Von Freiherrn von Schlicht.
Aus: „Kieler Zeitung” vom 7.8.1896,
in: „Westungarischer Grenzbote” vom 12.08.1896,
in: „Rostocker Anzeiger” vom 16.8.1896,
in: „Meraner Zeitung” vom 26. und 28.8.1896,
in: „Abendblatt”, (Chicago Ill.), vom 31.08.1896,
in: „Castroper Anzeiger” vom 10.2.1897,
in: „Deutsche Kriegszeitung von Baranowitschi” vom 19.1.1916,
in: Radioprogramm Sender Dortmund am 6.11.1926,
in: Radioprogramm Sender München am 2.6.1927 und
in: Aus der Schule geplaudert.
Militärische Humoresken
und
aus: Das lustige Salzer-Buch
Heitere Lektüre- und Vortragsstücke
gesammelt und herausgegeben von
Marcell Salzer
Band 1
(Fassung „Schlicht”) |
(Fassung „Salzer”) |
Der Weg ist breit, der zum Verderben führt, und es sind ihrer viele, die ihn wandern — lautet ein bekantes Wort; man kann es für das Manöver etwas verändern und da sagen: „Der Weg ist weit, der zum Feinde führt, und es sind ihrer viele, die ihn wandern.” Allerdings nicht freiwillig; — würde jeder, der im Manöver zum Gefecht geführt wird, um seine Meinung über diesen Punkt gefragt werden, so würde unter tausendmal die Antwort neunhundertneunundneunzigmal lauten: mir liegt gar nichts an der Sache(1), meinetwegen könnte der heutige Manövertag ausfallen, der morgige auch , ebenso der nächste, und so weiter, bis die Herbstübungen zu Ende sind. Soldaten werden aber in mancher Weise wie die kleinen Kinder behandelt; sie werden nie um Rat gefragt, sondern haben einfach zu tun, was die Erwachsenen, die Vorgesetzten, befehlen, und tun sie es nicht, so werden sie wie die kleinen Kinder in eine dunkle Stube eingeschlossen — da mögen sie denn sitzen und darüber nachdenken, daß es sehr töricht ist, einen eigenen Willen und eine(2) eigene Ansicht zu haben, zumal eine, die nicht mit derjenigen der Vorgesetzten identisch ist. „Das Detachement steht morgen früh um fünf Uhr am Schnittpunkt der beiden Wege am Ostausgang des Dorfes, ausgeruht, Gewehre zusammengesetzt.” So befiehlt der General kraft seines Amtes, und jeder, der den Befehl zu hören bekommt, flucht — es wird gräßlich viel beim Militär geflucht, meistens aber innerlich — das hat sein Gutes, man erleichtert sein Herz und braucht nicht zu fürchten, daß unberufene Ohren hören, was sie gar nichts angeht. Pünktlich um fünf Uhr ist am nächsten Morgen alles zur Stelle — keiner wagt es, der an ihn ergangenen Einladung nicht auf die Minute(3) zu folgen; es würde ihm übel bekommen, wenn er, wie so oft im Winter auf den Gesellschaften, sich entschuldigen würde: „Ich bitte sehr um Verzeihung, daß ich habe auf mich warten lassen — im letzten Augenblick erfuhr ich noch eine Abhaltung.” Wehe dem, der also sprechen würde! Nun erscheint der Herr General; prüfenden Auges mustert er die Versammelten und spricht in seinem Innern: „Der König rief, und alle, alle kamen.” Noch einen Augenblick der Erholung — dann versammelt der Höchstkommandierende seine Untertanen um sich und gibt die „Idee” aus. In diesem Falle ist sie sehr einfach: „Meine Herren, es sind mir heute nacht Meldungen zugegangen, denen zufolge der Feind seine gestrige Stellung aufgegeben hat und den Rückmarsch antrat. Wir werden dem Gegner folgen, ihn zum Stehen zu bringen versuchen und vernichten.” Die Augen des Generals sprühen Feuer und Blitz, — die anderen Herren aber, besonders diejenigen, die per pedes apostolorum durch die Welt wandern müssen, sind nicht halb so kriegerisch gesinnt, und denen wäre es viel lieber, der Feind wäre im Vormarsch und griffe selbst an, als daß sie nun hinter ihm herlaufen müssen. Wo werden sie auf ihn stoßen, wenn sie ihn überhaupt treffen? Unwillkürlich fallen ihnen die schönen Rechenaufgaben ein, bei denen