Wenn Frauen es satt haben.

Humoristisch-satirische Plauderei von Freiherr von Schlicht
in: Frauen!


Meine Frau, die sonst immer lustig, fröhlich und guter Dinge ist, hatte es plötzlich satt — — satt bis an die äußerste Spitze ihrer Gott sei Dank nur sehr kleinen Nase, sie hatte es so satt, daß es ihr kilometerweise zum Halse heraushing — — sie hatte alles satt, das Leben im allgemeinen und die häusliche Wirtschaft im besonderen und das nach ihrer gewissenhaften Überzeugung mit vollem Recht: Unsere Annette, unser zweites Hausmädchen, dieser Küchendragoner in Weiberkleidern, hatte von dem teuren Geschirr gleich sechs Teller auf einmal kaput geschlagen, wohl in der richtigen Annahme, daß es bedeutend schneller ginge, wenn sie die Teller gleich halbdutzendweise fallen ließ, als wenn sie sich die Mühe gab, jeden Teller einzeln in Scherben zu zerbrechen. Annette war überhaupt eine Tochter des Satans, und die Elly, die sogenannte Köchin ohne Kochkenntnisse — — wenn meine Frau nicht noch zur rechten Zeit in die Küche gekommen wäre, dann wäre das Essen heute wieder ungenießbar gewesen. Die Elly war ein Dussel, und unser erstes Hausmädchen, die Frieda, erst recht. Gestern hatte die noch geschworen, das Kleid meiner Frau zu nähen, das an einer Stelle entzwei gegangen war, und selbstverständlich hatte sie diesen Schwur nicht gehalten. Und nicht genug, daß diese drei holden Jungfrauen meiner Frau Kopfschmerzen bereiteten, Fräulein Helene(1), mein Tippelfräulein, war wieder einmal mit total schmutzigen Stiefeln durch das Haus gelaufen, anstatt sich unten im Souterrain ein Paar reine Hausschuhe anzuziehen. Auf den ohnehin sehr empfindlichen roten Läufern waren die Stiefelspuren jetzt deutlich sichtbar und anstatt daß nun Frieda endlich das Kleid nähen konnte, mußte sie mit der Rollermaschine durch das Haus gehen und die Fußspuren des Tippelfräuleins fortrollern.

Meine Frau hatte es wirklich satt. Was nützten alle Ermahnungen an die Mädchen, die hörten ja doch nicht, die taten nicht, was sie sollten, sondern nur, was sie wollten. Die Gabe, heftig zu werden und zu schelten, war meiner Frau nicht gegeben und im Guten erreichte sie nichts, das hatte sie heute ja wieder eingesehen, und darum und deshalb, sie hatte es wirklich bis zum Überdruß satt und das beste war es schon, sie würde sterben, dann brauchte sie sich wenigstens nicht mehr zu ärgern.

Da hatte meine Frau ja Recht. Wenn wir tot sind, hört der Ärger auf, vorausgesetzt, daß wir uns dann nicht in unserer Aschenurne tagtäglich aufs neue darüber ärgern, daß wir nicht mehr leben. Und deshalb bin ich persönlich stets der Ansicht, daß der Ärger vor dem Tode dem nach dem Tode ganz bedeutend vorzuziehen ist.

So versuchte ich denn meine Frau zu beruhigen. Wer eine Frau davon überzeugen will, daß sie im Unrecht ist, muß ihr in allen Punkten, natürlich gegen seine eigenste Überzeugung, Recht geben, dann sieht die Frau schließlich selbst ein, daß sie Unrecht hat.

So begann ich denn auf die Mädchen zu schelten. ich drohte, der Annette das Genick umzudrehen, der Köchin zu kündigen, der Frieda, dem Hausmädchen, ein Vierteljahr den Ausgang zu verbieten, und meinem Tippelfräulein wollte ich bei einem erfahrenen Akrobaten Privatstunde geben lassen, damit sie endlich die Kunst lerne, auf den Händen zu laufen, und wehe ihr, wenn sie dann noch einmal wagen sollte, ihre Füße zu gebrauchen.

