Der beste MannNovellette von Paul Bliß Meine Frau hatte versucht, mir eine kleine Scene zu machen, aber es blieb beim Versuch, denn ich reagirte auf nichts. Mit einem Krach flog die Thüre zu. Meine bessere Hälfte hatte mich verlassen. Ich war allein. Ich lachte aus vollem Herzen laut auf. Die ganze Sache, der Streit um ein Nichts, kam mir zu komisch vor. Aber ich freute mich auch, daß ich meine Ruhe bewahrt und so die Würde des Hausherrn gerettet hatte. In demselben Augenblick klopfte es, und auf mein Herein trat ein guter Freund von mir ein. „Na, was ist denn wieder vorgefallen?” begann er, „Deine Frau ist mir bleich und zitternd entgegengetreten. Du hast wohl wieder 'mal einen Krach gemacht?” Ich lächelte überlegen und endlich sagte ich, daß er der kleinen Geschichte eine viel zu große Bedeutung beilege. „Mir scheint nur,” sprach er weiter und lächelte, „das kommt etwas oft vor.” „Ach nein,” antwortete ich, mich beherrschend, „so eine deutliche Aussprache ist sehr viel werth, — sie schafft Klarheit.” „Aber daß Du so viel Worte machst, beweist mir am besten, daß ich Recht habe!” „Recht? Ja, was glaubst Du denn?” „Ich glaube, daß, wenn man sich liebt, solche Scenen überhaupt nicht vorkommen dürfen!” Der gute Junge in seinem Eifer kam mir sehr komisch vor. Aber ich hielt an mich und antwortete ruhig: „Lieber Karl, mach Dich nicht lächerlich, Du bist noch ein glücklicher Bräutigam, aber heirathe erst — wer eine Frau ganz kennen lernen will, muß sie heirathen.” „Das sind schöne Worte,” entgegnete er mir erregt, „aber weiter nichts.” „Nun, wir werden ja sehen, wie weit Du mit Deiner Theorie kommen wirst, wenn erst die goldene Fessel Deinen Finger schmückt.” Unser Gespräch wurde unterbrochen, denn meine Frau trat wieder ein und brachte mir einen soeben angekommenen Brief. Es war eine Einladung zu einer größeren Abendgesellschaft. „Wie ich mich darauf freue!” jubelte mein Weibchen auf. Ich aber zog meine Stirn in Falten und sagte ruhig und langsam: „Mein liebes Kind, wir gehen nicht zu der Gesellschaft!” Der Freund starrte mich an und meine Frau war ganz sprachlos. „Nein,” wiederholte ich, „wir gehen nicht hin!” „Aber warum denn nicht?” fragte sie. „Erstens, weil ich mit den freundlichen Gastgebern keine Verbindung anknüpfen will, dann, weil es mir zu kostspielig wird!” „Was kostet denn das schon viel,” warf meine Frau erregt ein, „meine Garderobe ist ja imstande und nur ein paar Handschuhe brauche ich!” „Das ist auch das wenigste,” sagte ich ernst, „aber wenn wir der Einladung Folge leisten, so haben wir auch die Verpflichtung, wieder Gesellschaften zu geben — na, kurz und gut, es verursacht Kosten und macht Unruhe und beides möchte ich vermeiden.” Meine Frau schwieg und kämpfte eine böse Antwort herunter. Mein Freund schwieg und sah bald mich, bald mein Weibchen staunend an. Und ich schwieg und zündete mir eine Cigarette an. Unausgesetzt, aber heimlich, beobachtete ich meine Frau. Sie war in maßloser Erregung, aber sie schluckte all ihren Groll herunter, um in Gegenwart meines Freundes keine Scene zu provociren. Endlich erhob sie sich, sagte meinem Freund Adieu, würdigte mich keines Blickes, und rauschte hinaus wie eine beleidigte Fürstin. Mein Freund zuckte die Schultern. Ich sei ihm ein Räthsel. Mich aber ließ das ganz kalt. Ich kenne meine Frau und weiß, wie lange solche Stimmung vorhält: beim ersten Kuß, den ich ihr gebe, liegt sie wieder in meinem Arm. Aber ich wollte mir auch keine Blöße geben, und deshalb ließ ich sie grollend hinausgehen. „Ein Räthsel bist Du mir!” „Warum?” fragte ich. „Man soll seiner Frau solche kleine Bitten nicht erfüllen?” „Lieber Junge, das nennt man Ehepolitik:ich ersticke das Uebel im Keime. Aus kleinen Bitten werden große und schließlich hat meine Frau die Hosen an!” „Aber man kann doch 'mal nachgeben.” „Nein, das soll man nie, wenn man im Recht ist!” „Aber wenn Du sie liebst — —” „Liebe: — immer dies schöne Wort!” rief ich erregt. „Liebe ist ein imaginärer Begriff, ein Wort, das nur ein Zehntel so viel bedeutet, als daraus gemacht wird. Und mit dieser schönen Theorie wirst Du in eine arge Sackgasse