sie sich als Schüler den Kopf zerbrochen: „Ein Husar, der zwei Stunden Vorsprung hat, während welcher Zeit er fünfzehn Kilometer reitet(4), und der nun sechs Kilometer(5) zurücklegt, wird von einem Ulanen verfolgt, der in der Stunde sieben dreisechsundsiebenzigstel Kilometer reitet. Wo werden sie sich treffen?” „Im Wirtshaus,” lautet die bekannte Lösung — aber beim Militär ist eine derartige friedliche Entwicklung der Dinge ausgeschlossen. So heißt es denn „An die Gewehre”. „Eskadron — Batterie aufgesessen,” und die Kolonne setzt sich in Marsch. Man müßte eigentlich noch festzustellen versuchen, wer das Marschieren erfand, und wenn man den Schuldigen ermittelt, so sollte man ihn ausgraben, ihm soviel von Liebigs Fleischextrakt zu essen und zu trinken geben, bis er wieder lebendig wird — Liebigs Fleischextrakt wirkt bekanntlich Wunder — und den also Auferstandenen müßte man so lange marschieren lassen, bis er auf die Knie fiele und da spräche: „Kinder, verzeiht mir, nur die Sucht, Geld zu verdienen, ließ mich diese Erfindung machen, die noch schlimmer ist als eine Fahrt am Sonntag nachmittag mit der Berliner Stadtbahn. Ich ziehe meine Erfindung hiermit zurück und vernichte sie.” Vier Stunden marschiert die Kolonne nun schon durch tiefe Sandwege, und zwei ältere Oberleutnants(6) vertreiben sich die Zeit damit, daß sie sich für jeden Schritt, den sie schon in ihrem militärischen Leben gemacht haben, einen Taler wünschen. Der eine hat sein Notizbuch gezogen und rechnet emsiglich: aber die Summe, die da herauskommt, ist eine so gewaltige, daß selbst Li-Hung-Tschang, dessen Vermögen einem on dit zufolge vierzig Millionen Dollars betragen soll, im Vergleich damit ein elender Straßenbettler ist. Dem einen Herrn Ober(7), der gestern sein letztes Zwanzigmarkstück angebrochen hat, wird bei dem Anblick des vielen Geldes — ach, leider befindet es sich nur auf dem Papier — so schwindelig, daß er ohne Gnade umgefallen wäre, wenn nicht in diesem Augenblick „Halt” kommandiert würde. Es bedarf einer gewissen Anstrengung, um die Beine zum Stehen zu bringen — als dies aber endlich gelungen, fragt sich jeder: „Was ist los?” „Wir haben ihn,” lautet die tröstliche Antwort, und in dem Augenblick, da sie bei Sedan Napoleon hatten mit allem, was zu ihm gehörte, kann die Beteiligten keine größere Freude durchdrungen haben als in dieser Sekunde, da es heißt: „Wir haben ihn.” Der Gegner ist erreicht: die weit vorausgeschickte selbständige Kavallerie hat den Feind aufgespürt, schnell ist nach hinten Meldung erstattet; eine reitende Batterie jagt nach vorn, einen Staub aufwirbelnd, daß die Infanterie für Minuten höchstens noch mit Hilfe der Röntgenschen X-Strahlen sichtbar ist, und bald verkünden Kanonenschüsse, daß der Gegner unter Feuer genommen ist; weiter zurück kann er nun nicht, jetzt muß er Front machen und sich seiner Haut wehren. Unsere Artillerie feuert auf Entfernungen von zwei bis drei Kilometer, ebensoviel beträgt die Marschlänge eines Detachements. Diejenigen also, die hinten in der Queue marschieren, haben trotz der Siegesbotschaft „wir haben ihn” noch mindestens sechs Kilometer zu laufen. Und das ist weder schön noch angenehm, wenn man denkt, man ist am Ziel. Inzwischen wird vorn an der Tête Kriegsrat gehalten. — Der General hat alle berittenen Offiziere nach vorne befohlen und überschaut mit ihnen das zukünftige Schlachtfeld. Er erteilt jedem seine Befehle. Die Kavallerie soll weiter vorgehen und festzustellen versuchen, wo der rechte und linke Flügel des Feindes steht: „Meine Herren, das zu erfahren, ist für mich von der größten Wichtigkeit, damit ich, je nach der Sachlage, entweder rechts oder links umfassend vorgehen und den Feind zermalmen kann.” Wieder sprühen seine Augen Funken, der hohe Herr ist heute sehr kriegerisch gestimmt, und deshalb befiehlt er der Artillerie, den Gegner unter ein mörderisches Feuer zu nehmen und auf dieser Anhöhe auszuharren, bis er mit seiner ganzen Infanterie zum Sturm übergeht; sie soll nicht weichen, wenn das Feuer der feindlichen Artillerie auch noch so vernichtend wird. Der Herr Major und Abteilungskommandeur legt die Hand an den Helm und spricht sein: „Zu Befehl”. Ein angenehmerer Befehl konnte ihn gar nicht erreichen: Die feindlichen Manöverkartuschen töten und verwunden niemand, sie mögen davon verfeuern, soviel sie wollen, er wird sich nicht von der Stelle rühren. Höchstens wird er für seine Person sich einmal nach seiner zweiten Munitionsstaffel begeben und das Frühstück revidieren, das nebst einigen Flaschen Bier(8) in dem leeren Wagen verpackt ist, denn er hat einen niederträchtigen Hunger. Die Pioniere sollen eine Laufbrücke bauen, auf der er dem Feind in den Rücken zu kommen versuchen will. Die Scharniere(9), wie die Pioniere gewöhnlich genannt werden, sind ob dieses Auftrags nicht sehr erbaut. Es ist eine ziemliche Arbeit, solch Ding zusammenzuschlagen, und ist es endlich fertig, so ist es entweder durch den Gang des Gefechtes überflüssig geworden, oder aber, und das ist bei weitem schmerzlicher, geht jeder Kompagniechef mit seiner Truppe um die Brücke herum, weil er dem Zauber nicht traut und sich lieber nasse Füße holt, als daß er bei einem Zusammenbruch der Brücke sich die Füße bricht. Die Infanterie hat natürlich, wie bei jedem Gefecht, die Hauptaufgabe. Das eine Bataillon greift vorne an, das zweite und dritte verlängert rechts, respektive links, das vierte Bataillon wird für einen Flankenstoß bereitgehalten, das nächste für die beabsichtigte Umgehung, „und dann, Herr Major, bestimmen Sie, bitte, eine Kompagnie, die als Spezialreserve zu meiner alleinigen Verfügung bleibt.” „Zu Befehl, Ew. Exzellenz. Ich bestimme die zehnte Kompagnie, die an der Queue des Detachements marschiert, als Spezialreserve.” Der Hauptmann von der Zehnten sagt: „Zu Befehl, Herr Major,” und Se. Exzellenz sagen: „Sehr einverstanden, Herr Hauptmann,” und nach einer kleinen Pause: „Ich bitte die Herren, nun anzutreten(10).” Und wild tobt die Schlacht. Die Batterien verfeuern eine Kartusche nach der anderen: „Vom rechten Flügel an feuern!” lautet das Kommando, und die Zugführer rufen: „Erstes Geschütz — Feuer. Zweites Geschütz — Feuer. Drittes Geschütz — Feuer,” und sind sie bei dem letzten angekommen, so fangen sie, weil es so schön ging, wieder von vorne an. „Haust du mir, so hau' ich dir,” denkt die Artillerie des Gegners: mit Schnellfeuer überschüttet sie den Feind, der sich über diese Munitionsverschwendung lustig macht und sich schon auf den Augenblick freut, da der Gegner bei der Kritik deswegen „einen auf den chapeau-Hut bekommt”. Die Kavallerie ist vorgeritten und attackiert den Feind, wo sie ihn findet; weit ertönt das „Hurra”, das sie ausstößt, wenn sie mit eingelegter Lanze dahinstürmt — selbst bei Mars la Tour wurde nicht so tapfer attackiert. Die Pioniere sind fleißig beschäftigt, ihre Brücke über den schmalen Wassergraben zu bauen, und sie lassen sich in ihrer Tätigkeit durch das stärkste feindliche Feuer nicht stören — fertig werden muß das Bauwerk zur befohlenen Zeit, und darum tun sie das einfachste, was ihnen zu tun übrigbleibt: sie ignorieren den Gegner. Die Infanterie hat sich entwickelt: immer stärker, immer länger werden die Schützenlinien, Tausende von Platzpatronen werden verfeuert, und der kurze, scharfe Knall wirkt auf die Nerven. |
