Drei Tage in Kassel.

Freiherr von Schlicht
Auftritt im Kabarett „Bunte Abende” im Monopol-Hotel, Kassel.
25. bis 27. Februar 1908


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„Casseler Tageblatt” vom 1.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 14.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 21.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 23.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 24.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 25.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 26.2.1904
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„Casseler Tageblatt” vom 27.2.1904

„Casseler Tageblatt und Anzeiger” vom 23.Feb. 1908:

„Bunte Abende”. Außer den zur Zeit im Kabarett auftretenden Künstlern wird, wie schon kurz mitgeteilt, am 25., 26. und 27. d. Mts. der bekannte Schriftsteller Freiherr v. Schlicht mit seinen humorsprühenden Rezitationen aufwarten. Wir lesen darüber in der „Voss. Ztg.”:

In den Folies-Bergère las am Donnerstag Freiherr v. Schlicht einige seiner hübschen humorvoll gewürzten Skizzen aus dem Offiziers- und Soldatenleben vor. Wir wären dem Freiherrn v. Schlicht lieber in anderer Gesellschaft begegnet, als in der Umgebung der leichtgeschürzten Diseusen und Chansonetten, die dem Spielplan des Folies-Bergère sein Gepräge aufdrücken. Dafür ist er zu gut, und vielleicht fühlte er es gestern selbst. Trotzdem entledigte er sich seiner Aufgabe auf das beste. Zunächst trug er einiges aus seinen „Gedanken Sr. Hoheit” vor und ließ die Zuhörer den eine Armeeinspektion bekleidenden Prinzen auf einer Inspektionsreise begleiten, die dem hohen Herrn Gelegenheit gab, sein geistiges Licht in weisen Bemerkungen leuchten zu lassen. Besonders belacht wurden die Geschichten von „Maiers Hose” und die Geschichte von einem anderen Meyer, der sich nicht wusch, und mit dem man sich infolgedessen in allen miliotärischen Instanzenwegen beschäftigte, bis es sich bei einer Okularinspektion durch die hohen Vorgesetzten herausstellte, daß Meyer sich doch gewaschen hatte. reicher Beifall wurde dem Vortragenden zuteil.

„Casseler Tageblatt und Anzeiger” vom 25.Feb. 1908:

„Bunte Abende” im Hotel Monopol. Ueber das heute beginnende Gastspiel finden wir im General-Anzeiger für Halle folgende Besprechung:

„Einen Schriftsteller seine eigenen Werke vorlesen zu hören, ist immer interessant und wird niemals seinen Eindruck verfehlen, vorausgesetzt, daß er die Technik des Vortrags einigermaßen beherrscht. Graf Baudissin, der mit seinem langen schwarzen Barte und seinen dunklen Augen mehr einem italienischen Aristokraten, als einem preußischen Offizier ähnlich sieht, trägt mit kräftiger Stimme ungemein deutlich vor. Er ist selbst erfüllt von dem Humor und der guten Laune seiner Geschichten, und diese Stimmung geht von ihm auf sein Publium über. Bei aller lustigen Laune, von der seine Humoresken beherrscht sind, und die bis zur Tollheit und burlesken Gestaltung geht, steckt doch in vielen von ihnen ein gutes Stück kräftiger und auch bitterer Satire.”

„Casseler Tageblatt und Anzeiger” vom 26.Feb. 1908:

Die bunten Abende im Monopol hatten gestern abend eine besondere Anziehung gewonnen. Es galt um ein Gastspiel des Grafen Baudissin alias Frhrn. v. Schlicht. Das Publikum wäre hinsichtlich diese Gastspiels auf eine harte Geduldsprobe gestellt worden, wenn nicht die vorzüglichen Kräfte des Ensembles die Zeit bis zum Auftreten des illustren Gastes in trefflicher Weise auszufüllen verstanden hätten. Einen hohen Genuß gewährten, um nur einiges herauszugreifen, Carmen von Rothschilds Zigeunerlieder. Die Sängerin zeigte in ihren Darbietungen jene leidenschafts-gebändigte Form, die wir als rassig zu bezeichnen pflegen. Loulou Duplessis, der Star des Ensembles, wußte mit ihren prickelnden Vorträgen ihr Publikum in der gewohnten Weise zu elektrisieren. Bedauerlicherweise wurden die temperamentvollen und von Schick und Grazie getragenen Gaben der Künstlerin etwas beeinträchtigt, weil infolge eines merkwürdigen Zufalles fast gleichzeitig mit dem Gast des Abends, dem Frhrn. v. Schlicht, eine Reihe von „Erstklassigen Menschen” das Kabarett betrat, die durch ihre ungenierte rücksichtslos-laute Art der Unterhaltung die Wirkungen des „intimen Theaters” leider fast gänzlich zu nichte machten. Die Künstlerin wußte indessen durch ihren bestrickenden Reiz selbst diese scheinar etwas abgehärteten Gemüter in ihren Bann zu ziehen und fand allmählich mit ihren wahrhaft künstlerischen Darbietungen auch das Ohr dieser Zuhörer wie der anderen.

Den Clou des Abends bildeten dann die Vorträge des Herrn Frhrn. von Schlicht. Der bekannte Militärschriftsteller las eine Anzahl von Humoresken, — oder trug dieselben vielmehr auswendig vor — die im Zuschauerraum die größte Heiterkeit auslösten. Daß dies der Fall war, spricht für die schriftstellerische Begabung des Herrn, denn auf Rechnung des Vortragenden war diese Wirkung sicherlich ganz und gar nicht zu setzen. Herr v. Schlicht macht es nicht anders, wie andere Autoren meistens auch, er enttäuscht, wenn er seine eigenen Sachen darbietet. Wenn seine Schilderungen aus dem Militärleben dennoch Beifall finden, so liegt es an der Art der gestaltenden Darstellung an sich, nicht an dem Vortrag, der in diesem Fall des „Meisters Kunst” keineswegs macht. Indessen ist trotz alledem nicht zu leugnen, daß es einen besonderen Reiz ausübt, einen so berühmten Autor seine eigenen Werke vortragen zu hören. Es ist deshalb anzunehmen, daß der heutige Abend einen zahlreichen Besuch des Kabarettabends aufzuweisen haben wird.



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© Karlheinz Everts