Das Vergnügungsprogramm.

Militärhumoreske von Freiherrn von Schlicht.
in: „Berliner Leben”, Zeitschrift für Schönheit und Kunst, III.Jahrgg. Heft 11, Nov. 1900,
in: „Neue Hamburger Zeitung” vom 29.12.1900 und
in: „Zurück - marsch, marsch!”.


Auf dem Regimentsbureau wurde, trotzdem es nicht am Vormittag, sondern in später Nachmittagsstunde war, ganz gewaltig „geschuftet” wie der Terteicus teokeicus(1) lautet. Es herrschte ein beständiges Kommen und Gehen von Ordonnanzen, Gefreiten, Unteroffizieren und Schreibern, zahllose Anfragen mussten erledigt und viele Befehle den Bataillonen und Kompagnien mitgeteilt weren.

Schuld an der ganzen Aufregung hatte Se. Excellenz der Herr Divisions­kommandeur — der war auch ganz allein daran Schuld, dass der Herr Oberst in höchsteigener Person zum Entsetzen seines Adjutanten immer noch auf dem Bureau sass und anscheinens noch garnicht daran dachte, nach Haus zu gehen.

Der Kommandeur war am Mittag für eine Stunde im Kasino gewesen und hatte dort gefrühstückt, der Adjutant lief aber seit dem frühen Morgen „ungegessen und ungetrunken” herum und er fand das einfach „gemein”. „Gemein” ist bei dem Militär bekanntlich Alles, denn aus dem Gemeinen im Singular und aus dem Gemeinen im Plural besteht bekanntlich das Heer. Die Gefreiten bilden eine Ausnahme.

Der Adjutant war hungrig und der Kommandeur war wütend, der Eine knurrte mit dem Magen, der Andere knurrte ganz laut mit dem Munde.

„Verstehen Sie mich recht,” sagte der Oberst jetzt zu seinem Adjutanten, „verstehen Sie mich recht, lieber Aberg, dass Excellenz hier morgen eintrifft, um mein Regiment zu besichtigen, nehme ich dem hohen Herrn absolut garnicht übel — erstens würde er sich auch nichts daraus machen und zweitens hätte ein Übelnehmen nicht den leisesten Zweck. Eine Excellenz, die kommen will, kommt doch, denn wenn sie bei ihrem Erscheinen auch nur die geringste Rücksicht auf die Wünsche der Untergebenen nehmen wollte, käme sie noch nie-er als nie, na, und das giebt es doch nicht. Kommen kann die Excellenz morgen meinetwegen gerne, obgleich es mir offen und ehrlich gestanden lieber wäre, sie käme nicht, oder wenigstens an einem anderen Tag. Auf einen so hohen Besuch bereitet man sich doch gerne etwas vor, nicht nur mit seinem Anzug, sondern auch mit seinem Exerzieren, da drillt man doch gerne noch ein paar Tage, damit die Sache auch klappt. Ob wirklich nur „veränderte Reisedispositionen”, wie Excellenz telegraphiert, daran Schuld sind, dass der hohe Herr uns ganz plötzlich und unerwartet mit seinem Besuch überfällt? Ich bin zu sehr Soldat, um in die Worte meiner Vorgesetzten auch nur den leisesten Zweifel zu setzen, aber trotzdem glaube ich Sr. Excellenz dieses Mal nicht — vielmehr bin ich der Ansicht, dass Excellenz absichtlich uns überrascht, er will uns keine Zeit lassen, uns für ihn irgendwie mit dem Exerzieren vorzubereiten. Was meinen Sie dazu, Aberg?”

Der Adjutant wusste nicht recht, was er sagen sollte.

Das Einfachste ist, Du sagst „Zu Befehl”, dachte der Adjutant, das kann der Kommandeur sich auslegen wie er will, das kann ebenso gut „ja” wie „nein” bedeuten. Wie heisst doch noch die alte militärische Genreregel? Ach ja richtig:

Mit „Zu Befehl” fängt Jeder an
Der klar und deutlich sprechen kann.

Der Adjutant war gerade im Begriff „Zu Befehl” zu sagen und er öffnete schon zu diesem Zweck den Mund, als sich wider Erwarten auch(2) die Thür öffnete, die nach dem Nebenzimmer führte, in dem die Schreiber sassen und so thaten, als ob sie etwas thäten.

Auf der Schwelle erschien kein Geringerer als der Herr Regimentsschreiber selbst.

