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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 26 vom 20. März 1905


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

XXIV.
Krause über den "Alkohol".

Indem jetzt überall die Worte ertönen: Hic Rudolf, hic salta, Wein oder nicht Wein, das ist jetzt die Frage, sollen wir trinken, oder sollen wir nicht trinken. Indem sich jetzt also der Anti-Alkoholismus fast in derselben Weise bemerkbar macht, wie in Rußland der Nihilismus, obgleich der eine mit dem anderen nur insofern etwas zu tun hat, als der Nihilismus nicht dem Anti-Alkoholismus, sondern seinem gänzlichen Gegenteil entspringt, also, ich meine, da habe auch ich über diese wichtige Frage nachgedacht, wie mir überhaupt nichts Menschliches fremd ist, soweit es menschlich ist, was ich aber von Meiers Nägelkauen, das er in diesem Augenblick betreibt, nicht behaupten kann. Das ist nicht menschlich, sondern viehisch, um nicht zu sagen schweinisch.

Was nun zunächst meine persönliche Stellungnahme zu dieser großen Frage betrifft, so muß ich offen sagen, daß ich dem Anti-Alkoholismus nicht besonders sympathisch gegenüberstehe, weil ich an meinem eigenen Körper die Erfahrung gemacht habe, daß mir derselbe nicht besonders gut bekommt. Daraus aber schließen zu wollen, daß ich ein Trinker bin, wäre eine Unverschämtheit von Euch. Der Suff ist ein Laster, aber ein schönes. Dies Wort ist beinahe so alt wie die Welt, aber deshalb ist es doch nicht wahr, denn ein Laster kann nie schön sein, und der Suff ist nur dann ein Laster, wenn er ein Suff ist. Leute aber, die dem Suff huldigen, sind Säufer. Zwischen Säufern und Trinkern aber ist ein Unterschied, wie zwischen dem Riesen Machnow und den kleinen Liliputanern, nämlich ein ganz gewaltiger. Der Wein ist ein Geschenk des Himmels, denn wenn der liebe Herrgott nicht wollte, daß er unser Herz erfreute, dann ließe er ganz bestimmt keinen Wein wachsen, wobei allerdings zu beachten ist, daß es solche Weine gibt und solche. Es gibt sogar solche, die noch schlechter sind, denn es gibt Weine, die wachsen, und es gibt Weine, bei denen man weinen muß, weil sie einem vor gemeiner Schlechtigkeit das Herz und die Nieren zusammenziehen. Diese Weine sind gar nicht gewachsen, die sind künstlich zusammengegossen, und je mehr Kunst daran verwandt wird, desto größer prangen auf der Etikette die Worte: "reiner Naturwein" oder "ff. Bordeaux". Wobei Ihr Euch merken könnt, daß eine Sache mit ff., was soviel heißen soll wie fein fein, immer faul faul ist, weil das wirklich Gute keiner Anpreisung bedarf, sondern sich von ganz alleine Bahn bricht, wenn in den Zeitungen dafür die nötige Reklame gemacht wird, ohne die es nun einmal nicht geht.

In der Hauptsache aber kommt es nicht darauf an, was man trinkt, sondern wie man trinkt. Und da sage ich Euch: Mäßigkeit ist eine schöne Tugend, nicht nur in jeder Hinsicht, sondern ganz besonders auch in dieser. Wenn heutzutage geredet wird, der Alkohol wäre gefährlich, so hat das seinen Grund darin, daß es nicht jeder mit der Mäßigkeit hält, daß die meisten Leute nicht dann aufhören, wenn sie genug haben, sondern erst, wenn sie zuviel haben und schwankenden Gestalten gleichen, von denen schon der Dichter sagt: Ihr naht Euch wieder. Was eigentlich nicht ganz richtig ist, indem schwankende Gestalten sich nicht wieder nahen, wenigstens dem Hause nicht, in dem sie zu Hause sind, sondern in dem sie beständig weiterbummeln und das schöne Lied singen: Nach Hause, nach Hause, nach Hause geh'n wir nicht. Wobei sie dann sehr leicht Dummheiten machen und mit dem besoldeten Wächter der öffentlichen Tugend in Streit geraten, und sich dann plötzlich auf der Wache befinden, um später als vorbestrafte Individuen durch dieses Weltall zu wandern. Und wenn sie dann gefragt werden, warum sie zuviel getrunken hätten, dann haben sie eben so viel Entschuldigungen, wie es Gründe zum Trinken gibt, nämlich ein Tausend und zwei, wovon ich Euch nur die zwei letzten nennen will, weil mir die anderen Tausend momentan nicht alle gegenwärtig sind, und diese beiden Gründe heißen: Trauer und Freude. Solange es die gibt, wird auch getrunken werden, und das soll es auch, denn wer seine Trauer in einer Flasche Selterwasser begräbt, und eine frohe Botschaft mit einer Flasche Himbeersaft feiert, der ist kein Mann.

Der Alkohol hat sein Gutes, aber er hat auch sein Schlechtes, wie jedes Ding auf Erden nicht nur zwei Seiten hat, sondern auch seine zwei Enden, wenn es nicht mit dem einen Ende eingemauert ist, sodaß man es nicht sehen kann. Aber auch das Unsichtbare ist vorhanden, wie die Gefahren allzu reichlichen Alkoholgenusses, die man auch nicht gleich sieht, die sich aber dafür später um so mehr bemerkbar machen, indem sich dann geistiger Gehirnschwund, Versagen der Gehtätigkeit und ruinierte Magenverhältnisse einstellen. Wobei ich wohl nicht erst zu sagen brauche, daß ein Mensch, der im Trinken unmäßig ist, nicht nur an seiner Ehre, sondern auch an seinem Geldbeutel leicht Schaden nimmt, und es gibt Viele. denen ihr Geld lieber ist als ihre Ehre, indem sie die nämlich gar nicht mehr besitzen, wohingegen die noch genug Moneten besitzen. Wenn ihnen aber auch die in die Brüche gehen, dann gehen sie in sich, aber dann ist es zu spät. Dann geht es ihnen, wie dem Eckensteher Nante, der so gerne wieder herunter wollte und nicht konnte, was seine eigene Schuld war, weil er zuerst freiwillig hinaufgestiegen war. Also denkt an meine Worte, womit zugleich gesagt ist, daß Ihr den andern, die den Alkohol gänzlich verdammen, nicht allzu viel zu glauben braucht. In Maßen genossen schadet der Alkohol nichts, wobei dieses Maß aber nicht jedesmal ein Maßkrug zu sein braucht, von denen der Münchener täglich 2 bis 22 trinkt, weil ihm sonst nicht wohl ist. Der Wein erfreut des Menschen Herz und macht froh und lustig. Und darum sage ich Euch, trinkt, aber betrinkt Euch nicht, denn ein Trunkener ist kein erfreulicher Anblick. Aber spottet deshalb nicht über die, die gänzliche Mäßigkeit pflegen. Gönnt den Anti-Alkoholisten ihre Limonade und ihr Selterwasser, und gönnt Euch, was Euch schmeckt. Wobei mir einfällt, daß der rechte Flügelmann mir jetzt sofort einen Liter Bier aus der Kantine holen kann, indem das Reden nicht die Kehle befeuchtet, denn das tut nur die Flüssigkeit, die man hinterher zu sich nimmt.

Das sage ich Euch, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts