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Im bunten RockLustspiel in drei AktenvonFranz von Schönthan und Freiherr von Schlicht
Aufführung am 3./4. November und 26. Dezember 1902 im Stadttheater zu Bonn unter der Direktion von Otto Beck. |
Besetzungsliste der Aufführung am Stadttheater zu Bonn | ||
Fabrikant Wiedebrecht.
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Jean Plesch |
In der Ausgabe von Dienstag, dem 4. November 1902, des „General-Anzeigers für Bonn und Umgegend” kann man folgenden Artikel lesen:
„Im bunten Rock”, ein dreiaktiges Lustspiel der neuvereinten Firma Schönthan-Schlicht, erlebte gestern Abend bei der Erstaufführung an unserem Stadttheater eine sehr freundliche Aufnahme, die allerdings mehr auf Rechnung des flotten Spiels der Mitwirkenden, als auf das Conto des litterarischen Werthes der inhaltlich harmlosen Militärhumoreske zu setzen ist. Schon in der Wahl des Titels, der dem zweierlei Tuch unseres Militärs gilt, haben die Herren Verfasser mit vereinten Kräften einen Fehlgriff gethan. Der Inhalt des Stückes, in dem der Leutnant, der Backfisch, der Assessor, der reiche Parvenü und die reiche, heirathslustige Wittib - diesmal eine Amerikanerin - als bekannte Lustspielfiguren auftreten, ist in wenigen Sätzen erzählt.
Der Fabrikant Wiedebrecht möchte seinen Sohn Hans, einen etwas tölpelhaften, pflaumenweichen Einjährigen, mit seiner bei ihm zu Besuch weilenden Nichte, der verwittweten Amerikanerin Anny Clarkson um ihrer Moneten willen verheirathen. Der Husarenleutnant von Hohenegg fährt ihm jedoch in die Parade und erobert sich, trotz des Umstandes, daß unter den vielen Bewerbern um die schöne Missis selbst ein leibhaftiger Divisions-Commandeur auftritt, pleine carrière den prächtigen Goldfisch.
Bis zu diesem Ziel ist der Leutnant bereits am Schlusse des zweiten Aktes gelangt. Die Herren Autoren haben es indeß verstanden, in geschickter Weise noch einen dritten Akt anzubauen, bei dem die mangelnde innere Begründung durch fesselnde Manöverbilder ausgeglichen wird.
Herr Adolfi gab den Leutnant von Hohenegg mit Temperament und dem für seinen Part erforderlichen gewissen Avec. Er erschien, ohne zu übertreiben, als ein fescher, eleganter Reiterofficier. Frl. Morella, welche die Partie der Amerikanerin übernommen hatte, spielte mit viel Anmuth, ohne indeß in Wesen und Sprache den Typus einer Deutsch-Amerikanerin in der Charakteristik zu erschöpfen. Vor allem muß sich die strebsame Künstlerin hüten, bei der englichen Prononciation des Deutschen allzu melodiös zu werden. Frl. Oser mimte ihren militärfrommen Backfisch höchst schalkhaft und schneidig. Den Bonvivant von Gollwitz stattete Herr Schmieden mit sehr lebenskräftigen Farben aus. Herr Dumont konnte als Sergeant Krause zur Steuer der Wahrheit noch um einige Schattierungen ruppiger erscheinen. Als Wiedebrecht Vater und Sohn waren Herr Plesch und Herr Bauer ganz am Platze.
Von den übrigen Mitwirkenden sei noch die Darbietung des Herrn Werder erwähnt, welcher den galanten Divisions-Commandeur höchst ansprechend verkörperte.
Die trotz ihrer vielen Schwächen sehr unterhaltsame Burleske bot den Lachmuskeln vielen Anreiz, wofür die zahlreiche Zuhörerschaft durch häufigen Beifall ihren Dank abstattete.
