Im bunten Rock

Lustspiel in drei Akten

von

Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht


Aufführungen im Stadt-Theater zu Rostock

am

20., 24.Okt. 1902, 25., 29.Okt. 1909


Besetzungsliste:

 19021909

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.
Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach, Divisions-Kommandeur.
Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.
Susanne  ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )
Frau Bäckers, Wirtschafterin bei Wiedebrecht
Friedrich, Diener
Stubenmädchen
Minna, Köchin
Kutscher
Stalljunge
Gärtnerbursche
Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Gärtner
Spielleitung:

Herr Albert Hüner
Herr Josef Kron
Frl. Clairette Clair
Herr Emil Janson
Frl. Elly Arndt
Herr Curt Gühne
Herr Ernst Ludwig Schön

Herr Bernhard Förster
Frl. Frieda Künzel
Frl. Mizi Wolbring
Frl. Franziska Wolbring
Herr Hermann Broel
Frl. Melanie Adamoff
Frau Tina Brede
Herr Carl Jungk
Herr Paul Spanier

Herr Curt Fischer
Herr Heinrich Fix
Herr Max Schramm
Herr Matth. Meyers
Herr Adolf König
Herr Carl Habermeyer

Georg Uhlitzsch
Fritz Petzold
Käte Jahn
Fritz Sturmburg
Flora Leopold
Hugo Knappe
Artur Armand
Theo Patten
Oskar Erasmi
Louise Trebe








Otto Kampe


Paul Nathell

Hugo Knappe


Rostock-1.jpg

„Rostocker Anzeiger” vom 19.Okt. 1902:

Stadttheater. Aus dem Theaterbureau wird uns geschrieben: Am Montag gelangt als Schauspiel-Novität „Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht, zur Aufführung. Das Werk hat am 3.d.M. seine Uraufführung am Königlichen Schauspielhause in Berlin erlebt und ist seitdem ein Zug- und Kassenstück dieser Bühne.

„Rostocker Anzeiger” vom 22.Okt. 1902:

Stadttheater.Im bunten Rock”, Lustspiel (?) in drei Aufzügen von Franz v. Schönthan und Freiherrn v. Schlicht.

Die Novitäten-Anleihe bei dem Königlichen Schauspielhaus in Berlin zu machen, ist ein böses Ding. Die Volksfrage des Natanael zu Philippus „Was kann aus Nazareth Gutes kommen?” ist hier sehr geboten und stets im negirenden Sinne zu beantworten. Diese Bühne ist allein in den gegenwärtigen Theaterverhältnissen die große Unverstandene und feiert darum keine Jubiläen in Erfolgen, wohl aber Jubiläen im — Fiasco. Bisweilen thut es Noth, die Absichten des Institutes von höherer Stelle aus dem Kunstpöbel zu interpretiren, aber . . . Odoardo, unterdrücke Deine Frage: Wer lacht da? „Im bunten Rock” hätte eine Erklärung für seine Existenz­berechtigung nicht nur verdient, sondern direct gebraucht. Das Theaterbureau bemühte sich in einer Voranzeige einen Grund oder besser den Grund für das Vorhandensein des Stückes anzugeben. Es schrieb nämlich, besagtes Lustspiel habe in Berlin ausverkaufte Häuser erzielt u.s.w. Alle Hochachtung für den Werth eines Spieles, wenn solch' ein Aushängeschild gebraucht wird. Alle Hochachtung für die Leitung unseres Kunsttempels, wenn sie ihre Absichten so deutlich kund und zu wissen thut. Wie sagt Jago zu Roderigo? „Thu' Geld in Deinen Beutel! Nimm so viel Geld, als Du kannst!” In hoc signo vinces!

Und nun fanden sich am Montag Abend die Theaterbesucher zusammen, den bunten Rock zu besuchen und zu betrachten. Es lag etwas Gequältes in den Mienen der Zuhörer, etwas Langeweile schlich sich um die Mundwinkel, ab und zu glaubte man lachen zu müssen, um dem Gefühl der Oede nicht ganz und gar die Herrschaft zu lassen und die Spielenden damit nicht noch mehr von der Zwecklosigkeit ihrer Mühe zu überzeugen. Dieses „sogenannte” Lustspiel hat auch einen Inhalt, wenigstens soll es einen haben. Das wünschten seine Schreiber so. Bei der Bearbeitung ist er durch den Rauchfang gegangen. Einer reichen (natürlich) amerikanischen Wittwe wird auf einer Reise als einzige Sehenswürdigkeit (!) in Europa anempfohlen: 1) das Colosseum in Rom bei Mondscheinbeleuchtung, 2) sich von einem preußischen Offcier die Cour schneiden zu lassen. Ein Husarenleutnant sitzt denn auch sogleich fest und das Hofmachen führt zur Verlobung. Mit einer Verlobung ist es nicht gethan, das Pendant dazu ward fix gemacht. Und so quält sich drei Acte hindurch eins in des anderen Arm hinein. Natürlich giebt es fade Hindernisse und noch fadere Episoden. Ein so dummes und so hohles Machwerk ist mir seit Langem nicht vor die Augen gekommen. Herr Freiherr v. Schlicht sollte lieber bei seinem Leisten bleiben und seine Manöveranecdoten und Casernenmätzchen in den früheren Formen verarbeiten. Dem Theaterpublikum würde ein großer Dienst damit geschehen.

Als Macbeth bei dem Mordplan auf Banquo sich die Schuldfrage vorlegt, weshalb denn eigentlich?, da weiß er keine bestimmte Antwort zu geben: „Ein Etwas ist es, das ich an ihm fürchte.” Dieses „Etwas”, dem eine nähere Bezeichnung nicht gegeben werden kann, ward auch der Erstaufführung von „Im bunten Rock” gefährlich. Den Mitspielern ist die Schuld nicht beizumessen, sie gaben sich redliche Mühe, den Blödsinn annehmbar zu machen, wenn auch das Unbequeme eines Neuen nicht ganz überwunden wurde. Der Haken muß an einer anderen Stelle sitzen. Es war ein Manquo vorhanden, das mehr in dem Fluidum, in der Atmosphäre über der scenischen Darstellung lag als in dem Spiel selbst. Es wurde nicht scharf und mit Worten ausgesprochen, aber es drang doch von der Bühne her zu den Hörern. Der Grundton, auf dem jedes Spiel abtgestimmt ist und sein muß, klang eigenthümlich und entbehrte jeder Festigkeit, sonst könnte eine Scene nicht so innerlich zerfallen wie es während der Aufführung möglich war. Das Stück soll zeigen, daß eine Regie hinter dem Ganzen steht, daß ein Sinn herrscht und regiert und nicht ein Tohuwabohu von vielerlei Köpfen. Ernst ist jedenfalls die Arbeit der Posse nicht genommen, sonst hätte man mehr Einheitlichkeit, mehr Fügung spüren müssen.

Es war ein böses Stück Arbeit für die Schauspieler, zu retten, was noch zu retten war. Fräulein Clair hatte die schwierige Rolle der Amerikanerin durchzuführen. Sie sucht mit Kraft und Geschick sich eine Position zu schaffen und die Gestalt zu einer Geltung zu bringen, der Anerkennung nicht versagt werden darf. Die Behandlung des W mußte schärfer pointirt werden; es ist die Scylla für den deutschlernenden Amerikaner. Die Herren Janson, Schön, Cron, Hüner markirten die blutlosen Geschöpfe der Verfasser, ohne ihnen einen lebhafteren Pulsschlag geben zu können. Elly Arndt war schalkhaft und lebensprudelnd wie immer.
E.A.R.


„Rostocker Zeitung” vom 21.Okt. 1902:

Rostock-2.jpg

Stadttheater.

Der gestrige Abend brachte die erste Novität dieser Saison: von Schönthan's und Freiherrn von Schlicht's „Lustspiel”: „Im bunten Rock”. Das Theater war für eine Montags­vorstellung sehr gut besucht, das Publikum unterhielt sich den ganzen Abend vortrefflich und die Stimmung im Hause war gut, sogar ausgezeichnet.

Alles in allem, es ist doch ein rechter Schmarren, dieser Schönthan-Schlicht'sche Schwank. Eine hausbackene Manier, Personen kommen und gehen zu lassen und recht hausbackene Gespräche mit einander zu führen. Höhepunkte fehlen. Sie werden ersetzt durch einige drollige Situationsspäße, die nicht besonders durch ihre Neuheit imponiren. Aber das militärische Gewand, der bunte Rock, der Leutnantston, der dem ganzen Stück sein Gepräge giebt, hat nun einmal für unsere Damenwelt etwas ungemein Bezauberndes. Schon einen Leutnant, und ist er gar Husarenofficier, auf der Bühne zu sehen, ist Poesie für viele schwache Herzen. Da braucht er erst gar nicht seinen Mund aufzuthun und Leutnants haben natürlich — nur einen schönen Mund! Kein Wunder, daß daher auch gestern der Erfolg des Stückes mehr der Uniform als seinem geistigen Inhalt zu verdanken war.

Anläßlich der Berliner Uraufführung der Novität brachten wir bereits eine kurze Skizzirung des Inhalts der Schönthan-Schlicht'schen Arbeit. Eine reiche Amerikanerin, Missis Annie Clarkson (Fräulein Clairette Clair) und der Husarenleutnnat Victor von Hohenegg (Herr Janson) sind die beiden Hauptpersonen. Der kleine Bengel Amor schießt mit seinen Liebespfeilen recht wacker auf beide ein, bis aus Scherz und Tändelei, aus Laune und Courmacherei eine ernstere Liebesaffaire wird, und schließlich die reiche amerikanische Wittwe und der galante Husar sich zu einem modernen mitteleruopäisch-amerikanischen Ehepaar vreinigen. Diese karge Haupthandlung ist, man kann sagen, nicht immer geschickt, mit einem militärischen Hintergunde verflochten: ein verwöhntes Söhnchen als Einjährig-Freiwilliger (Herr Kron), ein etwas recht derb gerathener Sergeant (Herr Förster), eine zu ihm in Beziehung stehende an Zahnschmerzen laborirende Köchin (Frl. Brede), die natürlich immer den Braten anbrennen läßt, eine den täppischen Einjährigen trotz seiner Dämlichkeit innig liebende reizende junge Dame (Frl. Elly Andt), ein Vater, der niemals weiter zu urtheilen und zu sehen versteht, als seine Nasenspitze reicht und in den allergewöhnlichsten Fragen des Lebens eine naive Unbeholfenheit entwickelt, die schon mehr schwankwidrig ist (Herr Hüner), sowie ein Assessor a. D., der sich aufs Heirathsstiften und Sectflaschenleeren verlegt (Herr Gühne) und ein Divisons­commandeur, der dem Liebespaar im letzten Augenblick gefährlich zu werden droht (Herr Schön), das sind die Theaterfiguren, die durch ihr mehr oder minder motivirtes oder unmotivirtes Eingreifen in die Handlung das Schicksal des Abends mit entscheiden helfen. Im dritten Acte befinden wir uns ferner mitten im Manöver: mitten in dem Aufeinanderprallen zweier feindlichen Linien, so daß der letzte Act auch äußerlich sehr bewegt ist.

Fräulein Clair interessirte durch ihre Darstellung der reichen Amerikanerin. Man merkt es der Künstlerin an, daß ihr die leichte Art des Conversationstons doch recht schwer wird. Meisterhaft war ürbigens die Art, mit der sie das gebrochene Deutsch in amerikanischer Sprachfärbung wiedergab. Nur eines vermißten wir bei ihrer Darstellung, die tändelnde Leichtigkeit und Lustigkeit, die sich in dem Wesen der Missis Clarkson zeigen muß: es war alles um ein paar Schattirungen zu ernsthaft. Aber auch die gestern gebotene Form zeigte die Künstlerin. In einer reizenden und allerliebsten Rolle zeigte auch Fräulein Elly Arndt echte künstlerische Auffassung und sicheres Können. Die kleine Betty mit ihrer hübschen Sprache und ihrer frischen lebhaften Art, mit ihren militärischen Kenntnissen und ihrem Leutnantston war eine brave Leistung. Sie war wie aus dem Leben herausgegriffen.

Die übrigen Mitwirkenden bewiesen ebenfalls, daß sie sich ihrer Rolle mit Eifer, Verständniß und Geschick angenommen hatten. Herr Janson's Leutnant war zwar noch nicht ganz so echt, aber er sah gut aus und hatte einen schönen Erfolg. Herr Hüner als Fabrikant Wiedebrecht trug oft zur Erheiterung des Publikums bei. Herr Kron als Einjährig-Freiwilliger und Herr Gühne als Gollwitz lösten ebenfalls ihre Aufgaben annehmbar. Der Krause des Herrn Förster zeigte noch eine gewisse Unbeholfenheit, war aber sonst nicht übel. Frl. Brede als Köchin lief etwas zu früh auf die Bühne. Herr Schön als Excellenz von Troßbach war stellenweise leider ganz unverständlich. Auch die anderen Mitspieler thaten des Guten zuweilen ein wenig zu viel und huschten über die Sätze und Worte hinweg. So schnell zu sprechen, daß man nicht alles hört, ist nun wieder auch nicht das Richtige.
Wn.



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© Karlheinz Everts