Im bunten Rock

Lustspiel in drei Akten

von

Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht


Aufführungen im Stadt-Theater zu Reichenberg i.B.

am

6., 9., 11., 14., 16., 18.Nov., 2.Dez. 1902, weitere 2 Aufführungen vor dem 7.4.1903, 3.Nov.1904, 12., 15.8.1918


Besetzungsliste:

 1902/0319041918

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.
Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach, Divisions-Kommandeur.
Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.
Susanne ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )
Frau Bäckers, Wirtschafterin bei Wiedebrecht
Friedrich, Diener
Stubenmädchen
Minna, Köchin
Kutscher
Stalljunge
Gärtnerbursche
Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Gärtner
Spielleitung:

Herr Fritz Karl
Herr Alfred Wiet
Frl. Marg. Voigt
Herr Georg Kröning
Frl. Stella Richter
Herr Paul Hubel
Herr Heinrich Heber

Herr Robert Becker

Frl. Rosa Hamburger
Frl. Olga v.Schmysingk


Frl. Ella Grüner








?

Herr Fritz Karl
Herr Josef Halpern
Frl. Ellen Isenta
Herr Hans Heiden
Frl. Annie Trauner
Herr Emil Aman
Herr Gaedeke

Herr Gustav Fischer
Frl. Wierer
Frl. Helene Lafrenz
Frl. Olga v.Schmysingk
Herr Romann
Frl. Mayr
Frl. Schwarz
Herr v.Bitterl

Herr Höller
Herr Walters
Herr Mayer
Herr Lüttjohann
Herr Gyger
Herr Eichler
Herr Fischer

Herr Heim
Herr Hoppe
Frl. Sorel
Herr Leopold Kramer a.G.
Frl. Swoboda
Herr Weyland
Herr Fuchs

Herr Dussek















Reichenberg-2.jpg

„Reichenberger Zeitung" vom 8.11.1902:

Stadttheater.

Reichenberg, 7.November. Zum ersten Male: „Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz v. Schnöthan und Frh. v. Schlicht. — Das sorgfältig dargestellte, dem harmlosen Amusement dienende Stück gefiel. Das große Publikum hat bekanntlich ein kurzes Gedächtnis. Sonst hätte es sich gestern gesagt, daß es eigentlich keine „Neuheit” zu sehen bekam, sondern daß man jede Szene, jede Wendung des Stückes schon vor Jahren mit Lächeln hat über sich ergehen lassen. Der Autor dieser Soldatenkomödie ist eigentlich Moser — Schönthan hat nur einige feuilletonistische Verbrämung hinzugetan und Frh. v. Schlicht den altbekannten Soldatenrock mit neuen Aufschlägen versehen. Das Stück könnte „Der modernisierte Veilchenfresser” heißen. „Ein flotter, preußischer Leutnant, natürlich von der Kavallerie, umschwärmt alle Damen, zuletzt eine reiche Erbin. Aber diesmal wird es ernst; der lockere Geselle in der Ulanka fing selbst Feuer. Natürlich kann die schöne Erbin dem entbrannten Leutnant, der sofort zur Attacke schreitet, nicht widerstehen — und sie kriegen sich.” Dies der Kern der Handlung, die sich seit anno 1876, dem Erscheinungsjahr des „Veilchenfressers”, gleich geblieben ist — als hätten sich die Anschauungen über den Militarismus seit der Zeit nach den deutschen Siegen von 1870 in gar nichts geändert. Aber nicht bloß das Grundthema, sondern auch die Einzelheiten sind entlehnt: Wie im „Veilchenfresser”, so muß auch im „bunten Rock” der Einjährige die komische Folie für Seine Herrlichkeit den Herrn Leutnant bilden; der Mitbewerber um die Gunst der reizenden Erbin ist zwar vom Oberst zum General avanciert, aber doch derselbe geblieben; und als den Verfassern gegen Schluß der Atem völlig ausgeht — übrigens das einzige Kennzeichen, daß man es mit modernen Autoren zu tun hat —, da beschwören sie den wohlbekannten Sergeanten, wärmen die Situationsspässe des verunglückten militärischen Drills auf und schmücken den Dialog mit „Kasernenhofblüten”. Zur Ergänzung und „Auffrischung” ist besonders noch der Militärschwank „Krieg im Frieden”, den ja Moser zusammen mit Franz v. Schönthan gearbeitet hat, herangezogen worden; nur ist aus dem magyarisch-deutsch sprechenden Backfisch eine radebrechende Amerikanerin geworden. Auch Costa's „Ihr Korporal” hat herhalten müssen: Der militärische Vorgesetzte des verwöhnten Einjährigen Wiedebrecht ist der Geliebte der Köchin des Papa Wiedebrecht u. s. w. — Mit diesen Reminiszenzen ist zugleich der Inhalt der „Neuheit” wiedergegeben worden.

Gespielt wurde sehr flott. Es wäre lebhaft zu wünschen, daß so gut vorbereitete Aufführungen nicht vereinzelt blieben. Margarete Voigt sah besser aus als sonst und ließ es an Verve und Temperament nicht fehlen. Den deutsch-amerikanischen Dialekt beherrschte sie vorzüglich. In einzelnen Momenten hätte sie neckischer, liebenswürdig-übermütiger sein dürfen. Fritz Karl verkörperte den Papa Wiedebrecht durchaus lebenswahr und machte sich sogar den Berliner Lokalton teilweise zu eigen. Georg Kröning ließ den forschen Leutnant mit jugendlichem Feuer sprechen und erzielte damit bedeutende Wirkung. Das schneidige Soldatentöchterlein sollte Stella Richter darstellen — aber sie war nicht disponiert, auch stimmlich nicht. Den Bonvivant mußte sich Paul Hubl zwar abnötigen, aber er zog sich doch geschickt aus der Affäre. Herr Heber vermochte seine Generalswürde nicht recht in den Vordergrund zu stellen, er ist dazu eben weniger geeignet. Robert Becker brachte die Unteroffizierskomik entsprechend zur Geltung. Auch Alfred Wiet war ehrlich bemüht um seinen Part, was auch bei minderem Gelingen anerkannt werden muß. Rosa Hamburger zeigte als Jeanette gute schauspielerische Qualitäten. Daß man selbst in einer ganz kleinen Rolle gefallen kann, bewies Olga v. Schmysingk. Auch die übrigen Mitwirkenden verdienen Anerkennung, die insbesondere noch der Regie gezollt werden soll.
K.S.


Reichenberg-3.jpg

„Reichenberger Zeitung”vom 5.11.1904:

Stadttheater.

Reichenberg, 4.November. „Im bunten Rock”, Lustspiel von Fraz von Schönthan und Frh. von Schlicht.

Wie sich doch die Zeiten ändern! Im Oktober 1902 erschien das genannte Lustspiel, in dem „Freiherr v. SchlIcht” (Wolf Graf v. Baudissin) noch bis über die Brust in der kulissenhaften Verhimmelung der Leutnantsherrlichkeit watet — und am 22.Oktober 1904 wurde derselbe Autor vom Berliner Landgericht wegen Beleidignung des deutschen Offizierskorps durch seinen Roman „Erstklassige Menschen” verurteilt! Aber in welchem Werke mag Freiherr v. Schlicht der Wahrheit näher gekommen sein? . . . Jedenfalls muß das Offizierslustspiel nach der Schablone von „Krieg im Frieden” als stark veraltet bezeichnet werden. Und jedenfalls ist es eine geschichtliche Wahrheit, daß sich im Soldatenleben äußerer Glanz und innerer Wert selten decken; Feldherrnnaturen lieben die Einfachheit. —

Wenn wenigstens noch flott gespielt worden wäre! Wir wissen sehr wohl, daß bei der Überbürdung des Schauspielensembles — die unter den gegenwärtigen Verhältnissen kaum zu vermeiden ist, solange Oper und Operette nur mit Hindernissen auf den Spielplan gelangen können — nicht jede Vorstellung gleichmäßig gut herausgebracht werden kann, und wir finden es vollauf gerechtfertigt, wenn auf literarisch wertvolle Stücke mehr Sorgfalt der Vorbereitung verwendet wird, als auf dramatische Dutzendware. Aber auch diese Genügsamkeit hat ihre Grenze, und es ist nicht notwendig, daß einzelne Kräfte die redlichen Bemühungen des Spielleiters durch allzu oberflächliche Vorbereitung und Unaufmerksamkeit zunichte machen. Wir wollen auf die Details für diesmal nicht eingehen und nur feststellen, daß, nachdem Ellen Isenta, die sonst eine ausgezeichnet charakteristische Missis Clarkson war, in der entscheidenden Szene des 2. Aktes das Unglück hatte zu entgleisen, Verstoß auf Verstoß folgte; von da ab schien besonders unter den Damen eine förmliche Panik ausgebrochen zu sein, und es kam wiederholt zu bösartigen Stockungen. Übrigens nahm Annie Trauner das Fräulein mit den ausgebreiteten militärischen Kenntnissen zu derb. Mit Ehren seien Fritz Karl, Emil Amann, Hans Heiden, Gustav Fischer, Josef Halpern und Helene Lafrenz genannt. — Verweise auf der Bühne zu erteilen, so daß man sie bis ins Parkett hinein hört, ist entschieden unstatthaft!
K.S.


„Reichenberger Zeitung”vom 14.8.1918:

Stadttheater.

Gastspiel Leopold Kramer: „Im bunten Rock”. Lustspiel in drei Aufzügen von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht. Es ist nicht jedermanns Sache, sich völlig ein Stück vorsetzen zu lassen, an dessen harmlosen Vorgängen sich unsere Eltern einst vergnügten, um dann ruhig darauf zu warten, wieviel davon noch lebendig zu wirken vermag. Es wäre fast ein Wagnis zu nennen, wenn das von den bekanntlich überreizten Gelüsten moderner Zuschauer verlangt würde, ohne daß gleichzeitig eine interessante Persönlichkeit als Darsteller dem veralteten Stücke einen neuen Reiz verleiht. Diese Aufgabe übernahm Herr Leop. Kramer vom Deutschen Volkstheater in Wien und er entledigte sich ihrer tadellos. Er gehört scheinbar zu jenen großen Schauspielern, die bei ihren Rollen mit Bedacht weniger ihren äußeren Menschen verleugnen, die ihrer Kraft der Einfühlung so vertrauen, daß sie nicht daran denken, ihr Ich zu verleugnen. Alle Kunst ist schöner Glaube. Und so glaubten die Zuschauer Herrn Kramer seinen Leutnant trotz seiner grauen Haare und bewiesen ihm ihren Glauben durch starken Beifall, den sie ihm zollten. Ein großer Teil des Beifalls gebührt aber auch unseren einheimischen Kräften, vor allem Frl. Sorel, die dem Gaste eine würdige Gegenspielerin war, ferner den Herren Heim und Hoppe, sowie Frl. Swoboda, die ihren Rollen, ohne zu übertreiben, die heitersten Seiten abzugewinnen verstanden. Auch die Mehrzahl der anderen Darsteller, so die Herren Weyland, Fuchs und Dussek reihten sich den Genannten würdig an.



zurück

© Karlheinz Everts