„Das Liebesmanöver”

Lustspiel in drei Akten

von

Curt Kraatz und Freiherr von Schlicht

Aufführung im Theater zu Jena

am *11., 21.Okt. 1904


Besetzungsliste:

von Velsen, Oberst eines Infanterie-Regimentes
Katharina, seine Frau
Elli, seine Tochter
von Velsen, Major a.D.
Leontine von Breitenbach
Cäcilie, ihre Tante
Ernst von Winterstein, Oberleutnant
Curt von Winterstein, Kadett
Exzellenz von Koßwitz
Dr. Erich von Osten
Schröder, Bursche bei Oberst von Velsen
Kapellmeister
Ordonnanz
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Dritter Soldat
Spielleitung:

Georg Wittmann
Alma Hohlfeld
Paula Brunow
Hermann Jonas
Frida Clary
Rosa Laasner
Fred Rösselmann
Frau Sophie Berstl
Rudolf Dittmar
Carl Mahnke
Albert Böttger





Heinrich Bach


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„Jenaische Zeitung vom 11. Oktober 1904:

Jena, 10.Oktober. (Aus dem Bureau des Stadttheaters.)
Im Stadttheater wird nach der gestrigen erfolgreichen Nibelungen-Aufführung das sehenswerte Werk am Donnerstag wiederholt. Am Dienstag ist Gelegenheit, eine äußerst unterhaltende Lustpiel-Novität kennen zu lernen, die sehr gefallen wird. „Liebes-Manöver” bietet gleichzeitig der Soubrette Frau Direktor Berstl als Kadett Kurt von Winterstein ihre hiesige Antrittsrolle.

„Jenaische Zeitung vom 12. Oktober 1904:

Stadttheater. Jena, 12. Okt.
Liebes-Manöver. Lustspiel in 3 Akten von Curt Kraatz und Frhr. v. Schlicht.

Die Verfasser sind nicht mehr unbekannt: Kraatz ist Mitverfasser des erfolgreichen Schwankes „Der Hochtourist”, Frhr. v. Schlicht (Graf Baudissin) ist durch seine flotten Militär­humoresken ein beliebter Schriftsteller geworden, durch seinen Roman „Erstklassige Menschen” hat er seinen Namen zu einem der meistgenannten gemacht — ein Ruhm, um den ihn freilich nicht viele beneiden. Wenn die Verfasser ihr gemeinsames Werk „Liebes-Manöver” als einen Schwank bezeichnet hätten, so würde man es rückhaltlos anerkennen können. Es ist mit gutem Humor geschrieben, bringt komische Situationen, heitere Verwechselungen, lustige Scherze — kurz, es genügt,um sich einige Stunden angenehm zu unterhalten. Aber von einem Lustspiel verlangt man doch ein wenig mehr, für diese Charakterisierung ihres Werkes haben die Verfasser ihren Geist zu wenig angestrengt. Die Handlung ist gar zu wenig originell, die Figuren sind fast sämtlich schon unzählige mal in ähnlichem Gewande über die Bühne gegangen: Die komische alte Jungfer, der polternde, vielbeschäftigte Hausherr, der grobe, aber seelensgute Onkel, der allen Bedrängten aus der Klemme hilft usw. usw. — wie oft sind uns diese Personen schon geschildert. Die Situationskomik ist reichlich banal und das Stück läßt völlig die Würze des guten Lustspiels, originellen Witz, vermissen. Die die Lachlust erregenden Scherze sind teils Kalauer, teils harmlose Stammtischwitze. Das beste in dem Stück sind die sympathisch geschilderten und trefflich charakterisierten Offiziersgestalten, besonders die älteren Offiziere, und so kommt es, daß sich das Interesse des Zuschauers mehr dem Schicksal dieser alten Herren zuwendet als den geistlosen Tändeleien der Liebespaare — während dem Titel nach diese letzteren doch eigentlich im Vordergrunde stehen sollten.

Die Handlung des Stückes ist kurz folgende: Im Hause des Obersten v. Velsen wird die Feier des 50. Geburtstages des Hausherrn vorbereitet. Dieser aber kommt nicht zum Feiern, da plötzlich eine Besichtigung befohlen wird und der vielgeplagte Regiments­kommandeur hierdurch völlig in Anspruch genommen wird. Die glänzend verlaufende Besichtigung aber wird kurz vor der Beendigung durch einen ungeschickten Reserveoffizier vollständig verdorben — der Oberst macht sich schon mit dem Gedanken der Verabschiedung vertraut, da stellt sich heraus, daß Exzellenz eine andere Auffassung belieben. Die besichtigende Exzellenz ist nämlich voller Bewunderung über den Schneid des Obersten, der mit wenigen Kommandos die Karre wieder ins Geleise bringt, und statt der Aussicht auf den Zivilrock verheißt Se. Exzellenz dem hochbeglückten Regiments­kommandeur eine baldige Beförderung zum General. Der unglückliche Reserveoffizier, der die Besichtigung verdorben hat, liebt die Tochter des Obersten, wird aber von einer Freundin dieser Tochter benutzt, um durch ein Liebesgetändel und eine scheinbare Verlobung den Regiments­adjutanten zu bestrafen, der sie, die Freundin, durch einen Kuß beleidigt hat — eine sehr sentimentale Definition des „ersten Kusses” belehrt den Zuschauer über die Tragik des Schicksals, geküßt zu werden, ohne um Erlaubnis gefragt zu sein. Der gute Onkel, ein alter inaktiver Major, erscheint zum Glück stets im rechten Augenblick und sorgt dafür, daß alles gut verläuft und die richtigen Paare sich finden.

Daß das Lustspiel einen guten Erfolg hatte, die Zuschauer sich bestens unterhielten und mit dem Beifall nicht kargten, ist hauptsächlich das Verdienst der Frau Sophie Berstl, die mit frischer Natürlichkeit einen jungen Kadetten darstellte, den Bruder des Regiments­adjutanten. Die Figur dieses Kadetten ist den Verfassern vortrefflich gelungen und von der Künstlerin ganz ausgezeichnet wiedergegeben. Der etwas vorlaute, sehr selbstbewußte, stets verliebte junge Krieger, der doch im Grunde ein recht „guter Junge” ist, half mit seinem munteren Auftreten und seinen altklugen Bemerkungen über manche nicht eben kurzweilige Szene des Stückes glücklich hinüber.

Sehr gut charakterisierten Herr Wittmann den Obersten v. Velsen, den diensteifrigen, ehrenfesten Soldaten, und Frl. Hohlfeld die gut gezeichnete Kommandeuse. Herr Jonas hatte wohl die Gestalt des Majors v. Velsen nicht ganz nach der Absicht der Verfasser aufgestellt. Die Schilderung der angenehmen Lage des verabschiedeten Offiziers brachte er mit zu großer Überzeugung heraus; man glaubte ihm seine Worte, während sie doch eine Selbstironie sein sollten, denn nachher gesteht er ja, daß er „wie ein Schuljunge geheult” habe nach seiner Verabschiedung, und daß er seitdem verärgert und verbittert sei. — Herr Fred Rösselmann spielte als Oberleutnant v. Winterstein sehr gut, nur störte hier und da eine gewisse Unruhe in der Haltung, nervöse Arm- und Kopfbewegungen, und ein allzu süßliches Lächeln. Herr Mahnke übersetzte die Figur des Reserveoffiziers v. Osten allzusehr ins Possenhafte. So, wie er sie schilderte, ist die Figur einfach unmöglich; der Dr. v. Osten wäre bei feinerer Auffassung eine sehr dankbare Figur, nicht ein Monstrum von Unbeholfenheit, sondern ein etwas ungeschickter, durch Kurzsichtigkeit behinderter und dadurch etwas befangener Gelehrter. Die Schuld trifft zum großen Teil allerdings die Verfasser; der Schluß des ersten Aktes — der Reserveoffizier im Frack, mit vorgebundener Schürze und Ananas schälend — ist einfach eine Geschmacklosigkeit. Eine sehr gewandte Schauspielerin ist Frl. Clary (Leontine), und Frl. Brunow, eine sehr anmutige Erscheinung, spielte die etwas törichte Backfischrolle mit reizender Natürlichkeit und Frische. Eine recht anerkennenswerte Leistung war auch die Darstellung der „Tante Käkilie” durch Frau Laasner. Im Ganzen genommen, war die Aufführung so gewandt und flott, daß wir mit Vergnügen dem ferneren Verlauf der Spielzeit entgegensehen können. Die neue Direktion hat eine Künstlerschar um sich versammelt, mit der sich Treffliches leisten läßt.


„Jenaer Volksblatt” vom 11.Okt.1904:

Aus dem Bureau des Stadttheaters wird uns geschrieben: Den ersten Lustspiel-Abend der Saison bringt die morgige Vorstellung mit der unterhaltenden Novität „Liebes-Manöver”. Wo das Stück bisher zur Aufführung gelangte, war auch ein voller Erfolg zu verzeichnen, der auch bei uns nicht ausbleiben dürfte, da die Besetzung der Hauptrollen durch erste Kräfte selbst großen Ansprüchen genügen wird.

„Jenaer Volksblatt” vom 14.Okt.1904:

Stadtheater.

„Liebesmanöver”, Lustspiel von C. Kraatz und Frhr. v. Schlicht.

Das Ensemble probierte sich in der Dienstag-Vorstellung an einem launigen Stück und bot, soweit gleiche Kräfte wie am Sonntag beschäftigt waren, interessante Vergleiche mit früheren Darbietungen.

Der ein wenig verbissene Major a. D., die komische Alte — hier „Heilige Käkilie” genannt, die „Kommandeuse”, ihr Töchterchen — der liebesselige Backfisch, das sind alles Typen aus der Vorratskammer des großen Lustspiel­kramladens; dankbare Objekte zur Verbrämung des Inhaltes, werden sie sich vermutlich eines noch langen Lebens auf der Bühne erfreuen. Auch der kecke Kadett Kurt v. Winterstein — mit dem Frau Dir. S. Berstl eine ausgezeichnete, sehr ansprechende Leistung bot —, sowie der ungeschickte, unheilbringende Gelehrte Dr. v. Osten sind nicht neuesten Datums. Aber obwohl jeder diese Figuren kennt, so stören sie in ihrer anspruchlosen Einfügung in das Ganze nicht; man lacht über ihre komischen Seiten und denkt nicht viel über sie nach. Auch der eigentlich Inhalt des Stückes, für den vorzugsweise die junge, ernster gerichtete Leontine v. Breitenbach, ihr Partner, der Oberleutnant v. Winterstein, und neben diesen der Oberst v. Versen sorgen, hätte strenger logischer Prüfung nicht durchweg standhalten können; aber wenn die sehnlichst erwartete Rangerhöhung des Obersten gesichert, die beiden jungen Liebespaare sich gefunden, auch die alte Tante glücklich aus dem Felde geschlagen ist, freut sich männiglich des befriedigenden Abschlusses.

Als beste Leistung neben der von Frau Berstl ist die von Frl. Clary zu bezeichnen, die die Leontine mit Gewandtheit und Anmut gab und ihre Rolle auch durch geschmackvolle Toiletten­auswahl reizvoll gestaltete. Herr Rösselmann spielte den Oberleutnant natürlich und distinguiert. Nicht ganz so glücklich fiel in der Erscheinung der Oberst des Herrn Wittmann aus; auch die Frau Oberst des Frl. Hohlfeld hätte die Allüren der energischen Kommandeuse stärker pointieren können. Herr Jonas arbeitete die Figur des etwas polternden, doch im Grunde herzensguten Majors kräftig heraus, wie sich auch Frl. Brunow als Töchterchen des Obersten durch Frische und Naivetät um das Gelingen mancher Szenen verdient machte. Herr Mahnke fand in der Verkörperung des Dr. v. Osten nicht immer das rechte Maß; mit feiner Abstimmung der Nüancen endlich gab Frl. Laasner die komische Tante. — Im Ensemble würde zuweilen ein flotteres Tempo dem Stück zu durchschlagenderer Wirkung verholfen haben. — Die Zimmereinrichtungen zeugten vom guten Geschmack des Regisseurs.



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© Karlheinz Everts