„Zum Donnerwetter, was giebt es denn nun schon wieder?” fuhr ihn der Kommandeur an.

„Ein Eilbrief von der Division,” lautete die Antwort und da der Sergeant sich nicht an den Oberst heranwagte, drückte er dem Adjutanten das Schriftstück in die Hand und zog sich dann so schnell wie möglich an sein Arbeitspult zurück.

Der Adjutant öffnete das Couvert und blätterte in den Bogen, die er herausgenommen hatte.

„Das mag ein netter Unfug sein,” knurrte der Oberst, „was wollen die Leute denn nun schon wieder?”

Der Adjutant liess sich durch diese Frage nicht irritieren, erst sah er die Papiere genau durch, dann sagte er: „Die Division schickt hier ein genaues Vergnügungs­programm für den morgigen Tag — pardon, Herr Oberst, ich versprach mich, ich meinte natürlich das genaue Besichtigungs­programm, auf dem nicht nur steht, was Excellenz morgen sehen will, sondern auch, in welcher Reihenfolge ihm die einzelnen Übungen vorgeführt werden sollen.”

Der Oberst fuhr in die Höhe: „Sagte ich es nicht, dass Excellenz uns überrumpelt, dass er absichtlich so ganz unvermutet kommt?” rief er, „sogar ein Vergnügungs­programm, wie solch' Ding ja nun einmal in der Armee heisst, hat er sich ausgearbeitet, natürlich schickt er es in der letzten Stunde, nur damit ich keine Gelegenheit habe, nach dem Programm noch einmal vorher zu exerzieren. Geben Sie mir das Ding einmal her — danke — na, lang genug ist das Programm wenigstens, das kann ja Nachmittag werden, ehe wir damit fertig sind. Was steht hier zum Schluss: „Die oben angegebene Reihenfolge ist auf das Genaueste inne zu halten?” Mir soll es recht sein, wenn ich mich blamiere, ist es mir einerlei, in welcher Reihenfolge ich dies thue und wenn ich Lob ernte, ist es mir auch einerlei, ob ich mit dem Parademarsch anfange oder mit ihm aufhöre. — Aber wie machen wir denn das, Aberg?” fuhr der Kommandeur nach einer kleinen Pause fort, „es kann doch kein Mensch auf der weiten Welt von mir verlangen, dass ich dieses Vergnügungs­programm auswendig lerne? Es ist ja noch länger als Schillers Glocke und ich entsinne mich, dass ich als Schüler acht Tage brauchte, ehe ich dieses Gedicht im Kopf hatte. Können Sie es nicht auswendig lernen? Sie sind ja noch jung, für Sie ist es eine grosse Kleinigkeit. Wenn Sie heute Nacht aufbleiben, kennen Sie das Programm in- und auswendig und sagen mir dann die einzelnen Punkte, die an der Reihe sind — das ist das einfachste.”

„Für Dich ja, für mich aber nicht,” dachte der Adjutant, „wenn ich den heutigen Tag hinter mir habe und in meinem Bett liege, will ich den(3) Himmel danken und schlafen, aber nicht Divisionsbefehle auswendig lernen,” und so sagte er denn: „Ich bitte um Verzeihung, Herr Oberst, aber im rein mechanischen Auswendiglernen habe ich nie viel geleistet, ich würde das Pensum nicht bewältigen können. Ich erlaube mir einen anderen Vorschlag, ich nehme das Programm in meiner Satteltasche mit und lese dem Herrn Oberst daraus vor.”

Der Kommandeur dachte einen Augenblick nach, dann erwiderte er: „Das geht nicht, Aberg, das geht nicht. Natürlich müssen Sie das Vergnügungsprogramm der Division bei sich haben, das versteht sich ja ganz von selbst, aber Sie können doch nicht mit den aufgeschlagenen Aktenbogen hinter mir herreiten, das geht doch wirklich nicht. Entweder finden Sie einen anderen Ausweg oder Sie lernen die Sache auswendig, ein Drittes giebt es nicht.”

Der Adjutant versank in tiefes Nachdenken, plötzlich aber verklärte sich sein Gesicht: „Ich hab's, Herr Oberst,” rief er erfreut.

„Nun?” fragte dieser, „da bin ich aber gespannt!”

