Indem ich meine Bewerbung um eine Anstellung bei der Post zurückgezogen habe, nachdem man mir schonend mitgeteilt hat, die Zahl der Bewerber dort sei so groß, daß an eine Anstellung in den nächsten Jahren nicht zu denken wäre, habe ich mich entschlossen, mich in Zukunft nur noch so viel mit der Post zu befassen, als es die Erledigung meiner wenigen Postsachen bedingt. Weiter habe ich mir vorgenommen, mich um eine Anstellung als Gerichtsvollzieher zu bewerben, wobei ich Ihren verwunderten Gesichtsausdruck bemerke und der Hoffnung Ausdruck gebe, daß ich es nie nötig haben werde, mit einem von Ihnen, meine Herren, in dieser Hinsicht in Berührung zu kommen. Denn so sehr ich mich auch freuen würde, und so sehr es für Sie, meine Herren, ja auch nur schmeichelhaft wäre, einen Mann von meiner Bildung und meiner Berühmtheit als Gast in Ihrem Hause zu sehen, wobei ich gleich bemerken möchte, daß ich in lukullischer Hinsicht nicht verwöhnt bin und daß Ihre sehr verehrten Damen meinetwegen keine Umstände zu machen brauchen, indem das für beide Teile immer nur genant ist, also ich meine, so angenehm es ja auch für beide Teile wäre, unsere Bekanntschaft durch einen gesellschaftlichen Verkehr zu besiegeln, so peinlich wäre es natürlich für uns Beide, wenn ich bei Ihnen siegeln müßte, wenngleich ich dies natürlich unter dem Siegel der tiefsten Verschwiegenheit tun würde, indem mir dieses nicht nur das Siegel meines Amtsgeheimnisses befiehlt, sondern vor allen Dingen auch der Takt meines Herzens, und was Takt ist, weiß ein Mensch, der als Soldat so lange mit der Taktik zu tun hatte, ganz genau.
Nun werden Sie mir sagen, ein Gerichtsvollzieher erfreue sich ebenso wie ein Scharfrichter in allen Kreisen der Gesellschaft der denkbar größten Unbeliebtheit, worauf ich Ihnen nur erwidern kann, daß Sie damit diesem sehr angesehenen Stande bitter unrecht tun. Ein Gerichtsvollzieher wandelt nicht auf Rosen, sondern meistens auf sehr steilen Treppen, und seine Arbeit ist nicht lohnend, wie die der meisten anderen Menschen, sondern meistens ganz erfolglos, denn wenn jemand weiß, daß der Besuch des Gerichtsvollziehers zu erwarten steht, dann steht er nicht und wartet, bis man kommt, sondern er macht sich auf und davon, und wenn er noch was mitzunehmen hat, so nimmt er alles mit, was nicht niet- und nagelfest ist. Und dann findet man nichts zum Siegeln, sondern höchstens etwas zum Spiegeln in Gestalt eines alten Fensterglases, in dem man sein eigenes dummes Gesicht sehen kann. Dazu kommt, daß das Gehalt eines Gerichtsvollziehers nicht sehr hoch ist und daß die goldenen Zeiten, in denen ihnen noch Nebeneinnahmen in die eigene Tasche flossen, leider vorbei sind.
Und wenn Sie mich nun fragen, warum ich gerade diesen Beruf ergreifen will, dessen Nachteile mir in allen seinen Teilen nachgewiesen sind, so antworte ich Ihnen: nicht jeder Mensch kann das werden, was er will, sondern muß das werden, was er kann, denn wäre es umgekehrt, so wollte jeder das werden, was er könnte, was aber nicht jeder will, und was ich Ihnen auch gar nicht erst zu beweisen habe, denn daß ich zum Beispiel Straßenfeger werden könnte, ist ganz selbstverständlich, ebenso daß ich es nicht will, womit ich bewiesen habe, daß ich mit meinen Worten recht hatte, wie ich überhaupt immer recht habe, was aber nicht an mir liegt, sondern lediglich daran, daß die anderen Menschen, wenigstens nach meiner Ansicht, immer unrecht haben.
