Der Wurstkessel.

Humoristische Plauderei von Freiherrn v. Schlicht.
in: „Das Kleine Journal” Nr. 345 vom 14.Dez. 1896,
in: „Abendblatt”, (Chicago Ill.), vom 31.12.1896 und
in: „Aus der Schule geplaudert”


Ich weiß nicht, wie viel Würste während der Berliner Ausstellung(1) in den berühmten großen Wurstkessel gewandert sind — mag die Zahl derselben noch so groß sein, sie ist ein Nichts im Vergleich mit der Zahl der Offiziere, die sich schon einmal im Wurstkessel befunden haben.

Manche Wurst wird den Hunden vorgeworfen, ehe sie in den Wurstkessel wandert — der Lieutenant geräth erst in den Wurstkessel und geht dann vor die Hunde.

Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um.

Wenn man als Schüler der Tertia einen deutschen Aufsatz — die lateinischen sind ja nun Gott sei Dank abgeschafft — über ein Sprichwort zu machen hatte, begann man regelmäßig mit dem schönen Satz: „Von allen Sprichwörtern, an denen unsere Sprache so reich ist, ist keines so wahr und zutreffend wie das vorliegende.” So waren der Reihe nach alle Sprichwörter die wahrsten, obgleich sie doch eigentlich alle eine große Unwahrheit enthalten: die wenigsten Menchen sind ihres Glückes Schmied, fast niemals fällt der Apfel nicht weit vom Stamm, und wer sich in Gefahr begiebt, kommt sehr selten darin um.

Es begaben sich in die Gefahr der Schlacht von Gravelotte 219 152 Kämpfer, von denen nur 18 000 umkamen. Wäre das Sprichwort wahr, so hätten alle umkommen müssen.

Aber es giebt noch andere „Tode” als den Tod, und von diesem Gesichtspunkt aus wollen wir das Wort gelten lassen: „Wer sich in Gefahr begiebt, kommt darin um.”

Der Lieutenant begiebt sich in die Gefahr, umzukommen, an dem Tage, da er Lieutenant wird.

Es vergehen Jahre, in denen kein aktiver Offizier stirbt — bitte, die Statistik nachzuschlagen — aber es vergeht kein Monat, in dem nicht so und so viele Offiziere umkommen.

Ursache: der Wurstkessel.

Ja, wenn es keinen Wurstkessel gäbe, das ist beinahe so, als wenn man sagte: wie wäre der Dienst so schön, wenn es keinen Dienst und keine Vorgesetzten gäbe!

Die Vorgesetzten können alle sterben, der Dienst kann ausfallen, der Wurstkessel bleibt bestehen.

Wird man nicht in ihn hineingeritten, reitet man sich selbst hinein — 'rein kommt man immer. Aber auch wieder heraus?

Das wissen nur die Götter.

Die Zeit des Rekrutenexerzierens nähert sich ihrem Ende, man befindet sich bereits auf dem „absteigenden Ast”, der mit dem Schäfer und Rittergutsbesitzer Ast im Hannoverschen nicht das Geringste zu thun hat. Der Häuptling hat Morgens auf dem Kasernenhof eine Art Vorbesichtigung abgehalten, Alles getadelt, nur geschimpft, garnichts gelobt, seinen Lieutenant und seine Unteroffiziere an den Rand der Verzweiflung gebracht, beim Abschied das Trosteswort gesprochen: „Ich werde von heute ab mir die Rekruten alle acht Tage ansehen.”

„Mach' in acht Tagen, was Du willst,” denkt der Lieutenant, „aber mache jetzt nur, daß Du nach Haus kommst.”

Fast scheint es, als ob der Häuptling den stillen Rath seines Lieutenants befolgen will — er wendet sich zum Gehen, aber plötzlich macht er wieder Halt:

„Ach, Herr Lieutenant, ich könnte mir eigentlich die Rekruten auch gleich einmal in der Instruktion anhören — bitte, lassen Sie die Leute auf der Stube antreten, ich komme dann gleich hinauf.”

„Daß Du die Genickstarre bekämest,” stöhnt der Lieutenant — aber man mag denken was man will, man sagt selbst nur: „Zu Befehl.”

Eine Viertelstunde später steht der Lieutenant vor seinen Rekruten und instruirt über die Kriegsartikel.

