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Ein buntes Blatt für Alle und Alles
No. 16 vom 9. Januar 1905


Die Reden des Sergeanten Krause

Herausgegeben von Freiherrn von Schlicht

XIV.
Krause über den Respekt vor der Obrigkeit.

Ein jeder Mann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Das ist ein altes Wort, schon in der heiligen Schrift steht es geschrieben, woraus hervorgeht, daß das Wort älter ist, als es die Menschen selbst sind. Aber die Menschen richten sich ja nicht nach dem, was ihnen vorgeschrieben ist, sondern sie reden gegen die bestehenden Bestimmungen an, sie sind unzufriedene Untertanen und glauben, die hohe Obrigkeit wäre nur dazu da, um sie zu chikanieren. Indem die Leute nämlich keine Ahnung haben, was eine Chikane ist, indem man nämlich darunter das versteht, was Ihr doch nicht begreifen würdet, wenn ich es Euch klar machte, was aber zum Beispiel dasselbe ist, als wenn ich beständig auf Meier, diesem Elendesten der Elenden und diesem Krümmsten der Krummen herumritte und beständig und nie und nimmer ein gutes Haar an ihm ließe, wovon auch Meier behaupten wird, daß das mir nicht einmal in meinem wachenden Traumzustande eingefallen ist. Indem ich Meier wohl tadele, so oft ich dazu Veranlassung habe, was eigentlich immer der Fall ist, indem ich aber auch auf der anderen Seite seine Vorzüge, die ich noch nicht an ihm entdeckt habe, willig und freudig anerkenne. Aber ich meine, wenn man so heutzutage in die Zeitungen sieht, da sieht man so viel, was man besser nicht sehen sollte. Da wird geschimpft und geredet über die Anträge der Regierung, über den Ausgang der Prozesse, über das Verhalten der Behörden in den Kolonien, über die Kosten des Hererokrieges, na, ich weiß nicht, worüber die Leute schimpfen, aber schimpfen tun sie, und das ist ein Beweis einer in den weitesten Kreisen herrschenden Unzufriedenheit, die ihren Grund darin hat, daß keiner weiß, weswegen er unzufrieden ist, sondern daß er einfach schimpft, weil die anderen auch schimpfen. Ich bin nun gewiß der Letzte, der das Schimpfen aus der Welt schaffen möchte, indem ich seine gesegneten Umstände kennen lernte und ich oft den Schlag bekommen hätte, wenn ich mir durch einen Fluch das Herz nicht hätte erleichtern können. Aber das Schimpfen ist lediglich für den Militarismus da, schon deshalb, weil die Zivilisten sich beständig über das Schimpfen des Militärs lustig machen und es selbst noch viel mehr als wir, aber nur in der Heimlichkeit betreiben. Und die da heimlich im Verborgenen schimpfen, das sind die allerschlimmsten, und wer da nicht den Mut hat, seine Meinung laut zu sagen, der soll lieber ganz schweigen. Wir leben gottlob im Gegensatz zu Amerika und zu anderen unzivilisierten Ländern in einem Staate, in dem ein jeder offen und frei seine Meinung sagen darf, ein jeder hat das Recht zu kritisieren, aber Gnade ihm Gott, wenn ihn jemand hört. Dann wird er bestraft, und zwar gehörig, und zwar nicht, weil er kritisierte, sondern weil er dadurch den Anschein erweckte, als wenn es bei uns etwas zu kritisieren gäbe. Denn, wenn es bei uns überhaupt etwas zu kritisieren gibt, so sind es nicht die Behörden, sondern lediglich die Untertanen, was sich auch von Gottes- und von Staatswegen so gehört, denn wohin sollte es führen, wenn jeder der Untergebenen seine Meinung, die in den meisten Fällen nicht einmal seine eigene ist, frei sagen dürfte ? Habt Respekt vor der Obrigkeit, denkt an das Wort, wenn Euch einmal die Unglücksstunde schlägt, wo Ihr dem Zivilismus zurückgegeben werdet. Viel werdet Ihr ja trotz meiner Bemühungen beim Militär nicht gelernt haben, aber eins hoffe ich doch: das Maul halten! Denkt Euch, was Ihr wollt, obgleich auch schon das Denken nach einem mir augenblicklich nicht momentanen Gesetzesparagraphen verboten ist, denkt, was Ihr wollt, so lange Ihr nicht dabei ertappt werdet, aber haltet das Maul. Was für Euch beim Militär Eure Vorgesetzten, das ist später für Euch die Obrigkeit, sie muß Euch heilig sein, Ihr müßt ihre Maßnahmen auch dann billigen, wenn Ihr sie nicht versteht und wenn sie Euch gegen den Strich gehen, und Ihr müßt davon durchdrungen sein, daß alles, was geschieht, nur zu Eurem Besten ist. Und wenn Euch das im Augenblick auch nicht so recht klar sein sollte, dann wartet es nur ab, die Stunde der Erkenntnis wird schon kommen, wenn auch nicht bei Euren Lebzeiten, dann sicher kurz nach Eurem Tode. Wenn ich nun sagen soll, woher nach meiner Meinung die ganze Opposition gegen die Obrigkeit herrührt, so sage ich, es ist niemand anders daran schuld, als die Druckerschwärze, die sich im Laufe der Jahrhunderte in Zeitungen verwandelt hat. Wenn ich etwas zu sagen hätte, so würde ich mit Ausnahme der konservativen Zeitungen alle anderen Blätter abschaffen, indem diese dadurch einen verderblichen Einfluß ausüben, daß sie nicht das sagen, was ihre Überzeugung ist, sondern indem sie sich nach dem Urteil ihrer Leser richten und diesen ihre subjektive Meinung bei dem Morgenkaffee um die Schnauze schmieren. Und ferner würde ich verbieten, daß öffentlich geredet wird, ich schaffte sowohl den Reichstag wie den Landtag ab, und ich würde auch keine öffentlichen Volksversammlungen dulden. Denn wenn man das so liest, was auf solchen Versammlungen geredet wird, dann muß man Mitleid haben mit den Leuten, die da sprechen, und mit den Leuten, die so was anhören. Sie reden nichts wie Dummheiten, und dabei sagen sie beständig, wir sind klüger, als es Eure Obrigkeit ist. Traurig genug, daß es Leute gibt, die das nicht glauben, was man nur sehr pfui Teufel finden kann, wie überhaupt der Zivilismus sich nicht zu seinen Gunsten vom Militarismus unterscheidet, was schon daraus hervorgeht, daß es im Gegensatz zum Zivilstande im Soldatenstande gar keine Unzufriedenen gibt, denn d e r Mensch soll noch erst geboren werden, der sich im bunten Rock nicht wohl und glücklich fühlt. Und wenn es bei uns keine Unzufriedenen gibt, so hat das seinen Grund darin, daß die militärischen Vorgestzten noch mehr als die zivilistischen der Inbegriff einer vollkommenen Obrigkeit sind. Niemals hört man, daß ein Vorgesetzter sich einem Untergebenen gegenüber etwas zu Schulden kommen ließ. An feigen Verdächtigungen fehlt es in dieser Hinsicht natürlich nicht, aber immer trifft die wohlverdiente Strafe den, der es wagt, einen Vorgesetzten zu verdächtigen. Und da geschieht ihm auch ganz recht, der Respekt und das Ansehen der Obrigkeit dürfen nicht untergraben werden, das sage ich, der Sergeant Krause, und alles, was ich sage, ist eitel Gold.



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© Karlheinz Everts