Im bunten Rock

Lustspiel in drei Akten

von

Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht


Aufführungen im Herzoglichen Hoftheater zu Koburg

am

28.Nov., 2., 11.Dez. 1902


Besetzungsliste:

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.
Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach, Divisions-Kommandeur.
Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.
Susanne ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )
Frau Bäckers, Wirtschafterin bei Wiedebrecht
Friedrich, Diener
Stubenmädchen
Minna, Köchin
Kutscher
Stalljunge
Gärtnerbursche
Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Gärtner
Spielleitung:

Herr Max Beck
Herr Curt Huppel
Frl. Julia Heller
Herr Karl Schäffer
Frau Anna Schreiber-Leigh
Herr Bruno Henne
Herr Carl Bender
Herr Emil v.Brauck
Herr Alfred Schreiber
Frl. Klara Heydt
Frl. Aurelie Wanderhold
Frl. Clara Schwarz
Herr Reer

Frl. Clara Leyk
Herr Franz Denninger


Herr Büchel


Herr Reer
Herr Adam Reitz
Herr Bruno Henne


„Coburger Zeitung” vom 26.Nov. 1902:

Coburg, 25.Nov. Herzogliches Hoftheater. Ueber das am Freitag zur Aufführung gelangende Lustspiel „Im bunten Rock” lesen wir in verschiedenen Wiener Zeitungen folgende Urteile:
Es schreibt die „Reichswehr”: „Zum erstenmal: „Im bunten Rock”, Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz v. Schönthan und Frhrn. v. Schlicht. Was einmal gut war, ist immer wieder gut. Unsere modernen Autoren jagen komplicierten Problemen nach, beleuchten Milieus, erforschen die letzten Geheimnisse der Seele, und dann kommt Herr v. Schönthan mit einem neuen Kompagnon, wird fröhlich belacht und lacht die Literatur fröhlich aus. Er steht heute noch dort, wo er vor Jahr und Tag stand, und man macht die sonderbare, ja verblüffende Erfahrung, daß das Publikum eigentlich auch noch dort steht. Schönthan hat den Mut, das alte wieder hervorzusuchen und so auf die Bühne zu stellen, als wäre es noch nie dort gewesen. Das ganze Heeresmuseum der bewährten preußischen Militärkomödie hat er geplündert. Wir haben ihn heute wiedergesehen, den gütigen, vornehmen General, der zur rechten Zeit ein bischen Vorsehung spielt, den schneidigen Herzenknackenden Leutnant aus „Krieg und Frieden”, den bärbeißigen, heißhungerigen Sergeanten aus dem „Veilchenfresser”, den obligaten Einjährigen, der trotz Uniform tief im Zivil steckt, den besorgten Papa des Freiwilligen und die mutige Soldatentochter. Grüß Euch Gott, ihr lieben Bekannten aus der guten, halbvergesseen Lustspielzeit. Und damit niemand fehlt in dem gemütlichen Kreise, ist auch Herr von Pöchlaar-Bendsberg aus den „Goldfischen” erschienen, der verkrachte adelige Heiratsvermittler und die schöne dollarbelastete Amerikanerin aus „Militärfromm”. Was die braven Leutchen machen? Nicht viel. Sie sind bei leidlichem Humor und erzählen einander Kasernenhofblüten oder das Beste aus den Witzblättern. Die Liebespaare benehmen sich vorschriftsmäßig, lernen einander im ersten Akte kennen und schätzen, zerzanken sich im zweiten und verloben sich im dritten. Und das Publikum ist es zufrieden. Unter solchen Umständen bleibt wohl nichts übrig, als das kritische Richtschwert in den Winkel zu stellen und auch einverstanden zu sein.” —

Die „Zeit” dagegen schreibt: „Im Volkstheater wurde ein neues Stück von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht, das Lustspiel „Im bunten Rock”, sehr beifällig aufgenommen. Das Stück gehört zu der in den weitesten Kreisen sich noch immer der größten Beliebtheit erfreuenden Kategorie der Militär- und Heiratsschwänke, enthält außer den herkömmlichen anderen, minder heiteren Requisiten auch einige lustige Einfälle und wurde sehr flott gespielt.”


„Coburger Zeitung” vom 30.Nov. 1902:

Zum ersten Male:
„Im bunten Rock.”
Lustspiel in 3 Aufzügen von Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht.

„In bunten Bildern wenig Klarheit,
„Viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit.
„So wird der beste Trank gebraut,
„Der alle Welt erquickt und auferbaut.”

Dieses bekannte Wort Goethe's hat wohl wie bei allen modernen Lustspielen, auch bei dem hier zu besprenden seinen Autoren vorgeschwebt, als sie es entstehen ließen.

Freiherr von Schlicht — oder Graf Wolff Baudissin wie der Schriftsteller mit seinem wirklichen Namen heißt — ist als Verfasser lustiger Militär-Humoresken schon lange vorteilhaft bekannt. Von ihm, dünkt mich, rührt die ziemlich wohlgeratene Fabel des neuesten Lustspiels her. Herr von Schönthan aber ist wie männiglich weiß einer unserer gewandtesten Bühnenroutiniers. Daß aus der künstlerischen Ehe dieser Beiden ein leidlich wirksam Lustspiel entsprießen kann: Wer möchts bezweifeln? Daß die beiden Herren eigentlich nichts neues bringen, das ist bei der modernen Produktionswut auf dem Gebiete der Lustspieldichterei weiter gar nicht verwunderlich. Hauptsache ist, daß die Art, wie das Ragout serviert wird, anspricht. Und natürlich: sie spricht sehr an.

Was uns die Herren bieten?

Vor einigen Tagen bereits hat es die „Coburger Zeitung” nach einem Wiener Referat verkündet: Vor Allem eine reiche Amerikanerin, die sich, „weil man das machen muß”, in einen schmucken, schalkhaften Husarenleutnant verliebt. Dann ein linkischer Einjähriger, der in militärischer Beziehung gerade kein Lumen, aber sonst ein ganz lieber Kerl ist und sich in ein Soldatenkind verliebt. Endlich noch der alte oftgesehene, polternde Unteroffizier mit der obligaten Köchin und schließlich als rettender Engel der martialisch aussehende General. Aber die Hauptsache?: Das sind Kasernenhofwitze. Alte und neue; das ist eine prickelnde Seite von Situationskomik, das sind tolle Einfälle. Lediglich auch um diese Dinge ist es unseren Autoren zu tun. Denn sonst wäre es wohl kaum nötig, das Lustspiel durch drei Akte zu führen. Es könnte ruhig, nachdem sich das im Vordergrunde des Interesses stehende Liebespaar im zweiten Akte „gekriegt” hat, enden. Ueber das Schicksal der anderen ist der Zuschauer wenig besorgt. Sie werden sich schon auch noch kriegen.

Aber es muß gesagt werden: das Lustspiel ist niedlich; es erfüllt die obigen Anforderungen, so wie man es für sein Geld verlangen kann: Indem es erquickt und vielleicht auch auferbaut. Einige vergnügte Stunden, was sind sie nicht alles. Man muß ihren Verursachern für sie herzlich dankbar sein. Und man war gestern dankbar. Wie wurden doch diese Witzchen belacht und bejubelt, wie freute sich doch das Volk an dieser leichtverdaulichen Kost!

Es wurde aber auch vortrefflich gespielt.Voll Laune. Frl. Heller als köstliche Missis Anny Clarkson übertraf sich selbst. So vollendet in jeder Beziehung habe ich selten eine darstellerische Leistung gesehen. Wie reizend gelang ihr die radebrechende Sprache, wie taufrisch und lieblich war ihr entzückender Humor und wie ehrlich trotz aller Komik sah nicht ihre Entrüstung aus über den schwefelnden Leutnant? Dabei keine Entgleisung, kein Augenblick der Unsicherheit. Alles souveränste Beherrschung eines ungewöhnlichen Könnens und als Resultat natürlich rauschender, jubelnder Applaus. Daß doch solche Talente so selten sind! — Herr Schäffer ist neuerdings der Mann der Ueberraschungen geworden. Im günstigen Sinne natürlich. Gestern stellte er wieder einen ganz tadellosen Leutnant auf die Bühne. Voll jener leichtseeligen, fröhlichen Unbesiegbarkeit, wie er im Herzen des Backfisches thront. Auch an Herrn Huppel konnte man seine Freude haben. War sein Spiel auch noch etwas unreif, so zeugte es doch von ehrlichem Streben. Der Fabrikant Wiedebrecht des Herrn Beck war selbstverständlich von hinreißender Komik, ebenso entzückend der verliebte Sergeant Krause des Herrn Schreiber. Die Herren Bender und Henne fügrten altem Ruhme lediglich mit Sicherheit zu erwartende Lorbeeren bei, ebenso Frau Schreiber.

Die Freude des Hauses war groß. Der Beifall Herzlich. — Frl. Heller bekam ein reizendes Blumenarrangement.
K.H.



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© Karlheinz Everts