gerathen, lieber Freund! Kein praktischer Mann braucht dieses Wort heute in dem Sinne mehr! Das Leben ist viel zu ernst geworden durch die ewigen Kämpfe, die wir durchmachen müssen, und wir modernen Männer sind viel zu nüchtern geworden, wir denken praktisch!” Er war nicht zu überzeugen. „Weshalb aber diese kleine Bitte nicht erfüllen, die doch ganz gewiß harmlos war?” fragte er noch einmal. „Einfach darum nicht, weil ich mich nicht in Schulden stürzen will. Man muß sich nach der Decke strecken. In jeder jungen Frau steckt ein Gesellschaftsteufel und wehe dem Mann, der zu schwach ist! Um seine Ruhe ist es geschehen und in seiner Casse wird ewige Ebbe sein.” Jetzt schwieg er und dachte nach. Ich freute mich schon, ihn überzeugt zu haben. Da aber stand er auf, trat entschlossen an mich heran und sagte mit voller Stimme: „Und trotz alledem bleibe ich bei meiner Theorie: wer seine Frau lieb hat, darf sie nicht so behandeln, wie Du es eben Deiner Frau angethan hast!” Nun wurde ich beinah grob. „Glaubst Du denn, daß ich mein Weibchen nicht gern habe? — Erst recht! Ich hötte sie küssen können vorhin, als sie so erregt dastand. Aber ich habe es nicht gethan, weil ich mir keine Blöße geben darf! Wie alles im Leben ist auch die Ehe ein Kampf. Der Stärkere siegt. Der Stärkere aber muß der Mann sein. Und glaube mir nur, eine Ehe, in der der Mann regiert, ist noch immer die beste!” „Nun,” sagte er lächelnd, „wir wollen uns sprechen, wenn ich Ehemann sein werde; dann sollst Du sehen, wie ich mir das Leben gemüthlich machen werde!” Damit verabschiedete er sich von mir. Ich ließ ihn gehen. Ueberzeugen konnte ich ihn nicht, mochte es die Wirklichkeit thun! Aber innerlich freute ich mich doch, wenn er den ersten Krach haben würde. Man möge nur ja nicht glauben, daß ich ein schlechter Mensch sei, — bewahre! Nur ein wenig schadenfroh bin ich geworden, seit ich verheirathet bin. * * * Ein halbes Jahr später. Meine Frau und ich sind längst ausgesöhnt. Inzwischen haben wir uns wohl hundertmal noch gezankt und uns natürlich ebenso schnell wieder vertragen. Meine Frau, die ein ganz entzückendes kleines Weibchen geworden ist, hat nach und nach eingesehen, daß ich doch der Stärkere bin und darum hat sie gelernt, sich zu fügen. Und seit wir nun den ersten strammen Jungen haben, kann ich sie — wie man so sagt — rein um den kleinen Finger wickeln. Einige Wochen später traf ich meinen Freund. Er war bereits seit vier Wochen Ehemann. „Nun, wie lebt sich's in der Ehe?” fragte ich mit leiser Bosheit. „O, wir sind sehr glücklich!” entgegnete er stolz, wurde aber roth und suchte seine Unruhe zu verbergen. Halb prüfend, halb mitleidig, sah ich ihn an. „Hör 'mal Du, kann ich Dir irgendwie mit einem Rath dienen?” fragte ich lächelnd. Doch er überhörte es und sagte schnell: „Wir kommen in den nächsten Tagen zu Euch.” Dann war er fort. Aha, dachte ich, der arme Junge hat sich schon festgefahren. Er that mir leid. Doch ich ließ ihn gehen. — Nach einigen Tagen stellte er uns seine Frau vor. O, sie war sehr hübsch, sehr geistvoll, aber auch unheimlich energisch. Ich wußte genug. Alles, was ich ihm voraus gesagt, war genau eingetroffen. Sie war die Stärkere und er that Alles, was sie haben wollte. „Aber Mensch,” sagte ich und nahm ihn bei Seite, „wie konntest Du Dir alle Rechte nehmen lassen!” Er zuckte resignirt die Schultern und antwortete sehr kleinlaut: „Du hattest Recht, ich war ein Narr damals, aber nun ist's zu spät.” „Nein, noch ist es Zeit!” Doch er fiel mir ins Wort: „Laß nur,” sagte er, „ich erwarte alles von dem ersten Jungen.” Ich mußte lächeln, schwieg aber und dachte: unverbesserlicher Idealist! Als sie dann giengen, wagte mein Weibchen, kühn geworden durch die energische, junge Frau, noch einen letzten Ausfall: „Siehst Du, das ist eine glückliche Ehe. Da thut der Mann alles, was die Frau haben will!” Ich aber nahm sie in meinen Arm und fragte ganz leise: „Sag' doch 'mal ganz ehrlich, ist Euch Frauen denn ein echter Mann nicht lieber, als solch ein Schwächling?” Darauf antwortete mein kluges Frauchen nichts, aber ganz unversehens bekam ich einen heißen Kuß! — — — |