Jede Sekunde redet der Häuptling hinein: „Die Leute müssen lauter antworten, kürzer zusammenfahren, wenn sie gefragt werden, der Kerl da im zweiten Glied steht ja auf Vordermann, Herr Lieutenant, anstatt auf der Lücke zu stehen — ich glaubte, Sie hätten Zeit genug gehabt, Herr Lieutenant, die Abtheilung richtig aufzustellen — sehen Sie einmal, wie dem Mann die Kokarde sitzt — aber bitte, Herr Lieutenant, lassen Sie sich nicht stören, fragen Sie ruhig weiter.”

Dem Herrn Lieutenant kribbelt's und krabbelt's in allen Gliedmaßen — da soll ein Fisch kaltes Blut behalten — so kommt, was kommen muß.

Die Parzen schneiden ihm bumms den Faden ab — nicht den Lebensfaden, wohl aber den Instruktionsfaden — er sitzt fest — er macht seinem Namen Ehre, er heißt Festersen — er kann weder vorwärts noch rückwärts &mdash, auch nicht seitwärts zur Thür hinaus, denn da steht der Häuptling.

Er sitzt im Wurstkessel drin.

Und er kommt erst wieder heraus, als der Häuptling ihn auf den Korridor hinausruft und ihm da einen „Schweinehund” macht, als wäre sein armer Lieutenant Raubmörder, Brandstifter und Falschmünzer in einer Person:

„Und damit Sie sich daran gewöhnen, Vorzuinstruiren, mein sehr verehrter Herr Lieutenant, werde ich von jetzt an jeden Tag zu Ihrer Instruktion kommen — ein derartiges désastre wie heute möchte ich aber nicht wieder erleben. Sie haben mich doch verstanden, Herr Lieutenant?”

Der Lieutenant schäumt vor Wuth, würde er den Mund aufmachen, so würden ganz andere Worte herauskommen als: „Zu Befehl”, so kneift er denn die Lippen zusammen und legt nur einen Finger an die Mütze. Das kann Alles heißen: „Bleib' mir gewogen, schreib' auch 'mal, wenn möglich frankirt” und sonst noch allerlei.

Der Häuptling deutet die nonchalante Handbewegung denn auch ganz richtig: er holt noch einmal tief Athem und pfeift seinen Lieutenant dann nochmals ganz gehörig an, daß dem die Augen übergehen — das ist der „avec”, mit dem der Deckel des Wurstkessels zugeklappt wird.

Der Hauptmann will nach Hause gehen in dem Bewußtsein, ein großer Mann zu sein, da stürzt sein Feldwebel auf ihn los. Die Mutter der Kompagnie ist eben auf Kammer gewesen und da hat sie durch Zufall eine Entdeckung gemacht, die schauriger ist als der schaurigste Schauerroman, von dem die Fortsetzung zehn Pfennig kostet.

Der Feldwebel hat gefunden, daß die Hosen dritter Garnitur falsch gelegt sind — durch kunstvolles Legen der Hosenbeine ist der Anschein erweckt worden, als wäre da, was da sein müßte — in Wirklichkeit fehlen aber ungefähr sechzig Hosen.

Und dabei ist die Vorstellung der Rekruten in der dritten Garnitur.

Wie ist diese Unterschlagung möglich? Wer ist der Schuldige? Wie konnte sie trotz häufiger Revisionen so lange verborgen bleiben?

Aber, Herr Hauptmann!

Nun sitzest Du drinnen im Wurstkessel und der Deinige ist viel größer als der, in den Du Deinen Lieutenant hineingepackt hast.

Eine halbe Stunde später steht er vor dem Herrn Regiments–Kommandeur, um diesem den Vorfall zu melden. Der Herr Oberst ist starr — einfach starr — obgleich er wie ein Hampelmann mit allen Vieren gestikulirt — er hat gar keine Worte dafür — es ist ihm vollständig unbegreiflich — „ja wohl, mein Herr Hauptmann, vollständig unbegreiflich”; aber er will, er muß klar sehen in der Sache, „und darum, mein Herr Hauptmann, bitte ich mir bis heute Nachmittag einen eingehenden Bericht aus, wie die Angelegenheit sich verhält, wer nach Ihrer Meinung der Schuldige ist, na kurz und gut, über Alles, Alles, Alles, sonst —”

Der Herr Oberst zieht die Schultern hoch, sehr hoch, und macht eine lange, lange Pause.

Während dieser Pause sieht der Häuptling sein Abschiedsgesuch nach Berlin gehen, er überlegt sich, wo er seinen Civilanzug machen lassen soll und ob er einen schwarzen Kammgarn oder einen blauen Cheviot sich bestellen soll, der erstere ist theurer, der letztere wärmer.

Obgleich er im Wurstkessel bratet, friert ihn mächtig.

Aber noch ist Polen nicht verloren — vielleicht gelingt es ihm doch noch, sich aus dem Kessel wieder herauszuarbeiten, wenn er auch mächtig tief ist — so tief, daß die berühmten Kessel der Liebig–Fleisch–Extrakt–Kompagnie, von denen jeder zehntausend Pfund Fleisch faßt, die reinen Waisenknaben dagegen sind.

Der Häuptling kommt an diesem Mittag überhaupt nicht nach Haus — er sucht Hosen, schöne dritte Hosen — und der Herr Oberst ist Mittags, als er die heimathliche Schwelle überschreitet, in der denkbar schlechtesten Laune: diese wird dadurch nicht besser, daß er mancherlei Absagen für eine kleine Abendgesellschaft, die heute losgelassen werden soll, vorfindet.

„Ja, denk' Dir nur,” klagt die Kommandeuse, „Lieutenant Destein hat auch ganz plötzlich absagen lassen, er hätte ganz unerwartet Besuch von seinem Bruder bekommen.”

„Was? Destein kommt auch nicht? Er muß aber kommen, sonst haben wir ja keine L'hombre–Partie. Der muß kommen, ich werde ihm sofort ein paar Worte schreiben, daß er seinen cher frère mitbringt.”

Armer Lieutenant Destein, mit welchem Donnergepolter fällst Du bei Empfang deines oberstlichen Briefes in den Wurstkessel hinein!

„Willst Du mir nicht einmal Deinen Bruder zeigen? Wo ist er?”

Man kann in wenigen Minuten heutzutage Alles bekommen — Alles, Alles, Alles — aber fertige Brüder hat kein Mensch auf Lager, die müssen erst bestellt werden — und so lange kann der arme Lieutenant nicht warten, und doch muß er bis heute Abend einen erwachsenen Bruder haben, wenn er nicht in seinem Wurstkessel ersticken soll.

Wer kennt nicht aus seiner Jugend — selbst die heutige Jugend war einmal jung — das schöne Räthsel: „Ein Hase sitzt in einem Loch — vor diesem Loch stehen zehntausend Jäger — jeder dieser zehntausend Jäger hat zehntausend Flinten und alle Flintenläufe sind auf das eine Loch, in dem der Hase sitzt, gerichtet. Wie kommt der Hase lebendig aus diesem Loch heraus?”

Und die geistreiche Antwort auf diese geistreiche Frage lautet: „Das ist seine Sache.”

Hat dies Räthsel etwas mit dem Wurstkessel zu thun?

Im Manöver war es.

Der Herr General hatte mit seinem Detachement einen Höhenrücken besetzt und eine Vertheidigungs­stellung eingenommen: Entfernungen waren abgeschritten und abgeschätzt, Schützengräben waren theils wirklich ausgehoben, theils markirt. Alles war vorbereitet, um den Feind zu vernichten, sobald er käme.

Aber er kam nicht — und doch mußte er kommen, das Norddetachement erwartete ihn ja.

Gestern hatte die Nordpartei angegriffen, heute mußte daher die Südpartei angreifen. Das geht immer um im Manöver: einmal mit Rücksicht auf die Schonung der Leute, dann aber auch deswegen, weil die höheren Vorgesetzten beide Parteien besichtigen wollen und müssen. Den einen Tag wird das eine Detachement bei einem Angriffsgefecht bewundert, am nächsten Tag das andere.

Die Südpartei mußte also, wie schon gesagt, kommen.

Aber sie kam nicht.

Der Herr General wurde ungeduldig und sein Adjutant suchte ihn vergebens dadurch zu beruhigen, daß er ihm die ältesten Manövergeschichten erzählte, dien zu jeder anderen Zeit unfehlbar als bestes Schlafmittel prämiirt worden wären.