Es ist im Manöver. |
Adjutanten, Ordonnanzoffiziere, Meldereiter, Radfahrer — alles jagt hin und her, Befehle empfangend und überbringend, überall eine fieberhafte Tätigkeit, überall — Nein, nicht überall. Dort am Waldesrand, im Schatten kühler Bäume, hat die königliche Zehnte, die Spezialreserve, ihre Gewehre zusammengesetzt und schläft. Sie schläft so süß — was sollen die Leute auch Besseres tun, ihr Hauptmann wacht für sie, der wird schon, wenn es Zeit ist, rufen: „An die Gewehre!” Und mutig werden sie dann in den Kampf ziehen, aus dem sie alle heil zurückkommen. Vorläufig hat es damit aber noch gute Weile: Stunde auf Stunde kann noch vergehen, ehe alle Truppen eingesetzt sind, ehe die Umgehung ausgeführt, ehe der Feind niedergekämpft, ehe die Spezialreserve in Tätigkeit tritt, um da einzugreifen, wo ihr Auftreten für den Ausgang des Gefechtes ausschlaggebend ist. Aber auch die schönsten Stunden des Tages gehen vorüber, und die Weisen aller Zeiten sind sich darüber einig, daß sie viel schneller vergehen als die traurigen. Und so mancher brave Musketier der Spezialreservekompagnie lag noch im tiefsten Schlummer und träumte von dem zärtlichsten Rendezvous mit seiner Guste, von dem leckersten Abendbrot bei der Heißgeliebten in Abwesenheit ihrer Herrschaft, als plötzlich des Häuptlings rauhe Stimme alle Traumbilder — Lumbye(11) träumt poetischer — verjagte und sie in die Wirklichkeit zurückrief. |
Adjutanten, Ordonnanzoffiziere, Meldereiter, Radfahrer — alles jagt hin und her, Befehle empfangend und überbringend, überall eine fieberhafte Tätigkeit, überall. — Nein, nicht überall. Dort am Waldesrand, im Schatten kühler Bäume, hat die königliche Zehnte, die Spezialreserve, ihre Gewehre zusammengesetzt und schläft. Sie schläft so süß — was sollen die Leute auch besseres tun, ihr Hauptmann wacht für sie, der wird schon, wenn es Zeit ist, rufen: „An die Gewehre!” Und mutig werden sie dann in den Kampf ziehen, aus dem sie alle heil zurückkommen. |
„An die Gewehre!” „Die Spezialreserve soll sofort antreten,” ruft ein Adjutant, der atemlos um die Waldecke herangestürmt kommt, „Richtung geradeaus auf die dicke Eiche dort auf dem Felde!” „Jawohl, ich komme schon,” bemerkt der Häuptling, „solche Eile hat es wohl nicht, man immer Zeit lassen.” „Das Gewehr über — marschiert auf, marsch — marsch. Bataillon marsch!” Und im strammen Parademarsch tritt die königlichen Zehnte als Spezialreserve an. Der Häuptling befindet sich dreißig Schritt vor der Front, der mittelste Zugführer marschiert gerade auf ihn los, so kommt die Kompagnie dahin, wo sie soll. Endlos weit ist es noch bis zu der befohlenen Eiche — wohl noch ein Kilometer. Da kommandiert der Hauptmann plötzlich: „Bataillon halt! Gewehr ab — rührt euch.” |
„An die Gewehre!” „Die Spezialreserve soll sofort antreten,” ruft ein Adjutant, der atemlos um die Waldecke herangestürmt kommt, „Richtung geradeaus auf die dicke Eiche dort auf dem Felde!” „Jawohl, ich komme schon,” bemerkt der Häuptling, „man immer Zeit lassen. Die Schlacht wird gewonnen!” „Das Gewehr über — marschiert auf, marsch — marsch. Bataillon marsch!” Und im strammen Parademarsch tritt die königlichen Zehnte als Spezialreserve an. Da kommandiert der Hauptmann plötzlich: „Bataillon halt! Gewehr ab — rührt euch.” |
Vor ihm breitet sich, soweit das Auge reicht, ein Rapsfeld aus — Flurschaden zu machen ist verboten, Rapsfelder dürfen unter keinen Umständen, auch nicht von einzelnen Leuten, betreten werden, Se. Exzellenz, der kommandierende Herr General, hat das gestern noch ausdrücklich betont und hinzugefügt, daß jeder, der ein Rapsfeld betrete, den Schaden selbst bezahlen müsse.
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Vor ihm breitet sich, soweit das Auge reicht, ein Rapsfeld aus — Flurschaden zu machen ist verboten, Rapsfelder dürfen unter keinen Umständen betreten werden, Seine Exzellenz, der kommandierende Herr General, hat das gestern noch ausdrücklich betont und hinzugefügt, daß jeder, der ein Rapsfeld betrete, den Schaden selbst bezahlen müsse. |
Und nun: Raps, Raps, weiter nichts als Raps.(12) Hilfesuchend blickt der Häuptling um sich(13), ob er nicht einen anderen Weg zum Vorgehen findet, da kommt abermals ein Adjutant angesprengt: „Se. Exzellenz lassen fragen, warum die Reservekompagnie nicht vorginge?” „Ich habe ein Rapsfeld vor mir.” „Wo?” „Da.” „Aber ich bitte Sie, das ist doch kein Raps, das weiß ich ganz genau, ich bin vom Lande, das ist irgend solch gelbes Pferdefutter.” „Wirklich? Ich glaubte, es wäre Raps.” „Aber ich bitte Sie — keine Spur — Raps sieht ganz anders aus.” „Na, denn man los. Das Gewehr über — Bataillon marsch.” Aber kaum hat die Kompagnie das linke Bein hochgehoben, als atemlos ein Mitglied der „Flurbeschädigungskommission” angesprengt kommt: „Herr Hauptmann, Herr Hauptmann, wo wollen Sie hin?” Mit dem Degen zeigt der Gefragte nach der Eiche, die zu erreichen ihm befohlen ist. „Aber, Herr Hauptmann, sehen Sie denn nicht, daß Sie ein Rapsfeld vor sich haben?” „Verzeihen der Herr Major, dies ist kein Raps.” „Kein Raps? Aber ich bitte Sie um alles in der Welt, was ist es denn, wenn es kein Raps ist?” „Ja, ich weiß auch nicht, Herr Major, ich glaube, das ist irgend solch gelbes Pferdefutter.” |
Und nun: Raps, Raps, weiter nichts als Raps. Hilfesuchend blickt der Häuptling sich um, ob er nicht einen anderen Weg zum Vorgehen findet, da kommt abermals ein Adjutant angesprengt: „Seine Exzellenz lassen fragen, warum die Reservekompagnie nicht vorginge?” „Ich habe ein Rapsfeld vor mir.” „Wo?” „Da.” „Aber ich bitte Sie, das ist doch kein Raps, das weiß ich ganz genau, ich bin vom Lande, das ist irgend solch gelbes Pferdefutter.” „Wirklich? Ich glaubte, es wäre Raps.” „Aber ich bitte Sie — keine Spur — Raps sieht ganz anders aus.” „Na, denn man los. Das Gewehr über — Bataillon marsch.” Aber kaum hat die Kompagnie das linke Bein hochgehoben, als atemlos ein Mitglied der „Fluzrbeschädigungskommission” angesprengt kommt: „Herr Hauptmann, Herr Hauptmann, wo wollen Sie hin?” Mit dem Degen zeigt der Gefragte nach der Eiche, die zu erreichen ihm befohlen ist. „Aber, Herr Hauptmann, sehen Sie denn nicht, daß Sie ein Rapsfeld vor sich haben?” „Verzeihen der Herr Major, dies ist kein Raps.” „Kein Raps? Aber ich bitte Sie um alles in der Welt, was ist es denn, wenn es kein Raps ist?” „Ja, ich weiß auch nicht, Herr Major, ich glaube, das ist irgend solch gelbes Pferdefutter.” |
„Aber, Herr Hauptmann — ich bitte Sie — keine Spur — Pferdefutter sieht ganz anders aus, das weiß ich ganz genau, ich bin vom Lande, dies ist Raps.” „Zu Befehl, Herr Major, dies ist Raps.” „Jawohl, dies ist Raps, bitte, gehen Sie nicht weiter vor.” „Zu Befehl. — Gewehr ab — rührt euch.” Kaum hat das Mitglied der Flurbeschädigungskommission in dem frohen Bewußtsein, großen Schaden verhütet zu haben, sein Pferd gewendet und ist davongeritten, als atemlos der Herr Bataillonskommandeur einhergesprengt kommt: „Herr Hauptmann — Herr