Indem ich nun heute zum erstenmal als Zivilist an Ihrem Tische sitze, den Sie mir so freundlich eingeräumt haben, wobei Sie mir erklärten, daß ich Ihnen kein Fremder mehr sei, obgleich Sie mich heute zum erstenmal von einem Angesicht zum andern sehen, weil meine Persönlichkeit Ihnen persönlich noch nicht gegenübertrat, wohingegen Ihnen der Einfluß meines geistigen Ausflusses schon früher zufloß, also ich meine, indem ich nun heute zum erstenmal als Zivilist in der Öffentlichkeit erscheine, stelle ich mich Ihnen nochmals als der Sergeant außer Dienst und als Zivilanwärter mit dem Zivilversorgungsschein und als Besitzer eines Tausendmarkscheins vor, welch letzteren ich mir sehr sauer verdient habe, indem ich für denselben zwölf Jahre habe dienen müssen.
Weit wichtiger als die tausend Mark, die man als Pensionär bei seinem Ausscheiden aus dem Dienst erhält, ist der Zivilversorgungsschein. Denn, meine Herren, Sie alle wissen es, und ich brauche es Ihnen nicht erst zu sagen, tausend Mark sind tausend Mark, aber sie bleiben keine tausend Mark, indem sie sich sehr schnell in zehn Hundertmarkscheine verwandeln, die dann bald Goldstücke werden und so lange Gold bleiben, bis sie plötzlich Silber sind. Und dann kommt eines Tages der Tag, an dem es tagt, und an dem man sieht, daß nichts mehr zu sehen ist von dem, was man besaß. Von dem Gelde ist nichts nachgeblieben, als die Geldtasche, in der man einst seine Schätze trug, bei welcher Gelegenheit ich die Bemerkung nicht unterdrücken möchte, daß die Schätze meistens für einen Schatz das sind, was die Schätze am meisten an uns schätzen, wobei ich wohl annehmen darf, daß Sie mich verstanden haben, indem ich es ja nun Gott sei Dank nicht mehr mit Rekruten zu tun habe, aus deren Dummheit sich jetzt nur noch meine Träume rekrutieren, sondern mit geistig hochstehenden Herren.
Also ich sagte, das Geld vergeht, die Welt besteht, obgleich es manchem armen Teufel lieber wäre, es wäre umgekehrt, was aber leider nicht der Fall ist, obgleich es auch mein Fall wäre. Denn an dem Weltuntergang habe ich nur insofern ein persönliches Interesse, als ich dann ja mit untergehe, was mir eines Tages ja doch bevorsteht, wobei es mir dann aber schon lieber ist, ich gehe in Gesellschaft unter, obgleich ich sonst immer hohen Wert darauf gelegt habe, in Gesellschaften nicht unterzugehen, indem Vergnügungen für mich nicht der Hauptzweck meines Lebens sind, sondern nur eine angenehme Zerstreuung.
Um also auf das zurückzukommen, was ich Ihnen sagen wollte, viel wichtiger als der Tausendmarkschein ist der Zivilversorgungsschein, der uns alten Unteroffizieren die Möglichkeit gibt, eine Staatsstellung zu erhalten, wohingegen er dem Staate die Pflicht auferlegt, für uns zu sorgen. Im Gegensatz zu dem Tausendmarkschein währt der Zivilversorgungsschein ewiglich oder wenigstens bis zu meinem Tode, dann erlischt auch er und verwandelt sich in einen Totenschein, und dann ist es aus. Noch aber ist es ja Gott sei Dank nicht so weit, wobei ich nicht weiß, wer dem lieben Herrgott dafür mehr danken soll, ich, indem ich noch das Leben genießen kann, oder der Staat, dem ich noch große Dienste zu leisten gedenke. Auf Grund meiner geistigen Befähigung und des Zivilversorgungsscheins stehen mir, wie Sie wohl wissen, sämtliche Türen offen, was mir natürlich sehr angenehm ist, obgleich ich sonst offene Türen nicht liebe, weil man sich bei ihnen meistens erkältet und weil es zuweilen auch Fälle gibt, wo eine offene Tür sehr peinlich ist, besonders wenn dann ein Vorgesetzter vorübergeht und man dann aufspringen und strammstehen muß. Was ich jetzt ja allerdings nicht mehr nötig habe, indem ich ein Zivilist geworden bin. Vorläufig allerdings nur mit dem Leibe, indem meine Seele noch auf dem Kasernenhof und bei den mir in Fleisch und Blut übergegangenen Gewehrgriffen weilt, so daß mal einer behauptet hat, wenn ich einmal seziert werden sollte, würde man in meinen Körperteilen nur Gewehrgriffe finden.