Davon aber ganz abgesehen, bin ich der Ansicht, daß ein anderer Gerichtsvollzieher wird, wenn ich es nicht werde, und warum soll ich einem anderen die Einnahmen überlassen, wenn ich mich selbst von ihnen sattessen kann, indem Egoismus zwar keine sehr schöne Tugend ist, aber immerhin eine sehr nützliche, die ihre egoistischen Vorzüge in sich schließt. Außerdem aber bin ich der Meinung, daß der Gerichtsvollzieher der nützlichste Beamte im ganzen Staate ist. Ordnung muß sein, und es muß auf die Minute bezahlt werden. Nun aber wird es keiner leugnen wollen, daß in den meisten Menschen der Hang lebt, erst dann zu bezahlen, wenn er aus sich selbst heraus hierzu Lust verspürt, und soweit ich die Menschen kenne, kenne ich keinen, der jemals hierzu Lust verspüren würde. Ohne diese Lust geht es also nicht, und da meine ich, da ist der Gerichtsvollzieher gewissermaßen der künstliche Lusterzeuger, indem schon lediglich der Gedanke an ihn die Lust vergehen läßt, seine Bekanntschaft zu machen, und dadurch indirekt die andere Lust erzeugt, seine Pflicht zu tun.
Nun will ich gern zugeben, daß es sehr häufig Fälle gibt, wo mancher gern anders möchte, aber nicht kann. Aber das kann und darf keine Entschuldigung sein, denn darüber müssen wir uns klar werden, bei jeder Einnahme, die wir erzielen, bei jedem Einkommen, bei jedem Verdienst, müssen wir uns nicht fragen: wieviel gehört davon dir und wieviel dem Staat ? Sondern gerade umgekehrt. Erst müssen wir des Staates gedenken, unter dessen Schutz es uns überhaupt nur möglich war, diesen Verdienst zu erlangen, und nie darf man bei einer Einnahme stolz sein auf sein eigenes Können, dem man nach einer ganz falschen Auffassung das eitle Geld verdankt, sondern lediglich dem Staate müssen wir dankbar sein, daß er uns die Möglichkeit gab, dieses Geld zu verdienen. Und deshalb muß jeder bei seinem Einkommen als erstes den Beitrag für den Staat bei Seite bringen. Ein großer König, der es sehr gut mit seinem Volke meinte, hat einmal gesagt: "Der Staat bin ich", und dieses Wort paßt auf jeden, selbst den einfachsten Bürger, jeder ist der Staat, denn schließlich bildet doch nur die Gesamtheit aller den Staat. Folglich muß ein jeder, wenn er an sich denkt, an das Gemeinwesen denken. Tut er das, dann gibt es keine Unzufriedenen mehr, dann wird es aber auch bald keine Gerichtsvollzieher mehr geben, denn dann würde jeder jederzeit freiwillig bezahlen.
Allerdings hat die Unvollkommenheit der Menschen ja auch ihr Gutes, denn wenn es keine Gerichtsvollzieher mehr gäbe, könnte ich mich auch um diesen Posten nicht beworben haben. Dieses aber mußte ich tun, denn wenn ich nicht bald eine Anstellung finde, habe ich kein Geld mehr, und dann kommt der Gerichtsvollzieher zu mir, aber ehe ich den Mann zu mir kommen lasse, ziehe ich mir lieber seine Uniform an und komme zu anderen Leuten, obgleich ich sonst eigentlich für keine Besuche bin, weder für solche, die ich mache, noch für solche, die mir gemacht werden. Aber Dienst ist Dienst, obgleich es eigentlich für jeden Menschen ein Vergnügen sein muß, weil nur dann etwas Vergnügliches bei dem Dienst herauskommt. So werde ich später mit Lust und Liebe meines Amtes walten, ich werde kein Erbarmen kennen, ich werde, wenn es sein muß, den Säugling in der Wiege pfänden, aber wenn ich dann meine Pflicht getan habe, dann werde ich heimlich in meine eigene Tasche greifen und die Not, die ich sah, aus eigenen Mitteln lindern. Denn das einzig Gute, was man auf der Welt tun kann, ist, Gutes zu tun.
Das sage ich, der ehemalige Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.