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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 9 vom 21. November 1904


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

VIII.
Krause über das Parlament.

Ich habe mal irgendwo den Satz gelesen, es gibt für einen Staat nur zwei vernünftige Regierungsformen: entweder ein absolutes Kaiserreich oder eine Republik. Ich verstehe den Satz nicht ganz, indem er sich mit meinem eigenen Empfinden in Widerspruch setzt, weil wir ja doch einen Absolutismus nicht haben, von dem ich nicht recht weiß, was er ist, was bei Fremdwörtern auch erlaubt ist; denn kein Fremdwort für das, was gut deutsch ausgedrückt werden kann! Und was ich nicht verstehe, braucht Ihr auch nicht zu verstehen, denn wohin sollte es führen, wenn die Untergebenen klüger würden als die Vorgesetzten? Dann würde es bald dahin kommen, daß die Untergebenen gegen die Vorgesetzten anquasseln, wie die Leute im Reichstag gegen den Willen unseres Kaisers und unserer Staatsregierung. Und soviel weiß ich, wenn ich Bismarck gewesen wäre und die Karre aus dem Dreck gezogen hätte, ich hätte keinen Reichstag geschaffen, oder wenn ich dennoch getan hätte aus Gründen, die ich zwar nicht kenne, aber trotzdem mißbillige, dann hätte ich wenigstens in das große Haus in Berlin nur konservative Abgeordnete hineingewählt, denn die Konserven ernähren, alles übrige verzehrt. Die Konservativen wollen, wie sie sollen, aber die anderen wollen immer, was sie nicht sollen, und wenn man nicht will, wie man soll, und nicht soll, wie man will, dann will man nicht so, wie man soll, und soll nicht so, wie man will, und daran ist ja nichts zu ändern. Auch dies Jahr wird dafür Beweise bringen. Ich habe gelesen, daß dem Reichstag auch jetzt wieder sehr wichtige Vorlagen zugehen. Meier, Sie kaputer Glühstrumpf, wenn Sie sich noch einmal den Finger so tief in die Nase bohren, dann werden Sie sich noch ein Loch ins Gehirn stoßen, und dann werden Sie noch dümmer, als Sie es so wie so schon sind, und das verbitte ich mir. Was ich hier also sagen wollte, so wird man zunächst vom Reichstag 200 Millionen für den Krieg in Ostafrika fordern. Wenn ich mir so 200 Millionen vergegenwärtige, so muß ich ja sagen, daß das immerhin ein ganz schönes Stück Geld ist, und wenn ich es besäße, dann würde ich mir meinen Wunsch erfüllen und mir für meinen Verschlag endlich einen neuen Vorhang kaufen, der immerhin seine Mark und 50 Pfennige kostet. Aber es geht auch so, aber ohne die 200 Millionen geht es in Afrika nicht, und deshalb muß das Geld bewilligt werden. Ich höre schon die Leute sagen, was brauchen wir Kolonien? Das kann man aber eigentlich den Leuten auch nicht übel nehmen, denn es fehlt ihnen der Fernblick, gewissermaßen die geistige Vogelperspektive, aus der herab sie das Erhabene in den Staub ziehen und den Staub erhaben machen. Dann soll unsere Armee vergrößert werden, und dafür gibt es nur ein Wort, obgleich es eigentlich drei sind: Gott sei Dank! Wir sind der Stolz der Nation, und je größer der Stolz einer Nation ist, um so größer ist der Nationalstolz, und wenn uns dann jemand an die Karre fährt, dann schlagen wir los, wie wir schon jetzt in der ganzen Welt dafür bekannt sind, daß wir uns von keinem Menschen nichts gefallen lassen, er sei denn unser bester Freund. Und weil wir lauter beste Freunde haben, lassen wir uns alles gefallen, darum haben wir auch den Frieden, und wer den Frieden will, rüste den Krieg, und damit her mit die Dukaten für die Armeevorlage. Auch sonst wird noch für manches Geld gefordert, so z.B. für den Lausekanal *), obgleich ich einen Fluß die Lause nicht kenne, aber wenn sie den Kanal braucht, dann muß sie ihn auch haben, ebenso wie Kriegsinvaliden die erhöhte Pension. Na, da werden sich die Kerls schön an die Haare kriegen. Es gibt im Reichstag siebzehn verschiedene Parteien, von denen ich Euch die wichtigsten nennen will. Zuerst die Konservativen, die zu allem ja sagen, wenn sie nicht nein sagen, was sich auch so gehört. Dann der Bund der Landwirte, die notleidenden Agrarier, die immer ja sagen, wenn man zuerst zu ihren Wünschen ja gesagt hat. Dann die Antisemiten, die haben als Vorsitzenden einen Grafen Pückler, den Erfinder vons Pückler-Eis, der führt den Beinamen der Dreschgraf, weil er immer auf die Juden drischt. Dann gibt es Freisinnige, an ihrer Spitze steht Eugen Richter, und dann gibt es auch noch Polen. Die hatten früher mal einen König, der hieß August der Starke. Das Wichtigste an seiner Regierung ist, daß er 365 uneheliche Kinder zeugte. Und von diesen vielen Kindern wollen sie nun eins als König wieder haben, aber das geht nicht, denn diese Kinder sind auch schon alle wieder tot, und selbst wenn sie noch lebten, so würden wir sie doch nicht als Könige anerkennen, denn wir haben schon mehr als genug Königreiche. Und mit die Polen zusammen heulen die Wölfe, in diesem Falle die Welfen, die alten Hannoveraner, die uns immer noch nicht dafür dankbar sind, daß wir ihnen 66 ihren König nahmen und sie zur Provinz machten. Aber darüber darf man sich ja nicht wundern, denn Undank ist der Welt Lohn. Und dann gibt es noch das Zentrum, das ist im Reichstag, was beim Scheibenschießen das Zentrum auf der Scheibe ist. Es ist schwarz wie dieses und ebenso rund. Und dann gibt es noch eine Partei, die Sozialdemokraten. Ihr habt gesehen, wie ich eben rot geworden bin, als ich das Wort aussprach, aber bei die Sozialdemokraten muß man ja rot werden, weil sie sich selbst die Roten nennen, obgleich unsere Fahne schwarz und weiß ist. Aber die Leute wollen die Welt auf den Kopp stellen, sie haben nicht, wie die anderen frommen Leute, Babel und Bibel, sondern Bebel. Und den wollen sie zum Kaiser machen. Bebel erbt beständig, und da denken sie, daß ihm eines Tages auch die Krone als Erbteil zufällt, und darauf warten sie. Aber darauf können sie lange warten. Wenn Bebel wirklich mal Kaiser wird, ich präsentiere nich vor ihm. Auch unter Euch sind verkappte Sozialdemokraten, ich weiß es, aber wehe dem, der seine Gesinnung verrät! Als Soldaten habt Ihr das Paradies auf Erden! Nehmt Euch in Acht, daß nicht eines Tages ein Erzengel kommt und Euch aus dem Paradies vertreibt. Und schon um dieser Schande zu entgehen, dürft Ihr mit den Sozialdemokraten nichts gemein haben. Ein anständiger Mensch hat überhaupt keine politische Überzeugung, der kümmert sich um so was überhaupt nicht, der läßt die Sache gehen, wie sie geht. Dann hat er keine Sorgen, dann fühlt er sich wohl und glücklich. Das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.


*) Aber Herr Sergeant! Was hat der Kanal mit dem Reichstag zu tun?
Anmerk. d. Red.



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© Karlheinz Everts