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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 18 vom 23. Januar 1905


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

XVI.
Krause über das Grüßen.

Indem ich mir täglich auf der Straße ein Rumpsteak aus meine Rippen herausärgern muß, indem ich da sehe, wie die Menschen sich gegenseitig grüßen, wobei ich uns Soldaten nicht zu den Menschen rechne, nicht, weil wir etwa weniger wären, sondern gänzlich im Gegenteil, indem wir als Soldaten eo ipso auf einer höheren Kulturstufe stehen, obgleich es auch unter uns geistige und körperliche Mißgeburten gibt, durch welche Worte Meier sich nur teilweise getroffen zu fühlen braucht, also, indem ich sagen wollte, wobei ich nun eigentlich etwas aus der Satzkonstruktion gefallen bin, was aber insofern nicht schadet, als ich schon wieder hineinfallen werde, also ich meine, das Grüßen ist eine so wichtige Sache, daß es sich wohl verlohnt, Euch darüber einmal meine maßgebende und staatserhaltende Meinung zu sagen. Zunächst müßt Ihr Euch klar machen, daß es zwei Arten von Grüßen gibt, militärische und zivilistische, und bei diesen unterscheidet man wieder drei Abarten, nämlich indem man einen guten Freund grüßt, zweitens, indem man mit der holden Weiblichkeit in Berührung kommt, und drittens, indem man einem höheren Vorgesetzten begegnet. Was nun zunächst die Begrüßung mit einem guten Freund betrifft, so ist es im Laufe der Zeit Mode geworden, daß man diesen eigentlich überhaupt nicht grüßt, was man auch mit seinen Feinden ebenso tut, wodurch wir Männer uns sehr vorteilhaft von den Frauen unterscheiden, indem diese gar nicht den Mut haben, stillschweigend an einer Feindin vorüberzugehen. Im Gegenteil, je spinnefeinder diese ist, um so freundlicher redet die andere sie an und erkundigt sich nach dem Befinden des lieben Mannes, nach dem der lieben Kinder und nach dem eigenen allerwertesten, wobei sie Liebe heuchelt, während sie Haß in ihrem Busen trägt, weil schon der Dichter sagt: "Verstellung, Dein Name ist Weib." Wir aber sind, Gott sei Dank, Männer, wenngleich es auch unter Euch leider Gottes genug Waschweiber gibt, und als solche strafen wir unsere Feinde mit Verachtung, wir sehen sie entweder gar nicht an, oder wir werfen ihnen einen Blick zu, der da sagt: Ihr könnt mich in Erstaunen setzen.

Ganz anders verhält sich der gebildete Europäer, wenn er einer Dame begegnet, wobei es ganz gleichgültig ist, ob die Dame eine wirkliche Dame ist, oder ob sie Bertha heißt und in der Küche scheuert, im Gegenteil, man muß vor der Bertha noch eine viel größere Hochachtung haben, indem sie alles das kann, was die andere nicht kann, so z.B. kochen und das Gekochte für ihren Schatz beiseite bringen. Vor den Damen muß man aus angeborener Höflichkeit einen noch viel größeren Respekt als vor irgend einem anderen Menschen haben, und so grüßt man sie wenigstens sechs Schritte vorher und sechs Schritte hinterher, man grüßt sie also sozusagen nicht nur von vorn, sondern auch von hinten, was sich auch wohl so gehört. Wenn man eine Dame grüßt, so hat man zu unterscheiden, ob man sie schon ganz genau kennt, oder ob man sie erst kennen lernen möchte. Im ersteren Falle ist eine gewisse Vertraulichkiet erlaubt, während man sich im zweiten Fall nicht ohne Erfolg einer gewissen höflichen Frechheit bedient. Immer aber sei man gegen die Damen sehr zuvorkommend, man schiebe ihnen den Kinderwagen und trage ihnen die Einkäufe aus der Markthalle, einmal weil sich das so gehört, dann aber auch, weil sich so was fast immer bezahlt macht. Die Hand zu küssen ist auf der Straße nicht Mode, wobei ich sagen möchte, daß ich von einem Handkuß überhaupt nicht viel halte, weil die Hand nicht wiederküssen kann. Wenn man eine Zigarre im Mund hat, so nimmt man dieselbe beim Grüßen aus dem Mund, besonders wenn man solche Stinker raucht, wie Ihr es tut, denn nicht jedem Menschen verlieh Gott die Gabe, insofern Leichengerüche einzuatmen, als indem man eine Leiche wird, wenn man sich Eure Tabaksgenüsse zu Gemüte führt. Wobei ich erwähnen möchte, daß es beim Zivil Leute gibt, die selbst keine Damen grüßen, weil sie fürchten, sich durch Abnehmen des Hutes zu erkälten, was immerhin eine gewisse Berechtigung hat, besonders wenn man keine Haare mehr auf dem Kopf hat. Diese Herren sind meist alte Offiziere, womit nicht gesagt sein soll, daß sie sich als junge Leutnants die Haare wegamüsiert haben sollen, was bei einem jungen Leutnant gar nicht vorkommt, weil nur die wenigsten soviel Haare und so viel Vergnügungen haben, sondern was mir daraus klar hervorzugehen scheint, daß die Herren in der Art und Weise grüßen, daß sie nach Soldatenart die rechte Hand an die Kopfbedeckung legen.

Woraus man wieder sieht, daß der militärische Gruß der einzig richtige ist,was auch schon dadurch bewiesen wird, daß man nur auf militärische Art imstande ist, einen höheren Vorgesetzten standesgemäß zu grüßen.

Der Zivilist grüßt jeden anderen in derselben Weise, er nimmt einfach den Hut ab, ganz einerlei, ob ihm sein Schneider begegnet oder sein höchster Vorgesetzter. Wo, sage ich, bleibt da bei dem Zivilismus Respekt vor der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat ? Nirgends! Und woran liegt das ? An dem schlappen Grüßen, daran, daß der Vorgesetzte nicht ein gesetzliches Anrecht auf einen besonderen Gruß hat. Ebenso wie bei den militärischen Vorgesetzten, müßte es auch bei den zivilistischen vorgeschrieben sein, daß man vor ihnen Front macht, herunter vom Trottoir, rein in den Straßendreck, die Hacken zusammen, Brust heraus, Kopf in die Höhe und Augen auf. Das ist der Gruß, mit dem man seinen Respekt beweist, indem man klar und deutlich äußert, ich selbst bin eine Null im Dasein, Du bist alles. So soll man grüßen, und wenn ich was zu sagen hätte, dann führte ich es ein, daß alle Welt sich nicht anders begrüßte, als durch das Frontmachen. Ihr solltet mal sehen, wie da Zucht und Ordnung unter die Zivilisten käme. Wenn der Bettler vor jedem Gendarm, jede Köchein vor ihrer Hausfrau, jeder Bäckerjunge vor seinem Meister, jeder Angestellte vor seinem Chef Front machte, dann würde bald niemand mehr Front machen gegen die bestehenden Bestimmungen und Gesetze, dann würden endlich auch die Zivilisten Murr und Knurr in die Knochen bekommen, dann würde auch der Zivilismus bald durch und durch militärisch sein. Und das wäre nicht nur ein Glück, das wäre sogar ein Segen für unser schönes Vaterland. – Das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts