Aufführungen im Stadt-Theater zu Lübeck |
*1., 3., 9., 11., 26., 29.Dez. 1902, |
Aufführung im Wilhelm-Theater |
27.Dez. 1902 |
Besetzungsliste: | ||
Dez. 1902 - März 1903 | Okt. 1903 | |
Fabrikant Wiedebrecht.
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Julius Seidler |
Willy Krüger |
„Lübecker Volksbote” vom 4.Dez. 1902:
Lübecker Stadttheater.
Im bunten Rock, Lustspiel in 3 Akten von Schönthan und v.Schlicht. Beide Verfasser tragen in der literarischen Welt nicht unbekannte Namen; ersterer hat allein und auch mit Hülfe der verschiedensten Mitarbeiter bereits eine ganze Reihe mehr oder weniger erfolgreicher Schwänke und Lustspiele geschrieben, letzterer — Graf Baudissin, ein früherer Offizier, verbirgt sich hinter dem Pseudonym Schlicht — veröffentlichte zahlreiche militärische Humoresken. Wenn sich nun zwei so erfahrene Schriftsteller vereinigen zu einem Werke, so war mit einer gewissen Sicherheit anzunehmen, daß wenigstens etwas zu stande kommen müsse, das nicht ganz wirkungslos verpuffen würde. Der „Erfolg” hat denn auch dieser Ansicht recht gegeben. Wie schon der Titel besagt, handelt es sich hier um einen Schwank — Lustspiel ist wohl nicht die richtige Bezeichnung dafür—, in dem das Militär die erste Geige spielt. Die Uniformen wimmeln nur so auf der Bühne herum; der Herr Leutnant ist die verkörperte Intelligenz und Schneidigkeit, der Einjährige ist schon ein wenig beschränkter; was aber unter diesem steht, der gemeine Soldat, ist, wie in den meisten derartigen Bühnenwerken, kreuzdämlich, zum Gaudium der anspruchslosen Zuhörer. Ob in Wirklichkeit dem aber so ist, wie die Verfasser es hinstellen, muß doch sehr bezweifelt werden. Wenn man auf der Bühne einmal einen intelligenten Musketier und einen beschränkten Leutnant zeigen würde, ja, dann würde jedenfalls das „bessere” Publikum dies nicht besonders beifällig aufnehmen. Im Uebrigen ist der Schwank, aus dem das „Zivilpack” männlichen Geschlechts größtentheils verbannt ist, nicht besser und nicht schlechter wie andere desselben Genres, das wohl am besten durch den „Veilchenfresser” und „Krieg im Frieden” vertreten wird. Harmlose, aber manchmal recht geschickt erfundene komische Situationen reizen die Lachlust des Zuschauers; eine mit fremdländischen Accent sprechende amerikanische Witwe, deren Hand sich der Leutnant von Hohenegg erkämpft, steht im Mittelpunkt des Stückes. Die Hauptwirkung auf das Publikum übt aber der bunte Rock, der ja zahlreich vertreten ist, aus; es giebt eben noch viele Leute, die beim Anblick einer Uniform vor Freude aus dem Häuschen gerathen, denen schon der imitirte Kanonenschuß als eine beifallswürdige Kunstleistung gilt. —
Gespielt wurde am Montag Abend recht flott. Die amerikanische, vielumworbene Millionärin erfuhr durch Frl. Dewald eine ausgezeichnete Wiedergabe. Angethan mit wahrhaft prächtigen Toiletten, sprach sie entzückend „deutsch”–amerikanisch, und gab ihrer Rolle so manchen anmuthig-drolligen Zug, daß man sogar bei offener Szene zu Beifallsbezeugungen hingerissen wurde. Den schneidigen — Aeh! — Husarenleutnant Hohenegg verkörperte Herr Hellmer in liebenswürdiger, sympathischer Weise. Den Lacherfolg, der unzweifelhaft feststeht, verdankt das Stück in erster Linie, soweit Lübeck in Betracht kommt, Herrn Seidler, der den urkomischen Fabrikanten Wiedebrecht darstellte, sowie Herrn Menzinger, als dessen „einjährigen” Sprößling. In den weniger hervortretenden Rollen leisteten Treffliches namentlich die Herren Rossert (Gollwitz), Wiegner (Sergeant Krause) und Robert (v.Troszbach) sowie die Damen Pabst (Betty v. Hohenegg) und Bürger (Frau Bäckers). Die Ausstattung war wieder einmal geschmackvoll. Daß in den Zwischenakten durch Militärmusik die „kriegerische” Stimmung des Publikums noch zu heben versucht wurde, sei nebenbei bemerkt. Wenn man die Qualität des Stückes nach dem gespendeten Beifall beurtheilen wollte, dann wäre „Im bunten Rock” gewiß ein gutes Stück, denn an Applaus ließ es das stark besuchte Haus nicht fehlen. Indessen: Ach wie trügerisch . . .
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© Karlheinz Everts