"Es liebt die Welt, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Dreck zu ziehen." Indem ich an dieses Wort eines alten Griechen denke, empört sich meine Brust, indem, daß ich daran denke, daß mir gestern ein Zeitungsblatt in die Hände fiel, in dem behauptet wurde, wir Unteroffiziere setzten unseren Stolz darein, Kasernenhofblüten zu erfinden. Für solche Behauptung verdienten die Leute eine Enthauptung. Meier, Sie krummer Ofenschirm, grinsen Sie nicht, mir wäre wohler, wenn auch Sie ohne Kopf geboren wären. Ich aber sage Euch, wir haben wichtigere Dinge zu tun, als Kasernenhofblüten zu erfinden, die von Zivilisten, die nie einen Kasernenhof sahen, geboren werden und dann für bare Münze gegen bares Geld umgetauscht werden, was man auf Deutsch Schleichhandel nennt, der sich von Betrug nur dadurch unterscheidet, daß man die großen Diebe laufen läßt, währenddem man die Lustmörder in Berlin bestraft, sobald man sie hat. Aber meistens hat man sie nicht, ebensowenig wie unsereins Lust hat, faule Witze zu reißen. Das entspicht auch unserer sozialen und gesellschaftlichen Stellung nicht.
Jede Blüte kann, um mich gebildet auszudrücken, nur auf einem reichlich mit Mist versehenen Boden entspringen. Wo ist auf dem Kasernenhof Mist ? Kaum daß man hin und wieder einmal einen vereinzelten Pferdeapfel sieht, den ein vorgesetztes Pferd verlor, und den die Spatzen fressen. In die Erde dringt der Dung nicht und selbst wenn er wollte, er kann nicht, so ein Kasernenhof ist hart wie das Ochsenfleisch, das ich gestern aß. Der Boden ist festgestampft und festgerannt, und jeden Tag wird er von tausend nägelbeschlagenen Stiefeln noch fester getreten. Wo man aber nicht säen kann, kann man auch nichts ernten, und so wachsen keine Blüten auf dem Kasernenhof, wenigstens keine wirklichen, die so ein verbummelter Zivilist in Ermangelung von Tapferkeitsorden als Zeichen seiner Unwiderstehlichkeit sich in das Knopfloch steckt.
Was nun die anderen Kasernenhofblüten anbelangt, die man in den faulen Witzblättern findet, so habe ich Euch eben schon mit der Kürze der militärischen Würze gesagt, daß es erstens gar keine Kasernenhofblüten gibt, und zweitens, daß die, die es gibt, gar nicht vom Kasernenhof kommen. Und wenn neulich jemand behauptet hat, meine Reden wären krause Reden, so ist das eine Infamie, es sind Krause-Reden, und zwischen einem kleinen und einem großen K ist ein Unterschied, wie zwischen dem schönen, eleganten Bein einer Balletdame, das in Trikot in der Luft herumwirbelt, und den krummen Knochen vom Meier, der bei dem Parademarsch immer noch nicht das linke Knie durchdrücken kann. Immerhin kann aber auch unsereins trotz unserer Bildung mal auf dem Kasernenhof ein kleines Klapsus linke, was soviel bedeutet wie ein Zungenfehler, passieren. Auch unsereins kann mal die Venus von Milo mit dem Postillon von Longjumeau verwechseln, obgleich das eine ein Weib, und zwar ein sehr schönes ist, und der andere ein Mann, Namens Heinrich Bötel, was früher ein berühmter Droschkenkutscher war. Schon Schiller sagt, "denn was man schwarz auf weiß besitzt, kann man getrost nach Hause tragen", wobei ich man bloß wissen möchte, was Schiller mit all den Zeitungspapieren gemacht hat, wo er doch schon selber so viel Papier vollschrieb. Und Schiller war einer von den wenigen verständlichen Schriftstellern des Mittelalters, der hat sich nicht über den Militarismus lustig gemacht, der hat keine faulen Kasernenhofblüten an den Simplizissimus geschickt, der wußte ganz genau, daß in allem, was wir sagen, ein tiefer Sinn verborgen liegt. Und wenn die Zivilisten diesen Sinn nicht erraten und nicht verstehen, so ist das für sie traurig genug, denn Bildung allein macht frei, und ein gebildeter Mensch wie ich kann ruhig einmal ein Porteufeuille, ein Fauiteuil und ein Feuilleton mit einander verwechseln, ohne daß man dadurch seine Blöße zeigt, was bei einem vorschriftsmäßig angezogenen Soldaten ja auch ganz ausgeschlossen ist. Und wenn unsereins sich auf dem Kasernenhof einmal dazu verleiten läßt, angesichts Eurer Dummheit die Beine über den Kopf zusamenzuschlagen, so ist das keine Kasernenhofblüte, sondern nur ein Zeichen, wie gewandt und körperlich elastisch Eure Vorgesetzten sind. Und wenn ich zu einem Unteroffizier der Reserve, der seinen Zug im Halbkreis ausrichtet, sage: "man merkt es Ihnen an, daß Sie in Ihrer Zivilehe ein Kreisrichter sind", so ist auch das keine Kasernenhofblüte, sondern es ist nur ein Beweis für den Scharfsinn Eures Vorgesetzten, der aus dem militärischen Gebaren des Reservisten auf dessen Zivilberuf schließen kann. Und wenn ich zu Meier, der immer noch keine Klimmzüge machen kann, sage: "Meier, Sie hängen an dem Querbaum wie ein ausgeschlachtetes Kalb, das darüber nachdenkt, warum es eigentlich geboren wurde", so ist auch das keine Kasernenhofblüte, sondern ein Beweis, daß Eure Vorgesetzten Eure geheimsten Gedanken erraten können. Und wenn ein Unteroffizier im Elsaß zu einem Rekruten gesagt hat: "Du heißt nícht Jean Jacque Beaubell, wie Du Dir einbildest, sondern von heute an heißt Du krummes Rindsvieh einfach Popel und damit basta", so ist auch das keine Kasernenhofblüte, sondern nur ein neuer Beweis dafür, wie Eure Vorgesetzten unabläßlich bemüht sind, die deutsche Sprache von den Fremdwörtern reinzuhalten. Vor ein paar Tagen erzählte uns der Herr Feldwebel, daß in den Kämpfen bei Le Mans eine Kälte von 28 Grad gewesen wäre. Da fragte einer von uns: "28 Grad ? War das nach Celsius oder nach Reaumur ?" und prompt erwiderte der Herr Feldwebel: "Es war nach Weihnachten." Aber auch das ist keine Kasernenhofblüte, sondern eine wohlüberlegte Antwort; denn von Celsiussen und Reaumüren wissen die wenigsten Leute was, ebensowenig wie von der amerikanischen Fahrzeit, um nicht zu sagen Fahrenheit, aber Weihnachten kennen sie alle.
So sage ich nochmals, es gibt keine Kasernenhofblüten; die einzigen, die es dennoch gibt, seid Ihr selbst, die Ihr krumm und lahm wie eine verbogene Mondsichel auf dem Kasernenhof herumlauft. Ihr seid die traurigen Blüten, die auf dem Kasernenhof wachsen. Drum wird es endlich Zeit, daß das Kapitel der Kasernenhofblüten aufhört zu existieren, das wäre ein Glück für den ganzen Militarismus, das sage ich, der Sergeant Krause, und was ich sage, ist eitel Gold.