Der Herr General wird immer ungnädiger, der Adjutant muß ihn unter allen Umständen bei guter Laune erhalten.

„Da habe ich gestern eine famose Geschichte gehört, Herr General.”

„Na, dann erzählen Sie einmal, aber fassen Sie sich kurz.”

„Da in Dingsda, Herr General, bei dem feudalen Leibregiment ahben sie vor einiger Zeit einen neuen Etatsmäßigen bekommen, der, der Herr General verzeihen das harte Wort, ein ziemliches Rauhbein sein soll und im schärfsten Gegensatz zu dem Kommandeur steht, der in jeder Beziehung ein feiner und vornehmer Herr ist. Natürlich lieben die Beiden sich nicht — der Eine ist in den Augen des Anderen ein eitler Geck und der Andere in den Augen des Einen ein, Verzeihung, Herr General, ich hätte beinahe gesagt, ein Ferkel.

Bei einer Felddienstübung kam es zwischen Beiden zum Klappen. Bei einer Garnisonübung führte der Herr Oberst selbst das Detachement, und als sich das Gefecht entwickelt hatte, rief er seinen Etatsmäßigen heran und sprach zu ihm:

„Mein lieber Herr Oberstlieutenant, Sie können mir einen großen Gefallen thun — reiten Sie doch einmal dort auf die Höhe und überzeugen Sie sich durch persönlichen Augenschein davon, ob das Nachbarregiment den kleinen Bach in seiner Front bereits überschritten hat. Wenn dies der Fall ist, bitte, dann winken Sie mir mit Ihrem Taschentuch, dann werde ich die weiteren Befehle geben.”

Der Etatsmäßige setzte seinen Gaul in Trab — aber als er sich etwa hundert Meter entfernt hatte, hörte er sich anrufen.

Er wendet das Roß und sieht nach dem Kommandeur hin.

Der hat sein Monocle eingeklemmt, und die auf dem Pferde doppelt traurige Figur seines Etatsmäßigen musternd, spricht er mit beißendem Spott:

„Sie haben doch ein Taschentuch, Herr Oberstlieutenant?”

Der Etatsmäßige hat sich über seinen Kommandeur beschwert, ist aber mit seiner Beschwerde abgewiesen worden, weil er nicht beschwören konnte, ob er an dem fraglichen Tage wirklich ein Taschentuch gehabt hätte, und so ohne Weiteres wollte man es ihm nicht glauben.”

Der Adjutant schweigt.

„Nun und weiter?” fragt der General.

„Weiter?” fragt der Adjutant verwundert — hat die Geschichte denn wirklich keine Pointe oder hat er sie beim Erzählen ermordet, oder aber hat sein Brotherr gar nicht zugehört.

„Weiter?” wiederholt der Adjutant, „weiter geht es nicht.”

Aber der hört nicht — große Gedanken kreisen in seinem Gehirn.

Und endlich spricht er das große Machtwort aus: „Ich werde angreifen.”

„Aber ich denke, der Herr General wollen sich vertheidigen?”

„Gegen wen? Doch höchstens gegen Ihre faulen Witze und Ihre schon zur Zeit Adam's antiken Geschichten — einen weiteren Feind habe ich hier nicht. Ich kann hier doch nicht ewig liegen und ewig warten — wenn der Feind nicht zu mir kommt, komme ich zu ihm, vielleicht stoßen wir in der Mitte zusammen, dann haben wir Beide nur den halben Weg zu machen: getheilter Schmerz ist immer besser als ein ganzer. Bitte, rufe Sie die berittenen Herren hierher zusammen.”

Wenig später giebt der Herr General den Befehl zum Vormarsch: Die Nachrichten über den Feind sind nur sehr spärlich eingelaufen, aber das schadet nichts, er wird ihn schon finden, und wenn er ihn hat, wird er ihm schon zeigen, was eine Harke ist.

Das Detachement tritt an: erst die Kavallerie und dann die anderen Waffengattungen hübsch in- und durcheinander, wie sie bei dem Gefecht in Thätigkeit treten sollen.

Das Detachement ist im Vormarsch gegen den Feind.

Der Feind ist auch im Vormarsch, nur nicht gegen den Feind, d. h. nicht gegen dessen Front, sondern gegen dessen Seite und Rücken. Mit vieler List und Tücke hat er eine Umgehung gemacht.

