon um seiner selbst willen.
Frau Stella blickt nach der Uhr, noch ist es für sie Zeit, sie überlegt, was sie tun soll und sie überlegt eine halbe Stunde nach der anderen. Sie kämpft mit sich selbst, obgleich es gar keines Kampfes mehr bedarf, denn sie ist fest entschlossen, seine letzte Bitte nicht zu erfüllen, nicht, weil sie ihn nicht liebt, sondern weil sie ihn über alles liebt.
Und jetzt fällt ihr erst mit Entsetzen ein, sie müßte sich auch noch vorher ein Paar neue Gummischuhe kaufen, die letzthin gekauften sind schon nach wenigen Tagen kaputt gegangen.
Frau Stella kämpft mit sich und sieht dabei fortwährend nach der Uhr. Sie hat es bisher nie für möglich gehalten, daß innere Kämpfe so lange dauern können. Das ist ja schrecklich, wenn es doch nur erst vorbei wäre!
Um sich zu beruhigen, steht sie auf und nimmt ein paar Baldriantropfen. Wie gut das tut, wie sie das aufgeregte Herz beruhigen. Ob sie dem armen Braune nicht wenigstens eine Flasche Baldriantropfen schicken soll? Mit welcher Erregung der wohl nach der Tür blickt, von Sekunde zu Sekunde hoffend, daß sie kommen möge.
Ob sie nicht doch noch zu ihm geht? Ihm die letzte Stunde zu versüßen? Aber als Antwort auf diese Frage schlagen die Regentropfen an die Fenster.
Nein, sie wird ihm auch keine Baldriantropfen schicken, sie meint es so gut mit ihm, sie hat den brennenden Wunsch, alles zu tun, was sie kann, um ihm das Sterbebett zu erleichtern, aber er würde sich über sie lustig machen, er wäre sogar imstande, die Tropfen gar nicht einzunehmen.
Im Gegensatz zu den Frauen sind die Männer so unberechenbar!
Wie langsam die Zeit vergeht. Frau Stella sitzt wieder an ihrem alten Platz, sie kämpft mit sich weiter und kann doch zu keinem Entschluß kommen, weil sie schon längst einen Entschluß gefaßt hat.
Und als sie sich dann endlich doch entschließt, trotz des strömenden Regsn zu ihm zu eilen, da sieht sie es mit Schrecken — jetzt ist es zu spät und sie gesteht sich nicht ein, daß sie ihren Vorsatz absichtlich erst dann änderte, als es zu spät war.
Abermals fährt Frau Stella mit einem lauten Schrei zusammen, nun ist er tot, den sie über alles liebte.
Ach, es ist zu entsetzlich und während sie um den Geliebten weint, denkt sie darüber nach, was sie für ein Gesicht machen soll, wenn ihr Mann ihr die tragische Neuigkeit erzählt, daß Leutnant von Braune freiwillig aus dem Leben geschieden ist. Sie muß sich überrascht und erschrocken zeigen, aber nicht entsetzt, denn sie darf sich nicht verraten.
Von neuem blickt Frau Stella auf die Uhr. Ihr Mann kann bald zurückkommen. So geht sie denn in ihr Schlafzimmer, trocknet sich die Tränen, wäscht und pudert sich das Gesicht und wie eine Schauspielerin studiert sie sich vor dem Spiegel den Gesichtsausdruck ein, mit dem sie es anhören wird, wenn ihr Mann ihr sagt: „Denk dir nur, Leutnant von Braune hat sich erschossen.”
Mehr noch als auf der Bühne ist das ganze Leben eine Komödie, warum soll sie da nicht auch schauspielern?
Endlich hat sie den passenden Ausdruck gefunden und sie begibt sich nun in das Frühstückszimmer, um dort nach dem Rechten zu sehen, ihr Mann kann jeden Augenblick kommen.
Da klingelt draußen das Telephon und wenig später tritt der Diener herein: „Der Herr Leutnant wünscht die gnädige Frau persönlich am Telephon zu sprechen, ich habe es nach dem Herrenzimmer umgestellt.”