Also ich meine, der Zivilversorgungsschein hat sein sehr Gutes, und wenn wir den nicht hätten, würden wir bald keine Unteroffiziere in der Armee mehr haben, obgleich es traurig ist, sagen zu müssen, daß man als Soldat seine Pflicht nur deshalb tut, um später als Zivilist leben zu können, während es doch eigentlich so sein müßte, daß man als Zivilist einen pflichtgetreuen Lebenswandel führte, um später als Soldat zu sterben. Denn wie man nur geboren wird, um mit Ehren zu leben, so stirbt man auch nur, um mit Ehren zu sterben, indem die höchsten Ehren die militärischen sind, denn das Schönste, was es für einen Toten gibt, sind die drei Salven, die über sein Grab geschossen werden, besonders wenn sie klappen. Bis zu einem gewissen Grade muß man ja aber auch als Zivilist Soldat bleiben, und deshalb habe ich mich als erstes auf Grund meines Zivilversorgungsscheines um die Aufnahme in einen Kriegerverein bemüht, denn wie für einen akademisch gebildeten Menschen die Hauptsache die ist, daß er Reserveoffizier ist, indem dies allein ihm schon den geistigen Befähigungsnachweis für die höchsten Ministerstellen erteilt, so ist auch für unsereins von der größten Bedeutung, Mitglied eines Kriegervereins zu sein, nicht nur weil das die öffentliche Bestätigung dafür ist, daß man einen untadelhaften Lebenswandel führt, sondern weil die Kriegervereine die einzigen Vereine sind, die ihre Existenzberechtigung haben, weil in ihnen der Patriotismus großgezogen wird, ohne den ein Patriot ebensowenig leben kann, wie ohne Viktualien und ohne Naturalien, von denen ganz genau vorgeschrieben ist, wieviel der Soldat täglich von ihnen zu beanspruchen hat, wohingegen der Zivilist so viel essen kann, wie er will, vorausgesetzt, daß er was hat. Wobei die Folge ist, daß viele zu viel essen und zu dick werden, was bei einem Soldaten nie vorkommt, höchstens bei einem Offizier, aber auch dann kommt es nicht vom Essen, sondern vom Trinken, einem Laster, das nur beim Militär entschuldbar ist, indem eine Felddienstübung bei 30 0 Hitze eine Durst verursacht, von dem nur der eine Ahnung hat, der sie hat, und ich habe sie, indem ich überhaupt kein ahnungsloser Jüngling bin, sondern ein in der Sonne der Erkenntnis gereifter Mann, was man mir zwar nicht ansieht, wohl aber anhört, indem mein durch das viele Kommandieren ausgebildetes Organ nicht nur eine Hörenswürdigkeit ersten Ranges ist, sondern indem auch meine Erkenntnisse sehenswert sind, weil ich gar nicht erst nötig gehabt hätte, vom Baum der Ekenntnis zu essen, was ich auch schon deshalb nicht getan hätte, weil mir Äpfel sehr zuwider sind und ich sie nie esse, wobei es mir gewissermaßen so geht wie dem Mann, dessen Lieblingsspeise Kirschen waren und der sie doch nie zu essen bekam, weil er entweder gerade Bier getrunken hatte oder gerade Bier trinken wollte. Wobei mir einfällt, daß ich doch noch ein Glas Bier trinken werde, denn ich muß noch darüber nachdenken, um welchen Posten ich mich zuerst bewerbe, was nicht so leicht ist, wie es aussieht, indem es nicht darauf ankommt, was mir am besten zusagt, sondern was für den Staat das Vorteilhafteste ist. Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt. Das Wort ist von mir, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.
Mein lieber Herr Sergeant Krause!
Nachdem Sie nun die lange, bange Militär-Dienstzeit hinter sich haben, blüht Ihnen nun, mit dem Zivilversorgungsschein ausgerüstet, der herrliche Zivildienst. Ich kann als Ihr treuer Anhänger und Freudensgefährte nicht umhin, Ihnen dazu meine aufrichtigen Glückwünsche auszusprechen.
