Besetzungsliste: | ||
1903 | 1933/34 | |
Fabrikant Wiedebrecht.
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Carl Friese |
Herr Erich Ponto |
„Prager Tagblatt” vom 3.Februar 1903:
Schönthan-Schlichts Lustspiel „Im bunten Rock” wurde, wie uns aus Dresden gemeldet wird, am 31.Januar im Dresdner Residenztheater mit Jenny Groß als Gast zum ersten Male mit glänzendem Erfolge aufgeführt. Die Darstellung war vorzüglich, das Haus ausverkauft. Der hier lebende Freiherr von Schlicht (Graf Baudissin) wurde vielfach hervorgerufen.
„Sächsische Arbeiter-Zeitung” vom 30.Januar 1903:
Dresdner Theater.
Sonnabend, den 31. Januar 1903.
Residenz-Theater.
Gastspiel von Frl. Jenny Groß vom Lessingtheater in Berlin. Zum erstenmale: Im bunten Rock. Lustspiel von Franz von Schönthan und Frhr. von Schlicht. (Gastspielpreise) Anfang ½8 Uhr.
„Sächsische Arbeiter-Zeitung” vom Montag, 2.Februar 1903:
Residenztheater. Im bunten Rock. Lustspiel v. Franz von Schönthan und Freiherrn v. Schlicht. — Gastspiel Jenny Groß vom Berliner Lessingtheater.
Über viele Bühnen ist dieser Schwank bereits gegangen und zu hunderten von Malen ist er aufgeführt worden. Sein eigentlicher Autor ist der Freiherr v. Schlicht, der sonst Wolf Graf v. Baudissin heißt, in Dresden wohnt und seit rund zehn Jahren die deutsche militärfrohe Presse mit meist lustig gemeinten Geschichten aus dem Soldatenleben speist, die Altes in neuer und Neues in alter Weise behandeln. Man kann nicht sagen, daß er schlechtweg unter die sogenannten Militärhumoreskenschreiber zu rechnen sei. An manchen tragischen Stoff aus dem Offiziersleben, dessen Ton er kennt, hat er die Feder gesetzt. Aber die Lust am fröhlichen, leichten Klang wiegt doch entschieden vor, eine eingeborene Lust, offenbar auch ein eingeborener Stolz, den uniformierten Kavalier zu zeichnen, den nichts aus dem Sattel wirft, der in jeder Situation die Worte glatt zu modeln weiß und zwar immer Brust heraus, Hacken zusammen und Hand am Säbel. Diese Nuance kennt man länger, als Herr v. Schlicht seine Feder spielen läßt. Auch auf der Bühne ist sie nicht neu, seit Gustav v. Moser nicht mehr. Bloß der Name Schlicht ist dort, wo Bretter die Welt bedeuten wollen, neu. Und deshalb geschah's auch wohl, daß dieser Name sich nach modegewordenem Muster – an einen der altprobierten Schwank-Autoren angetaut – vor das Publikum schleppen läßt. Als Kritiker kann man sich über diese Mode freuen, denn sie erleichtert die Arbeit: Der Autorneuling erscheint solchermaßen gleichsam abgestempelt und man weiß, ohne das Stück gesehen zu haben, woran man ist. In diesem Falle also: Situationskomik mit dem Zusatz Schlichtscher Buntrock-Protzelei. Der Inhalt behandelt zum tausendstenmal die Werbung eines Leutnants, der sich schneidig bewegen muß, um eine reiche Partie, die diesmal in Gestalt einer amerikanischen Millionärswitwe erscheint. Sie hat von einem Backfisch gehört: es sei der Gipfel der Seligkeit, sich in Berlin von einem Leutnant die Cour schneiden zu lassen. Die Gelegenheit bietet sich, und aus harmlos gedachter Vergnügung entwickelt sich dann der Ernst der Verlobung. Das heißt: in dem Stücke entwickelt es sich nicht, da ist es sehr plötzlich so weit. Aber darauf kommt es ja nicht an, da das Stück nichts als ein Schwank sein will, der das Publikum ergötzt. Und das Publikum ergötzte sich auch: alle die unzähligemale gesehenen Schablonenfiguren vom General bis zum Gemeinen im bunten Rock und in Zivil nahm es vergnüglich hin, und Herr v. Schlicht, der auf der Bühne erschien, war mit diesem Resultat offenbar sehr zufrieden, so zufrieden, daß er auch am Sonntag die Wonne des Sichverneigens vor dem Publikum noch einmal schlürfen zu müssen glaubte. Die weibliche Hauptrolle war in die Hände von Jenny Groß gelegt, deren Talent, mit Laune und verfeinerter Koketterie zu gestalten, bekannt ist. So wurde denn ihre amerikanische Goldwitwe Miß Clarkson eine ganz reizvolle Gestalt. Herrn Witts Husarenleutnant kam sehr bald in glücklicher Weise in den frischen, kecken, gewandten Ton, der dieser Rolle zugedacht ist. Herrn Frieses Fabrikant Wiedebrecht war seines Sohnes, des Einjährigen Hans (Herr Sydow), wert: beides ein paar gute Tölplinge, wie sie ein leichter Schwank eben braucht. Drastisch strichelte Herr Paulig wieder seine Rolle, den Soldaten Jaenicke, zurecht. Das Theater war bis auf den letzten Platz gefüllt.
„Dresdner Nachrichten” vom 28.Januar 1903:
Im Residenztheater gelangt heute abend die Operette „Ein durchgegangenes Mädel” zur Aufführung, nachmittags 3 Uhr das Märchen „Der kleine Muck”. – Sonnabend abend beginnt Frl. Jenny Groß vom Lessingtheater in Berlin ihr Gastspiel in dem Lustspiel „Im bunten Rock” von Schönthan und Schlicht, das völlig neu ausgestattet ist.
„Dresdner Nachrichten” vom 29.Januar 1903:
Residenztheater. Sonnabend abend beginnt Frl. Jenny Groß ihr Gastspiel in dem Lustspiel „Im bunten Rock”. Die Hauptrollen sind besetzt: Miß Anny Clarkson: Frl. Jenny Groß; Wiedebrecht: Herr Friese; Hans: Herr Sydow; von Hohenegg: Herr Witt; von Gollwitz: Herr Bayer; Krause: Herr Weise; Betty: Frl. Hendrichs; Jeanette: Frl. Salter; Minna: Frau Kronthal; Frau Bäckers: Frau Olbrich.
„Dresdner Nachrichten” vom 31.Januar 1903:
Im Residenztheater beginnt heute abend Jenny Groß, der Liebling des Dresdner Publikums unter den Gästen des Musentempels an der Circusstraße, ihr für den Monat Februar in Sachsens Residenz bereits traditionell gewordenes Gastspiel. Die liebenswürdige Künstlerin bringt diesmal als Gastgeschenk den „Bunten Rock” der Herren v.Schönthan und Schlicht mit, ein überaus lustiges Stück, das sich rühmen darf, selbst Otto Ernsts Bühnenerfolge für diese Saison in den Schatten gestellt zu haben, und das überdies den großen Vorzug besitzt, der Künstlerin in seiner Heldin eine geradezu glänzende Rolle zu bieten, wie sie nur selten für sie geschrieben worden ist. –
Der Erstaufführung des Lustspiels wird nur der eine der beiden Autoren, Freiherr v. Schlicht, beiwohnen; Franz v. Schönthan ist leider durch Familientrauer am Erscheinen verhindert.
Wegen der Vorbereitungen zu der heute im Residenztheater stattfindenden ersten Vorstellung des Lustspiels „Im bunten Rock” fällt die heutige Nachmittagsvorstellung des Märchens „Der kleine Muck” aus.
„Dresdner Nachrichten” vom 1.Februar 1903:
Im Residenztheater begann gestern abend Jenny Groß unter außerordentlich glückhaften Zeichen – das Haus war ausverkauft, das Orchester geräumt, die Stimmung diesseits wie jenseits der Rampe vorzüglich – ihr dieswinterliches Gastspiel und fand, wie immer in Dresden, die denkbar glänzendste Aufnahme, wie sie nur einer Darstellerin von Rang und Ruf zu teil wird, die überdies als ein erklärter Liebling des Publikums gelten darf. Die Künstlerin, die schon bei ihrem ersten Erscheinen auf der Szene mit lebhaftem Applaus empfangen und im Verlauf des Abends noch auf das mannigfachste, bisweilen mit geradezu stürmischen Beifallskundgebungen, kostbaren Lorbeer- und Blumengrüßen ausgezeichnet wurde, spielte die heiratsfähige Witwe des amerikanischen Kupferkönigs Clarkson in dem bereits an allen größeren Bühnen mit sensationellem Heiterkeitserfolg gegebenen Dreiakter „Im bunten Rock” von Schönthan und Schlicht mit solch hinreißender Anmut und Pikanterie, einer so virtuosen Liebenswürdigkeit und einem so reichen künstlerischen Charme, daß schon nach dem ersten Akt der obligate „Sieg auf allen Linien” entschieden war, nach dem zweiten Aufzug der eine der beiden Autoren (Schlicht) immer aufs neue gerufen wurde, und am Schlusse der freudige Jubel des Publikums kein Ende finden konnte. Das Stück selbst präsentiert sich als eine ebenso lustig wie luftig gebaute Lustspielnovität, die zwar ohne irgendwelchen künstlerischen oder literarischen Originalitätswert ist, aber mit ihrem fabelhaft liebenswürdigen, dabei überaus populären Milieu das Publikum ganz prächtig unterhält, deren Hauptszenen mit allerhand alten und neuen Scherzen im Dialog recht geschickt aufgeputzt sind, und die vor allem eine stattliche Reihe sehr dankbarer Rollen enthält. Neben Jenny Groß, die in kostbaren Toiletten von erlesenem Geschmack glänzender denn je aussah und durch die bravouriöse Grazie ihres Temperaments selbst den übrigens leicht zu beseitigenden Längen im zweiten und dritten Akte das Peinliche nahm, erwarben sich um den Erfolg des Abends die Herren Witt (Leutnant v. Hohenegg), Sydow (Einjähriger Hans) und Friese, der als Fabrikant Wiedebrecht ganz ausgezeichnet war, noch reiche Verdienste, die im Verein mit der sieghaften Laune der Dresdner Missis Clarkson die Novität für den Rest des Monats Februar, d.h. in diesem Falle vom 1. bis 28., hoffentlich auf dem Spielplan des Residenzheaters halten werden.
„Dresdner Anzeiger” vom 1.Februar 1903:
Fräulein Jenny Groß begann gestern abend im Residenztheater, das bis auf den letzten Platz ausverkauft war, ihr Gastspiel in dem dreiaktigen Militär-Lustspiel „Im bunten Rock” von F. v. Schönthan und Frhrn. v. Schlicht mit einem glänzenden Erfolg. Nach dem zweiten Akt wurden der in Dresden sehr beliebten Darstellerin Blumen und Lorbeer in verschwenderischer Fülle gereicht. Herr v. Schlicht wurde ebenfalls vor die Rampe gerufen. Wir haben über das Stück bereits nach seiner Berliner Aufführung berichtet. Es will nichts als amüsiren und es amüsirt. Seine Meriten sind damit selbst für das Land der allgemeinen Wehrpflicht erschöpft. Herr Witt als Husarenleutnant spielte vortrefflich, die Ausstattung war ungewöhnlich glänzend.
„Teplitz-Schönauer Anzeiger” vom 4.Februar 1903:
(Schönthan-Schlichts Lustspiel „Im bunten Rock&rdquo) wurde, wie aus Dresden gemeldet wird, am 31.Jänner im Dresdner Residenztheater mit Jenny Groß als Gast zum ersten Male mit glänzendem Erfolge aufgeführt. Die Darstellung war vorzüglich, das Haus ausverkauft. Der dort lebende Freiherr von Schlicht (Graf Baudissin) wurde vielfach hervorgerufen.
„Dresdner Nachrichten” vom 6.Februar 1903:
Residenz-Theater. Das mit großem Beifall aufgenommene Lustspiel „Im bunten Rock” mit Frl. Jenny Groß als Gast bleibt für die nächsten Tage auf dem Spielplan.
„Dresdner Nachrichten” vom 10.Februar 1903:
Residenz-Theater. Heute und folgende Tage wird mit Frl. Jenny Groß als Gast das Lustspiel „Im bunten Rock” gegeben.
