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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 10 vom 27. November 1905


Die Reden des Ex-Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

Krause über Finanz- und Steuerfragen.

Indem ich in Jena auf historischem Boden stehe, gebe ich meiner Freude Ausdruck, daß der hiesige Verein ehemaliger Unteroffiziere meine gewichtige Persönlichkeit gewonnen hat, damit ich Ihnen mit einigen Worten meine maßgebende Ansicht über die bevorstehende Reichstagssession sage, wobei meine Worte um so mehr Beachtung in der Welt finden werden, weil sie von Jena ausgehen, indem gerade diese Stadt in der letzten Zeit durch ihre Reden bekannt wurde, wobei ich Sie nur an den sozialdemokratischen Parteitag erinnere, auf dem Bebel Sieger blieb, was Sie ja alle aus dem Vorwärts wissen, während andererseits jetzt eine Jenenser Studentenversammlung die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, indem diese gegen die Bevorzugung ausländischer Studenten revolutioniert und ein gemeinsames Vorgehen aller Studenten in dieser für sie wichtigen Angelegenheit herbeizuführen sucht, sodaß Jena gewissermaßen nicht nur eine Stadt ist, sondern gewissermaßen die Stadt der Städte in ihrer Eigenschaft als geistige Urheberin intellektueller Ereignisse.

Wenn ich nunmehr zu dem Hauptthema meiner Rede komme, so wissen Sie ja alle, daß die Volksvertreter noch in diesem Monat die jetzt einsamen Räume des Reichstagsgebäudes betreten werden, um im Schweiße ihres Angesichts für das Wohl des Volkes ihre Reden zu halten, wobei ich bemerke, daß das Volk heute noch mehr als sonst nicht nur den Wunsch, sondern sogar das Verlangen hegt, wohl zu werden, indem die teuren Fleischpreise bei vielen Leuten eine Magenverstimmung hervorrief, die durch ein Schweinskotelett gehoben werden muß, sobald es wieder Schweine gibt. Wobei die Herren Abgeordneten zusehen mögen, woher sie diese Borstentiere nehmen, indem es nach meiner persönlichen Meinung das einfachste wäre, nicht nur die Grenzsperre, sondern überhaupt alle Grenzen abzuschaffen, sodaß ganz Europa ein Reich würde, das wir natürlich von Berlin aus regieren würden. Womit auch zugleich jenes Geld in unsere Kassen käme, das Herr von Stengel, unser Herr Reichsschatzsekretär, zwar gebraucht, aber leider nicht hat, sodaß er dem Reichstag bei der Begrüßung ein ganzes Bouquet von neuen Steueranlagen überreichen wird, denn das Geld muß geschafft werden, schon damit unsere Flotte und unser Heer den modernen Verhältnissen entsprechend modernisiert werden kann. In erster Linie gilt es natürlich die Flotte zu vergrößern, indem diese ebenso wenig wie die Schiffe selbst nie groß genug werden kann, sodaß man heutzutage die größten Schiffe noch um ein Stück größer macht, indem man noch ein Stück ansetzt. Was bei der Armee in der Weise geschieht, daß man neue Bataillone bildet, die sich im Laufe der Zeit zu neuen Armeekorps auswachsen. Wobei ich erst jetzt wieder in Berlin bei dem Besuch des spanischen Königs sah, daß man gar nicht genug Soldaten haben kann, indem es in den Festtagen in Berlin doch noch ein paar Straßen gab, in denen keine Soldaten zu erblicken waren.

Bei den Steuern, die jetzt im Interesse der Armee und zum Wohle des deutschen Vaterlandes neu ausgeschrieben werden, handelt es sich in erster Linie um die Biersteuer, die sehr viel für sich hat, indem das Bier dick und dumm macht, während der Wein sich als Volksgetränk viel besser eignet, besonders wenn er gut ist. Auch der Tabak muß versteuert werden, was besonders die Hausfrauen erfreuen wird, indem dann die Gardinen nicht so schnell schwarz werden, wenn es sich nicht gerade um bunte handelt. Fast noch schädlicher für den innerlichen Organismus als die Zigarre ist die Zigarette, weil die Leute den Rauch herunterschlucken, und man darf dem Staate nur dankbar sein, daß er diesem Unfug durch eine Verteuerung der Zigaretten ein Ende bereitet, ebenso wie es sich auch gehört, daß er den lachenden Erben die Freude an einer Erbschaft durch eine neue Steuer verdirbt, schon deshalb, weil alles Spekulieren eine häßliche Erfindung ist, besonders wenn sie auf den Tod eines entfernten Verwandten hinausgeht, indem dadurch die verwandtschaftlichen Bande gelockert werden.

Wie es denn überhaupt gar nicht genug Steuern geben kann, sodaß auch eine Junggesellensteuer ihre Berechtigung hat, denn woher sollen die Soldaten kommen, wenn keine Kinder geboren werden, was ohne eine Ehe gewissermaßen nicht gut möglich ist. Ebenso müßte es auch eine Jungfernsteuer geben und zwar nicht nur für solche Jungfrauen, die nicht heiraten, weil sie keinen Mann bekommen, sondern auch für solche, die heiraten können und es trotzdem nicht tun. Die müßten sogar doppelt versteuert werden, ebenso wie jedes Ehepaar am Hochzeitstage eine Steuer dafür bezahlen müßte, daß er kein Junggeselle und sie keine Jungfrau mehr ist. Und wie die Erwachsenen Steuern bezahlen, so sehe ich nicht ein, warum nicht auch die Kinder ihr Taschengeld versteuern sollen, wie es mir absolut nicht in den Sinn will, warum die Kinder nicht selbst versteuert werden, indem diese doch für viele Leute ein Vergnügen sind und indem eine Vergnügungssteuer ja schon existiert. Und die Klaviere müssen versteuert werden, wie die Automobile, indem die einen unsere Ohren und die anderen die Luft verpesten, wie denn auch für den Verbrauch der Luft eine Steuer erhoben werden könnte, wie es in Frankreich schon eine Fenstersteuer gibt, weil diese das Licht gewähren und wobei ich nicht einsehe, warum das Licht im Gegensatz zur Luft versteuert wird, indem daß beides zusammengehört. Auch meine ich, daß man für jedes Rendezvous, das man sich mit der Geliebten gibt, eine Steuer entrichten könnte, indem so etwas ja doch ins Geld geht, wobei es auf ein paar Mark mehr oder weniger nicht ankommt.

Vor allen Dingen aber meine ich eins, wobei ich ausdrücklich bemerke, daß dieser Gedanke noch nie von mir gedacht worden ist und daß ich auf seine geistige Vaterschaft sehr stolz bin, indem ich endlich die Lösung des Rätsels nach neuen Steuern gefunden zu haben glaube. Wobei ich, um Ihre berechtigte Neugierde nicht länger auf die abgeschaffte Folter zu spannen, vorschlage, daß wir nicht nur Steuern bezahlen, sondern daß wir die Steuern wieder versteuern und die Steuer, die auf der Steuersteuer steht, ebenfalls versteuern. Dann haben wir die Gewißheit, daß wir selbst nach der Meinung des Staates genug Steuern bezahlen, denn was wahr ist, ist wahr, und was wahr ist, ist die Wahrheit. Das sage ich, der ehemalige Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.

In No. 12 von "Nimm mich mit" spricht Krause über Nürnberg.



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© Karlheinz Everts