Aufführungen im Kais.subv. Stadt-Theater zu Kiel
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1., 2., 4., 8., 14., 16., 21., 25. Nov., 1.Dez. 1902 |
Aufführung in Wriebts Etablissement |
21.Jan. 1903 |
Aufführung im Schillertheater |
6., 9.(abends), 12., 16.(nachm.) Okt. 1904, |
Aufführung im Kleinen Theater |
9.Mai 1909 |
Besetzungsliste: | ||||
1902 | April 1904 | Okt. 1904 | April 1909 | |
Fabrikant Wiedebrecht.
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Emil Katzorke |
Bruno Schlegel |
Adolf Callenbach |
Georg Oppel |
„Bühne und Welt”, 5.Jahrgg. 1902/03, Seite 218:
Die bisherigen zwei Monate der jetzigen Wintersaison haben dem Publikum bereits eine Fülle von Novitäten gebracht, und zwar darf das Stadt-Theater bisher noch in litterarischer Beziehung den Vorrang vor dem Schiller-Theater beanspruchen, obgleich keine der aufgeführten Neuigkeiten sich sonderlich lebenkräftig erwiesen hat. Das Stadt-Theater brachte u.a. „Geschwister Lemke” (28.Sept.), „Ueber den Wassern” (2.Okt.), „Tyrannei der Thränen” (15.Okt.), „Pastors Rieke” (26.Okt.) und „Im bunten Rock” (1.Nov.), von denen nur das erstgenannte Volksstück einige Zugkraft bewahrte. . . .
„Kieler Zeitung” vom 1.11.1902:
Stadt-Theater. Heute, Sonnabend, geht zum ersten Mal die Lustspiel-Novität „Im bunten Rock” in Szene, die in Berlin, sowie an allen besseren Theatern Erfolg gehabt hat, Mit dieser Premiere ist zugleich ein Gastspiel verbunden, sofern Frl. Bertha Kleen, die 1. Liebhaberin und Salondame des Magdeburger Stadttheaters, die Rolle der Engländerin Miß Anny Clarkson spielen wird, mit der sie bereits in Magdeburg Erfolge gefeiert hat. Die Direktion hat sich in Folge dessen veranlaßt gesehen, das Stück mit Frl. Kleen auch am Sonntag Abend anzusetzen. Beide Vorstellungen finden außer Abonnement statt.
„Kieler Zeitung” vom 3.11.1902:
Kieler Stadttheater.
„Im bunten Rock”
von Franz v. Schönthan und Frhr. v. Schlicht.
Wir haben bereits in Kürze den Erfolg gemeldet, den am Sonnabend die Erstaufführung des am Sonntag wiederholten dreiaktigen Soldaten-Lustspiels „Im bunten Rock” erzielt hat: eines Stückes, bei dessen Bearbeitung der erinnerungs- und erfindungsreiche Humor unseres Landsmannes Freiherr von Schlicht mit der Bühnenroutine eines Franz von Schönthan unseres Erachtens aufs Glücklichste zusammengewirkt hat. Mehr als zwanzig Jahre sind es her, seit Letzterer, gleich seinem jetzigen Mitarbeiter selber Soldat gewesen, mit seinem „Krieg im Frieden” die eigentliche Offizierskomödie auf die Bühne brachte und eine Reihe von Typen schuf, die — ein Reif-Reiflingen an der Spitze — seither in Schwank und Lustspiel scher unentbehrlich geworden, in Folge dessen aber auch stark abgebraucht sind. Wenn es daher erwünscht scheinen mußte, daß dem Soldatenspiel auf der Bühne einmal ein paar Tropfen frischen Blutes zugeführt würden, so konnte hierfür allerdings unter den lebenden Schriftstellern kaum Jemand berufener erscheinen, als Freiherr von Schlicht, der seit Jahren bereits als Erzähler einen eigenen, fest ausgeprägten Stil der Militär-Humoreske geschaffen hat, indem er seinen Lesern den Soldatenstand nicht nur in dessen Berührung mit der übrigen Welt schildert, sondern sie auch einen Blick in das internere Leben seiner ehemaligen Kameraden in ihrem Verhältniß zu einander, zu Vorgesetzten und Untergebenen, thun ließ. Diese Indiskretion ist dem Autor vielfach verübelt worden, unseres Erachtens mit Unrecht; denn auf der einen Seite ist die Form der Satire, mit der er auf diese oder jene schadhafte Stelle im Futter des bunten Rockes hinweist, so jovial-harmloser Natur, daß von einer Erschütterung des Offizierstandes, sei's in der Gesellschaft oder im Dienst, schlechterdings nicht die Rede sein kann; auf der anderen Seite verbindet Freiherr v. Schlicht mit der Spottlust über das Gamaschenmäßige ein so warmes und überzeugtes Gefühl für die Bedeutung des bunten Rockes, daß man über sein wahres Empfinden nicht im Zweifel sein kann. Wie in den erzählten Humoresken, so auch jetzt auf der Bühne, wo wir, der Kernpunkt der Handlung, erfahren, wie die warmherzige deutsche Soldatenliebe eines jungen Leutnants über die kühle Souveränetät einer kosmopolitisch erzogenen Amerikanerin siegt und im Herzen derselben das Ewig-Weibliche weckt.