„Der Humorist” vom 10.Febr. 1903:
Mit allem Glanz und Prunk, mit Pauken und Trompeten hat Schönthan-Schlichts Lustspiel „Im bunten Rock” seinen Einzug ins Residenztheater gehalten. Es war eine festliche Première. Ein distinguiertes Publikum füllte das Haus bis auf das letzte Plätzchen. Man war gekommen, das Soldatenstück par excellence, dem der deutsche Kaiser seine besondere Gunst schenkte, in der prächtigen Ausstattung des Residenztheaters zu sehen, Jenny Groß, die Siegesgewohnte, in ihren neuesten Toiletten zu bewundern und last but not least den einen Verfasser, den hier lebenden Grafen Baudissin (Freiherrn v. Schlicht) nach Gebühr zu feiern. Das Publikum wurde nicht enttäuscht. Das Stück war amüsant und wurde vortrefflich gegeben. Jenny Groß entzückte als stolze, deutsch radebrechende amerikanische Millionärin, die sich schließlich aber doch von dem unwiderstehlichen Leutnant Viktor v. Hohenegg, von Herrn Karl Witt brillant gespielt, mit Freuden erobern läßt. Den vielgeplagten Einjährigen gab Karl Sydow sehr ergötzlich. Ein trefflich charakterisierter, schneidiger Sergeant Krause war Herr Richard Weise. Auch die Herren Karl Friese und Karl Bayer bewährten sich wie immer vorzüglich. Entzückend in Spiel und Aussehen war Elly Salter als französische Zofe. Julie Kronthal legte ihre Köchin brillant hin und auch Margot Hendrichs war gut am Platze. Der Abend brachte für Direktor Witt, Jenny Groß und den Grafen Baudissin alle möglichen Ehren.
Edgar Pierson
„Sächsische Volksstimme” vom 21. Februar 1903:
„Im bunten Rock”, das allabendlich vor vollbesetzten Häusern mit Jenny Groß im Residenztheater in Szene geht, wurde am letzten Donnerstag in London im deutschen Theater gegeben. Se. Majestät König Eduard wohnte mit großem Gefolge in London der Vorstellung bei, wie dem Freiherrn von Schlicht telegraphisch mitgeteilt wurde. Da Frl. Groß, wie schon gestern mitgeteilt, mit Ablauf d.M. ihr Gastspiel beendet, können hier nur noch einige Aufführungen des überaus lustigen und liebenswürdigen Werkes stattfinden.
„Dresdner Nachrichten” vom 24.Februar 1903:
Das Lustspiel „Im bunten Rock” begeht heute sein erstes Dresdner Jubiläum: das der 25. Aufführung am Residenztheater, der es nicht an einer außerordentlichen Anteilnahme von seiten unseres Publikums fehlen wird. Die Sonntagsvorstellung fand wieder vor völlig ausverkauftem Hause statt. Da Frl. Jenny Groß ihr künstlerisch wie materiell gleich erfolgreiches Gastspiel am Sonnabend beschließt, so können nur noch fünf Wiederholungen des Schwanks stattfinden. Nächsten Sonntag beginnt dann Herr Felix Schweighofer sein Gastspiel in dem amüsanten Schwank „Der Detektiv”.
„Dresdner Nachrichten” vom 25.Februar 1903:
Im Residenztheater bleibt das amüsante Lustspiel „Im bunten Rock” mit Frl. Jenny Groß als Missis Clarkson nur noch bis mit Sonnabend auf dem Repertoire, da bereits am Sonntag Felix Schweighofer sein Gastspiel in dem Gettkeschen Schwank „Der Detektiv” beginnt.
„Dresdner Nachrichten” vom 26.Februar 1903:
Im Residenztheater sind die Tage vom „Bunten Rock” gezählt: Felix Schweighofer und sein „Detektiv” werden bereits am Sonntag ihren fröhlichen Einzug halten. Da heißt es, langsam an den Abschied denken, und den macht uns diesmal Jenny Groß ganz besonders schwer. Dies Gefühl sprach auch aus dem reichen Beifall, der die Künstlerin vorgestern, da sie zum 25. Male das lustige Dioskurenpaar Schönthan und Schlicht zum Siege führte, nach allen ihren Szenen mit fühlbarer Herzlichkeit grüßte und der nach dem zweiten Akte in eine förmliche Applaus-Demonstration ausklang, verbunden mit den obligaten Lorbeer- und Blumenspenden. Auf der Bühne herrschte glückliche Jubiläumsstimmung. Namentlich Jenny Groß spielte mit hinreißender Bravour, war elegant und liebenswürdig bis in die Fingerspitzen, sah wieder glänzend aus und trug jenen pikanten Charme zur Schau, der die Missis Clarkson nach der unvergeßlichen Madame Sans-Gêne zu ihrer glücklichsten Rolle werden läßt. Neben ihr haben die Herren Witt, Friese, Bayer, Sydow, Weise und Paulig neben den Damen Kronthal, Salter und Hendrichs ein volles Anrecht auf anerkennendste Erwähnung, zumal die Vorstellung nicht allein an künstlerischer Abrundung gewonnen, sondern auch an Frische nichts eingebüßt hat. Freiherr v. Schlicht, der der Jubiläums-Vorstellung in der linken Orchesterloge beiwohnte und der nach dem zweiten Aufzuge mit den Hauptdarstellern zu wiederholten Malen vor die Gardine gefordert wurde, hat darum Recht, wenn er einen Teil des in verschwenderischer Fülle gespendeten Applauses auf die Darstellung abzulenken versuchte.
„Dresdner Nachrichten” vom 28.Februar 1903:
Im Residenztheater beschließt heute abend Jenny Groß ihr an mannigfachen künstlerischen Ehren und außerordentlichem äußeren Erfolge überaus reiches Dresdner Gastspiel als Missis Clarkson in dem Lustspiel „Im bunten Rock”. Die Künstlerin begibt sich von hier über Berlin nach Oldenburg, Bremen etc. zu mehreren Gastspielen, um dann für einige Wochen, wie gewöhnlich, nach Petersburg zu gehen, wo sie vornehmlich in der gleichen Rolle und dem gleichen Stück auftreten wird. –
„Bühne und Welt” 5. Jahrgg. 1902/03 S. 662:
Im Residenztheater, wo fast einen Monat hindurch Jenny Groß als anmutige Deutsch-Amerikanerin mit dem „Bunten Rock” das Repertoire beherrschte, eröffnete der frühere Königl. Sächs. Hofschauspieler Albert Paul am 25. März ein Gastspiel.
„Bühne und Welt” 6. Jahrgg. 1903/04 S. 694 und 695:
Nachruf auf die verstorbene Schauspielerin Jenny Groß.
(„Bühne und Welt”, 6. Jahrgg. 1903/04, Seite 694)
In den Morgenstunden des 8. Mai hat der Sensenmann eine der anmutigsten Blüten der deutschen Theaterflur genknickt: Jenny Groß ist nach einer schweren Operation an Herzschwäche verschieden. Die Todesbotschaft wird weit über die Theaterkreise hinaus herzliche Teilnahme erregen, denn mit Jenny Groß ist eine der gefeiertsten und populärsten deutschen Künstlerinnen dahingegangen, deren letzter starker Persönlichkeitserfolg, die prächtige Maria Theresia in Schönthans schwächlichem Opus, noch in aller Munde war. Und der Trauer um die beliebte Darstellerin gesellt sich bei den vielen, die ihr im Leben näher getreten, die Trauer um einen liebenswürdigen, gutmütigen, stets hilfsbereiten Menschen, um einen guten Kameraden.
Der Lebenslauf und die Bühnenkarriere der verstorbenen Künstlerin sind leicht und schnell zu erzählen. 1863 im ungarischen Städtchen Szantho einer Kaufmannsfamilie entsprossen, kam sie schon in jungen Jahren nach Wien, wo der Glanz des alten Burgtheaters und die gefälligen Reize der in ihrer Blüte stehenden Operette tiefen Eindruck auf sie machten, und schlug mit Unterstützung Adolf von Sonnenthals, der ihr eine geeignete Lehrerin verschaffte, die Bühnenlaufbahn ein. 1878 debütierte Jenny Groß am Karltheater in der Rolle der Elfriede in Benedix' Lustspiel „Aschenbrödel” und hatte dank der Anmut ihrer Erscheinung und der frischen Natürlichkeit ihres Spiels sich sofort ihre Stellung gesichert. 1880 wurde sie für das Wiener Stadtthetaer verpflichtet. Nach der denkwürdigen Brandkatastrophe kehrte sie wieder zum Karltheater zurück und folgte 1885 einem Rufe an das Berliner Königliche Schauspielhaus, dessen Leiter Generalintendant von Hülsen rascher als sein Wiener Kollege Dingelstedt vom Burgtheater sich die junge vielversprechende Kraft sicherte. Mancherlei Lustspielrollen in längst vergessenen Stücken half sie in den drei Jahren ihres Engagements an der Königlichen Bühne zum Siege, um 1888 bei der Begründung des Lessingtheaters die Stätte ihrer dauernden Wirksamkeit und zahlreicher Erfolge zu finden. Bis Herbst 1903 hat Jenny Groß der Bühne am Schiffbauerdamm angehört und sich zu einer der populärsten Schauspielerinnen Berlins entwickelt, aber auch auf zahlreichen Gastspielreisen in Nord- und Süddeutschland, in Oesterreich und Rußland ihre gefällige Begabung zur Schau gestellt.
Die eigentliche Domaine der Künstlerin waren Rollen, die natürliche Drolerie, schalkhafte, naive oder auch ein wenig sentimentale Liebenswürdigkeit oder aber mondaine Anmut und Eleganz seitens der Trägerin erfordern. Rollen, die auf einer Mischung dieser Erfolgselemente basierten, gelangen Jenny Groß am besten. Elegante Salonschlangen ohne Gemüt und Humor, die sie oft genug zu verkörpern hatte, lagen ihr nur äußerlich. Auch der moderne Stich ins Perverse und Ueberweibliche war nicht ihr Fall, so erfolgreich sie beispielsweise die Ada in „Sodoms Ende” auch dargestellt hat. Ihr wienerisches Naturell, ihre natürliche Begabung fürs Volksstückmäßige kamen in erster Linie ihren Anzengruber-Rollen, ihrer resoluten Horlacherlies, ihrem drolligen Agerl, ihrer schalkhaften Gelbhofbäuerin, ihrer scharf profilierten Pepi Schalanter zu gute. Auch als Molières Trinette erfreute sie durch vollsaftige Komik. Blumenthals Rösslwirtin, „Niobe” in dem englischen Schwank, Hartlebens temperamentvolle „Rita Revera” wußte sie gleichfalls mit ihrem glücklichen Naturell Leben und Anmut zu verleihen. In Sardous Katherine Hübscher fand sie dann die Rolle, die ihrem Temperament und ihrer Begabung völlig adäquat war und ihr europäischen Ruf verschaffte. Das Vorbild der Réjane war ja nicht zu verkennen, aber im Laufe der Zeit drängte das eigenste Element der deutschen Madame Sans-Gêne alles Entlehnte siegreich in den Hintergrund. Josephine in H. Bahrs gleichnamigem Spiel reihte sich ihrer Herzogin von Danzig würdig an. Zuletzt feierte sie in der hier vor kurzem gewürdigten Glanzrolle der volkstümlichen Kaiserin wohlverdiente Triumphe. Wie ihre Neigung für Dialektrollen in diesem Stück die gewünschte Gelegenheit zur Betätigung fand, so half sie auch gern allerlei ausländischen deutsch radebrechenden Weltdamen auf die Bretter. Ihre charmante Deutsch-Amerkanerin Miß Anny Clarkson im „Bunten Rock” war eine ihrer erfolgreichsten Gastspielrollen; auch ihre Bojarin in Schönthans Lustspiel „Das letzte Wort” war eine vortreffliche Dialektleistung.
Jenny Groß gehörte zu jenen Künstlerinnen, die die Grenzen ihres Könnens und ihrer Begabung mit kluger Selbstkritik erkennen und vor unfruchtbaren Experimenten sich nach Möglichkeit hüten. Obgleich es ihr weder an Ehrgeiz noch an Fleiß fehlte und die Verkörperung mancher klassischen Rolle und mancher modernen Bühnenheldin Ibsens und anderer sie gelegentlich lockte, so blieb sie doch auf dem eigentlichen Felde ihrer Begabung, ohne sich künstliches Pathos und tragische Maske, die ihrem Naturell fern lagen, anzuschminken. Die kluge und anmutige Frau wußte, daß sie einen großen Teil ihrer Erfolge ihrer reizvollen Persönlichkeit verdankte. Mit der gewähltesten Eleganz der Weltdame — wie ihre Toiletten, so war auch ihr Französisch von echt pariserischer Distinktion — verband sie, auch im Verkehr mit den Großen dieser Erde, die naive resolute Ungezwungenheit des Tons, die ihre Herzogin von Danzig auszeichnete. Aus ihrem reich und geschmackvoll ausgestatteten Heim, in dem namentlich eine Fülle der apartesten und zierlichsten Gebilde der französischen und englischen Kleinkunst das Auge des Beschauers fesselte, machte sie gern einen Tempel der Gastfreundschaft. In der Unterhaltung gab sie sich mit einer Natürlichkeit und einer Teilnahme für die Interessen ihres jeweiligen Gegenübers, der man gerade bei viel gefeierten Künstlerinnen nicht all zu oft begegnet. Alles genialische oder weltschmerzliche Posieren und Klagen über wirkliche oder vermeintliche Mißerfolge und Enttäuschungen lagen ihr fern, ihr gesunder Humor und ein unverwüstlicher Optimismus kamen in allen Lebenslagen bei ihr zum Durchbruch. Konnte sie doch auch im großen und ganzen als ein Sonntagskind gelten, dem Frau Fortuna das volle Füllhorn ihrer Gaben freigebig in den Schoß geschüttet. Der Vorzüge ihrer materiell glänzenden unabhängigen Stellung und ihrer weitreichenden Popularität war sie sich voll bewußt, ohne jedoch dadurch zu Ueberhebung oder zu einem leeren gedankenlosen Müßiggang verleitet zu werden. An Fleiß hat sie es überhaupt nicht fehlen lassen. Ihre Rollen waren stets aufs peinlichste memoriert, und auch der Lektüre geschichtlicher und Memoirenwerke, die mit ihren jeweiligen Helden und Heldinnen im Zusammenhang standen, wandte sie gern ihr Interesse zu. Obgleich seit Jahren von periodisch wiederkehrenden Anfällen eines ernsthaften Leidens verfolgt, war Jenny Groß äußerlich ein Bild der Gesundheit und unverminderter jugendlicher Eleganz; eine jener Künstlerinnen, die bei Erwähnung ihres Namens in der Presse und in der Oeffentlichkeit das epitheton ornans „Die schöne” zwei Jahrzehnte hindurch getreulich begleitet hat. Noch zuletzt erregte ihre Maria Theresia namentlich die staunende Bewunderung der Frauenwelt, der jungen deutschen und englischen Backfische wie der alte Aristokratinnen. Der mit Bittbriefen um Autographen und Photographien bedeckte zierliche Rokokoschreibtisch des Dresdener Hotelsalons, in dem sie mich vor vierzehn Tagen zuletzt begrüßte, legte von ihrer Beliebtheit speziell in Elbflorenz wieder vollgiltiges Zeugnis ab. Ich weiß aus mehrfachen Gesprächen, daß Jenny Groß, wie alle schönen und viel gefeierten Frauen, an das Altern mit allen seinen Folgen wie an einen häßlichen schwarzen Traum dachte. Der Abschied von der Bühne wäre ihr trotz aller gelegentlichen Theatermüdigkeit doch schwer geworden, und in ein älteres Rollenfach überzugehen hätte sie verzichtet. Und so mag es ein Trost für alle Freunde und Freundinnen der begabten Künstlerin und der liebenswürdigen Frau sein, daß sie mit der hoheitsvollen Anmut ihrer Wienerischen Kaiserin auf glänzender Höhe sich von uns verabschiedet hat. Die Lücke freilich, die ihr Scheiden im Berliner Theaterleben gelassen, wird schwerlich so bald ausgefüllt werden.
„Dresdner Anzeiger” vom 18.Dezember 1933:
„Im bunten Rock” / Erstaufführung im Schauspielhaus
Ja - der bunte Rock! Das war um 1900 der Held, der in zahllosen Stücken Tausende ins Theater gezogen und besiegt hat. Damals war er der unwiderstehliche Lustspielheld, vor dem der Zivilistenrock ein trauriges Nichts war und vor dem kein Frauenzimmer sein Herz bewahren konnte. Freilich ahnte damals kaum jemand, daß dieser bunte Rock nicht viel mehr als zehn Jahre später der graue Held einer gewaltigen Tragödie werden würde, ein Held, der seiner „bunten”, glücklichen Zeit keine Schande gemacht hat, der bis zuletzt ein wirklicher Held geblieben ist.
Aber weil dann eine graue, sehr graue Zeit kam, haben die Menschen von diesem grauen Rock am liebsten nichts wissen wollen, und vom einstigen bunten gleich gar nichts. Und sie vergaßen doch, was sie beiden verdankten! Denn schon damals, als ein Manöver noch leuchtete von allen Farben, die ein Soldatenherz sich nur träumen kann, auch damals stand doch schon hinter allem Spiel, aller Lebenslust und Heiterkeit ein großer, ernster Sinn. Das deutsche Volk hat am 12.November gezeigt, daß es ihn wieder begreift: nicht als ob wir wieder bunte Manöver und Paraden wünschten, aber Frieden. Der Soldat muß ihn schützen, solange Verträge es nicht können.
Ist's also ein Wunder, daß wir wieder stolze Freude empfinden beim Anblick des bunten Rockes? Ist's weiter ein Wunder, daß heute wieder die alten Militärlustspiele hervorgeholt werden, da es andere kaum gibt? Freilich sehen wir sie heute mit anderen Augen als die Menschen vor dreißig Jahren. Ein bißchen wehmütig die einen, lächelnd als schon fast historische Charakterbildchen die anderen. Aber alle spüren doch in dieser soldatischen Lebenslust eine Ganzheit, die uns in dieser Form verloren ist, die wir uns im neuen Sinne wieder erwerben wollen. Und zu dem Reiz des Historisch-Bunten kommt nicht zuletzt die Freude am trefflichen Unterhaltungsstück.
Dieses Lustspiel ist gewiß nicht eins der besten Militärstücke. Was uns daran erfreut, ist mehr die Gattung als das Einzelwerk. Der zeitliche Abstand und die eigene Zeitstimmung macht sie uns alle auf eine hübsche Weise reizvoll und unterhaltsam. Deshalb kommt es auch gar nicht so sehr darauf an, was für eine Handlung hier der Graf Wolf v.Baudissin, der sich als erfolgreicher Militärschriftsteller Freiherr von Schlicht nannte, zusammen mit dem Lustspielpraktikus Franz v.Schönthan zusammengestellt hat. Es ist in der Tat mehr ein Zusammenstellen hübscher, wirkungsvoller Szenen zwischen Zivil und Zivil, Militär und Zivil und Militär und Militär, als die regelrechte Durchführung einer Handlung.
Fast empfindet man sie als Nebensache. Schließlich taucht sie auch ohne viel Federlesens im fröhlichen, farbigen, lauten Durcheinander eines Manövers unter, sie steht sozusagen stramm und marschiert, Tritt gefaßt, nach vertrauten Marschklängen im gleichen Schritt mit den vielen bunten Röcken ins friedliche Ende. Immerhin ist es natürlich belustigend genug, zu sehen, wie da eine amerikanische Missis einen spaßigen Krieg unter Zivilisten und Soldaten um ihre Hand entfesselt, wie zu ihrem Schutze - uns lacht schon das Herz im Leibe - ausgerechnet ein himmelblauer Husarenleutnant bestellt wird, der sie natürlich, nach ein paar unerläßlichen Zwischenfällen des Scheidens und Meidens, glücklich allen anderen wegschnappt. Aber das ist wie gesagt nur der dünne Faden, an dem lose und lustig eine Fülle von Milieuszenen, teils lustspielhaft, teils schwankmäßig, aufgehängt sind. Und schließlich ist eben nicht nur der fesche blaue Leutnant der Sieger, sondern der bunte Rock, - auf der ganzen Linie.
Gielen hat dementsprechend bunt inszeniert, hat die Handlung impressionistisch flott entwickelt und es im übrigen funkeln lassen von blank geputzten Helmen und von fröhlichen Soldatenaugen. Ein amüsantes historisches Bildchen von Schneid und Mode ist dabei entstanden, aber das flotte Theaterspielen behält doch mit Glück die Oberhand.
Ältere Theaterbesucher mögen hier und da beobachten, daß jüngere Schauspieler nicht mehr den „Stil” des bunten Rockes haben. Hier ist alles mit elegantem Zusammenspiel zu einem sehr hübschen, amüsanten Ganzen gefügt. Ziegler, der blaue Husar, beherrscht mit flotter, liebenswürdig-chevaleresker Darstellung die Szene. Alice Verden ist seine sehr erfahrene, scharmante Gegenspielerin, die ein spaßhaftes frankfurterisch-amerikanisches Deutsch spricht und dem Ganzen Eleganz der Darstellung gibt. Zwei ergötzliche Zivilisten stellen Ponto, der ahnungslose Vater des Einjährigen, und Hoffmann, der elegante Lebemann, hin. Den unglücklich-glücklichen Einjährigen, der nichts kann und dennoch befördert wird, spielt Nietschmann mit viel Liebenswürdigkeit. Kottenkamp ist ein prachtvoller Unteroffizier, Rainer ein schneidig-eleganter General. Cara Gyl zeigt sich sehr frisch und gewandt als preußische Soldatentochter mit aristokratischem Einschlag. In kleinen Typenrollen geben Stella David, Herta Ritter, Lotte Gruner und eine ganze Schar männlicher Chargen dem Spiel die Würze. Dazu hat Mahnke helle, hübsche Bühnenbilder gebaut, Fanto feine Trachten geschaffen und Schmidtgen militärische Musik geschrieben.
Das Publikum nahm diese neue-alte Art des Unterhaltungsstückes mit bester Stimmung und mit viel Beifall auf, und so braucht man um das Schicksal des Stückes nicht bange zu sein. Der bunte Rock ist unwiderstehlich.
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© Karlheinz Everts