Der Taktiker.

Satire von Freiherr von Schlicht,
in: „Parade-Haare”


Hauptmann Wendborn hieß nicht nur im ganzen Regiment, sondern in der ganzen Brigade „der Taktiker” und zwar, nach dem berühmten Beispiel von Lucus a non lucendo, deshalb, weil er von der Taktik und dem Tiktak nicht die allerleiseste Ahnung hatte.

Von seiner Unfähigkeit waren alle überzeugt, nur er selbst nicht. Er hielt sich nicht gerade für ein Genie à la Moltke, aber doch für einen selten befähigten Offizier. Er litt zuweilen an dem strategischen Größenwahnsinn, und wenn ihm bei einer Kritik haarscharf bewiesen wurde, daß das, was er verbrochen hatte, einmal wieder, wie gewöhnlich, eitel Mist ohne Sonnenschein gewesen wäre, dann zuckte er darüber die Achseln und lächelte geringschätzig. Natürlich lächelte er nur im Geiste und seine Schultern verrieten auch nichts von der Bewegung, die sie in Gedanken machten. denn wenn die Untergebenen auch denken dürfen, was sie wollen, obgleich sie das eigentlich schon deshalb nicht dürfen, weil sie das Denken den Höheren überlassen sollen — so dürfen sie doch ihre eigenen Gedanken in keiner Weise verraten. Und wenn die hohe Obrigkeit, die Gewalt über ihn hatte, sein Lächeln und sein Achselzucken jemals bemerkt hätte, dann wäre es sofort mit ihm aus gewesen.

Eigentlich wunderten sich alle darüber, daß es mit ihm noch nicht aus war. Wenn es eine Gerechtigkeit auf Erden gab, hätte er schon längst im Wurstkessel braten und schmoren müssen. Nach der gewissenhaften Ansicht der Kameraden, die es trotzdem gut mit ihm meinten, hätte er schon längst in die Pension geschickt werden müssen.

Daß er noch im Schmuck der Waffen herumlief und daß er es überhaupt bis zum Hauptmann gebracht hatte, lag nicht an seinen geistigen Fähigkeiten, die er nicht besaß, sondern einzig und allein an seiner Dummheit. Alle seine Vorgesetzten sagten sich: ,Der bringt es ja doch nicht weit, der bekommt ja so wie so sehr bald den Abschied', und weil sie eben alle von seinem baldigen Tode überzeugt waren, ließen sie ihn ruhig weiter leben ud vergaßen ganz, daß auch beim Militär niemand stirbt, wenn er nicht vorher umgebracht wird.

Die Vorgesetzten sind die militärischen Scharfrichter, die den Delinquenten, den Untergebenen, vom Leben zum Tode, vom Helm zum Strohhut befördern.

Wie anderen Leuten ihre Klugheit, so kam Hauptmann Wendborn seine Dummheit zu gute. Man ließ ihn ruhig gewähren, bis die Vorgesetzten eines Tages mit Schrecken erkannten, daß er nun bald zum Major dran sei und daß er eines Tages sogar als General erwachen würde, wenn man nun nicht schleunigst das bisher Versäumte nachholen und ihn in die Gefilde jener Seligkeit(1) befördern würde, die ihr Glück darin sehen, allabendlich am Stammtisch über ihre Verabschiedung zu raisonnieren.

Der Hauptmann sollte endlich sterben. Man mußte dabei auch an das Vaterland denken, denn wenn es wirklich einmal wieder zum Kriege kommen sollte und wenn der Hauptmann da seine Kompagnie führte, dann war er, wie ein Kamerad einmal im Scherz behauptet hatte, im Stande, den ganzen Feldzug umzuwerfen, wie andere eine Parade schmeißen. Na, und die Schuld und das Verbrechen, die Niederlage der ganzen preußischen Armee herbeigeführt zu haben, konnte man doch nicht auf seine Schultern wälzen.

Der Zufall fügte es, daß dem Hauptmann von seinem Vorgesetzten das militärische Totenhemd in derselben Stunde über den Kopf geworfen wurde, in der er ausrechnete, wann er, falls er Glück hätte, Oberst und Regiments­kommandeur sein könne.

Aber mit dem Zuwerfen des Totenhemdes allein war es nicht getan, er mußte es auch ordentlich anziehen, und da man einsah, daß er das freiwillig doch nicht tun würde, beschloß man, ihm dabei zu helfen. Nicht nur der Herr General, sondern auch Se. Exzellenz wollten ihm durch ihre Anwesenheit das Sterben erleichtern. Nicht dadurch, daß sie ihm in der schweren Stunde Trost zusprachen, sondern lediglich, indem sie ihm das Grab gruben, in das sie ihn dann hinein stießen.

Das Grab bestand in einer taktischen Aufgabe, die der General für den Hauptmann ausgearbeitet hatte und die er zuerst Sr. Exzellenz zur Genehmigung vorlegte.

Se. Exzellenz war ein sehr befähigter Offizier. Dank seiner vorzüglichen Beziehungen und seiner hohen Protektionen hatte er es ohne jede Schwierigkeit bis zu seiner jetzigen Stellung gebracht und er war fest davon überzeugt, daß er es bis zum kommandierenden General bringen würde, falls bis dahin niemand dahinter käme, daß er in Wirklichkeit nicht halb so schlau war, wie die Vorgesetzten es in seiner Gegenwart von sich selbst behaupteten.

Exzellenz war wirklich ein sehr befähigter Offizier, aber als er nun heranging, die ihm vom General eingeschickte taktische Aufgabe zu lösen, hatte er eine verdammt harte Nuß zu knacken, bei der er sich seinen letzten, bisher ganz gesunden Vorderzahn abbiß.

Und das nahm er dem General sehr übel.

Was sollte der Hauptmann mit einer Aufgabe, die er als Exzellenz nicht einmal zu lösen vermochte? Da konnte er ja hinterher keine Kritik abhalten und nicht erklären, die Sache hätte nicht so, sondern so gemacht werden müssen. Er war dann nicht im Stande, auf den hanebüchenen Unsinn hinzuweisen, den der Hauptmann verbrochen habe und der es ganz ausgeschlossen erscheinen lasse, daß er weiter avanciere.

Allerdings hätte Exzellenz ja auch eine Sache kritisieren können, die ihm selbst ganz unklar war, aber das widersprach seiner offenen, ehrlichen Natur schon deshalb, weil er sich bei der Gelegenheit unter Umständen bis auf die Knochen blamieren konnte. Denn wenn er es auch für ganz unmöglich hielt, möglich war es immerhin trotzdem, daß einer der Untergebenen seine Kritik, wenn auch nur in Gedanken, wieder kritisierte. Und das durfte schon im Interesse seiner Untergebenen nie und nimmer geschehen, denn zur Wahrung der Disziplin und Subordination mußte er dann erbarmungslos jeden zum Abschied eingeben, der es wagen würde, anderer Meinung zu sein, als er selbst.

So schickte Exzellenz denn die ihm zugesandte Aufgabe an den General mit dem Bemerken zurück, daß sie selbst für den unbefähigten Hauptmann denn doch zu leicht wäre und erbat gleichzeitig die Einsendung einer neuen Aufgabe.

Nach drei Tagen war die zur Stelle und dieses Mal schickte der Herr General gleich die Lösung mit, denn wenn er auch nur ein General war, so wußte er doch, was Exzellenz an der ersten auszusetzen gehabt hatte.

Mit der neuen Aufgabe war Exzellenz einverstanden, nicht aber mit der Lösung — die mußte er tadeln, das war seine Pflicht, denn zum Kritisieren war er da und wenn der General alles richtig machte, hätte er ja schon Exzellenz sein können, dann brauchte er nichts mehr zu lernen. Und das ging natürlich nicht.

Die Aufgabe ging mit dem Vermerk „Genehmigt” an den General zurück, die Lösung aber behielt Exzellenz für sich, schon damit er den General im Unklaren ließe, ob er damit einverstanden sei, oder nicht. Denn wenn er jetzt schon sein Urteil darüber abgab, was sollte er dann bei der offiziellen Kritik sagen?

Der Tag der Hinrichtung wurde für die nächste Woche festgesetzt und wie der Scharfrichter mit seinen Gehülfen, so trafen auch die hohen Vorgesetzten mit ihren Adjutanten bereits am Vorabend in der Stadt ein.