Und das Nord–Detachement marschirt immer ruhig weiter, die Tête immer langsam voran, damit das Andere nachkommen kann.

Da fällt ein Schuß und da noch einer — der Herr General bekommt vor Schrecken beinahe einen Hexenschuß — und dann ist das Unglück da.

Er sitzt mitten drin im Wurstkessel. Von allen Seiten wird auf ihn geschossen — wohin er sich auch wendet, überall starren ihm Flintenläufe und Kanonenrohre sowie spitze Lanzen entgegen.

Wie kommt er da lebendig heraus?

Das ist seine Sache.

Hilfesuchend blickt er sich im Kreise um: wer hilft, wer räth ihm?

Seine Untergebenen kann er nicht um Rath fragen, das verbietet die Disziplin, und seine Vorgesetzten um Rath zu fragen, verbietet die Subordination.

Hilf, Samuel, hilf!

Aber kein Samuel ist da — nicht einmal die fünf Bücher Samuelis sind zur Stelle(2), wohin er sieht: nur lachende Gesichter.

Jeder gönnt ihm den Wurstkessel, in den er gerathen ist — warum blieb er nicht da, wo er war; wäre er dageblieben, wäre er nicht in den Wurtskessel gerathen — wäre er aber dort in den Kessel gerathen, so hätte er dem dadurch entgehen müssen, daß er vorging — nun ist er vorgegangen und sitzt doch im Wurstkessel drinnen.

Das ist die Logik, mit der man ein soeben geborenes Kind zum Selbstmord, eine Kuh auf den Telephondraht hinaufjagen kann — die Menschen rasend, Thiere wütend macht — selbst die ältesten Stabsoffizier–Pferde schlagen bei solchen Kritiken hinten aus, weil sie in ihrer langen Dienstzeit diese Redensarten nun schon zur Genüge kennen gelernt haben.

Der Befehl zum Rückzug befreit den General aus seiner verzweifelten Lage, und dann heißt es: „Ja, Herr General, in Wirklichkeit wären Sie ein todter Mann.”

Das ist er nun auch — nur daß er offen und ehrlich gestanden, diesen militärischen Tod dem anderen vorzieht. Er geht und ein Anderer nimmt seine Stelle ein — wie wird es ihm gehen — gut oder schlecht — das wissen nur die Götter. Aber in den Wurstkessel kommt er auch — früher oder später — abgeschlachtet wird auch er, und wenn er eines Morgens aufwacht, sagt er zu seinem Kammerdiener: „Ist doch ganz merkwürdig, Johann — gestern Abend, als ich mich schlafen legte, habe ich doch noch den Helm neben mein Bett gestellt und nun steht auf einmal ein Cylinder da. Wissen Sie nicht, wo mein Helm geblieben ist?”

Der weiß es schon, aber er mag es nicht sagen: am frühen Morgen ist ein Kleiderhändler dagewesen und hat, weil der Herr General die Sachen ja nun doch nicht mehr braucht, und weil sie doch nur unnöthig herumhängen und vielleicht noch gar die Motten kriegen, die ganzen schönen Sachen für ein Spottgeld gekauft und hat einen feinen Zylinder zugegeben.

Sic transit gloria mundi — so mancher stolze Bau sinkt in ein Nichts zusammen.

Daß beim Militär so Mancher plötzlich zusammenbricht, daran ist der Wurstkessel schuld, dessen Arten natürlich zahllos sind wie der Sand am Meere.

Der Wurstkessel ist für den Soldaten, was für den Schriftsteller der Papierkorb ist — welcher hono scribens hat noch nicht in demselben gelegen — sollte auch ich mit dieser Arbeit in den Papierkorb wandern? Das wäre mir nicht „Wurst” und deshalb hoffe ich, daß dieser Kelch, um nicht zu sagen dieser Kessel, an mir vorübergeht.(3)


Fußnoten:

(1) Gemeint ist die große Berliner Gewerbeausstellung (1.Mai - 15.Okt. 1896). (zurück)

(2) In der Buchfassung fehlt der Satz: „nicht einmal die fünf Bücher Samuelis sind zur Stelle”. (zurück)

(3) In der Buchfassung fehlt dieser letzte ganze Absatz. (zurück)


zurück zur

Schlicht-Seite