„Es ist die denkbar einfachste Lösung von der Welt, Herr Oberst,” lautete die Antwort, „ich schreibe das Vergnügungs­programm ab, entweder in mein Notizbuch oder was noch praktischer sein dürfte, auf kleine Zettel, die ich numeriere und dann einzeln aus meiner Satteltasche hervorhole.”

Der Kommandeur stimmte ihm bei, „Bravo,” lobte er, „so wird es gehen,” und in einer philosophischen Anwandlung setzte er hinzu: „Es ist doch eigentlich komisch, Aberg, dass jeder Mensch dann einen guten Gedanken hat, wenn es sich für ihn darum handelt, sich eine ihm unsympathische Arbeit abzuwälzen. Finden Sie nicht auch?”

Zum Glück betrachtete der Herr Oberst diese Frage als eine rein theoretische, auf die er gar keine Antwort, nicht einmal das übliche „Zu Befehl” erwartete, denn er fuhr gleich darauf fort: „Wie ist es, Aberg, habe ich hier noch etwas zu thun oder sind wir nun endlich fertig?”

Dieses Mal sprach der Adjutant sein „Zu Befehl” mit wahrer Begeisterung. Gleich darauf verliess der Herr Oberst das Bureau und eine Minute später ging auch der Leutnant Aberg.

„Ich gehe jetzt in das Kasino, um dort zu essen,” sagte er bei dem Fortgehen zu dem Regimentsschreiber, „ich ermorde kaltblütig lächelnd jeden, der mich nur noch mit einer Frage belästigt, merken Sie sich das.”

Hätte der Adjutant aber seine Drohung ausgeführt, so würde er sich zum Massenmörder ausgebildet haben, er fand im Laufe des Abends keine Ruh und selbst mitten in der Nacht wurde er noch durch ein Telegramm geweckt.

Am nächsten Morgen rückte das Regiment mit klingendem Spiel nach dem Exerzierplatz. Die Leute waren lustig und guter Dinge, sie freuten sich, endlich einmal eine Besichtigung zu erleben, zu der sie nicht wochenlang vorher geschliffen worden waren und sie waren fest entschlossen, ihre „Knochen” nicht zu schonen und so stramm zu exerzieren, dass sie auch nach der Besichtigung nicht geschliffen würden.

An der Tête ritt der Oberst mit seinem Adjutanten, trotzdem er sich seine erste Garnitur angezogen hatte und einen festlichen Anblick bot, war ihm gar nicht so ganz extra zu Mute, man weiss nie, mit welchen geheimen Plänen und Absichten eine Excellenz kommt und man weiss erst recht nicht, mit welchen geheimen Gedanken sie wieder von dannen fährt.

„Sie haben doch das Vergnügungsprogramm nicht vergessen?” fragte der Oberst.

„Aber Herr Oberst,” erwiderte der Adjutant fast beleidigt, „ich habe Alles hier in der Satteltasche.”

„Na, dann ist es gut,” beruhigte sich der Kommandeur, „wie ist es noch? Zuerst kommt die Paradeaufstellung und dann der Parademarsch in Kompagnie­fronten, war es nicht so?”

Sein Begleiter stimmte ihm bei und schweigend ritt er dann neben seinem Brotherrn her, bis sie den Exerzierplatz erreichten.

Als sie dort ankamen, sahen sie zu ihrem Entsetzen Excellenz dort bereits mit seinem Adjutanten herumreiten. Der hohe Herr war mit der Bahn angekommen und hatte das an der Haltestelle für ihn bereit stehende Pferd bestiegen.

„Bitte, bitte, lassen Sie sich garnicht stören, Herr Oberst,” rief er dem Kommandeur zu, „vorläufig reite ich hier nur zu meinem Vergnügen spazieren, ich komme pünktlich auf die Minute, die ich Ihnen geschrieben habe, auf dem rechten Flügel der Parade-Aufstellung an, vorläufig bin ich hier so zu sagen ein militärischer Privatier.”

Die Höflichkeit gegen den Vorgesetzten verlangte, dass der Herr Oberst diesen Witz belächelte, dann wandte er sein Ross und ritt zu der Truppe zurück.

Nicht nur auf die Minute, sondern sogar auf die Sekunde traf Excellenz am rechten Flügel ein, er besah sich die Aufstellung und liess sich dann den Parademarsch vorführen.

„Nicht übel, Herr Oberst,” lobte er, „nicht übel, die letzte Kompagnie kam sogar ganz ausgezeichnet vorbei, ganz tadellos, nun weiter, aber bitte halten Sie sich streng an das Programm, das ich Ihnen schickte.”