Hauptmann, wo stecken Sie denn nur? Warum gehen Sie nicht weiter vor? Herr, warum greifen Sie nicht, wie Ihnen befohlen, in das Gefecht ein? — Lassen Sie sofort antreten.” „Ich kann nicht weiter vor — ich habe ein Rapsfeld vor mir.” „Herr — wollen Sie mich zum besten haben — dies soll Raps sein? — Lupinen sind es, weiter nichts, bitte, treten Sie sofort an.” „Verzeihen der Herr Major, es ist doch Raps — die Flurbeschädigungskommission, deren Anordnungen wir zu folgen haben, hat mir mit Bestimmtheit erklärt, es wäre Raps; der Herr Major sagte mir, er wäre vom Lande und irre sich nicht.” „Ich bin auch vom Lande!” ruft der Bataillonskommandeur, „glauben Sie etwa, daß ich keinen Raps kenne? Lassen Sie antreten — den Lupinen wird das nichts schaden.” |
„Aber, Herr Hauptmann — ich bitte Sie — keine Spur — Pferdefutter sieht ganz anders aus, das weiß ich ganz genau, ich bin vom Lande, dies ist Raps.” „Zu Befehl, Herr Major, dies ist Raps.” „Jawohl, dies ist Raps, bitte, gehen Sie nicht weiter vor!” „Zu Befehl. — Gewehr ab — rührt euch.” Aber kaum hat das Mitglied der Flurbeschädigungskommission in dem frohen Bewußtsein, großen Schaden verhütet zu haben, sein Pferd gewendet und ist davongeritten, als atemlos der Herr Bataillonskommandeur einhergesprengt kommt: „Herr Hauptmann — Herr Hauptmann, wo stecken Sie denn nur? Warum gehen Sie nicht weiter vor? Herr, warum greifen Sie nicht, wie Ihnen befohlen, in das Gefecht ein? — Lassen Sie sofort antreten.” „Ich kann nicht weiter vor — ich habe ein Rapsfeld vor mir.” „Herr — wollen Sie mich zum besten haben — dies soll Raps sein? — Lupinen sind es, weiter nichts, bitte, treten Sie sofort an.” „Verzeihen der Herr Major, es ist doch Raps — die Flurbeschädigungskommission, deren Anordnungen wir zu folgen haben, hat mir mit Bestimmtheit erklärt, es wäre Raps; der Herr Major sagte mir, er wäre vom Lande und irre sich nicht.” „Ich bin auch vom Lande! Glauben Sie etwa, daß ich keinen Raps kenne? Lassen Sie antreten — den Lupinen wird das nichts schaden.” |
„Na, meinetwegen sind's Lupinen,” brummt der Häuptling vor sich hin. „Das Gewehr über. Bataillon marsch.” Aber im letzten Augenblick besinnt sich der Hauptmann doch noch: „Bataillon — Halt! Wollen der Herr Major den etwaigen Flurschaden tragen, wenn es doch Raps sein sollte?” „Aber Herr, in des drei Teufels Namen: es ist kein Raps.” „Wollen der Herr Major nicht so liebenswürdig sein und mir den Befehl, durch dieses Rapsfeld zu gehen, schriftlich geben?” Doch der Herr Bataillonskommandeur tut, als ob er die Frage nicht hörte; er gibt seinem Gaul die Sporen und jagt um die linke Waldecke. „Meine Herren,” wendet sich der Häuptling an seine Offiziere, „Sie werden mir bezeugen können, daß ich auf Befehl, wider meinen Willen, dieses Feld betrete.” Und als sie sich bereit erklärten, für ihn einzutreten, kommandiert er: „Bataillon — marsch.” |
(„Na, meinetwegen sind's Lupinen.”) „Das Gewehr über. Bataillon marsch.” |