Frau Stella fährt zusamen und unwillkürlich faßt sie mit der Hand nach dem Herzen. Nun wird er ihr den Tod des Geliebten mitteilen, daß sie sich nur nicht mit der Stimme verrät.
Aber sie hat sich ganz in der Gewalt, als sie nun den Hörer abhebt und in den Apparat hinein ruft: „Ja, hier bin ich, Stella, was gibt es denn, Liebling?”
Seit Tagen gönnt sie ihm zum erstenmal wieder diese Anrede, besser ist besser, man kann nicht wissen.
„Was es gibt, Kindchen,” ruft er, über ihre Worte erfreut zurück, „ich muß dir leider mitteilen, daß ich bei dem besten Willen nicht zum Frühstück nach Hause kommen kann, der gute Braune hat uns alle zu einem opulenten Sektfrühstück eingeladen.”
Nur gut, daß ihr Mann es nicht durch den Apparat hindurch sehen kann, wie Frau Stella tatsächlich gegen einen Stuhl taumelt, wie ihr der Hörer um ein Haar aus der Hand gefallen wäre. Nur gut, daß er den Gesichtsausdruck, den sie jetzt zeigt, nicht erblickt, denn der ist nicht einstudiert. Auf diese Neuigkeit war sie nicht vorbereitet. Aber was ihr Mann da sagt, ist doch ganz unmöglich. Der Geliebte ist ja tot, wie kann der da noch ein Sektfrühstück geben? Sie muß sich verhört haben und so fragt sie denn: „Wer gibt euch das Frühstück? Herr von Braune?” Und um ihre Verwunderung zu erklären, setzt sie hinzu: „Ja, ist der denn über Nacht plötzlich Millionär geworden?”
„Sogar fünffacher,” lautet die Antwort. „Braune hat wirklich mehr Glück als Verstand. Heute nacht hat er gejeut. Das lag ihm, wie er mir erzählte, gestern den ganzen Abend schon in den Gliedern. Deshalb war er, als er neben dir saß, auch so seltsam, daß mir sein Benehmen auffiel. Der Spielteufel hatte ihn ergriffen und er mußte doch fortwährend an das dir gegebene Versprechen denken. Na, um es kurz zu machen, er hat eine Riesensumme verloren, zahlbar auf Ehrenwort innerhalb vierundzwanzig Stunden. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sich totzuschießen. Schon heute mittag wollte er seinen Vorsatz ausführen, aber er hatte sich eine Frist von drei Stunden gestellt, weil er sich immer wieder sagte: es ist doch möglich, daß noch innerhalb dieser Zeit das Glück dir naht. Und es ist gekommen, in der letzten Minute erschien ein Depeschenbote und brachte ihm ein dringendes Telegramm. Der Onkel ist gestern auf der Jagd verunglückt und heute morgen seinen Verletzungen erlegen. Braune ist der alleinige Erbe, nicht nur der baren Millionen, sondern auch der großen Güter. Natürlich hat er sofort seinen Abschied eingereicht. Das schon deshalb, wie er mir erklärte, weil er glaubt, dir nie wieder unter die Augen treten zu können. Na, das ist ja Unsinn, denn so ernsthaft war das dir gegebene Versprechen doch gar nicht gemeint. Aber das ist ja nun auch nebensächlich. Der gute Braune schwimmt in einem Meer von Glückseligkeit, wer will ihm das verdenken? Schon morgen fährt er zur Beisetzung und zur Übernahme der Erbschaft, um dann nur noch einmal kurz zurückzukehren, um seinen Junggesellenhaushalt aufzulösen und um die Abschiedsbesuche zu machen. Da wirst du einsehen, daß wir seine Bitte, jetzt mit ihm zusammen zu bleiben, nicht abschlagen können. Ich komme natürlich baldmöglichst. Und damit Schluß, Liebling, andere Kameraden wollen ihren Frauen die große Neuigkeit auch noch telephonisch mitteilen. Man versucht, mich mit Gewalt vom Telephon fortzureißen —” und das muß tatsächlich der Fall sein, denn sie hört jetzt, wie ihr Mann am Apparat den Kameraden zuruft: „Zum Donnerwetter, Herrschaften, so kitzelt mich doch nicht so, jaja doch.”