„Zu Befehl, Excellenz.”

Das Lob hatte den Kommandeur erfreut und in einer fast übermütigen Stimmung ritt er zu seinem Regiment zurück — der gute Anfang war gemacht und beim Militär heisst es sehr häufig: Anfang gut, Alles gut.

Er sah sich nach seinem Adjutanten um, der vorhin wäührend des Parademarsches neben der Musik gehalten hatte — die Musik war abgewinkt und der Adjutant war verschwunden.

„Herr Leutnant Aberg,” rief der Herr Oberst mit lauter Stimme, „Herr Leutnant Aberg.”

Die Stabsoffiziere nahmen den Ruf auf, die Hauptleute wiederholten ihn und die Bataillons-Adjutanten suchten ihren Kollegen von der Fakultät, aber der war nicht da.

„Herr Leutnant Aberg.”

Der Herr Oberst schrie es hinaus in die Welt, es klang wie der Schrei eines Kindes, das von den Eltern verlassen, sich in dem Wald verirrt hat.

Aber der Adjutant war nicht da, der Eine wollte ihn hier, der Andere dort gesehen haben — er war spurlos von der Erdoberfläche verschwunden.

„Excellenz lässt bitten, mit dem Exerzieren anzufangen,” erklang da die Stimme des Divisions-Adjutanten.

„Gewiss, sofort — in der Sekunde,” beeilte sich der Herr Oberst zu versichern. Der Adjutant galoppierte davon, aber in dem Augenblick, als der Herr Oberst sein „Stillgestanden” kommandierte, fiel ihm ein: „Um Gottes Willen, der Aberg hat ja das Vergnügungs­programm in der Satteltasche.”

Es hätte nicht viel gefehlt und der Kommandeur wäre vor Schrecken und vor Entsetzen vom Pferde gefallen — was kam nun? Er hatte keine Ahnung und dabei hatte Excellenz ihm soeben noch an das Herz gelegt, sich streng an das Programm zu halten.

Was sollte werden? Sollte er zu Excellenz hinreiten und sagen: „Mir ist mein Adjutant mit dem Programm abhanden gekommen?” Sollte er eingestehen, dass er sich nicht die Mühe gegeben hatte, das Programm sich einzuprägen? Unmöglich, das konnte, das durfte nie und nimmer geschehen.

Wieder hielt der Divisions-Adjutant neben dem Herrn Oberst: „Se. Excellenz lassen ernstlich bitten, jetzt aber wirklich anzufangen,” und er war verschwunden, bevor der Kommandeur auch nur ein Wort der Entschuldigung hätte sagen können.

Der Oberst sah sich noch einmal im Gelände um und bat frei nach Don Carlos: „Nun schick' mir meinen Adjutanten, gute Vorsicht.”

Aber die gute Vorsicht war anscheinend anderweitig beschäftigt, sie hatte keine Zeit, sich um den Herrn Oberst zu kümmern, wenigstens schickte sie den Adjutanten nicht.

Da fasste der Kommandeur in seiner Verzweiflung einen grossen Gedanken: „Wenn ich denn sterben muss,” sagte er sich, „soll der militärische Tod mich wenigstens nicht unthätig antreffen, coûte qui (4) coûte, ich exerziere einfach darauf los.”

Dem Entschluss liess er die That folgen, er liess sein Regiment jede Bewegung ausführen, die ihm gerade in den Sinn kam und exerzierte darauf los, bis Excellenz endlich das Signal: „Die Herren Offiziere” blasen liess.

Nun kam die Kritik, die konnte genussreich werden.

„Meine Herren,” begann Excellenz. „was ich gesehen habe, hat mir nicht nur gut, sondern sogar sehr gut gefallen. Ich mache Ihnen mein Kompliment, Herr Oberst, Ihr Regiment befindet sich in tadelloser Verfassung; nur eins möchte ich wissen, Herr Oberst, warum haben Sie sich absolut nicht an das Programm gehalten, das ich Ihnen sandte?”

Dem Kommandeur trat der Angstschweiss auf die Stirn: „Ich — ich — ich,” stotterte er endlich, „ich — ich — ich —”

Ihm fiel absolut keine Entschuldigung ein.