Ich stimmte meiner Frau aus vollster Kehle bei, sie hätte alle Ursache, es mehr als satt zu haben. Aber anstatt mir zu widersprechen, wie das sonst jede Frau tut, wenn man ihr beistimmt, blieb meine Frau heute wirklich bei ihrer Ansicht. Sie hatte es mehr als satt, das Wirtschaftführen und das Leben, das Leben und das Wirtschaftführen, aber am meisten doch das Leben, nein, die Wirtschaft, oder doch das Leben im allgemeinen. Darüber konnte meine Frau sich nicht einig werden, aber das war ja auch gleichgültig, die Hauptsache war und blieb, sie hatte es satt.

Und sie behielt es satt, drei Tage und drei Nächte lang. Nein, ob auch des Nachts, das wußte ich nicht, denn wir haben getrennte Schlafzimmer, und ob meine Frau des Nachts schlief, oder auch da die Wirtschaft und das Leben satt hatte, das erfuhr ich schon deshalb nicht, weil ich nicht danach fragte.

Bis ich es dann endlich satt bekam, daß meine Frau es immer noch satt hatte und bis ich sie in das Gebet nahm: „Nun höre mich bitte einmal an. Daß du dich neulich vorübergehend geärgert hast, will ich dir gerne zugeben, aber daß du dich auch heute noch dadurch so niederdrücken läßt, daß du des Lebens überdrüssig bist, dazu liegt weder ein Grund noch eine Veranlassung vor. Man soll sich von den kleinlichen Ärgernissen, die das Leben mit sich bringt, nicht gleich derartig niederdrücken lassen, das ist man schon den Menschen schuldig, mit denen man zusammen lebt.” —

Und ich hielt eine Rede, die so schön war, daß Ciceros Reden, die noch heute der Jugend die Jugend verbittern, gar nicht dagegen aufkommen konnten, aber ich erreichte weiter nichts, als daß meine Frau immer wieder zu mir sagte: „Ich weiß selbst nicht, wie es kommt, ich versuche es ja auch, dagegen anzugehen, aber ich habe es dieses Mal wirklich so grenzenlos satt, — — — ach ich wünschte wirklich, ich wäre tot.”

Und als sich das meine Frau zum zehnten Male gewünscht hatte, fing sie plötzlich an zu weinen, hauptsächlich wohl deshalb, weil ich ingrimmig mit der Faust auf den Tisch geschlagen hatte, und laut aufschluchzend rief sie mir zu: „Was habe ich denn überhaupt noch vom Leben, nicht einmal den Tod darf ich mir wünschen, ohne daß du gleich heftig wirst.”

Meine Frau weinte.

Ich habe in meinem reichbewegten Leben viele Frauen weinen sehen, aber ich kenne keine, die so weinen kann, wie meine Frau: ihre kleine, zarte Gestalt zittert und fliegt, die Tränen schießen ihr gleich Bächen aus den Augen hervor und ihr kleines Kindergesicht nimmt dann einen so todestraurigen Ausdruck an, daß jedem, der es sieht, das Herz brechen muß.

Ich habe in meinem Leben schon viele Frauen weinen sehen und da ich keine Frau weinen sehen kann, habe ich in meinem Leben schon vielen Frauen die Tränen getrocknet. Die Taschentücher allein helfen da nichts. Es ist meine feste Überzeugung, daß nur der es fertig bringt, reich zu werden, den es ganz kalt läßt, ob eine Frau weint oder nicht.

Mich hat es leider nie kalt gelassen und ich glaube, ich habe nur deshalb so vielen Frauen die Tränen trocknen dürfen, denn in den Augen der Frauen sind unsere Schwächen unsere Vorzüge. Die Frau liebt es an dem Mann, wenn er stark und energisch ist — — — — anderen Frauen gegenüber!

Wenn eine Frau sich in einen Mann verliebt, dann liebt sie ihn nicht, weil er so ist, wie er ist, sondern sie liebt ihn, weil sie ihn genau genug kennt, um zu wissen, daß der unter ihrem Einfluß bald so werden wird, wie sie ihn haben will.

Wenn jede Frau ihren Mann um seiner selbstwillen liebte, würde es lauter unglückloche Ehen geben.

Meine Frau weinte und ich kann keine Frau weinen sehen, am allerwenigsten meine eigene Frau.

Die Tränen einer Frau sind ihr Wunschzettel und dieser Wunschzettel ist umso länger, je länger eine Frau weint.