Der Delinquent verspeiste seine Henkersmahlzeit mit dem besten Appetit, er trank eine Flasche Rotwein, rauchte eine sehr gute Zigarre und hörte auf den Zuspruch seiner Frau, die ihm den letzten Tropfen spendete.

Dann suchte er sein Lager auf und schlief ruhig und fest, bis der Bursche am nächsten Morgen an die Tür klopfte, um ihn zu wecken.

Die Augen voller Tränen, laut aufschluchzend nahm seine Frau von ihm Abschied, bis der Bursche daran erinnerte, daß es die höchste Zeit wäre, aufzubrechen.

Das Pferd, das ihn zur Richtstelle tragen sollte, stand draußen schon vor dem Haus bereit.

Auf dem Kasernenhof erwartete ihn das aus tausend Mann formierte kriegsstarke Bataillon, das ihn auf seinem letzten Gang begleiten sollte, und gleich darauf trat man den Marsch nach der Richtstelle an. Die lag ganz draußen, ganz weit von der Stadt entfernt und es dauerte fast zwei Stunden, ehe man an Ort und Stelle war.

Mit lautem Gekrächze flogen ein paar Krähen auf, als man endlich Halt machte.

Das sind die militärischen Aasgeier, die auf die Leiche warten, dachten alle. Nur der Hauptmann dachte das nicht. Der sah den kommenden Ereignissen mit der denkbar größten Ruhe entgegen. Er hatte die felsenfeste Überzeugung, daß er auch heute nach Ansicht der Vorgesetzten alles falsch machen würde. Das hatte er ja immer getan und lebte trotzdem noch. Warum sollte er da gerade heute an seiner Dummheit, wie die andern seine taktische Begabung nannten, sterben?

Da erschienen auch schon die hohen Vorgesetzten: Se. Exzellenz, der Herr General, der Oberst, ein jeder von seinem Adjutanten begleitet. Alle näherten sich mit feierlichen Mienen, sie waren sich des Ernstes des Augenblickes wohl bewußt.

„Die Herren Offiziere” ertönte der Ruf, dann nahm der General aus den Händen seines Adjutanten die taktische Aufgabe entgegen.

„Das Todesurteil” flüsterte der eine Leutnant dem andern zu.

„Sie haben noch eine Viertelstunde Zeit, Herr Hauptmann, dann bitte ich Sie, den Angriffsbefehl auszugeben und gleich darauf antreten zu lassen.”

Der Hauptmann erwiderte sein „Zu Befehl”, dann zog er sich auf einen großen Feldstein zurück, um dort, die Generalstabskarte vor sich ausgebreitet, seinen Angriffsbefehl zu gebären.

Und er gebar.

Pünktlich auf die befohlene Minute hatte sein geistiges Kind das Licht der Welt erblickt und jetzt berief er seine Offiziere zu sich. Ungerufen kamen auch die hohen Vorgesetzten, die waren in erster Linie neugierig auf das, was sie zu hören bekommen würden.

Und als sie es nun zu hören bekamen, da sahen sie sich ganz verwundert an und schüttelten die Köpfe, auf vieles waren sie vorbereitet gewesen, auf einen solchen Befehl aber nicht.

Die Spitze trat den Vormarsch an, dann folgte der Rest der Avantgarde, dahinter das Gros. Es ging dem Feinde entgegen, der, durch rote Flaggen markiert, des Angriffs harrte.

Bald darauf begann das Gefecht und auf einem Feldherrnhügel hielten die hohen Vorgesetzten und blickten auf das militärische Schauspiel zu ihren Füßen.

Aber wenn sie auch von Anfang an darauf vorbereitet gewesen waren, daß das, was sie zu sehen bekommen würden, ihnen nicht gefiele, ja, wenn es ihnen auch sogar nicht gefallen durfte, das, was sie jetzt sahen, gefiel ihnen trotzdem nicht.

Exzellenz erholte sich zuerst vo seinem Schrecken: „Aber das geht doch nicht.”

Der Herr General stimmte ihm bei: „Aber das geht doch nicht.”