„Sprechen Sie sich ruhig aus, Herr Oberst,” fuhr Excellenz fort, „es würde mich sehr interessieren, die Gründe kennen zu lernen, die Sie veranlassten, nach eigenem Ermessen zu exerzieren! Hing es vielleicht auch bei Ihnen, ebenso wie bei einigen anderen Herren, die ich in den letzten Tagen besuchte, damit zusammen, dass ich den Regiments-Adjutanten bat, für mich nach der Eisenbahn-Haltestelle zu reiten und mir meine Brieftasche zu holen, die ich im Paletot stecken gelassen zu haben glaubte?”

„Excellenz,” stotterte der Herr Oberst noch verwirrter als vorhin, „Excellenz — Excellenz —”

Im gestreckten Galopp kam in diesem Augenblick der Regiments-Adjutant zurück: „Excellenz, ich habe den Mantel ganz genau durchsucht, die Brieftasche ist nicht da.”

„Sie hat sich inzwischen schon eingefunden, ich danke Ihnen,” erwiderte der hohe Herr, „aber thun Sie mir den Gefallen und geben Sie bitte einmal das Programm her. Sie haben doch hoffentlich nicht nur das Original, sondern auch eine Abschrift auf kleinen Zetteln bei sich?”

Dem Kommandeur drohte das Herz still zu stehen, der Adjutant aber merkte anscheinend nichts von der Falle, die ihm gestellt wurde. Mit einem lauten „Zu Befehl” griff er in die Tasche, zuerst in die rechte, dann in die linke, er fasste in die Satteltaschen und in die Rocktaschen, er suchte überall und mit starren, entsetzten Augen den Vorgesetzten ansehend, sagte er schliesslich: „Excellenz, ich habe das Programm vergessen.”

Der Herr Oberst hätte am liebsten vor Freude „Hurrah” gerufen, Excellenz aber machte ein sehr ärgerliches Gesicht: „Sehen Sie nur noch einmal ordentlich nach,” mahnte er, „kramen Sie Ihre Taschen einmal aus.”

Das geschah, aber die Zettel waren nicht da und das Programm auch nicht.

In jeder Garnison hatte Excellenz den Regiments-Adjutanten mit dem Schummelzettel abgefasst und überall hatte er dem Herrn Oberst und dem Adjutanten in nicht misszuverstehender Art und Weise seine Ansicht darüber geäussert, wie er so etwas fände — hier entgingen ihm die Sünder und missmutig wandte er sein Ross und ritt von dannen.

Wenig später trabte der Herr Oberst mit seinem Adjutanten zur Stadt zurück: „Ich will Sie nicht tadeln, sondern loben,” begann der Kommandeur, „aber nun sagen Sie mir nur, wie konnten Sie das Vergnügungs­programm vergessen?”

Der Adjutant sah sich um, ob auch kein unberufener Lauscher in der Nähe sei, dann sagte er: „Ich bekam heute Nacht aus der Garnison, in der Excellenz gestern war, von dem dortigen, mir befreundeten Regiments-Adjutanten ein Telegramm, das mir zuerst unverständlich war und das da lautete: „Brieftasche — Schwindel. Vergnügungs-Programm nicht Tasche, sondern sonst irgendwo verstecken, unter dem Helm und in den Stiefelschäften hat Excellenz bisher noch nicht nachgesucht.” Für einen Augenblick dachte ich daran, von diesen Verstecken Gebrauch zu machen, dann aber fiel mir das Wort ein: „Sicher ist sicher,” und ich verbarg das Programm an einer Stelle, wo es Niemand finden konnte und vor allen Dingen an einer Stelle, wo es Niemand vermutete.”

„Und wo war das?” fragte der Herr Oberst neugierig.

Da sah der Adjutant seinen Kommandeur heimlich von der Seite an, um die Wirkung seiner Worte zu beobachten, dann sagt er mit einer Stimme, der man aufrichtige Reue und die feste Absicht, so etwas in Zukunft nicht wieder zu thun, anmerkte: „Ich habe heute Nacht das Programm doch noch auswendig gelernt.”


Fußnoten:

(1) In der Fassung von „Zurück - marsch, marsch!” heißt es hier richtiger: „Terminus technicus”. (zurück)

(2) In der Fassung von „Zurück - marsch, marsch!” fehlt dieses Wort „auch”. (zurück)

(3) In der Fassung von „Zurück - marsch, marsch!” heißt es hier: „dem Himmel”. (zurück)

(4) In der Fassung von „Zurück - marsch, marsch!” heißt es hier: „coûte que coûte”. (zurück)


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