Frau Stella hört noch sein Lachen, dann klingelt er plötzlich ab, noch bevor sie Zeit gefunden hätte, auf alles, was sie da zu hören bekommt, auch nur eine Silbe zu entgegnen.
Ganz mechanisch legt sie den Hörer auf den Apparat, dann sinkt sie auf einen Stuhl, vergräbt das Gesicht zwischen beiden Händen und weint vor sich hin.
Er, der Geliebte, lebt noch!
Und darüber ist Frau Stella empört! Wie konnte er ihr nur einen so rührenden Abschiedsbrief schreiben, wie durfte er es wagen, ihr seine Liebe zu gestehen und sie um ihren Besauch, ja, sogar um einen Kuß zu bitten, wenn es gar nicht seine feste Absicht war, zu sterben?
Und wie ist es möglich, daß eine Depesche, ganz einerlei, was sie enthält, seinen Entschluß änderte?
Wie konnte er schreiben, er hätte nicht den Mut, ihr jemals wieder unter die Augen zu treten und schon deshalb müsse er aus diesem Leben scheiden?
Ob er ihr sein Ehrenwort gab oder nicht, Versprechen bleibt Versprechen und er hat ihr gelobt, keine Karten mehr anzurühren.
Sicher, wenn sie zu ihm gegangen wäre, dann hätte sie ihm erklärt: Deswegen brauchst du doch nicht zur Pistole zu greifen. Nun weiß sie, das war ja auch nur ein Vorwand, damit wollte er sie zu sich locken, nicht ihretwegen, sondern lediglich wegen der Spielschuld wäre er gestorben.
Ach und wie hätte sie ihn geliebt, wenn er sich wirklich erschossen hätte, wenn sie sich hätte sagen können: Mit deinem Namen auf den Lippen ist er gestorben.
Ach, die Männer sind ja so schlecht!
Frau Stella weint und schluchzt vor sich hin, alles hätte sie ihm verzeihen können, aber daß er noch lebt — — —
Welch tödliche Angst hat er ihr mit seinem Brief eingejagt. Wie hat sie stundenlang in heißem Kampf dagesessen, wie hat sie mit sich gerungen, ob sie nicht doch zu ihm gehen solle, wie hat sie sehnsüchtig zum Fenster hinausgeschaut, ob der Regen nicht endlich, endlich aufhöre, damit sie doch noch zu ihm gehen könne. Sogar ein Paar neue Gummischuhe hat sie sich seinetwegen kaufen wollen und daran gedacht, ihm Baldriantropfen zu schicken, damit er ruhigen Herzens aus diesem Leben scheiden könne.
Alles umsonst!
Er lebt! und wie hat sie ihn geliebt!
Frau Stellas Tränen fließen unaufhaltsam und während sie weint, kommt sie zu der Erkenntnis: Wir Frauen können nun einmal nicht leben, ohne zu lieben — — aber wenn wir lieben, dann ist der, dem wir unsere Liebe schenken, unserer Liebe nicht würdig! —
(1) Eine „Frau Matzen” tritt auf in „Frau Matsen” und in „Der Gardegraf”, ein Schreiber Matzen in „Die Ananasbowle”, und in „Ein Kampf” (Zurück)
(2) Schlicht/Baudissin selbst ist an einer Überdosis Veronal gestorben. In seiner Erzählung „Geschichten von der Lore: II. — Die Reise nach Italien” erwähnt er ein Erlebnis nach Einnahme von Veronal, und in dem Roman „Die Liebesprobe” tritt ein sehr begüterter Junggeselle auf — Baron von Königshofen — der behauptet, „er würde sein ganzes Vermögen dem vermachen, dem es später einmal gelingen würde, ein wirklich unfehlbares Mittel gegen die Schlaflosigkeit zu erfinden, denn an die ... Veronaltabletten glaube er längst nicht mehr.” (Zurück)
(3) Vielleicht richtiger: „der einstigen”. D.Hrsgb. (Zurück)