Und der Herr Oberst äußerte dieselbe Ansicht mit denselben Worten.

Und mit einem Male wurde Se. Exzellenz dem Herrn General grob: „Sie sind daran Schuld! Sie allein tragen die Verantwortung für die Schweinerei, die wir da unten sehen, Sie allein haben sich die Aufgabe ausgedacht.”

Der General knickte ganz in sich zusammen. Daß sich das Gefecht so entwickeln würde und könne, hatte er für ganz ausgeschlossen gehalten.

Exzellenz hielt es auf dem Hügel nicht länger aus, er gab seinem Gaul die Sporen und jagte davon und die anderen jagten hinterher, ohne zu wissen, wohin die Reise ging. Das wußte Exzellenz selbst nicht. Ziellos galoppierte er in der Welt herum, die anderen immer hinterher, bis sie sich dann plötzlich alle auf demselben Fleck wiederfanden, von dem sie losgeritten waren.

Die Adjutanten, denen ihre Pferde leid taten, waren der Ansicht, daß man eigentlich gleich hätte da bleiben können, wo man war. Aber so törichte Gedanken können natürlich nur die Adjutanten haben, die sich zwar stets einbilden, klüger zu sein als ihre Herren, aber trotzdem deren geheimste Gedanken nicht zu erraten vermögen — sehr häufig schon deshalb nicht, weil die Vorgesetzten sich sehr häufig bei dem, was sie tun und sagen, garnichts denken.

Exzellenz wurde schwach, als er sah, was sich jetzt da unten vor seinen Füßen abspielte.

Er ließ sich aus der Satteltasche seines Adjutanten die Kognakflasche geben und stärkte sich Und dann noch einmal. Drei große Kognaks waren die vorgesetzte Kehle hinunter geglitten. Exzellenz fühlte sich wohler, aber dem Herrn General und dem Herrn Oberst war immer noch sehr mies zu Mute, schon deshalb, weil sie von dem Kognak nichts abbekommen hatten.

Und zu ihren Füßen tobte der Kampf immer weiter, bis plötzlich das Bataillon mit lautem Hurra zum Sturmangriff vorging. Der Feind zeigte die Erschütterungsflagge und gab damit das Zeichen, daß er einfach über den Haufen gerannt war.

Exzellenz bekam einen dunkelroten Kopf, der General wurde ganz blaß und der Oberst faßte mit beiden Händen nach dem Sattelknopf, er war dicht dabei, vor Schrecken vom Pferde zu fallen.

Und jetzt begriffen auch die Adjutanten, was vorlag. Der Hauptmann hatte seine Aufgabe glänzend gelöst. In seiner Dummheit war er garnicht auf den Gedanken gekommen, etwas falsch zu machen.

Exzellenz stöhnte schwer auf: „Was nun?”

Aber sowohl der General wie der Oberst bleiben die Antwort schuldig — wenn Exzellenz sie nicht einmal wußte, wie sollten sie die dann wissen?

Exzellenz schwieg eine ganze Weile, dann sagte er mehr zu sich als zu den anderen: „Sterben muß er doch.”

Und die beiden anderen atmeten erleichtert auf, als wäre ihnen das ewige Leben geschenkt.

Das Signal berief die Offiziere zur Kritik und der Hauptmann erschien mit einer selbstbewußten Miene, die da deutlich sagte: ,Na, seht Ihr denn nun endlich ein, wie dumm Ihr wart, als Ihr mich für dumm hieltet?”

Wenn er nicht so beschränkt gewesen wäre, hätte er sich selbst sagen müssen, daß die Vorgesetzten so etwas nie einsehen, es auch nicht einsehen dürfen.

Dann kam die Kritik und zuerst sprach der Herr General: Gewiß, er könne nicht leugnen, daß der Herr Hauptmann seine Aufgabe richtig gelöst und den Feind zum Rückzug gezwungen habe, das müsse er lobend voll und ganz anerkennen, aber es wäre trotzdem noch sehr die Frage, ob diese Lösung, wenn sie auch richtig wäre, wirklich richtig wäre. Und darauf käme es einzig und allein an. Das Wort: ,Viele Wege führen nach Rom' dürfe man nicht dahin ändern, daß man sage, viele Wege führen zum Sieg. Da gäbe es nur einen, und zwar den, der das Ziel unter möglichst geringer Gefährdung der Truppe erreichte. Nichts wäre falscher, als das Leben der Leute unnötig aufs Spiel zu setzen, das müßte dem Vaterland so lange wie nur irgend möglich erhalten bleiben und wenn der Hauptmann daran dachte und vor allem früher daran gedacht hätte, dann wäre er wohl selbst zu der Überzeugung gekommen, daß der Angriff, wenn er ja auch anscheinend richtig war, doch nicht richtig gewesen wäre.

So ging das noch eine ganze Weile fort und als der Herr General endlich schwieg, war er fest davon überzeugt, daß auch der Hauptmann fest davon überzeugt wäre, nichts wie Blödsinn gemacht zu haben.

Aber der dachte nicht daran, so etwas zu denken, der war nach wie vor der Meinung, richtig gehandelt zu haben, das merkte man deutlich seinem Gesicht an.

Aber diese Meinung und vor allen Dingen dieses Gesicht mußte ihm genommen werden.

So ergriff Exzellenz denn jetzt das WWort: „Auch er könne dem Herrn Hauptmann sein Lob und seine Anerkennung nicht vorenthalten, er müsse sogar offen eingestehen, er sei durch die Art, wie der Feind über den Haufen gerannt wurde, wirklich überrascht gewesen und in Gedanken habe er den Herrn Hauptmann sogar ein halblautes Bravo zugerufen, aber nur ein halblautes, denn unwillkürlich hätte er an das Wort denken müssen „Noch ein solcher Sieg und ich bin verloren.” Natürlich bezöge sich das „ich” auf ihn, den Hauptmann, und nicht auf ihn, die Exzellenz. Im Ernstfalle würde der Sieg völlig unnötigerweise zahllosen Leuten das Leben gekostet haben, und wenn das dem Staate ja auch nichts koste, so sei es dennoch viel zu kostbar, um nutzlos geopfert zu werden.

So ging es noch eine ganze Weile weiter und als Se. Exzellenz endlich schwieg, war er fest davon überzeugt, daß nun auch der Hauptmann fest davon überzeugt wäre, nichts wie Blödsinn gemacht zu haben.

Aber der Hauptmann dachte nicht daran, so etwas zu denken, er war von Anfang an fest davon überzeugt gewesen, daß er seine Sache richtig und dennoch falsch machen werde. Er hatte noch nie etwas auf das gegeben, was die Vorgesetzten sagten. Warum sollte er es gerade jetzt tun, wo sie bald nichts mehr zu sgaen hatten? Die hatten sich nach seiner Meinung bis auf die Knochen der Unsterblichkeit blamiert und es würde ihnen nichts anderes übrig bleiben, als freiwillig den bunten Rock auszuziehen und in Pension zu gehen.

Aber die dachten nicht daran. Anstatt den eigenen Rock auszuziehen, zogen sie ihm seinen aus und hingen ihm den, reichlich mit Kampfer bestreut, in den Kleiderschrank. Da hing er nach ihrer Ansicht lange gut.

Als der Hauptmann den Abschied bekam, wollte er das zuerst garnicht glauben.

Und immer wieder fragte er sich: Wenn man schon den Abschied bekommt, weil man eine Aufgabe richtig, aber nach Ansicht der Vorgesetzten doch falsch löst — was dann, wenn man eine Sache in Wirklichkeit falsch, aber nach Ansicht der Höheren doch richtig löst? Bekommt man da auch den Abschied?

Und die Antwort, die er selbst nicht fand, lautete ganz einfach: „ja”, denn den Abschied bekommen sie alle früher oder später, sintemal und alldieweil die Armee im Interesse des Vaterlandes jung gehalten werden muß.

Aber das Sonderbare dabei ist nur, daß viel mehr Untergebene, die doch erst alt werden müssen, als Vorgesetzte, die doch nicht mehr jung sind, verabschiedet werden.


Fußnote:

(1) Hier heißt es wohl richtiger „Gefilde jener Seligen”, worauf auch der nächste Relativsatz hinweist. (Zurück)


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