Aber kaum hat die Kompagnie das linke Bein hochgehoben, als der Herr Oberst auf schaumbedecktem Pferd um die rechte Waldecke ankommt. „Herr Hauptmann, wo bleiben Sie denn nur mit Ihrer Kompagnie? ich denke, Sie hätten Zeit genug gehabt, sich auszuruhen.” „Zu Befehl, Herr Oberst. Ich glaubte, ich hätte ein Rapsfeld vor mir, deshalb hielt ich.” „Raps, Raps? Ach so, ja dort! Ist das wirklich Raps?” „Zu Befehl, Herr Oberst.” „Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher?” „Ich glaube ,ja', Herr Oberst.” „Was heißt das, ich glaube ,ja', entweder ist es Raps, oder es ist kein Raps, was ist es denn nun?” „Raps, Herr Oberst.” „Woher wissen Sie das, Herr Hauptmann?” „Das sehe ich, Herr Oberst.” „Das kann ich mir denken, Herr Hauptmann, aber woran erkennen Sie, daß es Raps ist?” Der Herr Hauptmann schweigt: es ist seine gewissenhafte Überzeugung, daß es Raps ist — aber ganz genau die Merkmale anzugeben, vermag er nicht. „Ja, Herr Hauptmann, wenn Sie Ihrer Sache nicht sicher sind, hätten Sie sich erkundigen sollen — nach meiner Überzeugung ist es kein Raps. Bitte, treten Sie an(14) — die Verzögerung Ihres Eintreffens vor Se. Exzellenz zu erklären, muß ich Ihnen überlassen.” Er wendet sein Pferd, und mit wahrer Todesverachtung marschiert der Hauptmann in das Rapsfeld ein. |
Aber kaum hat die Kompagnie das linke Bein hochgehoben, als der Herr Oberst auf schaumbedecktem Pferde um die rechte Waldecke ankommt. „Herr Hauptmann, wo bleiben Sie denn nur mit Ihrer Kompagnie? ich denke, Sie hätten Zeit genug gehabt, sich auszuruhen.” „Zu Befehl, Herr Oberst. Ich glaubte, ich hätte ein Rapsfeld vor mir, deshalb hielt ich.” „Raps, Raps? Ach so, ja dort! Ist das wirklich Raps?” „Zu Befehl, Herr Oberst.” „Sind Sie Ihrer Sache ganz sicher?” „Ich glaube ja, Herr Oberst.” „Was heißt das, ich glaube ja, entweder ist es Raps, oder es ist kein Raps, was ist es denn nun?” „Raps, Herr Oberst.” „Woher wissen Sie das, Herr Hauptmann?” „Das sehe ich, Herr Oberst.” „Das kann ich mir denken, Herr Hauptmann, aber woran erkennen Sie, daß es Raps ist?” Der Herr Hauptmann schweigt: es ist seine gewissenhafte Überzeugung, daß es Raps ist — aber ganz genau die Merkmale anzugeben, vermag er nicht. „Ja, Herr Hauptmann, wenn Sie Ihrer Sache nicht sicher sind, hätten Sie sich erkundigen sollen — nach meiner Überzeugung ist es kein Raps. Bitte, treten Sie an.” „Zu Befehl, Herr Oberst! — Das Gewehr über! Bataillon — marsch!” |
Aber kaum ist er zehn Schritte gegangen, als ein donnerndes „Halt!” in seinem Rücken ertönt. Er wendet sich um und erblickt den Brigadekommandeur. Er kommandiert „Gewehr ab — rührt euch” und reitet zu dem Vorgesetzten. |
Aber kaum ist er zehn Schritte gegangen, als ein donnerndes „Halt!” in seinem Rücken ertönt. Der Brigadekommandeur! „Gewehr ab — rührt euch!” Der Hauptmann sprengt vor den Vorgesetzten. |
„Herr Hauptmann — was machen Sie im Rapsfeld?” „Verzeihen der Herr General — dies ist kein Raps.” „Kein Raps?” fragt der erstaunt, „was ist es denn?” „Ich weiß es auch nicht, Herr General — irgendwelch gelbes Pferdefutter — Lupinen oder wie es heißt.” „Aber ich bitte Sie, Herr Hauptmann — keine Spur — Lupinen sehen ganz anders aus — das weiß ich ganz genau — ich bin vom Lande — dies ist Raps.” „Zu Befehl, Herr General, dies ist Raps.” „Jawohl, dies ist Raps — aber ich bitte Sie, wenn Sie das wußten, warum gingen Sie denn in das Feld hinein?” Das Signal „Halt”, das über die Ebene ertön, überhebt den Hauptmann der Antwort. Der Herr General wendet sein Pferd und reitet davon, und als wenige Minuten später zur Kritik geblasen wird, gibt auch der Herr Hauptmann seinem Gaul die Sporen und jagt davon. „Ist das nun Raps oder ist das nun kein Raps?” darüber dachte der Hauptmann unterwegs nach, ohne eine Antwort zu finden. |
