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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 21 vom 13. Februar 1905


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

XIX.
Krause über die inneren Unruhen.

Indem jetzt überall in dem Ruhrgebiet und in Rußland gestreikt wird, indem sich jetzt überall die Gemüter erregen, die ihren Ursprung im Magen haben, weil sie in der Tasche kein Geld haben, bin auch ich dazu aufgefordert worden, meine öffentliche Meinung darüber zu äußern. Wobei ich gleich bemerken möchte, daß ich als Angehöriger des persönlichen Militarismus von der Streikerei noch weniger halte als von einer Revolution. Bei einem Streik kommt in den seltensten Fällen nur etwas heraus, und wer die Macht in Händen hat, der bleibt Sieger, wobei zu bedenken ist, daß es zweierlei Mächte gibt, solche und solche, nämlich eine finanzielle, woher das Wort Finanzen stammt, und eine numerische, was von numerus kommt, was so viel wie Nummer bedeutet. Außerdem gibt es aber auch noch eine militärische Macht, das sind wir, und mir uns ist nicht zu spaßen, wenigstens nicht mit uns Vorgesetzten, das merken Sie sich, Meier, denn wenn Sie blinde Blindschlange Ihrem Vordermann noch einmal in den Hosenboden hineinkneifen, all wo er seinen rundlich geformten gewissen Hinterteil sitzen hat, dann haue ich Ihnen in Gedanken Ihre eigene Sitzgelegenheit derartig voll, daß Sie nur noch auf dem Kopfe sitzen können.

Ich muß sagen, ein Horrorschrecken hat mich ergriffen, als ich von dem Blutbad in Petersburg gelesen´habe, denn trotz meiner rauhen Außenseite, die das Interesse des königlichen Dienstes so mit sich bringt, habe auch ich ein Herz, und das hat geblutet, als es von all dem Blut las, obgleich ja eigentlich nicht das Herz liest, sondern die Augen. Es ist immer mehr als traurig, wenn das Militär gegen die Zivilisten einschreiten muß. Aber wenn es muß, da muß es, obgleich schon ein Dichter sagt: kein Mensch muß müssen, was er aber nur sagte, weil er wahrscheinlich niemals genußt hat. Wir leben Gott sei Dank nicht in Rußland, was man schon daraus deutlich ersieht, daß sich unsere streikenden Arbeiter stets tadellos benehmen, Ruhe und Ordnung halten und sich dadurch die Anerkennung aller gesittet denkenden Patrioten erringen. Obgleich ich auf der anderen Seite aber auch nicht sagen kann, daß die russische Bevölkerung sich ungehörig benommen hat, indem sie sich zwar zusammenrottete, was verboten ist, aber indem sie dadurch doch nur von edlen Motiven geleitet wurde, weil sie ihren Kaiser sehen wollten. Wenn man als wahrhaft gebildeter Mensch ernsthaft darüber nachdenkt, woher ein Streik kommt, so muß man in erster Linie sagen, vom Streiken. Dann aber kommt, wie ich schon einmal sagte, der Streik aus dem Magen, indem die Leute nicht genug zu essen haben, und höhere Löhne verlangen, um besser leben zu können. Außerdem kommt die Unzufriedenheit aber auch noch aus dem Umstande, daß die meisten mit den bestehenden Gesetzen nicht zufrieden sind. Sie wollen mehr Freiheiten haben und es soll ihnen ebenso gut gehen wie den Reichen, von denen ich gar nicht weiß, ob es ihnen wirklich gut geht, denn ich bin kein Reicher. Ich bin der Sergeant Krause, und als solcher bin ich in meinen Kreisen, was das persönliche Ansahen anbelangt, dasselbe, wie Rothschild an der Börse. Um also auf die innere Unzufriedenheit wieder zurückzukommen, so ist diese die Hauptsache, denn aus ihr resultiert und revolutioniert alles. – Die innere Unzufriedenheit aber wiederum kommt von der Bildung, und zwar nicht von der wirklichen, sondern von der falschen, die gleichbedeutend ist mit derjenigen, von der man sagt, man hätte sie ins falsche Halsloch bekommen. Je dümmer ein Mensch ist, desto glücklicher ist er, weshalb auch von jeher die dümmsten Menschen die glücklichsten waren, und auch heutzutage sind die glücklichsten noch die dümmsten, indem ihnen entweder das Glück in den Schoß fällt, oder indem sie nicht wissen, was sie mit ihrem Glück machen sollen, was doch ein Beweis großer Schafsdämlichkeit ist. Die Armen sagen, wenn wir nur Geld hätten, wir wüßten schon, was wir damit täten, und um dann tun zu können, was sie tun wollten, wenn sie es tun könnten, streiken sie von Zeit zu Zeit. Manchesmal setzen sie ihren Willen durch, manchesmal aber auch nicht, wobei natürlich der eine Unrecht hat, was sich auch so gehört, denn wenn Beide recht hätten, gäbe es zwei Rechte, und wo bliebe dann die Linke ? Und auch die muß sein, womit wollt Ihr sonst wohl beim Schießen Euer Gewehr festhalten, wenn es doch jemals zum Schießen kommen sollte, was ich aber nicht hoffe, indem es immer schmerzlich ist, gegen den Zivilismus mit der Waffe anzukämpfen. Obgleich der Soldat auch nur da zu tun hat, was ihm befohlen wird. Gehorsam und Einigkeit machen stark, hat Schiller gesagt, der demnächst nun zum hundertsten Male geboren wird, aber es kann auch sein, daß das schöne Wort von unserm Reichskanzler stammt, genau weiß ich das nicht.

Aber mit der starken Einigkeit ist das auch so 'ne Sache, indem die manchmal zu stark ist und dann bricht, wobei es mir zweifelhaft erscheint, ob Ihr diesem hohen geistigen Gedankenfluge zu folgen vermögt. So ganz klar ist es mir selber nicht, und wenn ich es nicht verstehe, braucht Ihr es erst recht nicht zu verstehen, denn wenn es Einem von Euch einfallen sollte, klüger sein zu wollen, als ich es bin, da würde ich ihm beweisen, daß er nicht nur nicht klüger, sondern sogar noch dümmer ist, als ich es bin. Ohne Vertrauen geht es nun einmal nicht in der Welt, das seht Ihr jetzt wieder bei den Unruhen, indem die Arbeiter nicht glauben, daß die Arbeitgeber es wirklich gut mit ihnen meinen. Beim Militär aber ist das Gott sei Dank anders, da weiß jeder, daß sich sein Lebensschicksal, solange er den bunten Rock trägt, in den besten Händen befindet. Solange die Welt besteht, wird es immer vorkommen, daß die arbeitenden Klassen eine Verbesserung ihrer Lage wünschen, und die Streiks werden sich immer wieder wiederholen. Aber beim Militär wird nie gestreikt werden, einmal, weil es bei uns, wie schon gesagt, keine Unzufriedenen gibt, dann aber auch, weil wir ja selbst das Militär sind. Und wer sollte wohl, wenn wir allen Gesetzen zum Hohn doch einmal streiken sollten, wer, frage ich, sollte dann wohl gegen uns mobil gemacht werden, um uns mit Gewalt wieder zur Vernunft zu bringen ? Etwa der Zivilismus ? Daß das Militär gegen das Zivil ausrückt, ist, wenn es sein muß, so in der Ordnung. Aber umgekehrt wird in diesem Falle kein Schuh daraus.

Das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts