„Der Kaisertoast”

Lustspiel in 3 Akten

von

Frhr. von Schlicht und Walter Turszinsky


Uraufführung im Kur-Theater Norderney

am

4. und 8. August 1908


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Besetzungsliste:

General a.D. Lange.
Freiherr Otto von Löwen, Oberst a.D.
Irmengard geb. Freiin von Schleyingen, seine Frau.
Hans Stern, Leutnant und Bezirksadjutant, beider Neffe.
Helene von Breitenfeld, Witwe des Landrats von Breitenfeld.
Annie Mohr.
Oberstleutnant a.D. Scholten.
Erwin, sein Sohn, Leutnant bei der Schutztruppe.
Major a.D. Schulz.
Hauptmann a.D. von Radecke.
Rittmeister a.D. Görner.
Bürgermeister Brüning.
Marianka, Köchin beim Oberst.
Fritz, Bursche bei Stern.
Brösecke, Wirt im Hotel zum Landesherrn.
Ein Piccolo.
Spielleitung:

Ludwig Colani
Michael Pichon
Anna Schmelzer
Heinz Pabst
Hilde Dittmar
Lotte Holms
Otz Tollen
Franz Schönemann
Karl Elzer
Arnold Marlé
Georg Puritz
Ad. Mellien
Josefine Seifert
Alexander Wilhelm
Edgar Kanisch
Marie Hilbrecht
Dir. Hans Blum


„Norderneyer Badezeitung” vom 1.Aug. 1908:

Fremdenliste:

Wohnungsveränderungen:Wohnung:
Graf Wolf Baudissin, genannt Freiherr von Schlicht, Schriftsteller Berlin Kaiserstr. 11
Hammer, Elisabeth, Privatiere
[Schlichts spätere zweite Ehefrau. D.Hrsgb.]
Berlin Kaiserstr. 11

„Norderneyer Badezeitung” vom 1.Aug. 1908:

Kurtheater. Norderney, 1.August. Vorbesprechung von: „Der Kaisertoast.” Lustspiel in 3 Akten von Freiherr v. Schlicht und Walter Turszinsky.

Freiherr v. Schlicht führt uns in seinem neuen Stück in die „Pensionopolis” der in Ehren verabschiedeten Offiziere. Hinter dem Humoristen hervor lugt bei unserem Autor immer der Kritiker und Satyriker. Mit einem leicht spöttischen Lachen stellt er sein Mikroskop vor uns auf und sagt: Bitte, sehen Sie hindurch, das da ist auch eine Welt, das heißt auch eine Welt. Nun, und wir blicken hinein in diese Welt, anfangs ernst, dann heiterer, bis uns das Lachen ansteckt. Auf der geheimnisvollen Platte liegt, mit bloßem Auge gesehen, ein kleinwinziges Präparat, kaum zu entdecken. Aber durch das Okular betrachtet, nimmt es plötzlich Gestalt an, vergrößert sich, wächst und wird ein Bild mit weiter Perspektive.

Ein Stammtisch, besetzt mit Offizieren a.D. – Oberst, Oberstleutnant, Major, Hauptmann, Rittmeister, auf einander angewiesen, scheinbar eng befreundet. Aber trotzdem sie der eisernen Disziplin des aktiven Dienstes entronnen sind, die Fesseln lassen nicht loß, die Bedauernswerten sind Kettengefangene ihr Leben lang. Dienst! ist ihr zweites Wort. Dienst ist ihr Verkehr, Subordination ihre Freundschaft. Eifersüchtig wahrt der Höhere seinen Rang dem Untergebenen gegenüber, der Oberst ist noch immer Regiments­kommandeur und Beherrscher der Garnison, seine Meinung ist die maßgebende, er diktiert den politischen Standpunkt, regelt den Umgang, gibt den Gesprächen seine persönliche Note. –

Aber das Verhängnis naht: doch auch dieser wird bald klein, denn ein Höherer stellt sich ein. Ein General a.D. zieht in die Stadt, die dominierende Stellung des Obersten ist bedroht. Um die Tischrede an Kaisers Geburtstag, den „Kaisertoast” entbrennt der wilde Kampf. Wie der düstere Konflikt gelöst wird, das mögen die lustigen Szenen des Stückes jedem selbst erzählen, in dieser Vorbesprechung handelt es sich nur um die Idee. Sie ist eine neue Variation vom alten Thema des Anti-Sozialismus in der heiteren Verzerrung des Lustspiels. Der Kampf um den „Kaisertoast” ist in tieferer Bedeutung das Ringen der Lebenskräfte um den Ehrenplatz des Siegers, und so ist es dem Autor gelungen, uns an dem winzigen Objekt vorbei eine tiefere Perspektive aufzustellen.

„Norderneyer Badezeitung” vom 2.Aug. 1908:

Kurtheater. Norderney, 1.August. „Der Kaisertoast”, das neue dreiaktige Lustspiel, das augenblicklich am Kurtheater vorbereitet wird und am 4. August in Anwesenheit des Autors, Freiherrn von Schlicht, zum überhaupt ersten Mal in Szene geht, ist bereits von einer Reihe erster Bühnen für den Winter zur Aufführung angenommen. Freiherr von Schlicht leitet selbst die Proben.

„Norderneyer Badezeitung” vom 6.Aug. 1908:

Kurtheater. Norderney, 5.August. „Der Kaisertoast”. Lustspiel in drei Akten von Freiherr v. Schlicht und Walter Turszinsky. –
Aus meinem Tintenfasse hervor wimmeln allerlei kleine Kobolde – – o, weh, ihr Teufelchen, laßt das Prickeln und Sticheln, zurück mit euch in den schwarzen Sud, heut brauch' ich euch nicht, heut nehm' ich den Faber Nr. 2, dessen Züge sind weicher, flüchtiger, schneller verwischbar. –
Leicht gleitet er über das Papier, wie das Lustspiel gestern Abend über die Bretter glitt; einige heitere Szenen, lose verschlungen, ein paar farbige Leuchtkugeln, eine kleine Satire ohne bittere Ironie, ein gemütliches Unterhaltungsspiel ohne Prätension, aufgenommen wie gewollt, mit munterem Beifall, für die Verfasser ein fröhlicher Erfolg, so daß sich Freiherr von Schlicht bei jedem Aktschluß zeigen konnte. Neu und gut gezeichnet ist das Milieu der verabschiedeten Offiziere, deren Typen durchweg mit Humor gesehen sind, viele der tragenden Rollen sind dankbar und es gibt Szenen von komischer Schlagkraft, z.B. die Stammtischszene, die Begegnung von General und Oberst, das tête-à-tête am Schluß des zweiten Aktes. Ein Erfolg war es für die Darsteller, die trotz der wenigen Proben im Großen und Ganzen ausgeglichene Leistungen hinstellten. Ich nenne hier zunächst Herrn Schönemann als Schutztruppenoffizier, der sich leicht, überlegen und natürlich gab, seine anmutige Partnerin Frl. Dittmar, Herrn Pabst als Leutnant Stern, sympathisch und von ausdrucksvollem Spiel, weiter das reizende Berlin-W-Mädchen von Frl. Holms, eine kleine freche Maus, anmutig und schelmisch graziös, dann Frl. Seiffert als hübsche und temperamentvolle Marianka, Herrn Pichon als Oberst. Herr Wilhelm als Fritz, Herr Tollen als Oberstleutnant – so klein ihre Partien waren, so talentiert waren sie auch. Ferner seien erwähnt Frl. Hilbrecht als Piccolo, Herr Kanisch als Brösecke, Herr Mellin als Bürgermeister, Frl. Schmelzer als Frau Oberst, die Herren Colany, Elzer, Marlé, Puritz. Zum Schluß Herrn Direktor Blum, der das Stück mit Geschick und Geschmack in Szene setzte, ein Wort freundlicher Anerkennung.

Norderney, 5.August. Wie kurz mitgeteilt wird, hat sich Herr Freiherr von Schlicht auf vielseitiges Ersuchen bereit erklärt, am Freitag einen Vortragsabend zu veranstalten, an welchem derselbe einen Teil seiner beliebten Militärhumoreske zum Vortrag bringt.

„Norderneyer Badezeitung” vom 7.Aug. 1908:

Kurtheater. Norderney, 7.August. Freiherr von Schlicht, der heute abend im Kurtheater einige seiner besten Militär-Humoresken vorlesen wird, ist einer der am meisten begehrten Vorleser unter den modernen Schriftstellern. Im letzten Winter hat Freiherr von Schlicht zu wiederholten Malen in Berlin, Hamburg, Wien etc. vorgelesen und überall mit seinen Sachen den lautesten Beifall gefunden. Auf vielfachen Wunsch wird Freiherr von Schlicht auch morgen das Kabinettstück „Meiers Hosen” vortragen.

„Norderneyer Badezeitung” vom 9.Aug. 1908:

Kurtheater. Norderney, 8.August. Vortragsabend Freiherr v. Schlicht. –
Der Verfasser der allbekanten Militärhumoresken brachte in launiger Weise einige dieser Stücke zum Vortrag, sämtlich von zündender Wirkung auf das Publikum und mit reichstem Beifall belohnt. –
Den Vorträgen voran ging das hübsche Lustspielchen „Zum Einsiedler” von Benno Jakobsen, zu stimmungsvoller Darstellung gebracht von den Damen Holms und Behrens, den Herren Pabst, Kanisch und Wilhelm in jeder Einzelleistung abgerundet und sicher.

„Bühne und Welt”, Jahrgg. 1907-08, S. 1009:

Kurtheaterpremieren. Der Chronist hat eine Reihe von Uraufführungen an unseren Kur- und Saisontheatern, deren Leiter den Ehrgeiz haben, wenn nicht neue Dichter, so doch neue Stücke zu entdecken, zu verzeichnen. So brachte das Kurtheater Norderney ein neues Lustspiel von Freiherrn von Schlicht und Walter Turszinsky „Der Kaisertoast” unter dem Beifall des Badepublikums am 4. August auf die Bretter; eine witzige Abschilderung des Rang- und Etikettenstreites und des Subordinationsgeistes in einer deutschen Pensionopolis.
B. W.



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© Karlheinz Everts