Aufführungen des Stralsunder Stadt-Theater-Ensembles
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16.Nov.1902 und 28.Okt. 1906 |
Besetzungsliste: | |||
1902 | 1906 | ||
Fabrikant Wiedebrecht.
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Albert Lau |
Felix Wraske |
„Greifswalder Tageblatt” vom 19.Nov.1902:
Stadt-Theater in Greifswald.
Im bunten Rock.
Lustspiel von F. v. Schönthan und Freiherr von Schlicht.
Daß ich zum Seher so gar keine Anlage habe, muße ich gestern wieder einmal erfahren. Dem Lustspiel voraus ging als 37. Volksunterhaltungsabend die Aufführung des Volksstückes: Hasemanns Töchter. Nach den Erfahrungen des Vorjahres und nach der Höhe des Eintrittsgeldes hätte ich unzweifelhaft, wäre ich um meine Meinung gefragt worden, einen pekuniären Mißerfolg vorausgesagt. Dazu kam, daß das Werk vor 14 Tagen über die Bühne gegangen war und schon damals ein leidlich volles Haus gebracht hatte. Und gestern! Ein Haus, wie ich es Herrn Direktor Treutler aus vollem Herzen für alle Spielabende wünsche. Da sind jedenfalls nicht nur die Unkosten gedeckt, sondern es ist hoffentlich noch ein kleines Sümmchen für einen der folgenden Abende zurückgeblieben; denn daß noch ein Theaterabend vom Ausschuß für Volksunterhaltungsabende veranstaltet werden möge, ist doch ein Wunsch, der sicherlich nach dem Herzen aller Besucher des gestrigen Unterhaltungsabends ist. Wie wäre es mit dem L'Arrongschen „Mein Leopold”?
„Und dann die Herren Leutnants”.
Was an dem Stück ist? Wenn es an Aug' und Ohr vorüberzieht, lacht man ab und zu recht herzhaft auf, und sitzt man eine Stunde später am Schreibtisch und ist gezwungen, den Abend noch einmal nachzudenken — — ja, dann bleibt doch nur ein fürchterliches Gerippe übrig.
Kurzum: Missis Clarkson, Erbin nach dem Hauptmacher in einem amerikanischen Kupferring, ist nach Deutschland gekommen, um sich für ihre „nach Europa stilisierte” Villa den fehlenden Ehegatten zu holen. Nun giebt es zwei Dinge in Europa, die man kennen lernen muß: Das römische Kolosseum bei Mondschein und das Kourschneiden eines Berliner Leutnants. Da sie das erstre schon gesehen hat, treffen wir sie, wie sie den Husarenleutnant von Hohenegg für das Sternenbanner kapert. So nebenbei finden sich dann auch Hans Wiedebrecht, Anni Clarksons Cousin, und Betty von Hohenegg, des Leutnants Schwester. Tableau: Zwei Brautpaare.
Da Viktor von Hohenegg als Leutnant so furchtbar in den Lüften schwebt, muß man ihn wohl auf Herrn von Schönthans Conto setzen, denn aus den selbstständigen Schilderungen des Freiherrn von Schlicht gewinnt man doch ein wesentlich anderes Bild von der Arbeit eines Leutnants. Nach dem Stück genügt bei ihm das Lächeln einer Dame, um einem Tollpatsch von Einjährigen die Knöpfe zu verschaffen. Der Sergeant muß natürlich schon derber angepackt werden; da thun erst feist gespickte Hasen und ähnliche gute Sachen ihren Dienst. Nun ja, Feldwebelgeist! Aber, aber!! Der ganze Handel des Leutnants selber. Frau Clarkson hat in der ersten Empörung über den Windhund von Hohenegg einem anderen Bewerber brieflich ihr Jawort gegeben. Was thut der Edle? Der Brief verschwindet. Und so fort! Wozu sich aber aufregen! Der Leutnant bleibt eben doch der Gentleman; hinter ihm stehen seine Schöpfer und blinzeln uns zu: Laßt man, Kinder, ist ja doch nur alles Spaß. Na also!
Die Darstellung war, wenn wir von theilweise überhastetem Sprechen absehen — mustergültig. Ueber meine „Ehrenrettung” der Frau Direktor Treutler hat mancher die Achseln gezuckt. Ich weiß es. Doch kann ich auch heute nur erklären, daß sie in ihrer amerikanischen Dialektrolle durchaus vorbildlich war. Der jubelnde Beifall, der der Künstlerin bei offener Scene gespendet wurde, zeigte mir, daß ich doch nicht so ganz „allein auf weiter Flur” stehe. Herr Korn hatte als Leutnant von Hohenegg einen schweren Stand neben seiner Partnerin; doch löste er seine Aufgaben mit großem Geschick, wenn schon er auch auf einzelnen Stellen ein etwas weniger hastiges Tempo hätte anschlagen können. Den Einjährigen, das enfant terrible der Kompagnie, wußte Herr Laube vortrefflich zu verkörpern. Ueber Frl. Schiller kann ich immer noch kein festes Urtheil fällen, ich komme schon noch später auf die Dame zurück. Herr Senden gab in dem Assessor von Gollwitz einen prächtigen maitre de plaisir, und Herr Lau hielt als liebender Vater des Einjährigensöhnchens das Publikum fortgesetzt in guter Laune. Das Manöverschlußbild erhielt durch die Mitwirkung von Militär ein erfreulich frisches Gepräge.
War das Haus am Nachmittag voll besetzt, so konnte am Abend selbst der „berühmte Apfel” nicht zur Erde fallen. E. T.
„Greifswalder Zeitung” vom 28.Okt. 1906:
Greifswald, 27. Okt. Theater. Diesen Sontag werden im Konzerthaus alle Freunde liebenswürdigen Humors sicher ihre Rechnung finden. In völliger Neueinstudierung kommt zur Aufführung das wirkungsvolle, auch hier vor einigen Jahren gegebene Lustspiel von Franz von Schönthan und Freiherrn von Schlicht: „Im bunten Rock”. Schon der Titel wie der Name der Verfasser zeigen an, daß es sich um eines der seit Mosers Veilchenfresser so gern gesehenen Militärlustspiele handelt.
„Greifswalder Zeitung” vom 30.Okt. 1906:
Theater im Konzerthaus. „Im bunten Rock”, Lustspiel in drei Aufzügen von Franz von Schönthan und Freiherr von Schlicht. — Das Stralsunder Stadttheater-Ensemble hatte gestern abend ein ausverkauftes Haus; ein Beweis dafür, daß das Publikum gern einmal etwas heiteres sieht, um herzhaft zu lachen. Und richtig, die Lachmuskeln wurden gestern abend kräftig in Anspruch genommen. Der witzige Inhalt des Stückes trug dazu bei, das Publikum schnell in die notwendige Stimmung zu versetzen, die sich von bloßer Heiterkeit stellenweise zu schallendem Gelächter steigerte. Besonders herzhaft belacht wurde eine geschickt eingefügte Stelle, an der die Soldaten von ihrem Vorgesetzten gefragt wurden, ob sie mit ihrem Kreismarsch, den sie durch falsches Kommando des Einjährigen ausführten, vielleicht die Belagerung des Köpenicker Rathauses markieren wollten. — Der Inhalt des Lustspiels dürfte hier genügend bekannt sein, so daß wir es uns ersparen können, näher darauf einzugehen. Gespielt wurde flott.
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© Karlheinz Everts