Aufführungen in den Königl. Schauspielen zu Wiesbaden |
19., 22., 27.Dez. 1902, 12.Jan., 17.Febr., 6.März, 20.Juni, 18.Sept. 1903 |
Aufführungen im Residenz-Theater zu Wiesbaden |
13., 14.(abends), 18., 28.(nachm.) April, 7.Mai, 21.Juni 1907, |
Besetzungsliste: | ||||
Königl. Schauspiele 1902 | Königl. Schauspiele Sep. 1903 | Residenztheater 1907 | Residenztheater 1911 | |
Fabrikant Wiedebrecht.
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Herr Max Andriano |
Herr Max Andriano |
Herr Theo Tachauer |
Herr Theo Tachauer |
„Der Humorist” vom 1.Jan. 1903:
Das Hoftheater gab vor einigen Tagen die neueste Labung für unser Volk in Waffen, das Lustspiel „Im bunten Rock”, von Schönthan und dem Freiherrn v. Schlicht. Ich war vorsichtig genug, mir die persönliche Bekanntschaft bis zu einer Wiederholung aufzusparen; aber eine Wiederholung ist bis jetzt nicht erfolgt, und ich muß also schon bei der hiesigen Kritik eine kollegiale Anleihe machen. Man hat dem alten Lustspielfabrikanten mit dem auf der Bühne bisher noch nicht genannten neuen Associé teilweise die Ehre (oder den Schmerz!) angetan, sie literarisch zu nehmen, und sie daraufhin mit Notwendigkeit grausam verrissen. Einer findet die gewiß in vieler Hinsicht berechtigte Parallele mit einer Theateraufführung des Regiments beim Kaisersgeburtstagsball. Aber da gibt's doch keine Tantieme. Ein anderer, der den Autoren harmloseren Blickes in's Herz will sagen auf den Boden des Portemonnais schaut, schreibt — gewiß der Situation gemäß:
„Der Welt ist ein neuer ,Veilchenfresser' erstanden. Diesmal heißt der Sieger in der Husarenjacke Leutnant v. Hohenegg, und der Preis seines unterhaltsamen Waffenganges ist Mrs. Clarkson, eine junge Witwe aus dem Dollarlande, die zu der stilvollen Einrichtung ihrer Villa einen Mann sucht. Da der Flirt allein den Abend nicht füllt, ist als Rahmen des Genrebildes das Treiben des Soldatenlebens gewählt, wie es dem flüchtigen Beschauer sich präsentiert. . . . In die Tiefe zu gehen, lohnt sich ja gar nicht etc.”
Wer Schlicht, den kecken Satiriker, aus seinen Militärhumoresken kennt, und an diesen pikant gedeckten Tischlein oft und gern bei ihm zu Gast gewesen ist, wird allerdings bedauern, daß der Mann nun als Suppenkoch des Backfisch- und Spießbürgergeschmacks den ersten Schritt auf die Bühne getan hat. Hauptsächlich beschäftigt waren in dem Stück die Herren Schwab als Leutnant, Vallentin als Einjähriger, Andriano als dessen Herr Papa, Frl. Arnstadt als deutsch radebrechender oder englisch flott parlierender Goldfisch von jenseits des großen Wassers, und Frl. Edelmann als militärfrommes Schwesterlein des Leutnants. Sonst weiß Frau Fama nichts Erhebliches von der Darstellung zu melden.
„Bühne und Welt” 5. Jahrgg. 1902/03, S. 352:
Wiesbaden. — Mit vieler Heiterkeit wurde das Schönthan-Schlichtsche Lustspiel „Im bunten Rock” aufgenommen. Die Kritik konstatierte auch hier die harmlose Oberflächlichkeit des Stückes.
„Wiesbadener Tagblatt” vom 15. April 1907:
Residenz-Theater.
Samstag, den 13. April: „Im bunte Rock”. Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz v. Schönthan und Freiherr v. Schlicht. Spielleitung: Theo Tachauer.
Eine tragikomische Veränderung der Bühne, die vor einigen Jahren begann, hat in dieser Saison ihren Höhepunkt erreicht. Die Bretter, die einst die Welt bedeuteten, wollen heute nur mehr die Kaserne und das Offizierskasino vorstellen. Die Schauspieler absolvierten als Vorbereitung für ihren Beruf statt einer Theaterschule besser das Einjährigenjahr. Denn wichtiger als charakteristische Mimik und richtiges Sprechen ist für sie heute, daß sie mit Adjustierung, Honneurmachen, tadellosem Strammstehen usw. genau Bescheid wissen: Statt des Regisseurs wird in Zukunft ein militärischer Fachmann die Oberleitung der Proben führen, ein schöner, neuer Beruf für die verschiedenen Herren a. D. Und die Zeitungen täten besser, statt der Theaterkritiker ihre Manöverberichterstatter in die Erstaufführungen zu entsenden. Das sind so einige der resignierten Gedanken, die einem wirklichen Theaterfreund am Samstag wieder einmal kommen mußten. Einige weitere seien edelmütig verschwiegen, alldieweil ein guter Mensch seinen Mitmenschen ihr Vergnügen nicht verderben soll.
Gespielt wurde die vom Hoftheater her bereits bekannte Geschichte, wie ein Leutnant eine reiche Amerikanerin erobert und ein Einjähriger drei Akte lang standesgemäß von einer Ungeschicklichkeit zur anderen stolpert, im ganzen flott, wenn auch nicht in allen Einzelheiten auf Paradehöhe. Herr Hetebrügge gab den Leutnant gewandt, wie es schon die häufige Übung mit sich bringt, Herr Bartak den Einjährigen einfach und nett. Fräulein Noorman widmete der Amerikanerin viel Eifer und Laune, daß ihre Begabung auf einem ganz anderen Gebiet liegt, braucht eigentlich nicht erst gesagt werden. Fräulein Blanden war eine muntere Betty, aber doch zu derb, gar zu strikt nach dem Wort ihrer Rolle: „Ich könnte jeden Tag als Sergeant in die Armee eintreten.” Gemütlich und heiter gab Herr Tachauer den Fabrikanten Wiedebrecht, ganz angemessen Herr Hager den Allerweltsassessor v. Gollwitz. Das ausverkaufte Haus war in einer vergnügt gehobenen Stimmung, wie bei der Frühjahrsparade auf dem Tempelhofer Feld.
J.K.
„Wiesbadener Tagblatt” vom 28. Jan. 1911:
Residenz-Theater.
Freitag, den 27. Januar: Prolog zur Feier des Geburtstags Sr. Majestät des Kaisers und Königs, verfaßt von Heinz Gorrenz, gesprochen von Dr. Hermann Rauch. „Im bunten Rock.” Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz v. Schönthan und Freiherr v. Schlicht. Spielleitung: Theo Tachauer.
Zur Feier des Geburtstags unseres Kaisers hatte das Residenz-Theater gestern abend Schlichts liebenswürdig-harmloses Lustspiel „Im bunten Rock.” wieder aufleben lassen, nachdem Dr. Rauch einen von Patriotismus durchglühten Prolog von Heinz Gorrenz schwungvoll zum Vortrag brachte.
Nach all dem Schmutz des „Luxuszugs” berührt der „Bunte Rock” wie ein erfrischendes Bad. Das schien auch das Publikum zu empfinden, welches sich vorzüglich amüsierte und die Künstler immer wieder vor die Rampe rief.
Gespielt wurde mit aller Hingebung. Allen voran stand der Leutnant v. Hohenegg des Herrn Keller-Nebri. Er war so schneidig und liebenswürdig, wie Schlicht es nun einmal vom preußischen Leutnant verlangt! Fräulein Hammer vergaß nur ganz selten, daß sie eine Amerikanerin darstellte und mit englischem Akzent zu sprechen hatte. Daß sie ein Bukett von rosa Iris (?) und Chrysanthemen als Maréchal Nielrosen bezeichnete, darf wohl nicht ihr, sondern der Regie zur Last gelegt werden! Im übrigen sah die Künstlerin ihrer Rolle gemäß sehr vorteilhaft aus und bewegte sich mit Grazie und Anmut. Leider stürzte sie auf die Knie, als sie eilig über eine Treppe lief. Der kleine Unfall ist nur zu bedauern, ebenso bedauerlich war es auch, daß das Publikum dazu lachte und klatschte. Fräulein Richter als Betty v. Hohenegg war allerliebst; voller Frische und Naivität. Herr Tachauer blieb nicht immer ganz frei von Übertreibung, wenn er auch im ganzen genommen sehr gut spielte. Herr Bartak hatte wieder den Hans Wiedebrecht zu verkörpern wie damals vor 5 oder 6 Jahren. Und wieder traf er den richtigen Ton. Lobend zu erwähnen wären noch die Träger der kleineren Rollen, vor allem die Herren Hager und Miltner-Schönau; zu tadeln wäre nur Herr Bernt, der sich in der Hitze des Gefechts mehrmals an eine Kulisse klammerte und einen unglückseligen Baum raffte wie eine Portiere!
Prophezeien ist eine schwere Kunst, aber ich gehe wohl nicht fehl, wenn ich im voraus sage, daß der „Bunte Rock” in nächster Zeit noch manche Aufführung erleben wird.
B.F.
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© Karlheinz Everts