Die „Deutsche Reichs-Zeitung” bringt am Samstag, 1.November 1902, die Ankündigung:
Im Stadttheater wird am Montag und Dienstag das neueste Lustspiel von Schönthan und Schlicht: „Im bunten Rock” aufgeführt. Am Kgl. Schauspielhause in Berlin ist es seit kurzer Zeit bereits 30 Mal gegeben worden. Für das Manöverbild im 3. Akt stellt das hiesige Infanterie-Regiment die nöthigen Soldaten.
Und am 5. November 1902 kann man in der gleichen Zeitung lesen:
So hat denn auch bei uns gestern Abend das neueste Zugstück des heurigen Winters seinen siegreichen Einzug gehalten, der Dreiakter „Im bunten Rock”. „Lustspiel” heißt es bei dem Autorenpaar, dem gewandten Bühnentechniker Franz v.Schönthan und seinem unumgänglichen Associé, den er zur Abwechslung diesmal in Frhrn. v.Schlicht gefunden hat, dem bekannten Verfasser reizender Soldatengeschichten, der im gewöhnlichen Leben sich Wolf Graf v.Baudissin nennt. Ebensogut hätten Beide ihr Machwerk als „Posse” bezeichnen können. Was thut auch der Name zur Sache, wenn man doch einmal nicht seine Spur in der Litteratur eingraben will! Dramatischen Aufbau sucht man vergebens in dem Stück, Alles schwimmt und verschwimmt im Augenblicks-Effekt. Was von Kern in der „Handlung” des Lustspiels steckt, ist mit wenigen Worten leicht erzählt. Der reiche Fabrikant Wiedebrecht, der das Pulver nicht erfunden hat, möchte seinen nicht viel klügeren Sohn Hans, der als Einjährig-Freiwilliger Schnitzer über Schnitzer macht, mit seiner Nichte, der steinreichen Missis Clarkson verheirathen. Der schneidige Husarenleutnant von Hohenegg soll ihm helfen, die übrigen, vom Glanz des Goldes und der Schönheit der jungen Wittwe angezogenen Freier zu verdrängen und das Feld für Hans frei zu machen. Der Leutnant indeß tritt selbst als Bewerber um die reiche Schöne auf und ist nach wenigen Sturmläufen schon zu Schluß des zweiten Aktes Sieger. Umsonst heißt er ja auch nicht „Viktor”. Als Ersatz für den ihm entgangenen überseeischen Goldfisch erhält Hans einen charmanten Feldwebel im Unterrock, des Leutnants Schwester Betti, die dem unter eigenthümlichen Umständen zum Gefreiten beförderten Einjährigen einen schweren „Hereinfall mit seinen militärischen Kenntnissen” ersparte. Mit dem zweiten Akt hätte eigentlich der Vorhang hinter dem Stücke fallen können. Aber da Hans noch unter den Pantoffel gebracht werden mußte, bedurfte es eines dritten Aktes und, um diesen „angemessen” aufzufüllen und das bereits erwähnte Interesse aufzufrischen, einer kräftigen Anleihe aus dem Manöverleben, die ebenso wenig vollen Anspruch auf Neuheit erhebt, als die vielbelachten Kasernenhofblüthen und sonstigen Scherze und Witze dieser Soldatenkomödie. Ein unverkennbarer Reiz liegt in den gelegentlichen Ansätzen zur Satire, die indeß von den Verfassern nur eingestreut, aber nicht ausgesponnen wird. Soviel von dem Stücke selbst. Zweifelsohne wird es trotz litterarischen Unwerthes seinen Weg über die Bretter siegreich fortsetzen und den Verfassern wie Theaterdirektoren gute Einnahmen sichern, ähnlich wie sein Rivale, das Studentenstück „Alt-Heidelberg”, das ihm außer einigen Semestern doch mindestens einen Schimmer von Poesie und Eigenart voraus hat. Für unser Stadttheater bedeutete die gestrige Aufführung der „Novität”, der auch der Kronprinz beiwohnte, einen ausgesprochenen Erfolg. Sie war echt lebendig und temperamentvoll.
Frl. Morella war in Spiel, Sprache und Toilette eine recht anmuthige Amerikanerin. Eine echte Yankeetochter ist freilich von anderem Schlage, heller und realistischer. Der Künstlerin bleibt nichts übrig, als die Figur so zu verkörpern, wie sie die Herren Lustspieldichter gezeichnet haben. Herr Adolfi brachte das Schneidige und Siegesbewußte des „unwiderstehlichen” Leutnants flott zum Ausdruck. Herr Plesch gab dem tölpelhaften reichen Fabrikanten kräftige, humorvolle Züge. An gutem Humor ließ auch Herr Bauer es dem naiven Hans nicht fehlen. Frl. Oser war ein munteres, originelles, energisches Soldatenkind. Herr Werder bot in dem Divisionskommandeur v.Troßbach, der auch um die Amerikanerin wirbt, eine schöne ritterliche Gestalt. Den Typus eines verschuldeten, verbummelten Assessors, der das „Jus” an den Nagel hängt und als Gesellschaftsfaktotum sich nützlich zu machen sucht, gab vortrefflich Herr Schmieden, dem zugleich die Regie des Ganzen oblag. Unter den kleineren Rollen verdienen noch besondere Erwähnung der grobe, aber „richtiger” Behandlung zugängliche Sergeant Krause (Dumont), die Unglücksfigur des Soldaten Jänicke (Anzinger), die kokette Zofe Susanne (Frl. Reimann) und die „verhältniß”-frohe Köchin Minna (Frl. Graichen). Für das Manöverbild hatte das Infanteriebataillon Soldaten gestellt, die auch auf der Bühne dem „bunten Rock” Ehre machten und frisch bewegtes Leben in das Gesammtbild des glanzvoll ausgestatteten Stückes brachten.
„Bonner Zeitung” vom 1. November 1902:
Stadttheater. Aus der Kanzlei des Stadttheaters wird uns geschrieben: Montag und Dienstag wird das neueste Lustspiel von Schönthan und Schlicht, Im bunten Rock, bisher das größte Zugstück dieser Spielzeit, aufgeführt.
Die „Bonner Zeitung” bringt am 5. November folgenden Bericht:
Am Montag Abend ging es gar lustig zu im Stadttheater. Bunte Uniformen, Kommandorufe und Hornsignale, Trommeln und Pfeifen, zuweilen auch ein herrliches „Kreuzdonnerwetter” und dann das Plaudern holder Frauenlippen — so flatterte der Abend vorüber. Es herrschte Kasernenhofstimmung und Manöverluft, alles stand unter dem Zeichen des „bunten Rockes”, auf der Bühne sowohl wie draußen im Zuschauerraum, das Bewußtsein, in einem Militärstaat mit allgemeiner Wehrpflicht zu leben, war nie so lebendig in uns wie am Montag, und doch hatte dieses Bewußtsein durchaus nichts Erschreckendes. Man lachte über die Kasernenhofblüten und Plagereien aus vollem Herzen und war entzückt, als im letzten Akte sogar eine ganze Korporalschaft, kriegsmarschmäßig ausgerüstet, auf der Szene erschien und ein Sergeant seine Instruktionen begann.
Natürlich war die Abfassung eines solchen Stückes nur einem Fachmann möglich, und dieser Fachmann war kein anderer als der lustige Graf Baudissin, der unter dem Namen Frhr. v. Schlicht seit Jahren allerliebste kleine Militärhumoresken verfaßt. Sein Kompagnon Franz von Schönthan mag das „Dramatische” besorgt haben, die Szenenführung, Aktabschlüsse und dergl., das spezifisch Militärische aber stammt von Schlicht, und das ist unstreitig auch das Beste an dem Werk. Die Fabel selbst ist weder neu noch fesselnd. Juius von Moser, Blumenthal und Kadelburg haben zum mindesten ebenso gute Sachen geliefert, nur das starke Betonen des Rein-Militärischen, die absolute Beherrschung der Situation durch das Doppeltuch dürfte neu sein. Das Lustspiel führt den Titel Der bunte Rock und erzählt, zuweilen sogar etwas sehr ausführlich, den Sieg des Militärs über Frauenherzen. Da giebt es eine Missis Clarkson, die eigens über das große Wasser geschwommen ist, um einen deutschen Mann zu suchen, und Gott Amor führt ihr den schneidigsten und lustigsten Husarenleutnant zu, der je im Dienste des Allerhöchsten Kriegsherrn die Attila getragen hat. Die Liebesgeschichte führt natürlich über Hindernisse und Gräben, aber mit keckem Reitermut wird jede Schranke genommen, bis das Ziel erreicht ist. Daneben giebt es noch eine andere Herzensgeschichte: die Liebe eines Einjährig-Freiwilligen zu derselben Missis Clarkson. Auch er betet die Holde an, die so köstlich das Deutsche spricht und so niedliche Dollars besitzt, aber der Leutnant ist ihm über, und so macht es der Einjährige, wie es jeder tüchtige Soldat machen sollte, wenn der eine Angriff mißlungen ist: er wechselt das Gefechtsfeld und verliebt sich flugs in die Schwester seines Rivalen, die ihm schon lange gut war. Zwischen diesen Geschichten poltert ein reicher Schwiegervater herum und treibt ein schneidiger Regierungsassessor a. D. sein menschenfreundliches Wesen. Aber das alles ist, wie gesagt, nicht neu. Die Hauptsache ist der bunte Rock, der in allerlei Form: beim Gemeinen, Sergeanten und Leutnant bis zum Divisionär vorgeführt wird, in dem man so köstliche Eroberungen machen, so schneidig befehlen und so göttlich fluchen kann, der bei elektrischem Licht im ersten Akte so stimungsvoll eingeführt wird und unter Trommel- und Pfeifenklang im letzten Aufzug das Haus verläßt.
Die Aufführung war bis in die kleinsten Einzelheiten sorgfältig vorbereitet. Herr Schmieden, der die Regie führte und gleichzeitig den Assessor von Gollwitz mit vollendeten Lebemannsallüren gab, hatte jede Scene in das rechte Licht gerückt und besonders die militärischen Momente hübsch und natürlich herausgearbeitet. Den Hauptschwerenöter, einen kecken Husarenleutnant, spielte Herr Adolfi mit bestechender Liebenswürdigkeit, immer im Presto-Tempo des Reiteroffiziers und immer charmant, wie es dem Sohne eines altadligen Hauses geziemt. Frl. Morella bewies mit ihrer Missis Clarkson aufs neue ihr schönes Können. Sie spielte die Deutsch-Amerikanerin bei aller Freiheit der Anschauungen mit feinstem Taktgefühl, das genau die Grenzen zwischen Erlaubtem und Nichterlaubtem einhielt, und sprach ihr miserables, mit englischen Gurgellauten durchsetztes Deutsch so überaus drollig, daß man der Häßlichkeit des Idioms gar nicht inne ward. Herr Plesch hätte seinem Fabrikanten Wiedebrecht einige feinere Striche geben können, wirkte aber nichtsdestoweniger in vielen Szenen mit kräftiger Komik; Herr Bauer war in Ton und Haltung ein echter Einjähriger und Frl. Oser ein koketter, süßer Backfisch, der seine militärischen Kenntnisse mit sprudelnder Behendigkeit herausplauderte. Erwähnen wir noch, daß auch alle anderen Rollen gut besetzt waren und die dem Stadttheater zur Verfügung gestellten Infanteristen aus der Ermekeil-Kaserne ihre Sache famos machten, so wird man die frohe Laune verstehen, die am Montag Abend Jung und Alt bis zum Schluß beherrschte. Herr von Baudissin aber sollte einen Orden erhalten; denn sein Stück muß norddeutsche wie süddeutsche Demokraten davon überzeugen, daß es sich ganz herrlich leben läßt — im bunten Rock.
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© Karlheinz Everts