Die Frauen ruinieren mit ihren Tränen alljährlich viel mehr Existenzen, als es die Spielbanken in Monte Carlo und in Ostende tun.

Die Polizei sollte in den großen Städten nicht die Spielhöllen verbieten, sondern den Frauen die Tränen. Wenn die Frauen nicht mehr weinten, hätten die Ehemänner es nicht mehr nötig zu spielen, um das Geld zu gewinnen, das sie brauchen, um die Tränen zu trocknen.

Je reicher die Ehemänner sind, um so leichter weinen ihre Frauen.

Und meine Frau weinte immer noch. Gottlob, daß sie in jeder Hinsicht eine Ausnahmenatur war, da wußte ich es im voraus: sie weinte nicht, weil sie sich etwas wünschte, sondern weil ihre zarten Nerven wieder einmal überreizt waren, weil sie es dieses Mal wirklich satt hatte.

So zog ich denn mein Taschentuch hervor, mein Taschentuch, das nur aus dünnem Batist, nicht aus Gold oder Diamanten oder Brillanten bestand und dann sprach ich auf meine Frau ein. Alle Liebe, die ich für sie empfinde, legte ich in meine Worte hinein und nicht vergebens. Das Weinen wurde stiller und immer stiller, das Zittern und Beben, das durch den Körper meiner Frau ging, hörte mehr und mehr auf und schon glaubte ich, sie fange endlich an, sich wieder ganz zu beruhigen — da aber überfiel sie ein neuer Weinkrampf und mit einer Stimme, die mir durch Mark und Bein ging, rief sie herzzerreißend: „Und anständig anziehen kann man sich auch nicht mehr.”

Das also war des Pudels Kern, nur daß der mich nicht lachen machte. Darum hatte sie es also satt? Aber nein, ich mußte mich irren und so widersprach ich ihr denn sofort: „Aber geliebtes Weib, ich bitte dich, wenn du dich nicht mehr anständig anziehen kannst, dann weiß ich wirklich nicht, wer es sonst tun soll. Du weißt, ich mische mich prinzipiell nicht in deine Toiletten­geschichten, aber soviel muß ich denn doch sagen, du hast dir für deine Toiletten ein Budget aufgestellt, das trotz der hohen Fleischpreise eine aus mindestens zehn Köpfen bestehende Familie in den Stand setzt, sich tagtäglich an Fleisch mehr als satt zu essen. Wie du dich da nicht mehr anständig anziehen kannst, das geht über meinen Verstand und es ist mir vollständig unerklärlich, worauf sich dein Schmerzensschrei begründet. Deine Einnahmen sind nicht geringer geworden, die Preise für deine Kleider haben sich meines Wissens nicht erhöht, warum klagst du also?”

Und dann kam es heraus, nach langem Bitten und Flehen meinerseits, doch Vertrauen zu mir zu haben, mir endlich alles einzugestehen, mir zu erklären, warum sie es satt habe, satt bis an die äußerste Spitze ihrer Gott sei Dank nur sehr kleinen Nase. Es kam heraus, als ich sie bei den alten Göttern Griechenlands und bei den neuesten Hutmodellen ihrer Lieferantin beschwor, wieder mein geliebtes Weib zu sein und wie bisher mit lachenden, fröhlichen Augen in die Welt zu sehen. Da endlich gestand sie mir ein, warum sie hatte sterben wollen und warum sie auch jetzt noch sterben wolle und warum sie es satt habe, so unaussprechlich satt.

Dan endlich kam es heraus: Sie hatte in der Zeitung gelesen, daß die russische Regierung es vom 1. Januar ab für die Dauer von zwei Jahren bei strengster Strafe verboten habe, Zobel zu schießen.

Ich habe in meinem reichbewegten Dasein einmal einen Abend erlebt, der mir über alles, was Weib heißt, einerlei, ob jung oder alt, ob ledig oder verheiratet, die Augen sperrweit öffnete, und seit jenem Abend wundere ich mich bei einem weiblichen Wesen über nichts mehr. Man kann mir erzählen, was man will und man kann tausend Mal zu mir sagen: „Sie kennen ja auch die Frauen, aber trotzdem, halten Sie so etwas für möglich?” Man kann mir das Unmöglichste und das Wunderbarste erzählen, ich habe noch ganz andere Dinge erfahren, aber trotzdem und trotz alledem gestand ich mir dieses Mal ein: So etwas war mir denn doch noch nicht vorgekommen.

Wie konnte meine Frau das Wirtschaftführen und das Leben, das Leben und das Wirtschaft­führen satt haben, weil in Rußland zwei Jahre lang keine Zobel geschossen werden durften?

Denn meine Frau hatte doch schon einen wundervollen Zobelkragen, der viele Tausende kostete und schon oft den Neid und die Bewunderung der besitzlosen Klasse erregt hatte.

Ja, wenn meine Frau noch keinen Zobel besessen hätte, dann wäre des Rätsels Lösung ja sehr einfach gewesen, aber so?

Und so sagte ich denn: „Höre mich an, du Glück meines Lebens, du weißt, daß ich aus Prinzip nie frage, schon, um keine Antwort zu erhalten. Wenn eine Frau plaudert und erzählt, ist das Poesie. Wenn aber eine Frau eine Frage beantwortet, dann ist das, was sie sagt, die allernüchternste Prosa, und Frauen dürfen nicht in Prosa sprechen, dann hören sie auf, schön und begehrenswert zu sein, dann verlieren sie ihren Charme und ihre Anmut. Aber trotzdem, in diesem Falle muß ich dich doch schon um eine Antwort bitten, was hat das Verbot der russischen Regierung mit deinem Lebensüberdruß zu tun?”

Und dann kam die prosaische Antwort: Der Zobelkragen meiner Frau war nicht mehr modern !

Dann erfuhr ich auch die Gründe. Man trug die Pelzkragen jetzt nicht mehr lang und schmal, sondern kurz und breit. Wenigstens im Rücken mußte der Kragen so gearbeitet sein, daß er bis zur Taille reichte, daß er den ganzen Rücken bedeckte. Man wickelte sich einen solchen Kragen nicht mehr wie früher ein paar Mal um den Hals herum und man ließ vorn die Enden nicht mehr bis auf die Kniee, oder womöglich noch weiter herunterhängen, sondern höchstens nur noch bis zur Taille, oder allerhöchstens noch zwei Hände breit tiefer.

Und dann fragte meine Frau plötzlich: „Erinnerst du dich noch der Polin, die wir in diesem Jahr zu wiederholten Malen auf der Brunnenpromenade in Bad Elster(2) sahen? Erinnerst du dich noch an den wundervollen Zobel, den die trug? Der war ganz modern, der war einfach wundervoll und nicht wahr,” bat sie mit schmeichelnder Stimme, „du erinnerst dich doch, daß ich schon damals zu dir sagte: So möchte ich meinen Zobel auch verändert und vergrößert haben?”

Ich erinnerte mich wirklich nicht, denn wo ist der Mann, der alles behalten kann, was eine Frau im Laufe einer langen Ehe sagt? Es gibt keinen Mann, der alles behalten kann, denn soviel behält nicht einmal eine Frau. Eine Frau behält nur das, was sie behalten will und am allergenauesten behalten die Frauen das, was sie gar nicht gesagt haben.

Wenn ein Mann von seiner Frau gefragt wird, ob er sich erinnere, muß der stets „ja” sagen — — sagt er „nein” — — — —

Ich sagte: „Nein, du kannst mich auf den Kopf stellen, ich weiß es wirklich nicht mehr.”

Meine Frau sah mich mit ganz traurigen Augen an: „Und dabei haben wir uns damals so lang und so ausführlich über den Zobel unterhalten. Ich bat dich darum, mir meinen Kragen ändern lassen zu dürfen, ich weiß sogar noch ganz genau, daß du mir zur Antwort gabst: Wenn es dich denn glücklich macht, meinetwegen. Weißt du das wirklich nicht mehr?”

Nein, ich wußte es wirklich nicht, aber ich mußte es trotzdem wissen, das sah ich meiner Frau deutlich an, ich las es in ihren traurigen Augen, mit denen sie mich flehentlich ansah, als wolle sie meinem Gedächtnis zu Hilfe kommen, als wolle sie mich zum mindesten dahin bringen, daß ich ihr zuliebe glaubte, was sie mir da eben erzählt hatte.