Mit der Figur des Leutnants Viktor von Hohenegg, den Herr Wolf mit der ganzen Schneidigkeit des Offiziers und zugleich mit der vollen Warmherzigkeit eines Menschen, der das Herz auf dem rechten Fleck hat, auf die Bühne stellte, ist die beste Apologie gegen die Oberflächlichkeit des Fühlens und Denkens geschaffen, die man in Witzblättern aller Art dem preußischen Leutnant nachsagt. Seiner Wärme des Gefühls, mit der sich die begeisterte Liebe zum Beruf recht wohl verbindet, klann Mrs. Anny Clarkson nicht widerstehen, und wir wissen, daß nach der Hochzeit ihre Absicht kläglich scheitern wird, der zufolge, wie sie erzählt, dem zukünftigen Gatten der eine Flügel ihres Palais eingeräumt werden soll, während sie selber im anderen unabhängig schalten und walten will. Die reiche Amerikanerin, die Herr von Hohenegg aus einem Schwarm von Liebhabern, vom alten Divisionär Excellenz von Troßbach, von Herrn Lewent mit ruhiger Würde gegeben, bis zum unreifen Einjährig-Freiwilligen Hans Wiedebrecht (Herr Taube) herab, für sich heraushauen muß, wurde von einem Gast, Fräulein Kleen, recht hübsch gegeben. Wir können uns allerdings denken, daß der amerikanische Accent, mit dem Mrs. Clarkson das Deutsche spricht, etwas weniger breit gesprochen, vornehmer wirkt; aber die Komik des Jargons gelangte doch um so sicherer zur Geltung, als Fräulein Kleen, äußerlich eine ihrer Rolle durchaus entsprechende Erscheinung, sich in jeder Richtung als gewandte Darstellerin bekundete, die den psychologischen Uebergang vom verstandsmäßigen exklusiven Weltdamenthum zum Natürlich-Weiblichen ohne Schwierigkeiten fand. Dieser Kern der Fabel ist mit einer Fülle der nimmer rastenden, wechselvollsten Handlung, getragen von den mannigfachsten Typen und Charakteren, umgeben. Da haben wir den alten Fabrikanten Wiedebrecht, der, von Herr Katzorke aufs Ergötzlichste charakterisirt, von dem Ernst des Soldatenthums keine Ahnung hat, sein verhätscheltes Söhnchen, das als Einjähriger nicht gerade die ausgesprochensten Tugenden und Talente verräth, ungefähr als einen Märtyrer des Soldateska betrachtet und, um ihm sein Loos zu erleichtern, keine Mittel scheut, sei es, daß er den Leutnant seines Sohnes und, als derselbe schroff refüsirt, dessen Sergeanten, einen von Herrn Liman vortrefflich dargestellten Unteroffizier, zu schmieren versucht, sei es, daß er seine Nichte, eben Mrs. Clarkson, veranlaßt, durch ihre Liebenswürdigkeit gegen die Vorgesetzten das Schicksal des guten Hans zu erleichtern. In der Absicht des dummdreisten Vaters liegt es natürlich, die reiche Nichte mit seinem Sohn zu verheirathen, doch ist er's auch ganz zufrieden, daß Letzterer, von seiner weltgewandten Kousine für nicht voll angesehen, die von Fräulein Ramdor keck und frisch verkörperte Schwester des Leutnants von Hohenegg bekommt, ein echtes Soldatenkind, das mit Kriegsartikeln, Feldinstruktion u.s.w. besser Bescheid weiß, als mancher Offizier, und ihrem lieben Hans mit ihren Kenntnissen erfolgreich aus der Patsche hilft. Auch die stets wirksame Lustspielfigur des Mannes von verfehltem Beruf fehlt nicht, eines Assessors a. D. von Gollwitz, der, verschuldet wie er ist, seine Karriere aufgegeben hat und seine Stellung in der Gesellschaft mehr als erfindungsreicher, aber mit seinen Erfindungen nicht immer glücklicher Maitre de Plaisir zu retten sucht. Die Rolle wurde recht nett von Herrn Friedau gegeben, der, von Einzelheiten abgesehen, auch als Regisseur gewissenhaft gearbeitet hatte, so daß das an Episoden lustigsten, und dabei von Haut Gout freien Humors reiche Stück flott über die Bretter ging.
„Kieler Zeitung” vom 13.4.1904:
Im Stadttheater findet Mittwoch das letzte Benefiz dieser Saison statt: Fräulein Elsa Giesecke, das meistbeschäftigste Mitglied des Schauspiels beschließt die Reihe mit dem reizenden Lustspiel: „Im bunten Rock”, worin sie die reiche Amerikanerin Mrs. Clarkson spielt, die nach Deutschland kommt, um sich einen Mann zu kaufen. Frl. Giesecke hat uns durch ihre Kunst so oft erfreut, daß es wohl nur recht und billig wäre, wenn nun an ihrem Ehrenabend auch sie sich durch den Anblick eines vollbesetzten Hauses erfreuen könnte.
„Kieler Zeitung” vom 15.4.1904:
Kieler Stadttheater.
„Im bunten Rock”
von Franz v. Schönthan und Frhr. v. Schlicht.
Ich kann von mir nicht gerade behaupten, daß ich den Gipfel aller Kultur und Menschenwürde im Militarismus preußischer Observanz respektiere; aber einerlei! wenn ich eine Militär-Humoreske auf der Bühne genießen soll, dann nehme ich eine Schönthan-Schlichtsche Komödie im bunten Rock, wie sie das Stadttheater uns am Mittwoch zu Fräulein Giesekes Benefiz brachte, denn doch einige Dutzend Mal lieber als einen Buchbinderschen Schwank aus dem Leben der dritten Escadron, wie er uns auf derselben Bühne am Montag geboten wurde. Und das hat, glaube ich, seine letzte Ursache in einer Tatsache, die in der Wirklichkeit keineswegs überall als etwas Ideales anerkannt wird, nämlich in der Exklusivität des preußischen Soldatenstandes, der in Buchbinders österreichischer Heimat ein viel lockereres Miteinander von Uniform und Zivil gegenübersteht. Folge davon ist, daß bei uns viel mehr als an der Donau das Soldatentum eine Welt für sich bildet, eine Welt, auf ihren ganz besonderen Anschauungen aufgebaut, mit ihren ganz spezifischen Vorzügen und Schwächen, mithin eine Welt, die wenn ein Kenner sie auf der Bühne schildert, von selber zum Soldaten-Drama, und zwar je nach dem Stoff, der bearbeitet wird, und nach dem Gesichtswinkel, unter dem sie betrachtet wird, zur Militär-Tragödie oder Militär-Komödie hinführt. Diese in sich geschlossene Welt für sich sieht der österreichische Komödiendichter in seiner Soldateska nicht, er findet nicht das ganz fest geprägte Milieu, und darum gelangt er, wie Buchbinders Schwank beweist, zur Posse, in der er auf der einen Seite übertreibend karikieren, auf der anderen Seite verallgemeinernd den Witz von breiterem Felde außerhalb der Kasernen ernten muß. Der österreichische Verfasser arbeitet exzentrisch, indem er das Militärische im Allgemein-Bürgerlichen aufgehen und — verblassen läßt. Die Schönthan und Schlicht hingegen gehen konzentrisch zu Werke und spitzen alles, was sie ins Bereich ihrer Handlung hineinbeziehen, auf das Militärische zu, so daß das Stück ganz und gar im Militärischen aufgeht und vom Geist des Soldatenlebens erfüllt wird. Dabei brauchen sie nicht zu übertreiben oder zu karikieren; sie brauchen, um heiter zu wirken, nur wirkliche komische Schwächen ins Auge zu fassen, tatsächliche Typen zu konterfeien, und sie haben eine Milieukomödie, die dann nicht Posse, sondern Lustspiel ist, ein Lustspiel, dem dann immer ein Zug harmlos lachender Satire innewohnt.
Die Komödie „Im bunten Rock” ist vom vorigen Jahre her noch gut bekannt. Man hat damals viel gelacht und applaudiert, und man hat das gleiche bei der diesjährigen Reprise getan. Und zwar mit Recht: denn das lustige Stück hat am Mittwoch dank der flotten Regieführung des Herrn Schloneck und dank des frischen Zusammenspiels der Darsteller eine amüsante Aufführung erlebt, der wir ein doppelt stark besetztes Haus gewünscht hätten. Auch zugunsten der Benefiziantin; denn wenn Fräulein Gieseke auch nicht über die Rassigkeit der Amerikanerin verfügt, so tat sie doch eben recht gescheit, diesen Zug nicht künstlich outrieren zu wollen, und stellte auch in der weicheren Form eine liebenswürdige Missis Clarkson auf die Bühne, der es denn auch nach den Aktschlüssen nicht an Beifall und Blumenspenden fehlte. Herr Feuerherd war in der Rolle des Leutnant von Hohenegg durchaus befriedigend, ebenso die Herren Lenzen als Hans Wiedebrecht und vor allem Herr Uhink als Gollwitz. Ob der Uebertritt des Herrn Schlegel aus dem Fach des jugendlichen in das des Charakterkomikers ein richtiger Schritt ist, wollen wir heute noch nicht entscheiden; jedenfalls spielte er den alten Wiedebrecht gewandt und ohne eine Karikatur daraus zu machen, die von vornherein in jedem näheren Verkehr mit einem preußischen Husarenoffizier unmöglich sein würde. Recht hübsch gab Fräulein Halper die Rolle des Soldatenkindes Betty von Hohenegg. Herr Lübeck und Herr Stäglich füllten ihren sehr verschiedenen Rang gut aus.
G.H.
„Kieler Zeitung” vom 7.10.1904:
Schiller-Theater
„Im bunten Rock”.
Franz v. Schönthan und Freiherr v. Schlicht haben in dem Lustspiel „Im bunten Rock” ein recht amüsantes Stück mit militärischem Hintergrund geschaffen, das immer wirkt, wenn die Darsteller nur ein wenig Eifer zeigen. Um wie viel mehr, wenn alles so am Schnürchen geht wie Donnerstag. Es war eine Freude und ein angenehmer Zeitvertreib, dem flotten Spiel zu folgen. Vor allem war Adolf Callenbach in Stimmung. Die Rolle als Fabrikant Wiedebrecht gab ihm Gelegenheit, seinem Humor einmal recht die Zügl schießen zu lassen. Daß er des Guten nicht zu viel tat, soll ihm ausdrücklich bestätigt werden. Als Anny Clarkson lernten wir Magda Halden vom Deutschen Theater in Lodz kennen. Ihr erstes Auftreten hinterließ einen durchaus günstigen Eindruck. Für die Rolle der einen Gatten suchenden, reichen Amerikanerin war sie ihrer ganzen Veranlagung nach gut geeignet. Mit dem sprachlichen Kauderwelsch fand sie sich ohne jede Mühe ab und im Spiel gab sie sich gewandt, natürlich und, wo es nötig war, auch in herzlicher Zuneigung. Curt Vogel war als Leutnant v. Hohenegg ein flotter Husar, ein Schwerenöter comme il faut, dem es aber doch an warmen Herzensregungen nicht fehlte. Den Sohn Hans gab Hugo Denzel in durchaus ansprechender Weise, während Martha Schneider als Betty v. Hohenegg eine sehr sympathische Figur schuf. Auch die übrigen Mitwirkenden leisteten durchweg Gutes. Das Theater war gut besucht.
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© Karlheinz Everts