Im bunten Rock

Lustspiel in drei Akten

von

Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht


Aufführungen im Stadt-Theater zu Heidelberg

am

5., 9.Jan. 1903, 11., 22.Dez. 1905


Besetzungsliste:

 19031905

Fabrikant Wiedebrecht.
Hans, sein Sohn.
Missis Anny Clarkson, seine Nichte.
Leutnant Victor von Hohenegg.
Betty von Hohenegg, dessen Schwester.
Paul von Gollwitz, Assessor a.D.
Exzellenz von Troßbach, Divisions-Kommandeur.
Justiz-Rath Rösler.
Sergeant Krause.
Susanne ) Zofen der Missis Clarkson
Jeanette )
Frau Bäckers, Wirtschafterin bei Wiedebrecht
Friedrich, Diener
Stubenmädchen
Minna, Köchin
Kutscher
Stalljunge
Gärtnerbursche
Jänicke, Soldat
Erster Soldat
Zweiter Soldat
Husar Christian, Bursche bei Hohenegg
Gärtner
Spielleitung:

Herr Willy Schneider
Herr Felix Krones
Frl. Anna Vogel
Herr Karl Eckhof
Frl. Isolde Milde
Herr Conrad Holstein
Herr Peter Sigl
Herr Max Wagner
Herr Alois Großmann
Frl. Meta Bauer
Frl. Helene Olden
Frau Rosa Fischer
Herr Johann Noval
Frl. Valerie Diedrichs
Frau Frieda Feldner
Herr Josef Stumpf
Herr Schmidt
Frl. Paula Koch
Herr Kallenberger


Herr Anton Brenner

Herr Dir. W.E.Heinrich

Ernst Baum
Erich Wendeborn
Nora Decarli
Heinz Saltenburg
Margarethe Kellermann
Rudolf Essek
Viktor Hartberg
Wilhelm Lenert
Georg Schmidt
Gina Illing
Grete Meyer
Frau Adele Hübsch
Herr Müller

Frau Elisabeth Wagner


Paula Koch
Oscar Seeger
Herr Josephy
Herr Kühner
Aloys Mora

Hans Bacmeister


„Heidelberger Zeitung” vom 3.1.1903:

Theater- und Kunstnachrichten.

Heidelberg, 3.Jan. (Stadttheater.) „Im bunten Rock” — ein überaus frisches, originelles Soldaten­lustspiel hat bei seiner Erstaufführung am königlichen Schauspielhause zu Berlin ausgezeichnet gefallen, wird seitdem an den ersten Theatern Deutschlands mit großem Erfolge gegeben und hat alle Aussicht, sich zum Zugstück der Saison zu entwickeln. Die Direktion hat die prächtige Novität auch für unsere Bühne erworben und bringt dieselbe bereits Montag, den 5. ds. M. zur ersten Aufführung. In den Hauptrollen sind beschäftigt die Damen: Milde, Vogel, Meta Bauer, Feldner, Fischer, Olden, Koch und die Herren: Eckhof, Großmann, Holstein, Krones, Schneider, Sigl, Brenner, Kallenberger, Wagner u. s. w.


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„Heidelberger Zeitung” vom 6.1.1903:

Stadttheater.

Heidelberg, 6.Januar.
„Im bunten Rock”. Lustspiel in 3 Akten von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht.

Wenn politische Parteien über den Militarismus im Reich jammern, dann fühlt der kaisertreue und militärfromme Deutsche sich gehoben; wenn man aber sehen muß, wie auf Kosten des Militarismus gesündigt wird, wie dieser dramatisch geschunden und ausgepreßt wird, wie er ohne Scheu und ohne Pietät in losen Bildern auf die Bühne gezerrt wird, dann möchte man weinen, muß aber leider lachen, so lachen, daß noch weniger gewissenhafte Autoren vielleicht den Mut finden, noch saloppere Militärstücke zu schreiben, sintemalen doch der Deutsche in Militaribus ein Allesfresser sei.

Gegen den „Veilchenfresser”, „Krieg im Frieden”, „Reif-Reiflingen”, um nur einige der nicht wenig zahlreichen Offiziersstücke zu nennen, steht die Novität der Herren Schönthan und Schlicht an dramatischem Wert weit zurück, aber sie ist immerhin eines von den Dingern, die jeder einmal gesehen haben will, weil man dabei so lachen kann, und so wird das Stück zwar nicht den Ruhm, aber die Einkünfte der Autoren wohl beträchtlich vermehren.

Held der Geschichte ist ein Husarenleutnant, der innerhalb acht Tagen die steinreiche junge Witwe aus Amerika kennen lernt, bestürmt und erobert. Im zweiten Akt sinken sie sich in die Arme und die Komödie ist eigentlich aus. Dann wird aber — die schickliche Dauer des Stückes muß doch eingehalten werden — ein lustiges Manöverbild auf die Bühne gebracht, mit dem ungeschickten Einjährigen, der ihm aushelfenden Offizierstochter und -Schwester, dem Sergeanten, der Regen und Sonnenschein macht wie ein Wettergott; ja , selbst ein lebendiger Divisions­kommandeur kommt auf die Bühne. Für den Effekt, daß der Einjährige und das Fräulein sich kriegen, ist der militärische Aufwand sehr groß und würde von der Reichstags­kommission nicht genehmigt werden.

Das Publikum genehmigte ihn indessen mit großem Behagen und hatte an den vielerlei drolligen Szenen seine helle Freude.

Die Rolle der ebenso reichen wie schönen Amerikanerin bot Fräulein Anna Vogel Gelegenheit zu glänzen, wenn auch die eigenartige Schneid der Amerikanerinnen nicht voll zum Ausdruck kam. Fräulein Milde erfreute als Tochter einer Offiziersfamilie durch frisches, energisches Spiel. Die Militärs vom einfachen Soldaten bis zum Divisionsgeneral bezeugten, daß auch in unserem männlichen Schauspielpersonal guter deutscher Militärgeist herrscht. Von den beiden größeren Zivilistenrollen ist diejenige des Vaters des Einjährigen von den Autoren mit einigen Unmöglichkeiten bepackt, mit denen Herr Schneider sich wohl oder übel abzufinden hatte. Der Berliner Assessor a. D. und Lebemann von Gollwitz, den Herr Holstein darzustellen hatte, erhebt sich nicht über das Konventionelle.


„Heidelberger Zeitung” vom 9. - 22.12.1905:

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Heidelberg, 9. Dez. (Stadttheater.) Nächsten Montag geht im Stadttheater das Lustspiel „Im bunten Rock” von Franz v. Schönthan und Freiherr v. Schlicht neu in Szene. Die Hauptrollen des amüsanten Werkes werden gespielt von den Damen Decarli, Illing, Kellermann, Hübsch, Meyer und den Herren Baum, Essek, Hartberg, Lenert, Mora, Saltenburg, Schmidt, Seeger und Wendeborn usw.

„Heidelberger Zeitung” vom 12.12.1905:

Stadttheater.

Heidelberg, 12. Dezember.
„Im bunten Rock”, Lustspiel von F. v. Schönthan und Frhrn. v. Schlicht.
Seit es Mode geworden ist, daß reiche Erbinnen von jenseits des großen Wassers sich europäische Herzöge zu Gatten erkiesen, hat die amerikanische Invasion an Intensität zugenommen. So wird denn auch der biedere Berliner Fabrikant Wiedebrecht in die Verlegenheit gebracht, eine Nichte bei sich aufzunehmen, de ihre Dollars nach Millionen zählt, in Verlegenheit insofern, als die Dame bei ihrem Aufenthalt im Hause des Onkels ein Empfangszimmer, ein Badekabinett und einen Schlafsalon für sich beansprucht und außerdem Unterkunftsräume für ihre vielköpfige Dienerschaft. Sie kommt mit einem eigenartigen Programm, denn, wie sich in ihrem Kopf die Welt malt, fordert sie von Europa für sich vor Allem 2 Sensationen, 2 Erlebnisse: eine Mondnacht im Colosseum in Rom und einen Flirt mit einem preußischen Kavalleristen. Der gute Onkel ist nicht so naiv, anzunehmen, daß sein Geschick, Unterhaltungen für die Nichte mit den fürstlichen Ansprüchen zu inszenieren, ausreichen könnte, und so überläßt er diese Aufgabe dem bewährten Manager von derlei Sachen, dem Assessor a. D. von Gollwitz. Der sorgt denn auch dafür, daß die junge Witwe sich im Salon, auf der Promenade, in der Loge nicht langweilt. Da die Politik des Onkels dahingeht, die Hand der Nichte für seinen Sohn und Nachfolger zu gewinnen, der zur Zeit Einjähriger ist und weidlich schwitzen muß, versucht er die zahlreichen Bewerber, die sich um die Besitzerin des goldenen Käfigs sammeln, dadurch von ihr zu entfernen, daß er einem Husarenleutnant gewissermaßen das Monopol sichert. Victor soll die anderen aus dem Felde schlagen, damit der Haussohn und Erbe nicht zu sehr ins Gedränge kommt. Aber Victor ist nicht dafür, einem anderen die Kastanien aus dem Feuer zu holen, ihm gefällt die Amerikanerin, er beschließt, hier zu siegen. Und Spaziergänge, Ritte im Tiergarten, Ausflüge übers Land werden inszeniert und alles nach bewährter Taktik geregelt. Dabei gibt es hübsche Zwischenfälle, die die jungen Menschen einander näher bringen. Hinter Potsdam werden sie einmal von einem Unwetter überrascht. Die Newyorkerin hüllt sich in die Attila des Leutnants, und der wickelt sich in die Pferdedecken eines Lastwagens, der sie aufnimmt und unter ein schützendes Dach befördert. Dabei erblüht eine recht harmlose Fröhlichkeit, und die Sache macht sich für den Leutnant. Wiedebrecht jun. tröstet sich, die Amerikanerin veranlaßt einen leibhaftigen General, der ihr den Hof macht, ihr zu Gefallen den Einjährigen auszuzeichnen, indem er bei einem Rennen mit dem Jüngling einige Male vor den Tribünen auf- und abgeht, wodurch die Kurse des jungen Mannes bei Oberst, Hauptmann, Unteroffizier beträchtlich steigen.

Die eigentliche Gefahr, daß Victor den bunten Rock auszieht und sich in den goldenen Käfig sperren läßt, wird glücklich abgewendet. Er wird nicht in den Newyorker Palast einziehem, wo links die Hausfrau und rechts der Hausherr wohnt, und der Mittelbau für die Repräsentation reserviert ist. er wird die Braut gewinnen, und sie wird eine echte preußische Soldatenfrau werden. Mit diesem gewissermaßen patriotisch-versöhnlichen Ausblick schließt das amüsante und an hübschen Einfällen reiche Soldatenstück.

Frl. Decarli feierte einen rechten Triumph. Sie speakte so reizend amerikanisch-deutsch, gab sich so drollig-anmutig, daß man aus der Fröhlichkeit nicht herauskam. Diese Verbindung des Komischen mit dem sozusagen Gefühlvoll-sentimentalen hat seine Gefahren. Hier waren sie in der glücklichsten Weise umgangen. Mit wahrer Verve gab sich Herr Saltenburg als Husarenleutnant Victor. er ließ es weder an leichtem Plauderton, noch an den sogenannten Brustregistern fehlen. Am besten gefiel mir dann Herr Wendeborn, der den etwas schüchternen und ungeschickten Einjährigen zu geben hatte. In gleich tadelloser Weise trugen zum Zustandekommen des Ganzen bei die Herren Baum (Wiedebrecht), Essek, Mora, Hartberg und Frl. Kellermann, die eine junge Baronesse, aus alter Soldatenfamilie stammend, sehr urwüchsig mit schönem Gelingen spielte.
K.W.




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© Karlheinz Everts