„Herr Hauptmann — was machen Sie im Rapsfeld?” „Verzeihen der Herr General — dies ist kein Raps.” „Kein Raps? Was ist es denn?” „Ich weiß es auch nicht, Herr General — irgendwelch gelbes Pferdefutter — Lupinen oder wie es heißt.” „Aber ich bitte Sie, Herr Hauptmann — keine Spur — Lupinen sehen ganz anders aus — das weiß ich ganz genau — ich bin vom Lande — dies ist Raps.” „Zu Befehl, Herr General, dies ist Raps.” „Jawohl, dies ist Raps — aber ich bitte Sie, wenn Sie das wußten, warum gingen Sie denn in das Feld hinein?” Das Signal „Halt”, das über die Ebene ertön, überhebt den Hauptmann der Antwort. Der Herr General wendet sein Pferd und reitet davon, und als wenige Minuten später zur Kritik geblasen wird, gibt auch der Herr Hauptmann seinem Gaul die Sporen und jagt etwa in folgendem Rhythmus dahin: Raps oder — kein Raps! — Raps oder — kein Raps! — Raps oder — kein Raps! — Raps . . . ! |
Die Kritik lautete dahin, daß die zehnte Kompagnie hätte vorgehen müssen; war es wirklich Raps, so hätte sich bei einiger Umsicht wohl ein anderer Weg zum Vordringen gefunden, da es aber nicht einmal entschieden sei, ob es wirklich Raps gewesen wäre, so hätte die Kompagnie unter allen Umständen vorgehen müssen, vorausgesetzt natürlich, daß es kein Raps war. |
Die Kritik lautete dahin, daß die zehnte Kompagnie hätte unbedingt vorgehen müssen. Aus folgenden Gründen: 1. War's kein Raps, so hätte die Kompagnie eo ipso vorgehen müssen. 2. War es Raps, so hätte sich bei einiger Umsicht wohl ein anderer Weg finden müssen. 3. Da es aber nicht einmal entschieden sei, ob es Raps oder kein Raps war, so hätte die Kompagnie unter allen Umständen vorgehen müssen — vorausgesetzt natürlich, daß es kein Raps war. |
Und von dieser Minute an hat der Herr Hauptmann, der bisher ein sehr verständiger Mann war, einen kleinen Raptus. |
(1) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „an der ganzen Sache” (zurück)
(2) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „und eigene Ansicht” (zurück)
(3) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „auf die Minute hin” (zurück)
(4) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „fünfzehn Kilometer eilt” (zurück)
(5) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „sechs Kilometer in der Stunde” (zurück)
(6) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „Premierlieutenants” (zurück)
(7) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „Premier” (zurück)
(8) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „nebst einigen Flaschen Bieres” (zurück)
(9) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „Die Schweine” [Offensichtlich konnte der Setzer Schlicht's Handschrift kaum lesen. D.Hrsgb.] (zurück)
(10) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „einzutreten” (zurück)
(11) Hans Christian Lumbye (2.5.1810 - 20.3.1874) war ein bekannter dänischer Kapellmeister und Komponist („Der Strauß des Nordens”). Er komponierte u.a. „Die Traumbilder”. (zurück)
(12) Dieser Absatz fehl in der Fassung der „Kieler Zeitung”. (zurück)
(13) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „blickt der Häuptling sich um”. (zurück)
(14) In der Fassung der „Kieler Zeitung” heißt es hier: „treten Sie ein”. (zurück)