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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 6 vom 31. Oktober 1904


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

V.
Krause über die Kleidung.

Es gibt zweierlei Moden, eine Mode à la boeuf oder, besser gesagt, boeuf à la mode, und eine andere Mode. Ihr interessiert Euch natürlich mehr für das Boeuf, denn ein Ochse liebt ja immer den anderen, aber dieses Mal gibt es nichts zu essen, und Meier, Sie krummer Heuochse, wenn Sie schon wieder hungrig sind, obgleich Sie heute mittag dem Staate wenigstens für 35 Pfennig Kartoffeln aufgegessen haben, wo der Soldat doch nur den ganzen Tag 18 Pfg. Verpflegungszuschuß hat, dann ziehen Sie gefälligst den Bauch ein und halten Sie den Atem an, bis Sie tot sind. Für Sie wäre es ja schade, aber für den Staat wäre es kein unersetzlicher Verlust, und denken Sie, wenn Sie gestorben sind, haben Sie nie mehr Hunger. Schön wäre das, was Meier?

Also von der anderen Mode will ich mit Euch sprechen. Von der Mode oder, richtiger gesagt, von der Bekleidung. Natürlich von der Kleidung der Männer; denn von den Kleidern der Weiber will ich hier gar nicht reden; denn erstens bin ich kein Teilohr, das auf deutsch soviel wie Schneider heißt, und zweitens verstehe ich nichts von der weiblichen Garderobe, und außerdem, wenn ich es auch verstände, Ihr verständet es doch nicht, denn Eure liebe Kuhmagd zu Haus hat ja doch nichts weiter an als ein paar Holzpantoffeln.

Also die Bekleidung der Männer besteht darin, daß sie alle Vierteljahr ihr Kleider wechseln, einmal weil bekanntlich auch die Jahreszeiten viermal im Jahre wechseln, dann aber auch, weil der Zivilist, schlapp und verweichlicht wie er ist,, im Winter einen wärmeren Rock trägt als im Sommer, und im Frühjahr einen dünneren als im Herbst. Das ist schon ein Unsinn, überhaupt seht Euch mal solch einen Zivilisten an. Fangt mit den Füßen an! Glaubt Ihr, der Zivilist trägt Stiefel ? Er nennt die Dinger so, aber es sind keine, und was für verschiedene Arten trägt er: Knöpfstiefel, Schnürstiefel, Patentstiefel, Korkstiefel, er trägt sich 'nen netten Stiefel zusammen. An der Gangart schon kann man erkennen, ob ein Mensch ein Mann oder ein Weib ist, und wenn so'n schlapper Jüngling in spitzen, absatzlosen Schnabelschuhen durch die Straßen geht, gewissermaßen wie ein Kamel durch die Wüste, dann weiß man schon, dieser Mann ist ein Weib. Wir aber sind Gott sei Dank anders; wenn wir durch die Straßen marschieren, dann weiß man, es kommt das Militär. Von weitem schon hallt unser Schritt, denn es gibt nur einen Stiefel, der ebenso praktisch wie elegant ist, das ist der vorschriftsmäßige Kommiß-Stiefel mit der nägelbeschlagenen Sohle.

Nach den Stiefeln kommt die Hose. Seht Euch solche Zivilisten an: dem einen flattern die Dinger wie aufgeblasene Säcke um die Beine, der andere hat ein paar Dinger an, so eng wie ein Trikot, das so ein kleiens Balletmädchen anzieht, wenn sie hopla macht. Und dann die Farbe von den Hosen, solche Farben gibt es ja gar nicht, und gar erst die Hosenfalten! Mir hat mal ein junger Kommis, was ein ganz feiner Emil war, erzählt, mit 'ner Falte ohne Hosen ginge er ganz ruhig auf die Straßen, aber mit 'ner Hose ohne Falten könne sich kein anständiger Mensch sehen lassen. Manche tragen sogar zwei Falten, eine vorne, eine hinten, das ist damit, wenn die eine ausfällt, damit sie dann wenigstens doch noch eine haben, und ich habe sogar gelesen, ein hoher Herr, dessen Namen ich nicht in die Debatte ziehen will, weil er den ganzen Tag lang auf dem Throne sitzt, hat mal 'ne Hose getragen, die hatte vier Falten. Ich aber sage Euch, es gibt nur eine Hose, das ist unsere Kommiß-Hose, und wenn sie im Laufe der Jahre auch manchmal ihren Glanz verliert, und wenn das Tuch auch manchmal mit Leder geflickt werden muß, sie bleibt doch die schönste Hose, die es auf der Welt gibt.

Und ebenso ist es mit dem Rock. Es ist eine Ehre, des Königs Rock zu tragen, das Wort kennt Ihr alle, und das Wort sagt alles. Und es ist eine Schande, im Zivilrock herumzulaufen, was ja auch schon daraus hervorgeht, daß einer, wenn er aus dem Heere gestoßen wird, gleichzeitig dazu verurteilt wird, Zivilist zu werden. Aber die Zivilisten bilden sich sogar noch etwas ein auf ihren Rock, und immer erfinden sie neue Fassons, bald sind sie kurz, bald sind sie lang, bald sind sie eng, bald sind sie weit, und die Schneider zerbrechen sich ihre Köpfe, damit sie endlich den Rock erfinden, der für alle Zeiten allen Anforderungen entspricht. Aber den Rcok finden sie nicht, weil er schon existiert, und wir allein besitzen ihn. Unser Rock braucht keine Änderungen, er ist immer schön, und jedes Mädchenherz schlägt höher, wenn es nur unsere Knöpfe blinken sieht. Aber blank müssen sie sein, und Meier, Du Dreckigel, wenn Du noch einmal mit einem so schlecht geputzten Rock kommst, wie heute morgen, dann reibe ich Dir die Nase an den Knöpfen blank, oder die Knöpfe an Deiner Nase, was beides dasselbe ist.

Was für den Soldaten Kaisers Geburtstag, das ist nun für den Zivilisten seine Kravatte. Und es gibt Menschen, die stehen stundenlang vor dem Spiegel und binden sich die Dinger um den Hals, und es wird nie gut genug; und die Farbe der Kravatten paßt nie zu den Anzügen, und dann probieren sie immer weiter und weiter und vertrödeln ihre Zeit mit unnützen Dingen. Die Brüder sind natürlich verrückt, denn wenn sie verständig wären, dann würden sie wieder Soldat. Dann hätten sie gleich die schönste Kravatte, die es überhaupt gibt, denn das ist und bleibt die Halsbinde, besonders, wenn sie der Vorschrift gemäß nur strohhalmbreit aus dem Kragen hervorsieht.

Noch ein wichtiges Bekleidungsstück habe ich vergessen, das sind die Strümpfe. Der gebildete Zivilist trägt Socken. Und was gibt es für verschiedene Socken, rot, grün, gelb, blau, lila, überhaupt jede Farbe, die es gibt. Die Zivilisten verweichlichen eben auch ihre Füße, und wenn ihnen dann einmal das Glück und die Auszeichnung zu teil wird, zu einer Reserveübung eingezogen zu werden, dann laufen sie sich die Füße durch, dann fallen sie um, werden schlapp, liegen jammernd und winselnd im Chausseegraben, und zu spät sehen sie dann ein, daß es nur einen wirklich praktischen und dabei selten hübschen und eleganten Strumpf gibt. Und das ist gar kein Strumpf, sondern der vorschriftsmäßig zusammengelegte Fußlappen. – Das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts