Ich habe neulich mal den Satz gelesen: "das geistige Neveau des Zivilismus geht immer mehr und mehr zurück." Wer das Wort gesagt hat, weiß ich nicht mehr; vielleicht ist es auch von mir selbst, so sehr entspricht es meinem Empfinden. Und alles, was ich empfinde, muß ich auch sagen; Verstellung ist mir fremd. Und deshalb, Meyer, Sie krümmste aller Mondsicheln, sage ich Ihnen, machen Sie noch einmal ein so schafsdämliches Gesicht wie vorhin, haue ich Ihnen eine runter; natürlich nur bildlich; denn erstens haue ich nie, und zweitens habe ich mich das letzte Mal, als ich es tat, scheußlich dabei in die Brennesseln gesetzt. Und diese Pflanze ist für Höhergestellte nicht da.
Um also auf das geistige Niveau des Zivilismus zurückzukommen, so sieht man, ob jemand etwas leistet, am besten daran, ob und was er leistet. Das dürfte selbst Euren Schädeln einleuchten. Wenn wir aber die geistigen Leistungen des Zivilismus betrachten, so muß man sagen, daß dieselben mehr oder weniger gleich plus minus Null sind, was so ziemlich dem Normalwasserstand des Pegel entspricht, von dem aus bekanntlich gerechnet wird, ob wir Überschwemmung oder Wassersnot haben. Von dem, was der Geist eines Menschen zu schaffen vermag, habe ich schon in der vorigen Stunde gesprochen, indem ich auf die Kunst im allgemeinen und die Bildhauerei im Spezialfach der Fürstenaushauerei hinwies. Immerhin ist das Bildhauen aber mehr eine rein körperliche Arbeit, bei der der Geist nicht in Frage kommt. Anders ist es mit einem anderen Gebiet der Kunst, das ich heute mit Euch besprechen will: die Literatur. Unter Literatur versteht man all den Unsinn, der heutzutage in Büchern und Theaterstücken und Geschichten geschrieben wird, wobei ich gleich bemerken will, daß die meisten Schriftsteller körperlich und geistig entgleiste Offiziere sind, die nun aus dem sogenannten reichen Schatz ihrer Erfahrungen, den sie nicht besitzen, etwas zum besten geben. Über die Leute spreche ich zum Schluß. Bleiben wir erstmal bei dem, was der durch und durch zivilistische Zivilismus auf dem Gebiet der Literatur schafft. Und da kann ich sagen, daß es nur einen Dichter gibt, Josef Lauff. Auch der Mann, den ich einml persönlich von weitem zu sehen die Ehre hatte, war Offizier; aber das hat er wenigstens insofern vergessen, daß er nicht wie Bismarck und Bilse und die anderen B's unter die Nörgler ging, von denen schon unser Kaiser ganz in meinem Sinne sagte: sie sollten ihren Staub gefälligst wo anders hin schütteln und unsere schöne Luft nicht damit verpesten. Wobei natürlich mit Staub etwas anderes gemeint war, was Ihr Euch selbst ausdenken könnt. Der Lauff blieb also auch als Zivilist ein königstreuer Mann und dichtete Königsdramen. Gesehen habe ich sie zwar nicht; denn sie werden auch nicht aufgeführt, wenigstens nicht vor der großen Menge, weil diese sie doch nicht versteht, sondern nur vor geladenen Gästen, über deren Fassungsvermögen man nicht im Zweifel sein kann. Man gibt sie bei Kaisers Geburtstag und an anderen hohen Festtagen, wo nur die Herren Offiziere, die Herren Unteroffiziere und einige besonders begabte Mannschaften der Garderegimenter ins Theater kommandiert werden. Ich habe mir die Namen der Stücke nicht gemerkt, Name ist Schall und Rauch, welcher Ausdruck von zwei Berliner Theaterdirektoren herstammt. Aber die Stücke sind schön; so ergreifend schön, daß das Publikum nach dem Fallen des Vorhangs nicht zu klatschen wagt. Und daraus schließen Menschen, für die der Ausdruck Anarchist eine öffentliche Belobigung ist, daß die Stücke überhaupt keinen Beifall finden, was einer Majestätsbeleidigung gleichkommt, wie denn überhaupt dieser wichtigste aller Gesetzesparagraphen viel zu wenig in Anwendung kommt. Auch Romane hat Herr Lauff geschrieben, und außer ihm gibt es eigentlich nur noch einen bedeutenden Schriftsteller, der noch dazu eine Frau ist, aber selbstverständlich die Frau eines hohen Offiziers, sie heißt Nataly von Eschstruth und hat ein Buch geschrieben, von dem ich nicht einmal weiß, wie es heißt; aber unser Kaiser hat es sich widmen lassen, und schon deshalb muß es jeder Patriot kennen. Und wenn ich es trotzdem nicht kenne, so liegt das nicht etwa an einem Mangel an Patriotismus, sondern an Mangel an Zeit. Ihr aber müßt Euch den Namen Nataly von Eschstruth schon aus dem Grunde merken, weil sie hauptsächlich Militärgeschichten schreibt, obgleich sie natürlich nie Soldat war. Überhaupt ist die Literatur, in der das Militär gefeiert wird, die einzige, die eine Existenzberechtigung hat. Einmal in Berlin habe ich mir ein Stück angesehen, nur deshalb, weil unser Kaiser es auch gesehen hat. Es heißt: "Im bunten Rock." Es ist ja nicht viel dran an der Arbeit; aber eines ist schön, der Schluß. Einmal, weil das Stück mit dem Schluß aus ist; denn aber auch um des Schlusses selbst willen. Da marschiert eine ganze Kompanie Gardisten mit dem Trommler- und Pfeiferkorps und der vollzähligen Regimentskapelle unter den Klängen des Preußenmarsches im strammsten Paradeschritt über die Bühne. Das ist Kunst, wahre Poesie, und so was kann dem Publikum nicht oft genug geboen werden; denn da erwacht die Liebe zu Kaiser und Reich und zum Militarismus, und diese zu fördern, ist, wie schon erwähnt, die erste Aufgabe der Literatur. Wie sieht es aber in Wirklichkeit mit ihr aus ? Die Schriftsteller versuchen allerdings diese Liebe zu zerstören, und es ist traurig, in einer Zeit zu leben, in der es ein Buch wie "Jena oder Sedan" und Bücher "Aus kleinen Garnisonen" gibt. Es gibt gar keine kleine Garnison, und selbst, wenn sie noch so klein ist, Platz für eine Kaserne hat sie immer! Was aber die Frage "Jena oder Sedan" betrifft, so ist sie ein Unsinn. Für uns gibt es nur ein Sedan; einmal, weil wir schon eins haben, dann aber auch, weil ein Jena ein großes Unglück wäre. Und deswegen soll man sich über überflüssige Dinge nicht den Kopf zerbrechen. Unsere Armee ist über jeden Zweifel erhaben, ein jeder der Herren Offiziere und der Herren Unteroffiziere ist ein "erstklassiger Mensch", dessen Ehrgeiz darin besteht, in "eine kleine Garnison" zu kommen, um von dort aus wie eine zweite "Caries an ihre Freundin" zu schreiben, daß man auch "in einer anderen Garnison" glücklich ist, sobald man Dienst hat. Und alle, die da gegen das Militär schreiben, sind Elende, und wer da offen zeigt, wie es bei uns zugeht, der ist ein Verleumder. Das sage ich, der Sergeant Krause. Und alles, was ich sage, ist eitel Gold.