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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 24 vom 6. März 1905


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

XXII.
Krause über den Automobilismus.

Indem ich heute mit Euch über eine Sache spreche, die meiner geistigen Interessensphäre eigentlich fern liegt, wobei Ihr aber nicht zu glauben braucht, daß ich derselben geistig nicht gewachsen bin, indem ich selber schon einmal in einem Automobil gefahren bin, wenngleich dasselbe auch mir nicht gehörte, sondern einem andern, so habe ich mir dennoch meine eigenen Gedanken über diese Sache zu machen versucht, weil ich es für meine Pflicht hielt, um so mehr, da kein Geringerer als unser alleroberster Kriegsherr dem Automobilismus ein so reges Interesse entgegenbringt. Wer mich kennt, der weiß, daß es keinen Menschen auf der Welt gibt, dessen Herz königstreuer schlüge als das meinige, dennoch aber muß ich es sagen, und ich sage es zuckenden Mundes, dieses Mal teile ich nicht die Ansicht unseres Allerhöchsten Herrn. Indem ich alles auf der Welt riechen kann, nur kein Benzin, und das ist nun doch einmal die Hauptsache, weil das schönste Automobil nicht geht, wenn es kein Benzin nicht hat, aber sehr oft kommt es auch vor, daß ein Automobil selbst dann nicht geht, wenn es Benzin hat. Alle Schadenfreude liegt mir fern, aber wenn ich eine solche moderne Droschke sehe, die von Menschenhand geschoben wird, dann freut sich mein Herz so, daß ich beinahe eine Herzensfreude habe.

Wie Ihr vielleicht wißt, kommt das Wort Automobil aus dem Griechischen, dessen Kronprinzessin eine Schwester unseres Kaisers ist. Autor heiß soviel wie selbst, und mobil ist mobil, wobei ich Euch an die Mobilmachung erinnere, die Ihr leider noch nicht mitgemacht habt, die ich Euch aber von ganzem Herzen wünsche. Das Automobil entsteht jetzt in den Fabriken, entstanden aber ist es aus dem Zeichen der Zeit, das da heißt: wir haben keine Zeit. Es geht ein Hasten und Drängen durch die Natur, jeder will der Erste sein, und wer zuerst kommt, mahlt zuerst. So stürmen alle durch die Welt. In früheren Jahren tat man das zu Fuß oder zu Pferd, dann kam die Eisenbahn, aber die geht den Leuten auch nicht mehr schnell genug, jetzt wollen sie sogar schon zwischen den Städten elektrische Bahnen bauen und dieselbe Strecke, zu der man früher eine Stunde gebrauchte, in wenigen Minuten zurücklegen. Wenn das so weitergeht, dann ist man schließlich in einer fremden Stadt angekommen, bevor man überhaupt abgefahren ist.

Vorläufig sind wir ja Gott sei Dank noch nicht so weit, aber auf dem besten Wege oder richtiger gesagt, auf dem schlechtesten, um dieses Ziel zu erreichen, sind wir, indem die Automobile mit einer Geschwindigkeit fahren, gegen die ein Schnellzug ein Bummelzug ist, was allerdings bei manchen Schnellzügen auch wirklich der Fall ist, indem sie sich von anderen Zügen nur dadurch unterscheiden, daß sie höhere Preise haben, was ich im Interesse meines eigenen Geldbeutels auf das tiefste beklage.

Um aber auf das Automobil zurückzukommen, so hat es, wie schon kurz erwähnt, drei mir unsympathische Haupteigenschaften, erstens riecht es, zweitens funktioniert es meistens nicht und drittens fährt es zu schnell. Automobile, die langsam fahren, gibt es nicht. Ob das an dem Automibil selbst liegt, oder an den Leuten, die drin sitzen, weiß ich nicht, glaube aber das erstere, denn ich halte die Menschen für zu verständig, als daß sie durch ihr wahnsinnig schnelles Fahren das Leben ihrer Mitmenschen gefährden und diese sehr häufig in das bessere Jenseits befördern. Wobei ich bemerken möchte, daß dieses Jenseits wahrscheinlich nur für jene besser ist, die nicht drin sind, denn sonst würde doch jeder Mensch, weil er sich doch nur das Beste gönnt, sich selbst in das bessere Jenseits befördern, was man heutzutage aber gottlob doch nur in der äußersten Not tut, was ein großes Glück ist, weil sonst sehr bald das Diesseits entvölkert und das Jenseits bevölkert wäre, wodurch dann eine umgekehrte Weltordnung entstünde, indem das Diesseits das Jenseits und das Jenseits das Diesseits wäre, wobei ich nicht weiß, ob Ihr mit Euren Schädeln meinem geistigen Gedankenfluge habt folgen können, was ich zwar wünsche, aber trotzdem auf das stärkste bezweifle, ebenso wie ich bezweifle, daß es ein Vergnügen sein kann, auf einem Automobil durch die Welt zu sausen, von allen Schönheiten nichts zu sehen, den Staub in dichten Wolken einzuatmen, und über und über mit Schmutz bedeckt nach Hause zu kommen.

Ich bin, wie ich schon sagte, selbst schon einmal in einem Automobil gefahren, aber während ich drin saß, habe ich immer den Gedanken gehabt, dem Automobil fehlt etwas, und schließlich wußte ich auch was: das Pferd. So lange man dies nicht irgendwie mit dem Automobil vereinigen kann, wird das moderne Fahrzeug niemals meinen Beifall finden, obgleich ich mir allerdings klar mache, daß selbst sechs Pferde zusammen nicht so schnell laufen können wie ein einziges Automobil.

Wenn ich Euch auch vorhin die Ursache nannte, der das Automobil seine Entstehung verdankt, so habe ich eins vergessen, den Wunsch nach einem neuen Sport. Sport zu treiben, ist heutzutage nicht nur Mode, sondern Sport. Alles sportet, und immer Neues muß erfunden werden. Mit dem Ringwerfen der alten Griechen fing es an, und mit dem Automobil ist es noch lange nicht zu Ende; kluge Menschen werden schon bald etwas anderes erfinden, und ich sehe, ohne eine weibliche Kassandra zu sein, schon den Tag voraus, an dem es unmodern ist, Automobil zu fahren. Auf den Tag freue ich mich, wenngleich ich fürchte, daß ich ihn trotz der mir innewohnenden eisernen Konstruktion nicht erleben werde, wobei Ihr nicht zu glauben braucht, daß mir der Unterschied zwischen Konstruktion und Konstitution nicht gegenwärtig ist. Nur eins macht mich manchmal in meinem Glauben irre, daß das Auto wirklich der Sehnsucht nach einem neuen Sport entsprungen ist, das ist der Umstand, daß die Leute sich für diesen Sport nicht hübsch anziehen können, während sonst bei jedem Sport das Sportkostüm die Hauptsache ist. Wie dem aber auch sei, ich stehe dem Automobilismus feidnselig gegenüber, was vielleicht seinen Grund darin hat, daß mein Gehalt es mir nicht erlaubt, mir ein solches anzuschaffen, um durch eigene Erfahrungen mein Urteil zu ändern. Vorläufig bin ich noch ein begeisterter Anhänger der Droschke und der Eisenbahn, besonders wenn ich auf Grund meines Militärpasses freie Fahrt habe. Die schönste Art, vorwärts zu kommen, ist aber nach wie vor das Gehen, das zu einem erhebenden Genuß wird, wenn es sich um einen langen Marsch im Manöver oder gar im Kriege handelt. –

Das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts