Humoristischer Vortrag in Hamburg

im Concerthaus am 21.10. 1907

„Neue Hamburger Zeitung” vom 8.10.1907:

Schriftsteller Freiherr von Schlicht (Graf Baudissin) wird am Montag, 21.Oktober, abends 8 Uhr, im Konzerthaus Hamburg einen einmaligen humoristischen Vortrag veranstalten. Der bekannte Verfasser der viel gelesenen Militärhumoresken wird aus eigenen Werken vortragen. Karten à 3, 2 und 1 Mk. bei Max Leichssenring, Neuerwall 1.

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„Neue Hamburger Zeitung” vom 19.10.1907

„Börsen-Halle” vom 10.10.1907:

Frhr. v. Schlicht als Vortragsmeister. Die große Gemeinde dieses beliebten Humoristen wird es sicher interessieren, daß er sich entschlossen hat, hier einen Vortragsabend aus eigenen Werken zu geben. Freiherr v. Schlicht wird am 21. Oktober im Konzerthaus Hamburg u. a. folgende witzsprudelnde Werke lesen: „Meiers Hose”, „Alarm”, „Der Herr Baron”, „Musketier Meier”, „Verrückt”. Freiherr v. Schlicht, der 5 Jahre hier in Hamburg gelebt hat, kann nur den einen humoristischen Vortragsabend geben. Karten bei Max Leichssenring, Neuerwall1.

„Neue Hamburger Zeitung” vom 20.10.1907:

Frhr. v. Schlicht, der bekanntlich am nächsten Montag, 21. Oktober, im „Konzerthaus Hamburg” einen humoristischen Vortragsabend hält, ist dem Publikum schon lange durch seine reizenden Militärhumoresken bestens bekannt.

„Neue Hamburger Zeitung” vom 22.10.1907:

Vortrag des Freiherrn von Schlicht. Wolf Graf von Baudissin, der sich als Schriftsteller Freiherr von Schlicht nennt, muß in Hamburg sehr viele Freunde haben, denn der große Saal des Konzerthauses Hamburg, in dem er gestern aus eigenen Werken vorlas, war fast vollständig gefüllt. Nicht nur die jungen Damen, die schon oder noch immer durch die hübschen Leutnants­geschichten zu sehnsuchtsreichen Phantasien über ein allzu bekanntes Thema angeregt werden, nicht nur die Jünglinge, die gern selbst das Ziel jener weiblichen und der eigenen „männlichen” Wünsche werden möchten, waren da gekommen, auf ihren Altären zu opfern, nicht nur die älteren Damen und Herren, die in literarischen Dingen Diät halten und zum Nachtisch gern ein lustiges Soldatenstückchen hören, ehe sie mit einem zufriedenen Lächeln um die Lippen sich zum Schläfchen zurücklehnen, kamen sich den Schriftsteller anzusehen, der so vortrefflich für ihe Vergnügen sorgt. Die alle sieht man auch anderen Ortes als Schlichts Anhänger. In Hamburg fanden sich aber auch solche ein, die als freie Republikaner jene spitzen, respektwidrigen Bemerkungen auf das Innenleben hoher und höchster Herren kräftig belachen, denen gerade jene Gottlosigkeit gefällt, die anderwärts abstößt. Man merkte es am Beifall, sie waren nicht in der Minderzahl. Sie fühlten sich am behaglichsten, wenn Schlicht von der Hoheit erzählt, in deren Hirn zum ersten Male in breiter Helle ein Licht aufging. Freiherr von Schlicht ist kein Deklamator, er kann seinen Stoff nicht durch künstlerischen Vortrag farbig beleben. Das ist ein Mangel, wenn er Erzählungen wie „Regimentscafé” vorträgt, die nicht allzu eigenartig sind und durch den Vortrag gehoben werden müssen. Im allgemeinen bedurfte es allerdings großer Vortragskunst nicht, im Gegenteil erhöhte das einfache, familiäre Vorlesen sogar die Wirkung. Freiherr von Schlicht hat eine hübsche Erfindungsgabe, sein Vorwurf scheint stets mehr Erlebnis als Erfindung, und er weiß ihn packend zu gestalten und stets fein zu pointieren. Es ist glänzend, wie er die Pointe und den Schluß seiner Erzählung zusammenzudrängen versteht. Freiherr von Schlicht hatte für seinen gestrigen Vortragsabend gute Auswahl getroffen. Namentlich die Geschichte von seinem Freunde, dem Rekruten Meier, weckten lauten Beifall. Er las da „Meiers Hose” und die Erzählung von Meier, der sich nicht wusch. Zum Schluß erzählte Freiherr von Schlicht dem Publikum, das schon hinausgehen wollte, plötzlich aus dem Stegreif eine kleine Anekdote von dem Unteroffizier, der trotz seiner „Bildung” drei Dinge nicht auseinander halten konnte: Die schönen Tage von Aranjuez, die Venus von Milo und den Postillon von Lonjumeau.So nahmen die Zuhörer noch ein fröhliches Lachen auf den Heimweg mit.