Wer die Wahl hat, hat die Qual! Jetzt steht Ihnen der ganze Himmel offen. Nun heißt es aber, den schneidigen Ton abgelegt und dafür den geschmeidigen wählen. Denn bisher war es Ihnen vergönnt, mit der Mütze auf dem Kopf, alles durch scharfen Ton zum Stillstand zu bringen, heute heißt es aber, mit dem Hute in der Hand und stets galant, sonst sollte es Ihnen schwer fallen, sich Gehör zu verschaffen. Mein lieber Herr Krause! Mir ging es genau so, und so prüfte ich mich selbst: wo könntest du bloß im Zivil deine, dir in Fleisch und Blut übergegangene Kasernenhofblüten anbringen ? Bei der Post ? Unterbeamten-Neujahrstrinkgelder! Assistent – Geographie! Petersburg ist die Hauptstadt von Nihilisten! Bei der Eisenbahn – der Tod ist dein Weichensteller! Bei der Polizei – wenn der Blaukoller nicht wäre!
Da gibt es nur noch eine geeignete, wirkliche Zivilversorgung, und das ist der Justizdienst! Gerechtigkeit war mir stets eigen! Ich kann Ihnen, lieber Kamerad Krause, nur raten, werden Sie Kanzleigehilfe. Schon heute kann ich Ihnen die Garantie leisten, daß Sie in den ersten Monaten mindestens 50 Mark verdienen. Das heißt, Sie müssen nicht denken in 8 Stunden; nein, aber in 14-16 Stunden täglich. Ihre Familie schicken Sie man getrost zu Muttern, denn die Jöhren sind dabei vollständig überflüssig. Denken Sie sich nur, schon in zirka 15 Jahren bei Gericht können Sie auf Lebenszeit angestellt sein. Ja, eine wahre Aufopferung für den alten Soldaten. Na, Sie sind ja an Dienst gewöhnt, und so wird es Ihnen hoffentlich nicht schwer fallen, dasselbe Los mit vielen Tausenden zu teilen. Die Finger sind vom Griffekloppen recht geschmeidig, und so wird die Feder man so über's Papier fliegen.
Ich höre Sie schon!
Himmeldonnerwetter, alles schläft, einsam wacht, schon wieder ist es Mitternacht! Der Arbeitszeit nach müßtest du es doch zu Reichtümern bringen! Arbeiten, schlafen und essen. Wo bleibt mein Familienleben ? Ja, ich bin selbst daran schuld, warum habe ich auch den Zivilversorgungsschein verdient ?! –
Auf Wiedersehen im Eldorado der Justiz. Ich meine es gut mit Ihnen, damit Ihnen die Wahl nicht schwer fällt!
Ihr ergebener
Kamerad Kutschke.
Lieber Krause!
Mit Trauer in einem Auge, mit Lustigkeit im anderen vernahm ich, daß Sie Schluß gemacht haben mit Ihrer Karriere beim Militär! Der Zivilversorgungsschein führt Sie einem anderen Leben zu, in dem man eigentlich nur dem glaubt, der Geld hat, und selbst die klingendste Redemünze nicht für eitel Gold nimmt.
Aber darum, lieber Krause, lassen Sie sich das Reden nicht verbittern. Sie sind schon so schön in der Übung und wir sind schon so an Ihre hübsche Art gewöhnt, daß wir Sie gerne weiter anhören wollen.
Nur wissen Sie – seien Sie mir deswegen nicht böse – ein wenig bescheidener können Sie sich von jetzt an ausdrücken. Nur der guten Sache wegen rate ich Ihnen das. Es ist nämlich "im Zivil" nicht so wie beim Militär. Rekruten müssen glauben, Zivilisten aber nicht. Beim Militär darf von unten nach oben niemand opponieren. In Zivil aber hat jeder ein Recht dazu oder nimmt sich's heraus, auch wenn er eigentlich kein Recht dazu hat.
Die Zivilwelt ist eben für einen Sergeanten eine verkehrte Welt: was nicht besagen soll, daß Sie von jetzt an auf dem Kopfe gehen müssen.
Nur noch einen Rat nach diesem will ich Ihnen geben. Die besten Aussichten eröffnet der Zivilversorgungsschein nur für den – der heiratet. Ich möchte Ihnen meine Tochter anbieten, – doch ich habe keine. Aber nehmen Sie ja nicht eine Frau, die Ihnen überhaupt das Reden abgewöhnen könnte. Es soll auch solche geben. Dann könnte Ihnen das Reden, das Sie jetzt für Gold halten, im Zivilstand leicht zu Wermut werden.
Ein
Leser Ihrer Reden.