Literarische Gesellschaft zu Hamburg

Vortragsabend am 13.Nov. 1901.

Am 12.11.1901 bringt die „Neue Hamburger Zeitung” folgene Notiz:

Literarische Gesellschaft zu Hamburg. Am nächsten Vortragsabend, der am Mittwoch, den 13. November, bei Sagebiel(1) stattfindet, werden zwei bekannte und angesehene Schriftsteller aus ihren Werken vorlesen: Frau Elsbeth Meyer-Foerster und Frhr. v. Schlicht (Graf Wolf Baudissin).


„Neue Hamburger Zeitung” vom 14.11.1901
Besprechung des Vortragsabends vom 13.11.1901

. . . Und dann die Herren Leutnants. Einer a. D. las vor. Einer den unsere Leser noch öfter unter dem Strich gefunden haben als Elsbeth Meyer-Förster. Das Milieu von Kaserne und Kasino ist dem deutschen Lesepublikum seit des seligen Hackländers „Bildern aus dem Soldatenleben” vertraut. Ohne Schminke ist es von dem frischen Erzähler der Wachtstuben­abenteuer und seinen zahlreichen Nachtretern bis auf Winterfeldt wohl nie geschildert worden. Es galt nur, dem Bedürfnis nach anspruchsloser Unterhaltungs-Literatur entgegen zu kommen und dem Publikum die beliebten Schwerenöter und Herzensbrecher in den verschiedensten Uniformen vorzuführen. Anders bei Roberts und den Oesterreichern Torresani, von Saar und Teuber. Roberts' Pioniere und Torresanis Kavalleristen sind keine geputzten Puppen, sondern scharf gezeichnete Charaktere, das Kasernen- und Kantinenleben ist mit feinem Blick beobachtet. Freiherr v. Schlicht hat eine neue Note in die Militärgeschichten gebracht, die Satire. Er hat überall mit scharfem Auge die Fehler und Mängel entdeckt, ihn täuscht kein schillerndes Glänzen und Glitzern. Seine Erzählungsweise ist straff geschürzt, scharf pointiert, alles knapp und präcis. Seine Satire bleibt bei aller Spitzigkeit maßvoll, der Sarkasmus verbirgt sich oft hinter einer jovialen Bonhomie. Freiherr von Schlicht gehört daher zu den Gelesensten des Tages. Kein Blatt, das nicht eine Skizze von ihm gebracht hätte. Wem das zur schriftstellerischen Ueberproduktion treibende Blut der litterarischen Dynastie Baudissin-Heiberg in den Adern fließt, kann auch allen Aufträgen gerecht werden. Leider, denn die Ueberproduktion muß zur Verflachung auch des stärksten Talents führen. Die kluge Fanny Lewald sagte einst zu Roberts, er würde immer nur einspännig fahren. Das Wort paßt auch auf seinen Kameraden v. Schlicht, der uns wohl noch eine stattliche Reihe seiner Skizzen, aber kein größeres Werk von künstlerischem Wert geben wird. Wir dürften von ihm nie eine Meisternovelle wie Saars Leutnant Burda oder einen Militär-Roman wie Roberts' Schöne Helena erhalten. Beim Roman versagte bereits sein Können, von Schlicht las gestern den Adjutantenritt, den Kommiß-Pecco, Meiers Nase und das Besichtigungsessen, vier seiner glänzendsten Skizzen, die denn auch kräftig durchschlugen. Die um ihre Garderobe allzu Besorgten, die nirgends den Schluß eines Vortrags abwarten können, brachten die Zuhörer um den Genuß einer noch auf dem Programm stehenden fünften Skizze. Es wurde allgemein bedauert. Wer wollte dem Freiherrn v. Schlicht aber verdenken, wenn er auf diese Taktlosigkeit auf der Stelle quittiert.
W. Brsch.


„Altonaer Nachrichten/Hamburger neueste Zeitung” vom 14.11.1901
Besprechung des Vortragsabends vom 13.11.1901

Literarische Gesellschaft zu Hamburg.
Der weiße Saal bei Sagebiel war am Mittwoch-Abend bis auf den letzten Platz gefüllt, um an den Vorträgen theilzunehmen, welche die Literarische Gesellschaft veranstaltet hatte. Wir sind gewohnt, daß die Literarische Gesellschaft uns bedeutende Menschen, hauptsächlich Schriftsteller, vorstellt, und hatten auch diesmal die Genugthuung, solche begrüßen zu dürfen. Zuerst las Frau Elsbeth Meyer-Förster aus ihren Werken vor . . . .
Dann folgte Freiherr von Schlicht mit einigen seiner militärischen Humoresken. Uns waren diese Sachen schon aus seinen Schriften bekannt; aber das Publikum folgte den mit trockenem Humor vorgetragenen amüsanten Schilderungen und drolligen Scherzen aus dem Soldatenleben mit Spannung und Wohlgefallen.
Frau Meyer-Förster sowie Frhr. von Schlicht wurden durch herzlichen Beifall ausgezeichnet.


Fußnoten:

(1) Sagebiels Fährhaus , Hamburg-Blankenese (Zurück)


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© Karlheinz Everts