„Börsen-Halle” vom 22.10.1907:

Freiherr von Schlicht,

mit wirklichem Namen, wie aller Welt bekannt, Wolf Graf v. Baudissin, hatte zu Montag abend einen einmaligen humoristischen Vortrag im Konzerthaus Hamburg angekündigt; aus seinen eigenen Werken sollte vom Autor selbst vorgetragen werden. Wieviel Werke mag der recht fruchtbare Schriftsteller schon geschrieben haben? Nun, die Zahl ist höchst respektabel; im Kürschner nimmt das Register etwa drei Viertel einer Spalte ein, und fügt man noch die Ziffer hinzu, um die sich seit dem Erscheinen des letzten Kürschner jene Aufzählung noch vermehrt hat, so kommen wohl etwa 70 Sachen heraus, darunter solche mit 20 und mehr Auflagen. Also an Auswahl unter den Kindern seiner Muse fehlte es dem Rezitator wahrlich nicht, insbesondere an humoristischen Werken und Werkchen nicht. Und wer kennte wohl seine Spezialität nicht, das Genre, in dem er so eigenartiges und zugleich so hübsches geleistet hat . . . Das ist die Schilderung des deutschen Leutnants! Was höher im Range steht, Hauptleute („Häuptlinge” in Schlichtscher Sprache), Stabs-Offiziere und Generalität, das haben seit Hackländers Zeiten auch andere Federn zu konterfeien versucht, bald mit mehr, bald mit weniger Glück. Aber die Leutnants (wie hieß es doch in einem Scherzpoem der Fliegenden Blätter, vor mehreren Jahren erschienen: „Leutnants nur verbrecherlich, finden manches lächerlich”, selbst wenn es sich um exzellenzliche Kritiken handelt, vor deren Weisheit der ganze Kreis der Herren ringsum bewundernd erstirbt), ja, diese Schlichtschen jungen Hähne haben Rasse durch und durch! Die machen ihm die übrigen Militär­schrift­steller so wenig nach, wie, mit Bismarck zu reden, Frankreich uns Deutschen „unsern” Leutnant nachmachen kann. Für ihn schwärmt die Frauenwelt, ihn respektiert das starke Geschlecht, und Freiherr v. Schlicht ist sein Homer geworden; lieb' Vaerland freut sich dessen. Und nun wenden wir uns vom Dichter ab zu dem Rezitator. Das Organ ist nicht besonders klangvoll, aber es genügt, um einen großen Saal auszufüllen, und es ist modulationsfähig genug, um jede Pointe zur vollsten Geltung gelangen zu lassen. Das Publikum brachte freundlichen Empfangs-Applaus dar. Beifall folgte schon der ersten Skizze: „Alarm”, und dankbar aufgenommen wurden die sich anschließenden Humoresken: „Der Gedanke Sr. Hoheit”, „Musketier Meier”, „Der Herr Baron”, „Regimentscafé”, „Verrückt” usw. Stets war crescendo die Signatur, sowohl beim Händeklatschen, wie beim Kundgeben der fröhlichen Stimmung. Nur 1½ Stunden dauerte die eigentliche Vorlesung, einschließlich einer Pause, und das war etwas knapp; aber sie bot Heiterkeit in reichem Maße.



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© Karlheinz Everts