Und so sagte ich den plötzlich: „Ja, du hast Recht, nun fällt es mir wieder ein.”

Meine Frau klatschte vor Freude in die Hände, dann sagte sie: „Ich wußte es ja, daß du dich wieder darauf besinnen würdest und daß du mich doch noch lieb hast.”

Was hatte meine Liebe damit zu tun, daß ich mich auf eine Äußerung besann, die ich nie in meinem ganzen Leben gemacht hatte?

Das wußte sicher nicht einmal meine Frau, aber da irrte ich mich, sie wußte es doch, denn plötzlich sagte sie: „Nun, da ich weiß, daß du mich noch lieb hast, wirst du nicht zurücknehmen, was du mir in diesem Sommer(3) erlaubtest. Nicht wahr, du erlaubst mir, daß ich mir den Kragen ändern lasse, denn ich kann doch nicht zum Gespött der Straßenjungen mit einem vollständig unmodernen Pelzkragen auf der Straße herumgehen?”

„Glaubst du wirklich, daß die hiesige Straßenjugend so genau über die neueste Mode in Pelzsachen unterrichtet ist? Und glaubst du, daß in den Häusern wie bei uns allwöchentlich zehn verschiedene Modejournale abgeliefert werden, glaubst du, daß die Mütter der Straßenjugend allabendlich bei dem Schein der Petroleumlampe die Hefte daraufhin durchsehen, wie heutzutage die Zobelkragen getragen werden und wie nicht?”

Meine Frau wurde ein klein wenig verlegen, dann meinte sie: „Na, wenn auch nicht gerade die Straßenjugend, dann aber doch bestimmt die anderen Leute, denen man hier begegnet. Davon aber ganz abgesehen, weißt du doch, daß ich alles, was ich trage, doch nur für dich trage.”

„Dann kann es dir ja also vollständig gleichgültig sein, wie die anderen Leute das, was du trägst, beurteilen,” warf ich ein. „Ob die anderen es hübsch oder häßlich, modern oder unmodern finden, was liegt daran, du kleidest dich ja nur für mich.”

Meine Frau wandte sich schmollend ab: „Das verstehst du nicht.”

Nur ein Glück, daß wir Männer nicht ganz so dumm sind, wie die Frauen es zuweilen von uns glauben.

Aber trotzdem, die klügsten Männer verstehen ihre Frauen am wenigsten und die klügsten Männer werden von ihren Frauen am meisten betrogen, weil die Frauen ihnen beweisen wollen, daß sie noch klüger sind.

Nur daß die Frauen es ihren Männern nicht eingestehen, wenn ihnen dieser Beweis gelungen ist.

Die klügsten Frauen sind auch zugleich die schlauesten, aber die schlauesten sind nur selten zugleich die klügsten.

Da erklang plötzlich die Stimme meiner Frau: „Also du meinst, ich soll mir den Kragen jetzt nicht ändern lassen, denn wenn es dir ganz einerlei ist, ob ich modern angezogen gehe oder unmodern, obgleich du weißt, daß ich mich nur deinetwegen hübsch kleide, und wenn es dir denn wirklich ganz gleichgültig ist, was die Leute darüber reden, wie ich mich kleide, dann hat es natürlich gar keinen Zweck, dann kann der Kragen ja bleiben wie er ist. Natürlich kann ich den Kragen dann aber vorläufig nicht mehr tragen, vielleicht erlebe ich es noch, daß er in dreißig oder vierzig Jahren wieder modern ist, sonst erleben es vielleicht meine Erben. Aber das sage ich dir gleich, wenn du doch dafür sein solltest, daß ich mir den Kragen ändern lasse und ich sehe es dir an, du bist dafür. — Nicht wahr, du bist auch dafür, du bist ja so grenzenlos gut und du hast mir noch nie einen Wunsch abgeschlagen und warum solltest du das wohl auch? Ich bin dir ja eine so gute Frau, ich tue alles für dich, was ich nur kann, ich habe keinen anderen Gedanken als den, für dich zu sorgen, warum solltest du mir da nicht auch einen Wunsch erfüllen, wo ich doch so selten einen habe?”

Wenn eine Frau sich jede Minute etwas anderes wünscht und sich jede Stunde etwas anderes schenken läßt, so ist sie trotzdem nach ihrer festen Überzeugung vollständig wunschlos.

Je mehr Wünsch eine Frau hat, desto weniger wünscht sie sich, denn sie wünscht es sich doch nicht wirklich, um ihren Wunsch auch erfüllt zu sehen, sondern sie wünscht es sich nur, um es sich zu wünschen — — — sagt die Frau.

Wenn einer Frau ein Wunsch nicht erfüllt wird, ist sie unglücklich, aber wenn ihr der Wunsch erfüllt wird, dann ist sie erst recht unglücklich und macht sich die größten Vorwürfe, weil sie ihren Mann veranlaßt hat, ihretwegen soviel Geld auszugeben, — — — sagt die Frau.

Es gibt nichts, was eine Frau sich nicht wünscht. Nur eins wünscht sich keine Frau: Daß der Mann Geld auf die Sparkasse bringt.

Wenn ein Mann einmal seiner Frau zu Weihnachten oder sonst irgend wann als Geschenk ein Sparkassenbuch über zehntausend Mark bringen würde, dann würde jede Frau ihren Mann für einen Verschwender erklären und nicht eher ruhen, bis er das Geld wieder für sie ausgegeben hat.

Ich sah es meiner Frau an, ich sollte ihr beistimmen, daß sie so selten einen Wunsch habe und es hätte ja auch gar keinen Zweck gehabt, ihr das Gegenteil zu beweisen. So sagte ich denn: „Du hast Recht, du wünschest dir eigentlich nie etwas, allerhöchstens jeden dritten Tag etwas anderes und darum und deshalb, wenn es dich denn glücklich macht, lasse dir den Kragen ändern.”

Aber wenn ich geglaubt hätte, meine Frau würde über diese meine Einwilligung sehr erfreut sein und diese ihre Freude irgendwie äußern, dann irrte ich mich sehr. Meine Frau sagte nur: „Ob es mich nun glücklich macht oder nicht, das kommt gar nicht in Frage, ganz abgesehen davon, daß von solchen Kleinigkeiten das Glück doch wirklich nicht abhängt. Es handelt sich ja auch nicht darum, ob ich den Kragen ändern lassen will, sondern lediglich um die Tatsache, daß ichn ihn jetzt ändern lassen muß — — — denn da in Zukunft keine Zobel mehr geschossen werden dürfen, wird der Zobel derartig rasend teuer werden, daß er überhaupt nicht mehr zu bezahlen ist. Schon jetzt ist er durch das bevorstehende Verbot geradezu erschreckend im Preise gestiegen und das muß ich dir bei der Gelegenheit gleich sagen, ich kann die Umänderung des Kragens, die sehr viel Geld kostet, nur dann bezahlen, da eine ganze Menge Zobel hinzugenommen werden muß — — wie gesagt, ich kann das einzig und allein nur dann bezahlen, wenn du es bezahlst.”

Ich wollte niederknien, flehend die Hände zu meiner Frau erheben und wollte sie beschwören: „Hab' Erbarmen.”

Aber wo ist die Frau, die mit einem Mann Erbarmen fühlt, wenn sie sich einen neuen Zobel wünscht?

Wenn ein Mann aus Entsetzen über die Wünsche seiner Frau von derartigen rasenden Kopf­schmerzen befallen wird, daß er sich niederlegen muß, dann sitzt die Frau in ihrer Herzensgüte stundenlang an seinem Lager, macht ihm kalte Umschläge, streichelt seine Hände und pflegt ihn mit der rührendsten Liebe, bis er dann endlich wieder gesund ist. Aber kaum hat sie ihn gesund gepflegt, da ist ihre erste Frage: „Nicht wahr, du erfüllst mir doch meine Bitte?”

Und so fragte ich denn auch nur: „Was wird es kosten?”

Als ich den Preis erfuhr, glaubte ich, ich solle lang hinschlagen. Hätte ich doch nur nicht den Versuch gemacht, die Tränen meiner Frau zu trocknen!

„Und wenn es mir nun ganz unmöglich ist, das zu bezahlen, wenn ich ganz einfach nicht so viel Geld habe?”

Mit ganz großen, traurigen Augen sah meine Frau mich an: „Dann geht es natürlich nicht, dann muß ich darauf verzichten, denn so unbedingt nötig ist es auch nicht, ich will denn doch nicht, daß du dich meinetwegen in Schulden stürzt. Gott sei Dank, so bin ich denn doch nicht, wie die anderen Frauen, die auf die Finanzen ihres Mannes gar keine Rücksicht nehmen, die lustig darauf los kaufen, die es ihrem Mann überlassen, wie er alles bezahlen will. Da bin ich doch anders, ich habe dich immer ermahnt, mir nicht zuviel zu kaufen, vor allen Dingen nie Schulden zu machen, das sollst du auch jetzt nicht, unter gar keinen Umständen.”

Und gleich darauf fragte sie ganz plötzlich und unvermittelt: „Kannst du dir das Geld nicht irgendwo leihen, oder es dir bei einem deiner Verleger als Vorschuß geben lassen?”

Ich starrte meine Frau fassungslos an: „Aber ich denke, ich soll deinetwegen unter gar keinen Umständen Schulden machen? Und ob ich das Geld nun dem Kürschner schuldig bleibe, oder einem guten Freunde, oder meinem Verleger, das ist doch Jacke wie Hose.”

Aber meine Frau widersprach: „Das sehe ich absolut nicht ein.”

Wenn eine Frau etwas nicht einsieht, weil sie es nicht einsehen will, dann ist nichts mit ihr anzufangen und erst recht nicht, wenn sie es „absolut” nicht einsehen kann. Dann ist jedes Wort überflüssig und so versuchte ich denn auch gar nicht, meine Frau davon zu überzeugen, daß sie es einsehen müsse, wohl aber versuchte meine Frau, mich davon zu überzeugen, daß sie es bei dem besten Willen wirklich nicht einsehen könne und daß ich ihr beistimmen müsse, ob ich wolle oder nicht.

Drei Stunden sprach meine Frau auf mich ein, drei Stunden leistete ich passiven Widerstand, weil ich ihr gegen meine Überzeugung nicht beistimen wollte, dann streckte ich die Waffen, setzte mich an meinen Schreibtisch und pumpte meinen Verleger derartig an, daß ihm bei dem Lesen meines Briefes ganz betsimmt die Augen übergehen würden. Und da ich doch einmal pumpte, pumpte ich nicht nur das, was der Zobelkragen kosten würde, sondern ich pumpte auch zugleich für mich ein schönes Stück Geld. Aber als ich dann meiner Frau den Brief zum Lesen gab, war sie ganz erschrocken: „Ich bitte dich um alles in der Welt, warum läßt du dir denn soviel Vorschuß schicken, soviel kostet der Kragen doch gar nicht, wofür brauchst du persönlich denn überhaupt Geld?”

„Vielleicht für dich,” gab ich zur Antwort, „wer kann wissen, ob du es sehr bald wieder einmal satt hast, da bin ich wenigstens finanziell für diesen Fall gerüstet.”

Da sah meine Frau mich mit flehenden Augen an: „Tu' mir die einzige Liebe und laß dir nicht soviel Geld schicken. Du weißt, es ist mir schrecklich, wenn du dir Vorschuß nimmst, den du doch mühselig wieder abarbeiten mußt. Laß dir nicht soviel Geld schicken, ich schwöre es dir, ich werde es auch nie wieder satt haben, ich hatte es ja auch gar nicht satt, ich weiß es selbst nicht, was ganz plötzlich in mich gefahren war, nein, ganz bestimmt, ich hatte es gar nicht satt.” —

Aber das Geld für die Umänderung des Zobelkragens mußte ich mir trotzdem schicken lassen: Nicht, weil meine Frau es satt gehabt hatte, sondern weil sie es nicht satt gehabt hatte, obgleich sie weiß Gott alle Ursache gehabt hätte, es wirklich satt zu haben! — — —


Fußnoten:

(1) Ist hier Schlicht's dritte Frau, Helene Berger, gemeint? (Zurück)

(2) Schlicht/Baudissin war z.B. im Mai 1910 in Bad Elster zur Kur. (Zurück)

(3) Diese Plauderei ist also im gleichen Jahr geschrieben, in dem der Kuraufenthalt in Bad Elster stattfand. (Zurück)


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